Montag, 29. Oktober 2018

LED ZEPPELIN BY LED ZEPPELIN

London im Mai 2018: Led Zeppelin mit einem Arbeitsentwurf ihrer Monographie
© Dave Brolan/Reel Art Press
Ganz in dekadent anmutendem lila Leinen gebunden, 448 Seiten stark, ultradickes High Quality-Hochglanzpapier, reduziert stylisch im Design mit dem ikonischen Bandlogo im Jugendstil-Font und den mystischen, die Bandmembers repräsentierenden „Four Symbols“. Das sind die Hard Facts des wohl am meisten herbeigesehnten Musikbuch-Releases des Jahres. Nun ist die aufwändige Retrospektive „Led Zeppelin by Led Zeppelin“ erschienen und als langjähriger Fan muss man konstatieren, dass sich das Warten mehr als gelohnt hat.
Dieser coffee table-Band ist nicht nur das allererste Buch-Release von Zeppelin selbst sondern – abseits von div. Musik-Reissues – auch die einzige neue offizielle Veröffentlichung zum heurigen Jubiläumsjahr. Vor genau 5 Jahrzehnten trug es sich ja zu, dass es im United Kingdom zur musikhistorisch folgenreichen Fusion jener Four Symbols kam, bei der sich Jimmy Page, Robert Plant, John Bonham und John Paul Jones zu der quintessentiellen Hard Rock-Band zusammenschlossen.
Led Zeppelin  am 17 Januar 1975. Met Center, Minneapolis, Minnesota, USA
© Neal Preston
Ausgehend von diesen early days, den Formationsjahren am letzten Ausläufer des großen britischen Blues-Rock Booms, wird im Buch auch der Bogen über die Siebziger-Regentschaft bis zum Todesjahr John Bonhams 1980 gespannt, der gleichzeitig das vorzeitige Ende der Band besiegelte. Die diversen Projekte der verbleibenden Mitglieder ab den Achtzigern werden hier vollständig ausgeklammert, nach 1980 gibt es einen Zeitsprung zur einmaligen Reunion von 2007, die nicht nur dieses Buch sondern offenbar auch die Geschichte dieser von Fans vergötterten, von  Rockjournalisten jedoch oftmals missverstandenen Gruppe, beschloss.
Led Zeppelin, Los Angeles from the cover session for the 1969 US tour book
©Ron Raffaelli/Ron Raffaelli Collection
Eine universelle Bandchronik im herkömmlichen Sinne wie man das von anderen Zeppelin-Retrospektiven der Vergangenheit kennt, stellt dieses neue Anniversary-Release dennoch nicht dar. Zwar gibt es im Buch Vorworte, Epiloge und einige persönliche Erinnerungen zu den Fotos von Page, Plant und Jones - doch auf eine extensive musikhistorische Einordung oder biographische Detailbetrachtungen wird hier weitgehend verzichtet. Somit richtet sich dieses Buch weniger an jene, die Led Zep erst durch die neue HBO-Serie  „Sharp Objects“ und eine Spotify/Tidal-Playlist entdeckt haben als an die Eingeweihten, die langjährigen Fans.
Diese finden in den 448 Seiten sowohl bekanntes (Jimmy Page, der sich backstage die Bottle gibt…) als auch viel bislang ungesehenes (Plant im Schwimmbad!) sowie eine Auswahl von schlichtweg ikonischen Aufnahmen: von den geradezu mythisch anmutenden Liveshots, Plattencoverkunstwerken von Hipgnosis, Fundstücken aus den umfangreichen Atlantic Records-Archiven sowie Shots von Zeitzeugen und Koryphäen der Rock N´Roll-Photography wie Ross Halfin, Neal Preston, Jeffrey Mayer, Dick Barnatt, Chris Dreja, Carl Dunn, Bob Gruen, Elliott Erwitt, Ron Raffaelli, Pennie Smith, David Stratford, Dominique Tarlé oder Michael Zagaris.
Wobei „Led Zeppelin by Led Zeppelin“ den Fokus nicht allein auf das ikonisch Überhöhte legt, sondern auch Aufnahmen aus den persönlichen Sammlungen der Band zeigt: Beim Durchblättern wird man stellenweise an ein Privatfotoalbum erinnert -  es sind die kleinen Momente abseits der Transformation zu Rock-Göttern.
Led Zeppelin live am 2 Juni 1973 im Kezer Stadium, San Francisco, California USA
© Neal Preston
Prben für den Reunion-Gig in Shepperton, 5 December 2007
© Neal Preston
Markiert dieser Band nicht nur das unglaubliche 50-Jahr Jubiläum sondern auch eine Zäsur, einen endgültigen Abschluss? Fast sieht es danach aus, eine neuerliche Reunion scheint so gut wie ausgeschlossen und neue Musik ist ebenfalls nicht zu erwarten. Was aber eigentlich nicht schlimm ist, ist doch dem in sich völlig stimmigen Backkatalog von Led Zeppelin letztlich nichts mehr hinzuzufügen.
Page, Plant & Jones setzen sich selbst mit diesem attraktiven Prachtband  - der sich vom Konzept her nahtlos in die bisherigen Audio-und DVD Veröffentlichungen von Led Zep einordnet - ein bibliophiles Denkmal, das nicht nur ein schönes Sammlerstück für Aficionados darstellt sondern einem Schlusspunkt unter der phänomenalen Bandgeschichte gleicht.
Credit Coverbild:© Reel Art Press
Bibliographische Angaben:
Led Zeppelin by Led Zeppelin
von Jimmy Page, Robert Plant and John Paul Jones
Deutsch, 24 x 30,5 cm, 448 Seiten,über 300 Abbildungen
Hardcover,€ 59,95
Oktober 2018 
ISBN 978-3-98188

