Freitag, 22. Dezember 2023

MESSENGERS - THE GUITARS OF JAMES HETFIELD

Coverbild Metallica James Hetfield Messengers Flying V Metal Cover Book
Credit Coverbild: © Permuted Press
Zahllose Gigs haben auf ihrem Korpus unauslöschliche Spuren hinterlassen, der Lack blättert an vielen Stellen ab und gibt den Blick auf ihr nacktes Holz frei. Patronen-Gürtel, ein typischer Bestandteil der Metal-Uniform, haben ihren Rücken gezeichnet und ihr Original-Tailpiece ist mittlerweile entzwei gebrochen. Einerseits hat die derart ramponierte "OGV", eine Flying V Kopie der Firma Electra, schon bessere Tage gesehen. Andererseits zeugen diese Abnutzungserscheinungen von leidenschaftlichem Spiel und jahrelangen treuen Diensten, die dieses Instrument ihrem prominenten Besitzer James Hetfield geleistet hat. Der ideelle Wert einer solchen Gitarre übersteigt bei weitem ihren pekuniären. Und dann ist da noch etwas anderes...etwas nicht direkt Greifbares, das liebgewonnene Instrumente auszeichnet.

Denn trotz ihrer gut dokumentierten und von Fachleuten bis ins beinahe letzte Teil durchleuchteten und erforschten Bestandteile wie Holz, Metall oder Plastik wohnt Gitarren immer noch etwas geradezu Mystisches inne. Es ist dieses nicht quantifizierbare Element, das Nicht-Musiker kaum nachvollziehen können und dennoch gewiss ist: sie sind weitaus mehr als nur "Wood And Wire" bzw. 
mehr als lediglich die Summe ihrer Einzelteile. Ein Umstand, der auch in der speziellen Beziehung die viele Musiker zu ihren auserkorenen Instrumenten haben, deutlich wird - ein Aspekt, der nicht zuletzt auf den Seiten dieses Blogs ein immer wiederkehrendes Thema ist. Auch Für Metallica-Frontmann James Hetfield, der wie er selbst es formuliert, erst durch die Musik seine eigene Stimme und Bestimmung fand, sind Gitarren nicht nur die Werkzeuge mit denen er seine Sounds erzeugt. Vielmehr sind sie für ihn auch Freund, Stimmungsaufheller, Schutzschild, musikalische Waffe (wer je seine präzise gespielten Riffs Hetfields vernommen hat, weiß was er damit meint) und auch Botschafter. 

Hetfields Buch über seine Lieblingsgitarrren ist dann auch folgerichtig "Messengers" betitelt. Darin gewährt der Superstar einen extensiven Blick in seine ebenso umfangreiche wie beeindruckende Sammlung einzigartiger Instrumente. Der edle Hochglanzbildband stellt dabei nicht nur besondere Gitarren (und Amps)  vor sondern trägt auch autobiographische Züge. Denn mit jeder einzelnen Gitarre sind immer auch bedeutende Assoziationen und Lebens- und Karriere-Ereignisse verknüpft. In Sachen Metallica steht da ganz am Anfang die eingangs beschriebene mittlerweile stark in Mitleidenschaft und durch eine Replika für Touren ersetzte "OGV". Inspiriert von Michael Schenker musste es für Hetfield damals in den Achtzigern eine weiße Flying V sein. Sie prägte die frühe "Kill 'Em All"-Zeit. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten in denen Metallica sukzessive vom Bay Area Thrash Metal-Phänomen zur mit Abstand größten Band des Genres aufstiegen, wuchs auch die Anzahl an instrumentalen Schätzen. Die Gitarren wurden  naturgemäß immer exquisiter,  von Sonderanfertigungen des japanischen Herstellers ESP zu Vintage Gibson Les Pauls hin zu  metal-untypischen Exemplaren wie einer  B-Bender Tele oder Sitar, die auf dem legendären „Black Album“ zum Einsatz kamen. Hinzu kommen Signature Gitarren und Custom -Anfertigungen,  die etwa Hefields Faible für Hot Rods widerspiegeln. Der Detailgrad mit dem all dies dokumentiert wird ist beachtlich und inkludiert auch Infos zu über die Jahre erfolgten Modifikationen - für Gitarristen und "Gear Hounds" ist das ein Traum und mitunter Inspirationsquelle für den nächsten Einkauf.

Dieses Buch fügt sich nahtlos in die illustre Riege bibliophiler Werke über Rockstar Collections ein (man denke etwa etwa Mr. Slowhand Eric ClaptonJimmy Page oder Billy Gibbons) und ist schlichtweg ein Werk in dem man stundenlang blättern bzw. beim "Tone Chasing" in Sachen Metallica-Sound nachschlagen kann. Um hier einen für diese Band nicht ganz unrelevanten Bob Seger-Song ein wenig abgewandelt zu paraphrasieren: "Messengers" ist ein echter "Page Turner“, auf dem es auf jeder Hochglanzseite etwas Interessantes zu entdecken gibt und eines der schönsten Gitarren-Bücher der letzten Jahre.

MESSENGERS - The Guitars Of James Hetfield, von James Hetfield, erschienen bei Permuted Press

Montag, 11. Dezember 2023

JIMMIE VAUGHAN - STRANGE PLEASURE Vinyl Reissue

Credit Bild: © Bear Family Records
Als das Album „Strange Pleasure“ im Jahre 1994 veröffentlicht wurde war Jimmie Vaughan längst ein etablierter Veteran der amerikanischen Blues-Szene. Als Lokalmatador in Austin, Texas hatte er sich schon in den Sixties einen Namen gemacht, als Gründer der Fabulous Thunderbirds spielte er dann ab den Siebzigern eine gewichtige Rolle im traditionellen wie kontemporären Blues. Trotz dieser zum damaligen Zeitpunkt schon einige Jahrzehnte umfassenden Karriere stellte "Strange Pleasure" sein Debüt als Solo-Artist dar. Für den Künstler selbst fielen die Aufnahmen in eine ganz spezielle und schwierige Phase, war es doch das erste Album nach dem tragischen Tod seines Bruders Stevie Ray, dem dieses Album neben Albert Collins auch gewidmet ist.

