Montag, 26. September 2016

STONES-SPECIAL: Das Jahr des Zippverschlusses


Credit Coverbild: Universal Music

Sticky Fingers“ gilt vielen als der Höhepunkt der Stones-Diskographie und als bestes Album der Briten. Mir persönlich fällt es schwer aus den in den Jahren 1968 bis 1974 veröffentlichten Platten einen klaren Favoriten auszuwählen - denn das Album mit dem Jeans-Cover entstand in einem ganz speziellen Zeitfenster, in dem  die Stones einfach nichts falsch machen konnten und in einem beeindruckendem Tempo einen genialen Meilenstein nach dem anderen einspielten:„Beggars Banquet“, „Let It Bleed“ und eines der besten Live-Dokumente aller Zeiten, „Get Yer Ya Ya´s Out“, lagen zum Zeitpunkt des „Sticky Finger“-Releases hinter ihnen,  „Exile On Main Street“ noch vor ihnen in der Zukunft in Nellcote.
Fest steht, dass das 1971 erschienene Album nicht nur im Backkatalog der Stones sondern auch musikhistorisch betrachtet zu den ganz großen Werken zählt, das nicht umsonst mit mehrfach Platin ausgezeichnet wurde und sowohl in UK als auch den USA Platz 1 der Charts erklomm.

Nach den extrem tumultreichen End-Sechzigern (Altamont) und dem tragischen Tod von Brian Jones, hört man hier erstmals den Ex-Bluesbreaker Mick Taylor als fixes Bandmitglied auf einer Studio-Platte. Die Stones tauchen tief ein in die amerikanische Roots-Musik - und lassen beinahe kein Genre aus:  Otis-Redding und Stax-Soul bei „I Got The Blues“ mit  Billy Prestons großartig-melodischem Hammondsolo; Country Rock bei „Dead Flowers“ mit dem beinahe ununterbrochenen Strom präzise gebendeter Licks, die Mick Taylor seiner Gitarre entlockt. Mississippi Fred McDowells „You Gotta“ Move ist ein tiefer Blues-Stampfer „done stones style“. Mit „Bitch“ geht es gar in funkige Gefilde, das brünftige „Can´t You Hear Me Knockin´“ explodiert in einem Latin-Rock Orgasmus und  „Bown Sugar“ - ein klassischer Open G-Tuning Keith Richards-Kracher - mit einem Text der kein „Skandal-Thema“ auslässt, darf bis heute bei keinem Gig der Steine fehlen.

An „Sticky Fingers“ ist letztlich alles Kult - das fängt schon beim von Popart-Ikone Andy Warhol gestalteten Cover, das die sexuell aufgeladene und gleichzeitig bedrohlich-düstere Stimmung des Album mit seinem Fokus auf den Topoi „Sex und Drogen“ perfekt einfängt.
Eine besondere Premiere gab es bei „Sticky Fingers“ auf der Rückseite des Plattencover - erstmals wurde das ikonische „Tongue and Lip“- Logo gezeigt, das über die Jahre zu einer der anhaltendsten Insignien der Popkultur werden sollte.

Die derzeit aktuelle Neuauflage dieses Klassikers in der bekannten Deluxe Version-Reihe
erweitert das Album zwar nicht beträchtlich (zudem muss man in der normalen Doppel CD-Version auf den originellen echten Zipper an den Jeans verzichten) sondern fügt auf der Bonus Disc vor allem Alternativ-Versionen der Album Track hinzu. Allen voran sticht hier jedoch die großartige „Brown Sugar“ - Version mit niemand geringerem als Mr. Slowhand Eric Clapton himself an der Gitarre - heraus: hier trifft sich „rock royalty“.

Der Schmelztiegel unterschiedlicher Sounds im unverkennbaren Stones-Stil fasziniert bis heute - toppen konnte dieses Werk nicht einmal die Band selbst. So ist „Sticky Fingers“ ganz ohne Nostalgie einfach extrem gut gealtert - bzw. hat sich trotz seines die frühen Seventies definierenden Sounds das Prädikat „zeitlos“ mehr als verdient.

Rock Classics Nr. 16: GUNS N´ ROSES - Das Sonderheft


Credit Coverbild:
© Ross Halfin
Rock Classics/SLAM Media GmbH
Wäre diese 16. Ausgabe der „Rock Classics“ Reihe des Slam Zines im letzten Jahr erschienen, sie wäre für den Leser vor allem eine wehmütige Retrospektive auf jene Band gewesen, die als letzte ihrer Art im Mainstream Fuß fassen konnte, an ihrem Zenith jedoch die Selbstzerstörung dem stadienfüllenden Triumph vorzog.
Heuer ist jedoch alles anders - was knapp 2 Jahrzehnte als unvereinbar galt, fand sich nun doch wieder zusammen - und wenngleich die Guns N´ Roses - Reunion aufgrund des Fehlens einiger Ex-Bandmitglieder - Izzy Stradlin, Steven Adler, Matt Sorum und Gilby Clarke - nicht ganz komplett ausfiel -  dass der Hutmeister Slash und Duff McKagan wieder mit Axl auf der Bühne stehen, ist doch eine kleine Sensation - zu der mit der aktuellen Rock Classics auch die passende Begleitlektüre erscheint.