Sonntag, 28. Oktober 2018

LYNYRD SKYNYRD LIVE IN ATLANTIC CITY


Credit Bild: © earMusic
Play Sweet Home Alabama one more time….

Wie bei so vielen der ganz Großen die ihren Start in den Siebzigern hatten scheint das Ende für die Southern Rock Band Lynyrd Skynyrd , die sich gerade auf ausgedehnter Farewell Tour befinden, in Sicht. Jüngste Interviews mit Gitarrist Gary Rossington und Sänger Johnny Van Zant deuteten zwar an, dass dieser Abschied auf Raten noch etwas länger dauern wird und gar ein neues Album am Horizont erscheinen könnte, die regelmäßigen Liveshows werden nach dieser Tour aber wohl weniger werden.
Koinzidierend dazu erscheint in der „Decades Rock Live!“-Reihe mit  „Live In Atlantic City“ ein neuer Livemitschnitt, der vieles von dem Reiz, den diese Band ausübt in sich vereint.
Noch dazu als für Sammler interessante Version mit CD + Blu ray in stylischer Aufmachung im Slipcase in edler Lederoptik.

Doch halt; aktuell oder neueren Datums ist dieser Gig bei genauerer Betrachtung gar nicht. Im Gegensatz zur letzten Blu ray der Südstaatler ist dieser CD+DVD Live-Mitschnitt nämlich schon 12 Jahre alt: Der Gig in der Stadt Nucky Thompsons wurde 2006 aufgenommen,  wird jedoch nun erstmals released. Dass dieses Live-Dokument schon einige Jahre auf dem Buckel hat, kann man weniger von der Setlist her ableiten – ist diese doch ähnlich wie bei den Stones seit der Skynyrd Revial/Reunion aus den 90ern eine Konstante; vielmehr wird es aufgrund der Gaststars deutlich: Mit American Idol-Castingshow-Teilnehmer Bo Bice und 3 Doors Down, die zuletzt Mitte der 2000er relevant waren hat man es offenbar mit Zugeständnissen an den damals vorherrschenden Nu Rock zu tun.
Passender erscheint da schon, dass der stets gut gelaunte Bruder im Geiste Hank Williams Jr., der insbesondere bei „Born To Boogie“ aufdreht, sich die Bühne mit den Skynyrds teilt. 
Credit Coverbild: © earMusic

Tracklist en detail:

1.     Workin´ For MCA
2.     Red White And Blue (Love It Or Leave)
3.     Gimme Three Steps
4.     The Real Thing (feat. Bo Bice)
5.     Gimme Back My Bullets (feat. Bo Bice)
6.     Down South Jukin´ (feat. Hank Williams Jr.)
7.     Born To Boogie (feat. Hank Williams Jr.)
8.     That Smell (feat. 3 Doors Down)
9.     Kryptonite (feat. 3 Doors Down)
10.  Saturday Night Special
11.  Call Me The Breeze
12.  Sweet Home Alabama
13.  Free Bird

Bonus Feature: Lynyrd Skynyrd Confidential auf der Blu ray.