Jimmie Vaughan arbeitete auf dieser Platte wieder mit Funk-Legende und Hitproduzent Nile Rodgers (Chic, David Bowie´s "Let´s Dance") zusammen, der schon bei den Recordings Sessions zu „Family Style“, dem einzigen gemeinsamen Album der Vaughan Brothers, hinter dem Mischpult gesessen hatte. Als Kontrast zu der düsteren persönlichen Zeit in Vaughans Leben evozieren die Songs auf „Strange Pleasure“ großteils  die „carefree attitude“ der Fünfziger. Bis auf eine Ausnahme: die traurige Gänsehaut-Nummer "Six Strings Down", die ein musikalischer Nachruf auf SRV ist.

Mit seiner einerseits kontemporären und gleichzeitig traditionellen Mixtur unterschiedlicher Einflüsse Vaugahns - von Rock N´ Roll zu puristischem Blues und homöopathischen Latin-Anklängen - war dieses Album eines der Letzten aus jener Blues-Revival-Ära, welche die Vaughan Brüder entscheidend mitgeprägt hatten. Ab Mitte der Neunziger erlebte der Blues dann zwar kein Schicksal wie der Jazz, verschwand jedoch zunehmend aus dem Blickfeld des Mainstreams. „Strange Pleasure“ war seinerzeit völlig zurecht Grammy-nominiert und hätte ihn auch gewinnen sollen, denn neben der kompositorischen Qualität der Songs sind es Vaughans unverkennbare Stimme und Laid Back-Licks, bei denen jede sparsam eingesetzte Note zählt, die schlichtweg faszinieren.

Obwohl dieses Album also zu den besten Blues-Platten der letzten Dekaden zählt, ist es recht schwer zu bekommen - zumindest bislang. Zwar findet man "Strange Pleasure" auf Spotify, doch in analoger Form sieht es da schon wesentlich schlechter aus: Die CD ist vergriffen und als Schallplatte erschien es überhaupt nur in einer kleinen niederländischen Auflage in den Neunzigern. Das auf Vintage-Raritäten spezialisierte Bear Family Label beseitigt nun diesen Missstand und bringt dieses Album in einer hochattraktiven, audiophilen Sammler-Edition erneut auf den Markt - und sorgt so dafür dass dieses geniale Album erstmals weltweit auf Vinyl erscheint. Die elf Songs der Original-CD werden um eine etwas längere Version des Songs "Boom-Bapa-Boom" ergänzt, was für sich genommen schon reichen würde um alle Sammler anzusprechen: Zusätzlich ist diese Vinyl-Ausgabe mit Gatefold-Cover allerdings auch nummeriert und auf insgesamt 1.500 Stück limitiert.  Damit der warme Sound dieses einst von Bob Ludwig gemasterten Werks optimal abgetastet werden und Vaughans Gitarren-Sound transparent aus den Speakern ertönen kann, erscheint dieses Release als schwere, auf 180-Gramm-Vinyl gepresste LP, die mit 45RPM abgespielt wird: eine großartige Neuauflage und ein Fest für Vinyl-Enthusiasten.

Freitag, 8. Dezember 2023

THE BIG BOOK OF LEGS

Bettie Page  Dian Hanson Big Book Of Legs Taschen Verlag Vintage Pin-Up Retro Inside
Pinup-Legende Bettie Page am Strand, fotografiert von Bunny Yaeger
Credit Bild: © Taschen Verlag
In den Fünfzigern war man von "Long Tall Sallies", also großgewachsenen Frauen mit langen Beinen mitunter derartig fasziniert, dass sich diese Begeisterung in zahlreichen Songtexten niederschlug: Neben dem eingangs erwähnten Klassiker sang auch Rockabilly-Pionier Johnny Burnette von einer über 1,80 großen Angebeteten, deren Beine so lang waren, dass ihre Füße im Vorzimmer herausschauten wenn sie  in der Küche schlief. Nun mag dies nicht der bequemste Ort für die Nachtruhe sein, sein Genre-Kollege Billy Lee Riley tat es ihm mit einer fast identischen lyrischen Beschreibung in „Red Hot“ jedoch gleich und sang von einer ebenso langbeinigen Gazelle. Ein paar Jahrzehnte später machten dann "Hot Legs"  Rod Stewart im gleichnamigen Song vollkommen fertig. Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard von ZZ Top beschrieben im programmatisch betitelten „Legs“ die Vorzüge einer Frau, die ebenjene gekonnt einzusetzen wusste - und David Lee Roth dozierte untermalt von den lasziven Riffs Edward Van Halen gar über „Drop Dead Legs“ .

Eine gewisse lyrische Tendenz lässt sich hier also durchaus ablesen, die Liste an „Songs About Gams“ könnte man jedenfalls noch beliebig lange fortführen. Doch auch abseits der Recording Industry waren es interessanterweise immer wieder Beine - und weniger die -ähem- offensichtlicheren Busen & Pos -  auf die der Fokus gerichtet wurde. Ein Blick durch unterschiedliche Epochen der Geschichte zeigt, dass dieser Körperteil immer wieder im Fokus stand: In viktorianischen Zeiten, gemeinhin eine Ära schwelender Prüderie und noch stärkerer Doppelmoral, barg schon die bloße Erwähnung des Wortes „Beine“ die Gefahr, die Gentlemen des Empire in Raserei zu versetzen und sollte daher - Etikette ist schließlich alles - tunlichst vermieden werden. So will es zumindest die Legende. Die Befreiung des Beins - auch durch die sich ändernde Damenmode - war wiederum ein Teilaspekt der Emanzipationsbewegung und veränderter Sexualmoral. 

Im Hollywood zu Zeiten der Selbstzensur des Motion Picture Production Codes, auch als Hays-Code bekannt, durfte man wiederum auf dem Silver Screen wenig zeigen, das (nur vermeintlich) unverfänglich-unschuldige Bein war davon jedoch nicht betroffen, was für einige erotisch aufgeladene Szenen sorgte, die nicht den Scheren der Sittenwächter zum Opfer fielen. Tänzerin Cyd Charisse wiederum war nicht nur für ihre komplexen und eleganten Tanzchoreographien mit Fred Astaire berühmt, sondern auch für ihre  48,5 Millionen Dollar Beine . Und die Spinde und Kriegsgeräte zierenden Pinup-Girls der amerikanischen GIs waren für ihre "Legginess" berühmt.