Das Heft ist eine liebevolle Rückschau auf den musikalischen Werdegang der einstigen „most dangerous Band in the world“. Die Musiker werden ausführlich porträtiert und ihre Projekte abseits der Guns beleuchtet. Die Diskographie wird evaluiert und man findet Essays zu Epoche machenden Alben wie „Appetite for Destruction“ oder auch ein Slash-Interview. Besonders gelungen ist ein kleiner Reiseführer durch Los Angeles („L.A. is my Lady“) für Freunde der Sleaze-Rock Reise geht es ins Whisky, ins Rainbow oder auch zum Hell House, in dem die Band einst...ähem...wohnte...
Auch die weniger rühmliche Phase nach dem Ausstieg beinahe aller Bandmembers wird nicht ausgespart - diese ist zwar weniger interessant, gehört aber letztlich auch zur Geschichte der Band.  Sehr schön ist auch die für diese Heft-Reihe obligatorische Bonus Disc - die weit über die übliche Beigabe von hinausgeht, denn die CD „The Roots Of Guns N´ Roses vereint 5 ungeschliffene Songs von Hollywood Rose, jener Band, die neben den L.A. Guns quasi die andere Hälfte von G N´R  darstellte - eine schöne Rarität.

Wer die Gunners erst unlängst für sich entdeckt hat, erhält mit dieser „Rock Classics“-Nummer einen Craskurs,  um zu ergründen, warum die kleine Band aus L.A. so erfolgreich werden konnte. Wer seit Jahrzehnten G N´R-Fan ist, kennt zwar die viele Fakten bereits, findet jedoch in  dem attraktiv gestalteten und mit zahlreichen tollen Fotos gespickten Heft sehr viel Stoff zum Schmökern.

Freitag, 23. September 2016

ZZ TOP - LIVE - GREATEST HITS FROM AROUND THE WORLD


Credit Coverbild: ADA-Warner Music/Suretone Records
Seit über 4 Jahrzehnten sind ZZ TOP in der unumstößlichen Originalbesetzung -  Billy F. Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard - in irgendeiner Form on the road oder im Studio. Mit ihrem unverkennbaren, trockenen Sound zählen sie nicht nur zum Kreis der unbestrittenen Koryphäen des Texas Blues, Gibbons prägte mit seinem satten und mächtigen Gitarrensound das Klangideal ganzer Gitarristen-Generationen. Und in der Infantenphase des seinerzeit noch als Musiksender firmierenden MTV waren sie mit der Ästhetik ihrer Videoclips Trendsetter.
Das einzige was in der Karriere der „lil´ ol´ band from texas“ bislang fehlte, ist etwas das seit den Sechzigern eigentlich zum Fixpunkt im Backkatalog aller großen Bands gehört: ein klassisches  Live-Album. Zwar gab es vor einigen Jahren mit „Live From Texas“ bereits ein Konzertdokument der Band, das war jedoch keine Liveplatte im „old school“-Sinn, da sie parallel mit einem Konzertfilmen released wurde. So schließt sich erst mit der neu erschienenen „Greatest Hits Live From Around The World“ die Lücke in der Diskographie der Band.

Hill, Beard und Gibbons
Credit Bild: courtesy of Hugh Brown-Warner Bros Records
Die CD bietet einen auf die 70er und frühen 80er konzentrierten Querschnitt mit - wie der Titel bereits erahnen lässt - verstärktem Augenmerk auf den bekanntesten Gassenhauern -
aufgenommen bei Gigs rund um den Erdball - vom Big Apple bis nach Sin City, von der Music City Nashville bis London oder von Rom bis Houston: Von der Schilderung der nächtlichen Jagd nach knackigen Hintern bei „Tush“ zum eindeutig-zweideutigen „Tube Snake Boogie“, vom Loblied auf das beste Hurenhaus ganz Texas´ mit dem Boogie von „La Grange“ bis zum MTV-Videoclip-Triumvirat aus „Gime All Your Lovin“, „Legs“ und „Sharp Dressed Man“  sind viele der bekanntesten ZZ-Stücke vertreten.
Die spätere Phase etwa mit dem genialen Spätwerk „La Futura“ wird zwar vollständig ausgeklammert, dennoch gibt es auch auf dieser Live-Greatest Hits ein paar Überraschungen:
„Jesus Just Left Chicago“  etwa findet man hier in einer der besten Versionen ever- mit unglaublich schmutziger Blues Harp von James Harmann, der auch bei „Waitin´ On The Bus“ ins Mississippi Saxophone bläst.
Das  auch Jahrzehnte nach der Veröffentlichung etwas zu glatte - „Rough Boy“ wird zusammen mit Jeff Beck gespielt. Die Gitarrenlegende gastiert zudem auf dem  finalen Track der Plattedem tonnenschwer groovenden Tennessee Ernie Ford-Cover „Sixteen Tones“ - das witzigerweise mit dem Riff von „I Ain´t Superstitious“ in der 60er Jeff Beck Group-Version beginnt - eine direkte Reminiszenz an jene Zeit, in der der britische Gitarrist und seine Band auf Tour im Lone Star State waren und erstmals auf Billy Gibbons  trafen, der ihnen mit seiner damaligen Band The Moving Sidewalk half ihr Equipment zum nächsten Gig in Texas zu bringen,