Natürlich drängte sich – insbesondere in den letzten Jahre bei Skynyrd-Shows das Theseus –Paradoxon auf: ist das noch Skynyrd wenn fast kein Orignalmember mehr dabei ist ? Davon einmal abgesehen hört man hier zum Glück noch den Billy Powel l(R.I.P.) mit seinem unnachahmlich leichten, swingenden Pianospiel.
„Live in Atlantic City“ ist ein solider wenngleich nicht spektakulärer  Gig in gerade für Fans schöner Sammleraufamchung – wenngleich die Frage offen beliebt, wieso dieser doch eher im Zeitgeist des letzten Jahrzehnts verhaftete Gig erst jetzt veröffentlicht wurde.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Das Babylon an der Spree: Es wird Nacht im Berlin der 20er Gewinnspiel + Ausstellung


Credit Bild: © Robert Nippoldt  Taschen Verlag
Passend zur aktuellen ORF und ARD-Ausstrahlung von „Babylon Berlin“ eröffnet am 08. November im Hamburger Taschen Store die Ausstellung zu einem der interessantesten Buchprojekte der letzten Zeit: Robert Nippoldts  Mischung aus Geschichtsbuch und Graphic Novel-Bildband Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger  (bei der der Zeichner auch persönlich zugegen sein wird und seinen Bildband signiert).

Das Leben im damaligen Berlin glich einem Drahtseilakt zwischen purem Luxus und grenzenloser Armut; eine Stadt im explosiven Spannungsfeld zwischen Progressivität und stärker werdendem Nationalismus. Vor dem drohenden Untergang durch Weltwirtschaftskrise und der Machtergreifung der Nationalsozialisten feierte man im Babylon an der Spree noch einmal in hedonistischer Zukunftsvergessenheit im Moka Efti und anderen Lokalitäten des 20er-Nightlifes. 
Credit Bild: © Robert Nippoldt  Taschen Verlag
Berlin, das ist bzw. war auch die Stadt der Dietrich, von Brecht und Weill, von Boxlegende Schmeling und Ort des Triumphs der Comedian Harmonists. Schriftseller wie Isherwood oder Wissenschaftler wie Einstein konnte man in der Metropole genauso treffen wie Mackie Messer auf der Bühne des Theaters am Schiffbauerdamm oder Langs Maschinenfrau Maria am Kudamm. Es sind solche realen und fiktiven Charaktere eines gleichzeitig schillernden und dunklen Berlins die die Hauptfiguren in Nippoldts Portrait dieser faszinierenden Stadt sind. Seine noir-inspirierten, expressiven und teils sehr witzigen Bildern mit informativen Begleittexten von Autor Boris Pofalla lassen eine untergegangene Epoche förmlich wiederauferstehen. 

Ausstellungseröffnung mit Buchpräsentation & Book Signing
08. November 2018, 15:00 Uhr - 19:00 Uhr

TASCHEN Store Hamburg
Bleichenbrücke 1-7
20354 Hamburg
Deutschland

WIN - WIN WIN
Passend dazu verlose ich in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Taschen Verlag ein Exemplar von „Es wird Nacht im Berlin der 20er“
Ihr wollt diesen faszinierenden Band euer Eigen nennen?

1) Dann schreibt eine E-Mail mit der Betreffzeile „Berlin Twenties Gewinnspiel“ und mit dem Hinweis, dass ihr von mir bzw. 6strings24frames kommt und an dem Gewinnspiel teilnehmen möchtet.

2) Schickt die Mail an  c.waiblinger@taschen.com

Der Gewinner oder die Gewinnerin wird dann kontaktiert.
Viel Glück beim Gewinnspiel !