Man sieht: Die (Pop-)Kulturgeschichte dieser Körperteile ist so lang wie die unteren Extremitäten einer Laufstegschönheit nach Pariser Gardemaß. Dementsprechend umfangreich und schwer (372 Hochglanz-Seiten im XL-Format) ist dann auch  "The Big Book Of Legs" ausgefallen, das nun in einer Neuauflage erschienen ist. Darin entwirft Autorin Dian Hanson (als ehemalige Herausgeberin des „Leg Show“-Magazins eine Kapazität auf dem Gebiet anatomischer Forschung unter ästhetischen Gesichtspunkten)  anhand von teils rarem Bildmaterial und witzigen Essays eine soziokulturelle Chronik sich wandelnder Körper-(Selbst-)Bilder und Schönheitsideale. 

Der Fokus liegt dabei vor allem auf Vintage-Aufnahmen mit historischen Aufnahmen von 20er Jahre-Flapper Girls oder  klassischen Pinup-Bilder von Bettie Page. Man sieht Arbeiten der Fotografie-Pioniere Bunny Yaeger, Elmer Batters oder Peter Gowland. Es sind dies teils seltene Aufnahmen, die auch eine Geschichte der sexuellen Revolution erzählen. Beim Gipfel jener Bewegung  endet dieses Buch jedoch, der Bogen wird nur bis zu dem Ende der 60er gespannt, vor den 70ern ist kurioserweise Schluss.

Dienstag, 5. Dezember 2023

STATUS QUO - OFFICIAL ARCHIVE SERIES VOL. 2 - LIVE IN LONDON 2012

Credit Bild: © Christie Goodwin earMusic/Edel
Erst im Sommer startete die groß angelegte Status Quo Archive-Reihe und schon folgt die nächste Volume dieser Livekonzert-Retrospektive. Passend zur aktuellen Season nicht nur in festlichem Rot gehalten sondern auch mit einem Konzertmitschnitt von der 2012er "Quo Festive"-Tour aus der Vorweihnachtszeit. 

Farblich wie ein Krampuspackerl, allerdings gefüllt wie vom Nikolo: Das limitierte Release erscheint sowohl in einer Vinyl Edition (180g 3 LP- Gatefeold-Version ) als auch als Doppel-CD-Digipak und dürfte darob bei Quo-Anhängern für leuchtende Augen sorgen.
Auch wenn dieser Gig wie schon bei Vol. 1 nicht wirklich den ganz großen Seltenheitswert oder den Kultfaktor eines Seventies-Konzerts hat. Aber wie dem auch sei: Die Aufmachung ist auch hier wieder sehr gelungen und klanglich ist diese Aufnahme ebenfalls einwandfrei. Auch die Setlist dieses Heimspiel-Gigs für Francis Rossi, Rick Parfitt Andrew Bown, John "Rhino" Edwards und Matt Letley (in seiner letzten UK-Show als Quo-Schlagzeuger) 
hält neben den erwartbaren Gassenhauern wie „Rockin All Over The World", „Whatever You Want, oder „In The Army Now “ auch selteneres Material wie ein Weihnachtsmedley, mit Evergreens wie "Walking In A Winter Wonderland", oder „ Around The Christmas Tree" und den Quos eigenen Weihnachtssong „It's Christmas Time" bereit.

Dieses Release richtet sich freilich ausschließlich an die Hardcore-Sammler, bietet für jene jedoch genug Anreiz , den Status Quo der eigenen Boogie Rock-Sammlung zu überdenken - sprich zu erweitern.

Credit Coverbild: © earMusic/Edel

Montag, 4. Dezember 2023

BEARTOOTH - THE SURFACE

Beartooth The Surface Album Cover Metalcore
Credit Coverbild: © Red Bull Records
Fröhlichkeit zählt nicht unbedingt zu den bestimmenden Attributen des Metal-Genres: Stets aktuelle Themen wie das Triumvirat aus „Tod, Destruction und gepflegter Misanthropie“, vor denen der „Heile Welt“-Mainstream-Pop oft die Augen verschließt, prägen die Lyrics der Sparte „Hard N´ Heavy“. Die US Metalcore-Band Beartooth versucht dem mit ihrem neuen Album „The Surface“ einen Kontrapunkt entgegenzusetzen.

Das Plattencover wird neben dem Sensenmann von pudrigem Rosa dominiert, die Gitarren riffen zwar heavy, manchmal kurz vorm Djent, ohne dass es dabei je sinister wird. Lyrisch steht hier Lebensbejahung statt Nihilismus im Vordergrund - also Happy Metal mit positiver Botschaft, oder auch: Urschrei-Selbsttherapie. Denn jene Message - man könnte es aufgrund der für den Metalcore typischen Schreianfälle in der vokalen Darbietung auch als aggressive Fröhlichkeit interpretieren - hat einen ernsten Hintergrund. Frontman Caleb Shomo kämpft seit langem mit Depressionen und anderen Mental Health-Problemen, auf „The Surface“ beschreibt er seinen Weg heraus aus dem finsteren Loch hin zu einem positiveren Selbstbild. 

Beartooth sind zwar beim 2007 von Didi Mateschitz gegründeten und was den Artist Roster anbelangt, sehr hippen Red Bull Records Label unter Vertrag, doch trotz dieser Österreich-Komponente ist die Band hierzulande noch etwas weniger bekannt. In der Szene sind die Amerikaner allerdings längst kein Geheimtipp mehr: 800.000 verkaufte Platten, Milliarden von Streams, mehrere Award-Auszeichnungen, die Spitze der Billboard Mainstream Rock & US Active Rock Radio-Charts und dann auch noch eine zweimonatige Co-Headlining Tour mit Trivium zeigen dass diese Band offenbar einen Nerv trifft.

Trotz einiger groovender, guter Riffs ist  „The Surface“ - wieder mitunter typisch für den Metalcore -  nicht gerade ein Wunderwerk an Abwechslung und Ideenreichtum, weshalb sich schon nach wenigen Nummern Ermüdung einstellt. Die in den Songtexten behandelten Themen unserer Zeit werden wohl dennoch auf Resonanz bei der geneigten Hörerschaft treffen und der kontemporäre Formatradio-freundliche Sound mit  poppigen Elementen hat sowohl mehr Mainstream-Appeal als die Vorgängerscheiben aus dem Hause Beartooth als auch das Potential die beachtliche Fanschar noch zu erweitern.

