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Coverbild: Universal Music |
Sticky
Fingers“ gilt vielen als der Höhepunkt der Stones-Diskographie und als bestes
Album der Briten. Mir persönlich fällt es schwer aus den in den Jahren 1968 bis
1974 veröffentlichten Platten einen klaren Favoriten auszuwählen - denn das
Album mit dem Jeans-Cover entstand in einem ganz speziellen Zeitfenster, in dem die Stones einfach nichts falsch machen
konnten und in einem beeindruckendem Tempo einen genialen Meilenstein nach dem
anderen einspielten:„Beggars Banquet“, „Let It Bleed“ und eines der besten
Live-Dokumente aller Zeiten, „Get Yer Ya Ya´s Out“, lagen zum Zeitpunkt des
„Sticky Finger“-Releases hinter ihnen, „Exile On Main Street“ noch vor ihnen in der
Zukunft in Nellcote.
Fest steht,
dass das 1971 erschienene Album nicht nur im Backkatalog der Stones sondern
auch musikhistorisch betrachtet zu den ganz großen Werken zählt, das nicht
umsonst mit mehrfach Platin ausgezeichnet wurde und sowohl in UK als auch den USA
Platz 1 der Charts erklomm.
Nach den
extrem tumultreichen End-Sechzigern (Altamont) und dem tragischen Tod von Brian
Jones, hört man hier erstmals den Ex-Bluesbreaker Mick Taylor als fixes
Bandmitglied auf einer Studio-Platte. Die Stones tauchen tief ein in die amerikanische
Roots-Musik - und lassen beinahe kein Genre aus: Otis-Redding und Stax-Soul bei „I Got The
Blues“ mit Billy Prestons großartig-melodischem
Hammondsolo; Country Rock bei „Dead Flowers“ mit dem beinahe ununterbrochenen
Strom präzise gebendeter Licks, die Mick Taylor seiner Gitarre entlockt. Mississippi
Fred McDowells „You Gotta“ Move ist ein tiefer Blues-Stampfer „done stones
style“. Mit „Bitch“ geht es gar in funkige Gefilde, das brünftige „Can´t You
Hear Me Knockin´“ explodiert in einem Latin-Rock Orgasmus und „Bown Sugar“ - ein klassischer Open G-Tuning Keith
Richards-Kracher - mit einem Text der kein „Skandal-Thema“ auslässt, darf bis
heute bei keinem Gig der Steine fehlen.
An „Sticky
Fingers“ ist letztlich alles Kult - das fängt schon beim von Popart-Ikone Andy
Warhol gestalteten Cover, das die sexuell aufgeladene und gleichzeitig
bedrohlich-düstere Stimmung des Album mit seinem Fokus auf den Topoi „Sex und
Drogen“ perfekt einfängt.
Eine besondere
Premiere gab es bei „Sticky Fingers“ auf der Rückseite des Plattencover -
erstmals wurde das ikonische „Tongue and Lip“- Logo gezeigt, das über die Jahre
zu einer der anhaltendsten Insignien der Popkultur werden sollte.Die derzeit aktuelle Neuauflage dieses Klassikers in der bekannten Deluxe Version-Reihe
erweitert das Album zwar nicht beträchtlich (zudem muss man in der normalen Doppel CD-Version auf den originellen echten Zipper an den Jeans verzichten) sondern fügt auf der Bonus Disc vor allem Alternativ-Versionen der Album Track hinzu. Allen voran sticht hier jedoch die großartige „Brown Sugar“ - Version mit niemand geringerem als Mr. Slowhand Eric Clapton himself an der Gitarre - heraus: hier trifft sich „rock royalty“.
Der
Schmelztiegel unterschiedlicher Sounds im unverkennbaren Stones-Stil fasziniert
bis heute - toppen konnte dieses Werk nicht einmal die Band selbst. So ist
„Sticky Fingers“ ganz ohne Nostalgie einfach extrem gut gealtert - bzw. hat
sich trotz seines die frühen Seventies definierenden Sounds das Prädikat
„zeitlos“ mehr als verdient.