Einsendeschluss ist der 24. November 2018
Keine Barablöse möglich.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
 
Credit Bild: © Robert Nippoldt  Taschen Verlag
Bibliographische Angaben:
Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger
Robert Nippoldt, Boris Pofalla
Hardcover mit CD, 23,5 x 37 cm, 224 Seiten
ISBN 978-3-8365-6319-2
Ausgabe: Deutsch

Freitag, 12. Oktober 2018

PIETER BRUEGEL – Das vollständige Werk



Die Dulle Griet (auch: Die Tolle Grete), 1563  Antwerpen, Museum Mayer van den Bergh        Taschen
Über sein genaues Geburtsjahr herrscht ebenso Uneinigkeit wie über weiterführende Details seiner Biographie: Pieter Bruegel der Ältere ist nicht nur ein faszinierendes Mysterium der Kuntgeschichte um dessen Leben und Wirken sich der Mantel der Ungewissheit hüllt sondern auch nach wie vor einer der populärsten Superstars der alten Meister: Als ungeschminkter Chronist der damaligen Lebensrealität zeigte er in seinen aufwändigen, detailverliebten Gemälden das Leben im Herzogtum Brabant in all seiner Armut und Derbheit. Gleichzeitig war der „Bauernbruegel“ in seiner Kunst aber auch ein apokalyptischer Visionär dessen Bilder ihn  als legitimen Nachfolger des „Alptraummalers“ Hieronymus Bosch etablierten  - siehe etwa "Die Dulle Griet" am Beginn dieses Artikels oder auch das heute noch unheimlich anmutende  „Der Triumph des Todes“, beides Meisterwerke Bruegels die einem Still aus einem Horrorfilm gleichen. 
Der Turmbau zu Babel (Wiener Fassung), 1563 Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie
Copyright: © Kunsthistorisches Museum, Vienna, Photo: Luciano Romano
2019 jährt sich der Todestag des flämischen Künstlers zum 450. Mal; doch schon jetzt kann man im  Kunsthistorischen Museum in Wien eine monumentale Ausstellung bewundern, bei der erstmal eine umfassende Retrospektive auf „de drol“ gezeigt wird mit ganzen 40 Gemälde, 60 Zeichnungen und 80 Grafiken.
Passend zu dieser monothematischen Eventausstellung bei der neben den umfangreichen Eigenbeständen des KHM auch Leihgaben aus aller Welt vereint werden ist im Taschen Verlag nun eine umfangreiche Monographie über den großen Meister erschienen.
Dieser zeigt im XL-Format in der typischen Luxusausführung des Kölner Verlags die gesamte Bandbreite des Schaffens des Renaissancekünstlers.
Der Engelsturz (auch: Der Sturz der rebellierenden Engel), 1562 Brüssel, Royal Museums of Fine Arts of Belgium
Copyright: © Royal Museums of Fine Arts of Belgium, Brüssel / image by Google
Der Vorteil dieses 492 seitigen Mammutwerks ist natürlich, dass man durch die hochwertigen Reproduktionen die extrem facettenreichen Bilder ganz genau studieren kann. Immerhin handelt es sich bei dem flämischen Künstler um einen jener Maler der den Betrachter oft mit seinen Darstellungen förmlich bombardiert. So erschließen sich manche Aspekte erst bei genauem Studium der teils realistischen, teils surrealen Darstellungen.
So man also nicht das Glück einer Privatführung im Museum hat wird man die detailreichen Werke Bruegels  wohl kaum genauer unter die Lupe nehmen können als mit diesem Prachtband. 
Credit Bild: © Taschen Verlag
TASCHEN
Pieter Bruegel. Das vollständige Werk
Jürgen Müller, Thomas Schauerte
Hardcover mit Ausklappseiten, 492 Seiten 
€ 150

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Dario Argento - Vier Fliegen auf grauem Samt


Credit Coverbild: © Koch Media
Passend zum an sich unnötigen, nichtsdestoweniger mit großer Spannung erwarteten „Suspiria“-Remake - in dem „50 Shades Of Grey“-Star Dakota Johnson vom Regen in die Traufe, also vom Spielzimmer des Christian Grey in die Fänge einer Hexe kommt - lohnt es sich durchaus den Originalen, den Klassikern des Großmeisters der italienischen Horror, Dario Argento, einen Revisited-Besuch abzustatten.
Doch wenn man diese kultisch verehrten, vom Mainstream mitunter geschmähten Filme in entsprechender Qualität und vor allem „uncut“ genießen will, sind die Möglichkeiten relativ überschaubar. Waren diese Filme doch entweder jahrelang auf dem Index, im Giftschrank der Populärkultur verräumt oder schlichtweg nicht erhältlich und somit verschollen.
Eine der Möglichkeiten einen der ganz seltenen Streifen Argentos zu sehen, wäre die gelungene Neuauflage von „Vier Fliegen auf grauem Samt“ aka „Quattro mosche di velluto grigio“ aus dem Hause Koch Media  - wenn man Glück hat und noch ein Exemplar dieser Reissue ergattern kann.