Sonntag, 24. September 2023

ERIC CLAPTON - 24 NIGHTS: BLUES

Eric Clapton with Fender Stratocaster live on stage in Royal Albert Hall in England
Credit Bild: © Warner Music, Carl Studna
Trotz der seit Jahrzehnten in ihren altehrwürdigen Hallen stattfinden Populärmusik-Konzerten ist die Royal Albert Hall im Londoner Stadtteil Kensington mit ihren gediegenen roten Sitzreihen und ihrer einem römischen Amphitheater nachempfunden Architektur nicht eben das, was man unter einem Blues-Club versteht. Anfang der Neunziger war dies jedoch etwas anders. Der majestätische, einst zum Andenken an Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha errichtete Kuppelbau verwandelte sich beinahe in eine Venue, die an der South Side Chicagos oder im tiefen Süden weit unterhalb der Mason Dixon Line gelegen sein könnte. Der Grund dafür: Mr. Slowhand Eric Clapton gastierte für seine ausgedehnte „24 Nights“-Konzertreihe in der RAH und spielte eine Serie monothematischer Abende, die unter den Mottos „Rock“, „Orchestral“ und „Blues“ standen.

Zwar gibt es schon seit Jahren ein Live-Album und eine DVD dieser legendären Konzerte, allerdings fassten diese die „24 Nights“ sehr kompakt zusammen. Die nun neu erschienenen Doppel CD-und DVD-Kombis präsentieren nun eine Extended Versionen dieser Abende, die zu den besten in Claptons langer Karriere zählen.

Die Blues Nights waren für Clapton so etwas wie ein Homecoming, nach den eher zeitgenössisch orientierten Werken „August“ und “Behind The Sun“ kehrte Clapton mit „Journeyman“ zu alten Tugenden zurück. In jene Phase fallen auch die "24 Nights"-Gigs. Clapton spielte seine damals noch recht neue Signature Stratocaster und Soldano Amps – soundtechnisch fraglos eine ganz besondere Ära Claptons, das „24 Nights Rig“ ist nicht ohne Grund bis heute ein absoluter Referenz-Sound.

Die im „24 Nights: Blues“-Set dokumentierten Nächte wirken wie ein Vorgriff auf die ein paar Jahre später stattfindenden „From the Cradle“-Sessions. Mit prominenten Gaststars wie Buddy Guy (der mit seinem Leoparden-Trainingsanzug die ohnehin laxen Garderobe-Vorschriften der Royal Albert Hall doch ein wenig strapazierte), „Iceman“ Albert Collins, Jimmie Vaughan, Robert Cray sowie Muddy Waters´ Mann an den Tasten Jimmie Johnson, spielte  EC puren Blues: "Key To The Highway"  "Sweet Home Chicago", "Have You Ever Loved A Woman" oder "Worried Life Blues" sind nur einige der zu hörenden Klassiker. Hier offenbart sich erneut die besondere Kunst von Musikern wie Clapton, Guy oder Vaughan - denn die Jams sind hier kein Wettbewerb, sondern eine musikalische  Konversation zwischen „Brothers in Blues“. 

Wie schon das im Vorjahr veröffentlichte "Nothing But The Blues" zeigt auch die erweiterte „24 Nights“-Neuauflage Clapton an einem absoluten Karrierehöhepunkt und stellt eine  essenzielle Erweiterung der Diskographie dieser Legende dar.

Credit Bild: © Warner Music, Carl Studna
Credit Coverbild: © Warner Music


Samstag, 23. September 2023

ELFIE SEMOTAN - ALL PERSONAL

Buch-Cover zeigt die österreichische Fotografin Elfie Semotan
Credit Coverbild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023
Blickt man zurück in die Historie der Fotografie, so fallen die Ausübenden dieser Zunft fast ausnahmslos in eine von zwei Gruppen: jene, die selbst mitunter bereitwillig zum Objekt werden und das Scheinwerferlicht nicht scheuen. Und jene, die beinahe hinter ihrem Werk verschwinden und die eigene Person bzw. Privates eher aus der Öffentlichkeit heraushalten. Die österreichische Starfotografin Elfie Semotan zählt eher zu letzterer Kategorie.

Zwar begann ihre Karriere vor der Kamera (Semotan arbeitete als Model), der Platz dahinter lag ihr jedoch stets weitaus mehr. Ihre Arbeit ließ sie so stets für sich sprechen. Persönliches, so konnte man den Eindruck gewinnen, sollte bei ihr auch wirklich immer Persönlich und damit privat bleiben. Der neue Bildband „All Personal“ stellt nun jedoch ausgerechnet genau dies in den Vordergrund. Ihre hochgelobten Arbeiten - legendäre Sujets für heimische Produkte oder Fashion-Editorials für internationale Hochglanzmagazine - spielen hier, mitunter verblüffenderweise, nicht die Hauptrolle. So sieht man in diesem kleinformatigen Bildband vorwiegend Aufnahmen von Semotans Familienleben, aber auch Landschaften und Stillleben. Es sind Schnappschüsse der beiden Söhne, liebevolle Aufnahmen ihres ersten Ehemanns Kurt Kocherscheidt, der als Maler und Mitbegründer der Gruppe „Wirklichkeiten“ selbst bekannt war. Dann Dokumente der zweiten Ehe mit Martin Kippenberger, die aufgrund des frühen Todes dieses multi-talentierten Künstlers tragischerweise nur kurz währte.

Dieses Buch will Elfie Semotan als eine der frühen und wichtigsten Protagonistinnen der Autorinnenfotografie Österreichs würdigen und tatsächlich sieht man auch in diesen teils mitunter banaleren fotografischen Beobachtungen natürlich den professionellen Touch aufblitzen, selbst Urlaubsbilder wirken hier mitunter durchkomponiert. Gleichzeitig hat man als Betrachter, der nicht mit Semotan verwandt ist oder nicht in genau jener Szene verhaftet ist, wenig Bezug zu diesen intimen Aufnahmen. Zwar gibt es fraglos auch das Außergewöhnliche im Alltäglichen, doch zeigt dieser Band vor allem, dass ebenjener Alltag auch bei einer international gefragten Fotografin nicht so wahnsinnig anders aussieht als bei Nicht-Prominenten - wenn man einmal vom illustren künstlerischen Freundeskreis absieht.