Die "tres hombres" aus dem Lonestar State
Credit Bild: courtesy of Warner Bros Records
Die neue „Greatest Hits Live“ vervollständigt den ZZ TOP-Backkatalog  um ein schnörkelloses Live-Album, das zwar nur ein paar Überraschungen bietet, jedoch den mächtigen ZZ-Sound in Reinkultur zelebriert- und zudem in Zeiten, in denen immer seltener dezidierte Live-Alben ohne zugehörige DVD- oder Blu ray- Auswertung produziert werden, beinahe eine Seltenheit darstellt.

Montag, 5. September 2016

ARE YOU READY FOR FREDDIE ?

Credit Coverbild: Universal Music
Am heutigen Tage wäre Farrokh Bulsara, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Freddie Mercury, 70 Jahre alt geworden. Ein runder Geburtstag, von dem der Sänger in einem Interview einmal meinte, dass er ihn nicht erleben würde.
Unvergessen sind bis heute die progressiven Aufnahmen mit Queen, die legendären Auftritte und der unglaubliche Starappeal des 1991 an AIDS gestorbenen Musikers.

Wenn man sich Mercurys Bühnenpräsenz und seine Extravaganz vergegenwärtigt, erscheint es  auch durchaus passend, dass genau 25 Jahre nach seinem Tod ein Himmelskörper nach ihm benannt wird: Die Internationale Astronomische Union IAU gab einem Planetoiden, der  ursprünglich im Todesjahr des Sängers entdeckt wurde, den klingenden Namen Asteroid 17473 Freddiemercury“  - und dieser  saust wohl mit jener Geschwindigkeit, die Mercury einst selbst in „Don´t Stop Me Now“ beschrieb, durchs All.

Auch das Review des heutigen Tages steht anlässlich des Birthdays ganz im Zeichen Mercurys und führt uns zurück in die Frühphase Queens, zu „A Night At The Odeon“.

Im Dezember 2015 war es genau 40 Jahre her, dass Queen im Londoner Hammersmith Odeon an Heiligabend einen denkwürdigen Gig spielten, der seinerzeit auch in TV und Radio von der BBC übertragen wurde. Vier Jahrzehnte nachdem diese Show  über die Bühne der legendären britischen Konzertvenue gegangen ist, wird der Mitschnitt dieses Gigs, der einen wesentlichen Meilenstein in der damals noch recht jungen Karriere der Band darstellte, nun als CD-und Blu ray-Set released.
Doch zurück ins Jahr 1975 - das epochale „A Night At The Opera“-Album war erst im Vormonat veröffentlicht worden und hatte bereits für Furore gesorgt, die Vision einer Rock- Symphonie fand in dem so genialen wie komplexen „Bohemian Rhapsody“ ihre Vollendung. Die Hammersmith Setlist setzte sich jedoch noch überwiegend aus den ersten drei Alben - Queen I, II und Sheer Heart Attack - zusammen. Die Ausnahmen: Covers wie „Big Spender“ oder das Rock N´ Roll-Medley mit „Jailhouse Rock“  sowie 2 Tracks des 4. Opus  - natürlich am Schluss „God Save The Queen“ und „Bohemian Rhapsody“,  das jedoch leider nicht in seiner ganzen, epischen Länge gespielt wird sondern nur Teil eines Medleys ist.

In den Achtzigern hatte die Band fraglos die kompakteren Hits, in den Seventies waren Queen jedoch noch wesentlich härter, stellenweise beinahe an der äußeren Grenze des Hard Rocks. Fast ist es, als sehe man hier eine ganz andere Band ... Was sich jedoch nicht änderte sind Brian Mays lyrisch-melodische Gitarren-Soli, die er natürlich aus seiner Red Special-Gitarre kitzelt; dazu die tighte Rhythm Section mit Roger Taylor an den Drums und John Deacon am Bass und natürlich Freddie Mercury, schlichtweg der geborene Frontman mit einer Bühnenpräsenz und Show sondergleichen.

Der Digipak von „A Night At The Odeon“ beinhaltet eine CD und eine Blu Ray mit dem Christmas Gig in SD-HD Qualität. Trotz des Alters der Aufnahmen kann das Release von der technischen Seite überzeugen - sowohl was das Bildmaterial als auch den durchwegs kraftvollen Sound anbelangt. Als Bonus gibts noch Tracks eines Gigs aus dem japanischen Budokan sowie eine 22 minütige Doku „Looking Back At The Odeon“.