Ohne zuviel über die Handlung dieses Mysterienspiels italienischer Prägung zu verraten, nur ein kurzer Abriss der Grundsynopsis dieses Giallo: Der Musiker Alberto (Michael Brandon), Drummer einer – wir sind hier immerhin in den 70ernFusion-Band lebt zwischen Jamsessions und der Beziehung mit seiner aparten Freundin (Mimsy Farmer) dahin. Doch unvermittelt bricht das Böse in seine Welt ein: Alberto wird von einem rätselhaften, ihm vollends unbekannten Mann gestalkt. Der unheimliche Verfolger lässt nicht locker. Als Alberto eines Tages die Leiche seines sinistren Stalkers findet, fängt der eigentliche Alptraum erst an. Denn gerade als er den Leichnam und die Waffe, mit der sein Verfolger getötet wurde, inspiriert, klickt im Dunkeln ein Fotoapparat und nimmt den vermeintlichen Beweis auf, dass der Drummer ein Mörder ist. Soweit so Hitchock....
Credit Bild: © Koch Media
Bei „Vier Fliegen..“ handelt es  sich um den dritten full length-Spielfilm Argentos und gleichzeitig den Abschluss seiner ersten großen Trilogie, der sog. „Animal Trilogy“  die mit „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe/The Bird With The Crystal Plumage“ und "Die neunschwänzige Katze“ begonnen wurde.
Im Gesamtwerk Argentos eingeordnet, liegt dieser Film eher im oberen Mittelfeld - immerhin folgten danach noch quintessenzielle Genre-Filme wie „Profondo Rosso“ oder „Tenebre“. Die aus "Suprira" oder "Inferno" bekannten übernatürliche Elemente findet man in diesem Film noch nicht, dafür die Grenzen der Plausibilität sprengende, wissenschaftliche Elemente als ein zentrales Handlungselement, in diesem Fall das umstrittene Verfahren der sog. Optographie, der Wissenschaft über die Fixierung des allerletzten Bildes, das ein Lebewesen vor seinem Tod wahrnimmt.
Credit Bild: © Koch Media
Wobei man auch anführen könnte, das all dies bloß der hitchcock´sche MacGuffin ist und eigentlich die berüchtigten "Murder Set-Pieces" und die hier verstärkt auftretende traum-/trance-ähnlichen Sequenzen, die nahe an einem experimentellen Kunstprojekt angesiedelt sind, im Mittelpunkt stehen.
Der den Abstieg Albertos in das Reich der Paranoia begleitende Score stammt übrigens von Maestro Ennio Morrcione, Regisseur und Komponist überwarfen  sich jedoch im Laufe der Fertigstellung des Films und sollten die nächsten 25 Jahre nicht mehr zusammen arbeiten.

Insgesamt ist "Vier Fliegen" ein rares Kult-Kleinod, das viele von Argentos Signatures vereint und im Genre trotz der fragmentierten Handlung vor allem aufgrund seines Styles und der formalen Umsetzung zu den besseren Streifen der "gelben Reihe" zählt.  
Die Qualität der von Koch präsentierten Fassung ist im Hinblick auf das Alter des Films sehr gut. Eine Bonusdisc mit Zusatzmaterial freut den Sammler, das Highlight hierbei ist - neben den üblichen Standards wie Trailer, Teaser, Bildergalerie  - vor allem ein knapp halbstündiges Featurette mit Filmkritiker Antonio Tetori und insbesondere die spielfilmlange (92. Min !) Doku "Der Fall mit den vier Fliegen“ bei dem sowohl Argento höchstselbst,als auch Luigi Cozzi und Italowestern-Ikone Bud Spencer, der im Film einen kleineren Part hat, zu Wort kommen.