So ist „All Personal“ ausgerechnet immer genau dann am Spannendesten, wenn auf einigen wenigen Seiten das Private in den Hintergrund rückt und man einen Einblick in die glamouröse Seite von Semotans Ouevre gewinnt - etwa wenn man kurz backstage bei den Models von Designer Helmut Lang, dem Phantom der österreichischen Modeszene, vorbeischaut.

Elfie Semotan. All Personal, erschienen bei Fotohof Edition

Ein Blick ins Buch:

Kein Bild aus einem Eddy Saller-Film, sondern Kurt Kochenscheidt  1973 in Wien
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Martin Kippenberger 1996 in Venedig
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Die Wiener Mariahilfer Straße anno 1973
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Schreibmaschinen-Stillleben in Jennersdorf, ca. 1973
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Sara Moon, Paris 1968
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Freitag, 22. September 2023

ALICE COOPER - ROAD

Plattencover des neuen Alice Cooper-Albums zeigt den Schockrocker am Steuer eines Autos "on the road"
Credit Coverbild: © earMusic Edel 
Im Jahr 1970 verkündete Vincent Damon Furnier, der seine eigene Rock N´ Roll-Fantasie unter dem weitaus bekannteren Namen Alice Cooper auslebte und deshalb von bigotten Sittenwächtern beinahe steckbrieflich gesucht wurde: „I´m Eighteen“. Der Song war nicht nur der erste Top 40-Hit der Band sondern entwickelte sich über die Jahre zu einer der wohl beständigsten Hymnen auf den Gemütszustand "Teenage Angst“ - und gleichzeitig auch ein mit jedem ins Land ziehenden Jahr zum immer prägnanter werdenden Loblied auf den ewigen Jungbrunnen  Rockmusik - immerhin war Cooper bei der Aufnahme des Songs schon 23.
Erwachsenwerden das ist etwas für Spießer, davon sangen in fatalistischer Manier schon The Who in "My Generation". Doch Alter ist natürlich auch immer eine Frage der inneren Einstellung - und ist nicht eines der Urversprechen des Rock N´ Roll die immerwährende Adoleszenz (oder zumindest di Ausdehnung jugendlichen Hedonismus ins hohe Alter).

Anno 2023 ist Cooper 75 und selbst eine der besten Werbefiguren für ebenjene Verheißung. Im dritten Karrierefrühling ist er sowohl solo als auch mit den Hollywood Vampires vielbeschäftigt, Album reiht sich an Album, Tour folgt auf Tour - die Kunstfigur Cooper ist ohnehin alterslos und Furnier steht seinem Alter Ego in Sachen Virilität und Schaffensdrang in nichts nach. Davon zeugt auch sein neuestes Studiowerk "Road", vermutlich nach der letzten verlässlichen Einnahmequelle vieler Musiker benannt. 13 Songs - einer davon bezeichnenderweise ein Who Cover ("Magic Bus")-sind es geworden.
Die Überraschungen halten sich dabei in Grenzen bzw. sind nicht existent. Bob Ezrin nahm wieder am Produzentenstuhl Platz, man merkt dies vor allem an den teils an frühe Cooper-Tage erinnernden Garage Rock-Klängen, die so schroff daher kommen wie die Sounds der Straßen der Motor City Detroit, die einst der Nährboden für den „Schock Rock“ des ewig 18-Jährigen war.

Erfrischend ist, wie wenig zeitgeistig sich Cooper und seine Stammband hier geben, „Road“ bietet kompromisslos krachenden Rock, der sowohl die Grusel- (Alice der sich und seinen Fans versichert noch immer der „Master of Madness“ zu sein) als auch die hormonelle Schiene bedient("Big Boots" über eine Kellnerin deren faszinierendes Schuhwerk einen Gast fasziniert). All das wird energisch dargeboten und hat seinen eigenen Appeal, ist jedoch auch reichlich derivativ. So ist „Road“ zwar mehr als solide, aber keinesfalls ein großes Album-dafür fehlen die Hymnen oder das Hit-Gespür eines Desmond Child ( der das Achtziger-Comeback-Album „Trash“ produzierte). 

"Road" erscheint in mehreren Formaten, darunter als Vinyl+DVD, die das atmosphärische Cover mit Alice als "Hitcher-Der Highway Killer" besonders gut zur Geltung bringt, als auch als CD+DVD im Digipak. Beide Versionen erweitern das Studioalbum um einen Livemitschnitt des 2022er Hellfest-Gastspiels der Cooper-Band.

Credit Coverbild: © Jenny Risher

Donnerstag, 21. September 2023

STATUS QUO - Official Archive Series Vol. 1 - Live In Amsterdam 2010

Plattencover, Roadcase Status Quo
Credit Coverbild: © earMusic Edel 
Während das Archiv für Politiker die Rache des Journalisten repräsentiert, ist es für Musiker weitaus positiver konnotiert. Zumindest für jene Legenden mit dementsprechend weit zurückreichendem Backkatalog und daher gut gefüllten Lagerbeständen.
Zu jenem erlauchten Kreis zählen auch die  Boogie Rocker von Status Quo. Diese veröffentlichen mit „Live in Amsterdam“ einen 2 CDs bzw. 3 LPs umfassenden Konzertmitschnitt, der - die Vol. 1 im Titel verrät es schon - als Auftakt für eine groß angelegte Archiv-Reihe fungiert.

Bei solchen Projekten mag man zunächst reflexartig an Vintage Gigs aus den Seventies denken, doch der erste Eintrag dieser Reihe präsentiert einen Gig in der Heineken Hall in der niederländischen Hauptstadt vom 19.Oktober 2010.  Im Rahmen der „Pictures Exposed World Tour" präsentierten Quo einen mit zahlreichen Klassikern gespickten Abend, der wenn es nach der Audiospur des Publikums geht, frenetisch bejubelt wurde. Was durchaus verständlich ist, denn Francis Rossi und damals noch Rick Parfitt ließen es in den Grachten ordentlich krachen, so wie das bei einem Quo-Konzert eben so ist. 