Dienstag, 9. Oktober 2018

Billy F. Gibbons – The Big Bad Blues

Credit Bild:  ©   Blaine Clausen    Universal Music   Concord Music Group 
There’s something very primordial within the art form,” “Nobody gets away from the infectious allure of those straight-ahead licks!”  - Billy F. Gibbons

Von einem Blues-Revival zu sprechen, wäre angesichts der weitgehenden Exklusion dieses Genres im Mainstream wohl eine Spur zu weit gegriffen - dennoch ist es auffällig wie viele Künstler sich gerade in jüngster Vergangenheit  zurück auf ihre eigenen Roots und die des Genres Rock N´ Roll besinnen und einer puristischen Interpretation dieser uramerikanischen Musikrichtung nachgehen. Man denke etwa an Rick Springfeld mit seinem jüngsten „Snake King“-Projekt oder nicht zuletzt an die Rolling Stones mit ihrem besten Album seit Jahren „Blue & Lonesome“.

Jüngster in diesem Bunde ist der Reverend Willy G. aka Billy F. Gibbons von der „little ol´ band from Texas“ ZZ TOP, der mit dem programmatisch betitelten „The Big Bad Blues“ sein zweites Soloalbum abseits seiner Stammband veröffentlicht.
Wobei sich der Rev. ja streng genommen nicht auf das Genre mit dem so gut wie alles in der zeitgenössischen Populärmusik einst seinen Anfang nahm rückbesinnt – denn den Pfad der reinen, blauen Lehre hat er letztlich nie verlassen, war doch selbst das allererste ZZ TOP Album von 1971 tiefst verwurzelt nicht nur im Rio Grande seines Heimatstaates sondern auch im Blues. Die Gleichung „classic blues“ und Gibbons ist jedenfalls eine, bei der nichts schiefgehen kann, eine  sichere Bank. Der afro-kubanisch inspirierte Vorgänger „Perfectamundo“ war zwar weitaus experimenteller als es „Big Bad Blues“ ist, hinterließ beim Hörer jedoch einen sehr gemischten Eindruck. Ganz anders der zweite Solostreich des Texaners, bei dem Gibbons vollends in seinem Element ist.
Credit Bild:  ©   Blaine Clausen    Universal Music   Concord Music Group 
Bei der Songauswahl folgte Gibbons nach eigenen Angabe der Prämisse “Something old, something new, something borrowed, something blue,” und vereint in den 11 Songs der Platte sowohl Covers von Genre-Klassikern als auch Neukompositionen – darunter auch eine von seiner Gattin Gilligan Gibbons geschriebene Nummer, der Opener “Missin´Yo Kissin´”:

 Track list (alle Songs von  Billy Gibbons außer wenn anders anggeben /in Klammern):
1)Missin’ Yo’ Kissin’ (Gilligan Gibbons)
2)My Baby She Rocks
3)Second Line
4)Standing Around Crying (Muddy Waters)
5)Let The Left Hand Know…
6)Bring It To Jerome (Jerome Green)
7)That’s What She Said
8)Mo’ Slower Blues
9)Hollywood 151
10)Rollin’ and Tumblin’ (McKinleyMuddy Waters)
11)Crackin’ Up (Ellas McDaniel(Bo Diddley))

Interessant ist, dass sich die neuen Tracks vollkommen nahtlos neben den wohlbekannten Klassikern einordnen; das Album wirkt aus einem Guss, die Grenzen zwischen den Legacy-Liedern wie etwa dem oft gecoverten „Rollin´And Tumblin“ von Muddy Waters, das eine Neudeutung nah an den typisch-rockigen ZZ TOP-Interpretation des 12 Takte-Schemas
erhält und einem neuen Song wie dem dirty Shuffle von „My Baby She Rocks“ verschwimmen. 
Credit Bild:  ©   Andrew Stuart   Universal Music   Concord Music Group 
Begleitet von Kollegen wie Ex-Guns N´ Roses Member Matt Sorum und Greg Morrow  an den Drums, Mike Flanigin an den Keys, Joe Hardy am Fender Bass , Elwood Francis an Harmonika und Gitarre sowie James Harman an der Harp zieht Gibbons die Noten von gaaaaaanz tief unten – einem Ort, der in der oft steril-modernistischen Variation des big city Blues gänzlich unbekannt scheint. Wie bei den Aufnahmen der 50er swingt auch hier die Rhythm Section locker und gleichzeitig präzise wie ein Uhrwerk, Gibbons grollende Vocals proklamieren was „all night long“ so alles passieren kann, das Mississippi Saxophone bläst in bester Tradition eines Little Walter und aus diesem dichten Klangteppich schälen sich die Licks des Reverend in bekannter Lässigkeit.
„The Big Bad Blues“ klingt beinahe wie eine lange verschollene Chess Records LP– nur mit mehr dreckiger Distortion im Gitarrensound.
Dies macht Gibbons zweite Soloplatte zur bislang besten Veröffentlichung des Genres in diesem Jahr. Ein Herzensprojekt und ein leidenschaftliches Album; ja der blaue Hghway er führt von Dallas direkt nach Chicago.
Credit Bild:  ©   Blaine Clausen    Universal Music   Concord Music Group 