Der hier präsentierte Gig hat zwar keinen klassischen Seltenheitswert (gut, das Jahr 2010 ist schon eine Weile her, aber immerhin gibt es von der "Pictures"-Tour bereits einen Live-Mitschnitt aus Montreux), aber der gute Sound, die Spielfreude sowie eine richtig gute Setlist machen diesen Gig aus Amsterdam für Fans dennoch interessant.

Credit Bild: © Christie Goodwin 


Sonntag, 10. September 2023

BRASILIANISCHE GEGENSÄTZE: BEATRIZ MILHAZES WERKSCHAU + SIGNIERSTUNDE

 

Einladung Taschen Verlag Brasilianische Künstlerin Beatriz Milhazes
Credit Bild:© Taschen Verlag
Tropische Klischees und harte Realität,Tradition und Fortschritt, Retro und Futuristik, Naturverbundenheit und durch die Politik befeuerte Umweltprobleme, extreme soziale Herausforderungen und dennoch scheinbar nie endende Lebensfreude - krasse Gegensätze liegen in Brasilien teils allzu dicht nebeneinander. Ein Umstand der sich auch in den abstrakten Werken einer der prominentesten Vertreterinnen der brasilianischen Kunstszene, Beatriz Milhazes, widerspiegelt.
In ihren  Werken verschmilzt sie sowohl südamerikanische als auch europäische Einflüsse und wirft beeinflusst von den Traditionen und Symbolen ihres Heimatlandes als auch von modernistischen Meistern wie etwa Henri Matisse oder Op-Art Star Bridget Riley einen ungewöhnlichen Blick auf ihr Heimatland.

Für ihre knalligen Bilder entwickelte die Künstlerin Ende Ende der Achtziger eine besondere Technik, bei der sie ihre Motive au Plastikfolien malt, diese  dann auf eine Leinwand klebt und nach dem Trocknen die Folie abzieht. Eine ausgeklügelte Methode, die es Milhazes ermöglicht Oberflächen übereinanderzuschichten  - versteckte und doch offensichtliche  Layers, welche die Widersprüche Brasiliens verdeutlichen.
So offenbaren die grafisch ausgeklügelten Farbexplosionen Milhazes´ bei näherer Betrachtung eine ungeahnte Doppelbödigkeit, ein künstlerischer Kommentar zu einem oft klischeehaft dargestellten Paradies. Erneut drängen sich Assoziationen zu einem anderen großen europäischen Meister auf, denn wie in den Werken Paul Gauguins zeigt sich auch bei Milhazes ein Paradise Lost. 

Event-Hinweis: Am Donnerstag, den 14.September wird Milhazes persönlich im Berliner Flagshipstore des Taschen Verlags (Schlüterstraße 39, 10629, Berlin) anwesend sein und ab 18  Uhr  ihre aktualisierte Werkschau im Coffee Table-Format signieren.
Der Band zeichnet anhand von über 300 Werkabbildungen den Werdegang der Künstlerin von den Anfängen bis inklusive 2020 nach. 

Credit Coverbild: © Taschen Verlag
Beatriz Milhazes-Hardcover, 25 x 33.4 cm, 3.83 kg, 528 Seiten erschienen im Taschen Verlag

Credit Bild: © Taschen Verlag

Sonntag, 20. August 2023

TASCHEN SALE Sommer 2023

Einladung Taschen Sale Bücher
©Taschen Verlag
Etwas später als es Coffee Table- und Kunstbuch-Fans sonst gewohnt sind findet der traditionelle Sommerabverkauf des Taschen Verlags auch heuer wieder statt. So gibt es den Sale zwar diesmal in einem anderen Monat, doch an der Tradition der teils drastisch reduzierten Preise hat sich nichts geändert.

So gibt es in den beiden deutschen Flagshipstores in Berlin und Köln sowie im Web auch jetzt wieder bis zu - 75 % Rabatt auf Display- und Mängel- Exemplare dieser aufwendigen Bildbände mit bleibendem (bzw. sich steigerndem) Wert und stets hohem Sammel-Faktor.

Wer angesichts der derzeitigen Temperaturen also beispielsweise einen dekadenten Sommer in Gesellschaft eisiger Amazonen in der schattigen Welt Helmut Newtons verbringen möchte oder die Kühle der bibliophilen "Kunstgalerie"  bei alten und neuen Meistern der Art-Welt vorzieht, sollte sich folgende Daten rot im Kalender anstreichen.
Am ersten Tag des Sales wird es im Berliner Store überdies ein spezielles Preview sowie Drinks geben.

 Mittwoch 30.08. bis Samstag 02. 09.
in den Flagship-Stores 
Taschen Store Berlin (Schlüterstraße 39)
Taschen Store Köln (Neumarkt 3)

Online Donnerstag 31.08.bis Sonntag 03.09.
www.taschen.com
©Taschen Verlag


Taschen Bookstore Köln
On Display: ein Blick in den Flagship Store in Köln
©Taschen Verlag

Samstag, 22. Juli 2023

108 ROCKSTAR GUITARS

Cover 108 Rocktstar Guitar Book
Credit Coverbild: © Lisa S. Johnson Rowman & Littlefeild Publishers / Hal Leonard
Die Formen attraktiver Instrumente, die an die Kurven einer Frau erinnern; Bendings, die wie die Stimme einer Opernsängerin klingen und die vollkommene Hingabe während die Finger über das Griffbrett gleiten: Gitarre spielen ist eine durch und durch sinnliche  Erfahrung, das können unzählige Musiker fraglos bestätigen - und so sieht es auch die US-Fotografin Lisa S. Johnson, die der Erotik der Gitarre mit einem innovativen Projekt ein Denkmal gesetzt hat.

17 Jahre dauerte es bis "108 Rockstar Guitars" fertiggestellt war - ein echtes Mammutprojekt, bei dem man allerdings auch das damit verbundene Herzblut merkt. Denn Johnson überließ nichts dem Zufall, vom zahlenmystischen Titel über die detailverliebte Gestaltung bis zum Arrangieren der Gitarren. Der Anspruch war hier nicht einfach einen weiteren Coffee Table-Bildband zu kreieren und das ist mehr als geglückt. Denn dieses Buch ist mehr als nur ein Bildband, es ist ein bibliophiles Kunstwerk: Roter Einband mit Prägedruck, goldumrandete Hochglanzseiten, stylishes Design. Nicht umsonst wurde dieses extrem schöne und extrem aufwendig gestaltete Buch mit dem Silver Graphis Award for Design ausgezeichnet.