Sonntag, 7. Oktober 2018

Bruce W. Talamon: Soul. R&B. Funk. Photographs 1972–1982


Bootsy’s Rubber Band Burbank, California, 1977
Credit Bild: © 2018 Bruce W. Talamon
Zehn großartige Jahre lang hatte ich immer den besten Platz im Haus.“
–Bruce W. Talamon

Manchmal kommt es so ganz anders als man denkt: Eigentlich hätte er ja Anwalt werden sollen. Doch hätte er tatsächlich im Gerichtsaal  praktiziert, dann wäre der Welt mit Bruce W. Talamon einer der ganz großen Musikfotografen verloren gegangen.
Während Kollegen wie Neal Preston  oder Jim Marshall vor allem die Rock N´ Roller oder Countryikonen vor der Linse hatten, waren die Sujets von Talamons Fotos stets die Granden der Soul-, Funk- und R&B-Szene.
Als junger afroamerikanischer Fotograf war Talamon, der in späteren Jahren als erfolgreicher Still Photographer in Hollywood arbeitete, in der Black Music Scene der USA und vor allem in der Stadt der Engel an der Westcoast unterwegs.
Seine „candid photos“ bei Aufnahmesessions, intime Portraits oder die ganze Energie eines Livegigs einfangenden Snapshots spektakulärer Auftritten lassen für den Betrachter die vergangene Epoche der Blütezeit der Soul- und Funkmusik wiederaufleben. 
Isaac Hayes Wattstax, Los Angeles Coliseum, 1972
Credit Bild: © 2018 Bruce W. Talamon
Aretha Franklin   Hollywood Bowl, Hollywood, California, 1974
Credit Bild: © 2018 Bruce W. Talamon
Earth, Wind & Fire Luna Park Stadium, Buenos Aires, Argentina 1980
Credit Bild: © 2018 Bruce W. Talamon
Donna Summer SOUL Newspaper cover-photo session, Los Angeles, 1977
Credit Bild: © 2018 Bruce W. Talamon
Die neu im Taschen Verlag erschienene Werkschau versammelt ganze 300 Fotografien aus den Archiven Talamons und zeigt Legenden wie Earth, Wind & Fire, Aretha Franklin, Marvin Gaye, Diana Ross, Al Green, Gil Scott-Heron, James Brown, Barry White, Rick James, The Jackson Five, Donna Summer, Chaka Kahn oder George Clinton und Bootsy Collins sowie Impressionen aus der legendären US-Fernsehshow Soul Train.

Insgesamt ein schöner Bildband eines mitreißenden Fotografen, der das Wesen eines ganzen Musikgenres gekonnt einzufangen wusste.
Credit Coverbild: © 2018 Bruce W. Talamon  Taschen Verlag
Bibliographische Angaben
TASCHEN
Bruce W. Talamon. Soul. R&B. Funk. Photographs 1972–1982
Reuel Golden, Pearl Cleage
Hardcover, 376 Seiten 
€ 50

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Rock Classics Nr. 23: LED ZEPPELIN Das Sonderheft


Credit Bild© Warner   Rock Classics  Slam Media GmbH
Nach dem sommerlichen Blick auf die Rolling Stones widmet sich die Rock Classics Redaktion in ihrer aktuellen, mittlerweile dreiundzwanzigsten Ausgabe einer anderen Legende des Rocks britischer Prägung und zwar dem bleiernen Luftschiff von Page, Plant, Bonham und Jones.
Diese Chronik der Bandhistorie von den Anfängen in den Sixties bis zur Gegenwart der Legendenverwaltung erscheint also gerade rechtzeitig  - nein, nicht etwa zum jüngst wieder aufgeflammten Plagiatsprozess um den Jahrhundertsong "Stairway To Heaven“ sondern zum 50 Jahr-Jubiläum der Band.

Wie man das von der Rock Classics-Reihe  schon gewohnt ist präsentiert sich auch dieses Heft als unterhaltsamer Hochglanzlesestoff der sowohl Essays zu allen Alben, ein gesammeltes Trivia zur sagenumwobenen Geschichte des Zeppelins aber auch interessante Interviews mit Jimmy Page und John Paul Jones enthält..
Insgesamt also  wieder ein sehr schön gemachtes, reich bebildertes und vor allem auch gut recherchiertes Heft – das nicht nur etwas für die neuen Fans der einflussreichen Band ist.

Dienstag, 2. Oktober 2018

THE WHITE ALBUM The Album, the Beatles and the World in 1968

Credit Coverbild : ©  Edition Olms
Vor 50 Jahren erschien das weiße Album der Beatles – fraglos eine der besten und abwechslungsreichsten Platten der Rock- und Popgeschichte. Den Fab Four gelang damit das Kunststück nach dem den Zeitgeist maßgeblich mitbestimmenden Konzeptalbum „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“ ein vollkommen ebenbürtiges Album bzw. Doppelalbum nachzulegen – ein Werk, das nicht nur stilistisch ungemein breit aufgestellt ist (die Range reicht hier von Rock, Blues, Akustik-Pop, Reggae hin zu Country-Anklängen) sondern -
je nach persönlichem Geschmack  - den Vorgänger sogar noch zu toppen vermochte.

Passend zum 2018er Jubiläum der großen Weißen unter den LPs erscheint Brian Southalls Nachfolger zu seinem Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band - Das Album, die Beatles und die Welt 1967 in englischer Originalversion bei Edition Olms.
Brian Southall – seines Zeichens Musikexperte und Beatles-Kenner* - hat bei seinem neuesten Werk wieder das große Ganze, das „big picture“ im Blick.
Musik wird nicht nur als ein im abgeschirmten Studio entstandenes Kunstprodukt gesehen, sondern als in die sozialen Gegebenheiten eingebettetes und diese gleichzeitig beeinflussendes Phänomen – somit ist auch Southalls White Album-Abhandlung  ganz ähnlich gelagert wie der Vorgänger; und wieder in eien A- udn eine B-Seeite wie bei einer Vinyl aufgeteilt: Einerseits beleuchtet er die Kultplatte en detail, andererseits beschreibt er auch den historischen Kontext in gleichem Maße.
1967 war die Welt ja schon im Umbruch und dies legte sich mit dem tumultreichen Jahr 1968 keineswegs, es war das Jahr in dem einerseits die Love & Peace-Hippieträume noch florierten, gleichzeitig Krisen und Unruhen das Weltgeschehen dominierten - Stichworte: Robert F. Kennedy-Attentat,  zunehmende Umbrüche sozialer Normen, Studenten-und Civil Rights Proteste...

Somit ist dieser Detailblick auf das weiße Album ein (Pop-)Geschichtsbuch, das für den historisch interessierten Musikfan ungemein lesenswert ist – und das ideale Begleitbuch zu einer Revisited-Listening Session des genialen Albums darstellt.

*Zum Autor: Brian Southall schreibt seit Jahrzehnten über Musik, (u.a. für den englischen Melody Maker) und blickt zudem auf eine 30-jährige Karriere im Business bei EMI, A&M, Tamla Motown und Warner zurück. Passend zu seiner Beatles-Vorliebe war er bei der EMI auch  für die Solo-Projekte der Liverpooler zuständig.

Bibliographische Angaben
Brian Southall
The White Album -Revolution, Politics & Recordings
Englische Originalausgabe/Original English Edition,Foreword by Chris Thomas
192 Seiten mit über 150 meist farbigen Fotos. Fester Einband im Format 25 × 25 cm.
ISBN-10: 3-283-01287-3, ISBN-13: 978-3-283-01287-8
€ (D): 25,–, € (A): 25,–sFr.: 32.50