Mit dem Auge einer Künstlerin portraitiert Johnson in  ästhetischen Bildern Instrumente von Stars wie Eric Clapton, den Stones, Brian Setzer, Brian May, Joe Bonamassa oder Rick Nielsen. Johnson begreift die Gitarren selbst nicht bloß als Objekte sondern als Kunstwerke, die so wie Exponate in Museen oft eine eigene Patina haben und dadurch wiederum eine Geschichte erzählen. 

Die Instrumente werden in Szene gesetzt als wären sie Models, die Kamera wandert  - teils im Close-Up - über ihre Korpusse. Bei all der auf jeder Seite gezeigten Liebe zum Detail fällt jedoch auf, dass es neben den Bildern wenig tiefergehende Infos über die einzelnen Instrumente gibt. Da sich dieser Band aber ohnehin vorwiegend an Experten und Aficionados richtet, die viele Fakten ohnehin schon kennen dürften, fällt das in diesem Fall nicht wirklich ins Gewicht.

"108 Rockstar Guitars" ist die perfekte Verbindung von Fotografie- und Gitarrenkunst: Guitar Art sozusagen  - Ein Buch für den Connaisseur und eine Hommage an einzigartige Instrumente und an den Rock und Blues selbst. 

Ein Teil der Erlöse dieses Buchs geht an die Les Paul Foundation

108 Rockstar Guitars von Lisa S. Johnson, erschienen bei Rowman & Littlefield Publishers / Hal Leonard

MICHAEL PUTLAND - MUSIKIKONEN: Von ABBA bis The Who

Cher, John Lennon, Bob Marley, Angus Young, AC/DC Tina Turner Van Morrison Rockstars Book Cover von Michael Putland
Credit Coverbild: © Delius Klasing Verlag
Über den britischen Fotografen Michael Putland (1974-2019) gibt es die Anekdote, dass er dermaßen vielbeschäftigt war, dass er in den Siebzigern keinen Tag frei hatte. Blättert man durch den neuen Retrospektiv-Band "Musikikonen", der eine extensive Werkschau seiner Arbeiten im "coffee table"-Format präsentiert, wundert einen dies überhaupt nicht.  

Der gewichtige Band liefert exakt, was der  geradezu programmatisch anmutende Titel verspricht und das sogar nicht nur von A(bba) bis W(ho) sondern sogar bis Z(appa). Seite um Seite gewinnt man den Eindruck dass Putland nicht nur ein "Rock N´ Roll Photographer" war sondern geradezu ein Zelig, der von der "Beat"-Zeit der Sixties bis zum Post-Punk vorne mit dabei war. Eine seiner  größten Stärken war dabei immer seine Vielseitigkeit: Putland zeigte sich in seinen Arbeiten einerseits als Meister des intimen, stillen Portraits als auch als Mann, der wohl einige spektakulärsten Live-Shots ever aufnahm. 
Diese Dichotomie zwischen dem Zurückgenommenen und dem Ikonisch-Überhöhten zieht sich dann auch quer durch dieses Buch. Der Betrachter wird auf der einen Seite Zeuge eines Moments, der nur einem prominenten Liebespaar gehört (ein unglaublich romantisches und zugleich lässiges Kussbild von Ringo Starr und seiner Ehefrau Barbara  Bach) hin zu einem Moment der Tausenden gehört (Tina Turner explosiv live on stage).  

Wie im zuvor erschienenen  "Stones By Putland"-Band  äußerst sich der Fotograf in ausführlichen, anekdotischen Begleittexten zu den Bildern und lässt dabei auch seine eigene jahrzehntelange Karriere Revue passieren - und das in einem faszinierenden Bildband, der erneut verdeutlicht, wieso er der ersten Riege der  R N´ R-Forografen gehörte.

Michael Putland - Musikikonen, erschienen im Delius Klasing-Verlag

Donnerstag, 20. Juli 2023

NOTHING BUT THE BLUES: The Music and the Musicians

Blues Musician Historical Photography
Credit Bild: © Edition Olms
Der Blues, dieser ebenso archaische wie zeitlose musikalische Ausdruck der "human condition" in all ihren Facetten von Freud bis Leid, durchlief in seiner langen und wechselvollen Geschichte unzählige Metamorphosen. Von den Baumwollfeldern und ruralen Gegenden des Südens (wo er bis zu seiner "Entdeckung" durch Leute wie W.C. Handy, der ihn dereinst als die seltsamste Musik, die er bis dahin je vernommen hatte, beschrieb, eher im Verborgenen gedieh) auf die großen Bühnen dieser Welt. 
Dieser immensen Vielschichtigkeit des Genres versuchen Lawrence Cohn und eine Riege von Mitautoren (darunter  „Living Blues“-Magazin-Journalistin und Samuel Charters, der selbst eine ganz frühe Blues-Chronik geschrieben hat) in dem den Neunzigern erstveröffentlichten und nun neu aufgelegten Band  „Nothing But The Blues“ gerecht zu werden.

Cohn war ehemals Vize-Präsident von CBS/Epic Records, Mitbegründer des Labels Legacy Recordings bei Sony Music und Produzent der Serie "Roots ’N’ Blues". Er erhielt acht Grammy Award Nominierungen und gewann diesen höchsten Preis der amerikanischen Musikindustrie im Jahr 1991 für das "Best Historical Album"für sein Projekt „Robert Johnson : The Complete Recordings“. Nach dem Vorwort von niemand Geringerem als B.B. King geht es auf eine Reise tief zu den Wurzeln dieser „Roots“-Musik. Cohns "Nothing But the Blues" ist dabei sowohl Würdigung dieses Genres duch Liebhaber dieser Musik als auch Geschichtsband und Chronik. Ein Werk, dass sowohl in seiner immensen Dichte an geflissentlich zusammengetragenen Infos als auch durch seine Ernsthaftigkeit einen geradezu wissenschaftlichen Anspruch hat.

Wie erwähnt erschien der Band bereits vor mehreren Jahrzehnten. Dieses Alter merkt man dem  Buch auch an. Einerseits ist seine Aufmachung und der Schreibstil eher nüchtern. Andererseits wirkt auch die Sichtweise auf den Blues allzu puristisch. Allgemein anerkannte wesentliche Wendepunkte, Erweiterungen und Strömungen des Blues und seine Protagonisten (vom Rock N' Roll der Fifties über den Blues Boom der Sixties hin zum Revival der Eighties) werden nur en passant gestreift, man könnte geradezu sagen: vermieden. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Rolle Elvis Presleys, Eric Claptons oder Stevie Ray Vaughan bleibt so aus. Blues-Erneuerer Jimi Hendrix wird beinahe argwöhnisch betrachtet. Diese Herangehensweise ist zu selektiv und dogmatisch. Dem Totalphänomen „Blues“ als Urgrund der Populärmusik des 20. Jahrhunderts wird das nicht wirklich gerecht.   

Aufgrund der vielen überaus raren Fotografien und detailreichen Ansichten über den traditionellen Blues ist dieses Buch dennoch eine interessante Lektüre und Recherche-Ressource für den Genre-Enthusiasten.

Credit Bild: © Edition Olms

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Nothing But the Blues: The Music And The Musicians von Lawrence Cohn, erschienen bei Edition Olms

Mittwoch, 19. Juli 2023

INNENANSICHTEN DER BEATLEMANIA: Paul McCartney - 1964: Augen des Sturms

Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 
Wie muss es sich anfühlen an der Schwelle zum Weltruhm zu stehen und Teil der Speerspitze eines kulturellen Phänomens zu sein? Und was muss das für ein Gefühl sein, wenn der nächste Anruf und das nächste Engagement Platz 1 der Charts und das Erreichen eines Millionenpublikums bedeuten können? Dass dies nicht immer nur einem atemlosen Rausch gleichen muss, sondern mitunter auch surreal ruhig anmuten kann - ganz so als befände man sich im Auge eines Sturms - davon zeugen die jüngst wieder entdeckten, bislang unveröffentlicht gebliebenen und nun in Paul McCartneys neuem Buch gesammelten Aufnahmen.

 McCartney zeigt darin vorwiegend Schwarz-Weiß-Bilder, die er Ende 1963 und Anfang 1964 mit seiner neu erstandenen Pentax SLR Kamera geschossen hat und die „first hand“-Impressionen aus jener  Zeit liefen, als die Beatlemania global wurde. In Lokalitäten zwischen Liverpool und Hamburg hatten die Pilzköpfe bereits für Furore gesorgt, Anfang 1964 stand die Band an der Spitze der englischen Charts, nun ging es um den Rest der Welt. Der Auftritt in der Ed Sullivan Show im selben Jahr läutete endgültig die British Invasion ein und sorgte dafür, dass zahllose Jugendliche, die vor den Fernsehgeräten Zeugen dieses geschichtsträchtigen Auftritts wurden, ihre Lebensplanung über den Haufen warfen. 1964 brachen die Dämme endgültig und die Beatlemania griff international vollends um sich: dies bedeutete tumultartige Szenen bei jedem Auftritt, Fans im ekstatischen Verzückungszustand, der im extremsten Fall Kollaps und Beinahe-Ausschreitungen nach sich zog - oder dafür sorgte, dass das gellende Geschrei der Fans Ringo Starrs Drums, die Vox-Verstärker und die Mikrofone übertönte. Nein, dieses Jahr war für den jungen Paul wahrlich kein Gewöhnliches.

Doch nicht nur für ihn - was auch den bewusst gewählten Plural im Titel erklärt, wie McCartney erläutert:Ich dachte an „Auge des Sturms“, im Singular, da die Beatles sich im Auge eines von ihnen selbst entfachten Sturms befanden, aber als wir uns die Bilder ansahen, dachte ich, das sind eher viele Augen als nur eins. Es gab da ja auch  nicht nur einen einzigen Moment, sondern unzählige Momente im Zentrum dieses Sturms. Außerdem finden sich auf den Bildern sehr viele Augen. Das war ein verrückter Sturm, ein  irrer Wirbelwind, den wir erlebten, als wir tourten und mehr oder weniger jeden Tag gearbeitet haben, und dabei Leuten begegnet sind, die uns fotografieren wollten. Im Zentrum dieses Sturms gab es also sehr viele Augen und Kameras.

 Das Buch ist so etwas wie ein Sequel zum 2021 veröffentlichten „Lyrics“-Band.  Schon damals blickt die 81-jährige Legende auf ihr Leben zurück, hier wählt sie nur einen kleineren Zeitrahmen. McCartney ist natürlich kein professionalere Fotograf, man sieht hier also nicht am Laufenden Band ikonische Fotografien wie bei einem Alfred Wertheimer oder Harry Benson. Manche Bilder sind etwas „out of focus“ oder fallen eher unter die Kategorie „Schnappschüsse“. Doch hat der Beatle fraglos ein Talent fürs Fotografieren. Einerseits zeigt sich McCartney, ähnlich wie in seinen Songtexten als ruhiger und genauer Beobachter - sowohl von Alltagssituationen als auch von vermeintlichen Nebensächlichkeiten. Andererseits offenbaren insbesondere die Aufnahmen von den begeisterten Fans,  Portraits seiner Bandkollegen und die sinnlichen Bilder seiner Langzeitfreundin Jane Asher ein gutes Auge sowie ein beeindruckendes Gespür für Bildkomposition.

Was die Zukunft bringen sollte und welche Art von Karriere noch vor ihm lag, konnte McCartney zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen. Uns, den Betrachtern, offenbart er hier Innenansichten der Beatlemania , die zwar unaufgeregt wirken, in ihrer unbekümmerten Unschuld dennoch die kribbelnde Spannung, die damals in der Luft gelegen haben muss, erahnen lassen. Einem Foto-Tagebuch gleich werden wir Zeugen von „A In the Life“, eines Alltags der trotz manch banaler Momente alles andere als gewöhnlich war.

Paul McCartney Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Ringo Starr Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

George Harrison Pool Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

John Lennon George Harrison Young Book Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Cover Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Coverbild: © C.H. Beck
Paul McCartney- 1964:Augen des Sturms. Fotografien und Betrachtungen, erschienen im C.H. Beck Verlag