Donnerstag, 23. Dezember 2021

THE BEATLES - GET BACK

 Credit Bild: Copyright: ©Apple Corps
Als die Sixties langsam aber sicher ausklangen, endeten nicht nur viele Hippie-Utopien - auch eine der wegweisenden und prägenden Bands jener Dekade stand vor dem Aus: Im Zeitraum von weniger als 10 Jahren hatten die Beatles mehrere Metamorphosen durchgemacht und dabei stets den Zeitgeist entscheidend mitgeprägt. John, Paul, George und Ringo waren vom Merseybeat-Phänomen zu Studiotechnik/ Psychedelik-Pionieren und schließlich „Rock Royalty“ geworden, doch 1969 waren die Spannungen innerhalb der Band nicht mehr zu übersehen. Jene Zeit erwies sich jedoch als nicht weniger produktiv. Trotz der teils sehr aufgeladenen Stimmung entstanden in jener Endphase zwei Alben, die einige der besten Songs in der gesamten Karriere der Beatles enthielten - „Abbey Road“ und „Let It Be“.

Die „Long and Winding Road“ zum legendären Rooftop-Concert und den Recording Sessions zu “Let It Be” stehen anno 2021 durch die „Get Back“-Dokumentation von „Herr Der Ringe“-Regisseur Peter Jackson besonders im Fokus. Begleitend dazu ist ein gleichnamiger Großformatband  erschienen, der wie eine kondensierte Version der Jackson-Doku wirkt. Ein neues Buch über die ikonischen Fab Four ist per se nun nicht unbedingt eine Seltenheit. Dieses ist dann aber doch ein bisschen etwas Besonderes, ist es doch das erste offizielle Beatles-Buch seit 20 Jahren.

Natürlich funktioniert es auch als eigenständiges Werk ohne dass man Jacksons epischen 468 Minuten langen Disney+ Dreiteiler gesehen hat. Doch einiges an Wissen über die Biographie der Beatles sollte der geneigte Leser schon mitbringen. Denn eine musikhistorische Einordung wird hier – abgesehen von den prominenten  Vorworten, verfasst von Peter Jackson,  Autor Hanif Kureishi und John Harris (Guardian, Mojo Magazine) – nicht vorgenommen. Im Zentrum des Buchs stehen einerseits eindrucksvolle Bilder von Rock N´ Roll-Photographer Ethan A. Russel und Linda McCartney als auch ausführliche Transkriptionen ausgewählter Gespräche im Studio und auf dem Apple Building - quasi der Film zum (nach)lesen. In „Fly on the Wall“-Manier wird der Leser so Zeuge der historischen Sessions und des letzten Live-Auftritts der GruppeEs sind Situationen und Dialoge aus denen sich einerseits die Spannungen die zum Ende der Band führten deutlich ablesen lassen, die jedoch auch dokumentieren wie nach und nach einige der ganz großen Klassiker der Musikgeschichte aufgenommen wurden. Das erinnert immer wieder an das Drehbuch eines Films oder auch an ein Theaterstück – und zwar ein sehr naturalistisches und realiätsnahes. Hier gibt es keine dick aufgetragenen „Eureka“-Moment wie bei manchem Musiker-Biopic. Vielmehr wird man Zeuge wie sich allmählich aus dem Alltäglichen das Besondere herauskristallisiert. Dass dieses Buch in Akte eingeteilt ist und zu Beginn die „dramatis personae" – John, Paul, George und Ringo - vorgestellt werden, verstärkt den Eindruck, dass man hier das "Drama vom Ende der Beatles" im O-Ton nachliest, noch. Ein Drama, das jedoch ähnlich wie Peter Jacksons "Get Back" auch die positiven und teils magischen Momente einfängt.

The Beatles - Get Back, 2021, Peter Jackson, Hanif Kureishi, The Beatles (Autoren), John Harris (Hrsg.)  erschienen bei Droemer Knaur 

Credit Coverbild:© Droemer Knaur 

Mittwoch, 22. Dezember 2021

DEEP PURPLE – TURNING TO CRIME

 Credit Coverbild: © earMusic  Edel

Dass Ruhestands-News oder die Presse-Aussendung zur nun wirklich allerletzten Farewell-Tour im Musik-Biz nicht unbedingt in Stein gemeißelt sind, ist durchaus bekannt. Im Falle Deep Purples waren die konkret-unkonkreten Gerüchte, dass es sich bei „InFinite“ (2017)  um das letzte Album dieser Rocklegenden handeln soll, allerdings besonders verfrüht. Denn seit jener mehr als soliden Platte befinden sich Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Don Airey und Steve Morse auf einem kreativen Höhenflug. Beinahe im Jahrestakt erscheint so ein neues Album. Nach  „Whoosh!“ aus dem Vorjahr steht nun mit „Turning To Crime“  das erste Purple-Studiowerk in den Läden , das ausschließlich aus Songs besteht, die nicht von der Band selbst geschrieben und zuvor von anderen Künstlern aufgenommen wurden – ein reines Cover-Album also.

Entstanden ist es quasi im Home Office bzw. großteils im jeweiligen Home Studio der Musiker. Und obwohl die allermeisten späteren Rock Heroen mit Cover-Versionen begonnen haben, liegt die Neuinterpretation der Songs anderer Künstler besonders tief in der DNA dieser Band. Man erinnere sich etwa an die die genialischen Coverversionen von Neil Diamonds „Kentucky Woman“, Little Richards „Lucille“ oder natürlich „Hush“. Letzterer zählt zu den Evergreens und Rock-Klassikern - stammt im Original aber gar nicht von Deep Purple (wenngleich die Briten fraglos die ultimative Version eingespielt haben) sondern wurde vom Songwriter Joe South für den Sänger Billy Joe Royal geschrieben.

2021 geht es für Purple jedenfalls zurück zu ihren Wurzeln und jenen Künstlern, die sie einst inspirierten. Die Song-Auswahl reicht dabei von Arthur Lees „7 and 7 Is“ über Creams „White Room“ und Fleetwood Macs „Oh Well“ hin zum Rock N´ Roll von  Huey „Piano“ Smith  und seinem „Rockin´ Pneumonia And The Boogie Woogie Flu“ - ein Titel, der in der heutigen Zeit natürlich originell ironisch anmutet, allerding keinesfalls eine aktuelle musikalische Bestandsaufnahme der pandemischen Situation darstellt, sondern aus den Fünfzigern stammt, einer Zeit, in der sich nur das Fieber einer neuen Jugend-Musik ausbreitete.. Das Album endet schließlich in einer Medley-Orgie in der Freddie Kings „Going Down“ in Booker Ts „Green Onions“ schmilzt und „Hot´Lanta“ der Allman Brothers langsam in „Dazed And Confused“ (Led Zeppelin) übergeht.

Ganz so zu Eigen wie das zuvor erwähnte „Hush“ machen sich Deep Purple zwar keinen der Songs auf „Turning To Crime“, doch präsentiert sich die Band auf diesem lässigen „Back To The Roots“-Ausflug dennoch in bestechender Form. Dass durch die Auswahl von Fremdkompositionen  die schere Bürde wegfällt, neue Songs „from scratch“ kreieren zu müssen, die danach mit Klassikern der Marke „Highway Star“ oder „Speed King“ mithalten können, gereicht dem Album überdies zum Vorteil.

Montag, 13. Dezember 2021

QUENTIN TARANTINO - ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD THE DELUXE HARDCOVER

 Credit Coverbild: © Reproduced by permission of Harper/an imprint of Harper Collins   
Einst erfreuten sich „Movie Novelizations“, also Romanfassungen bekannter Filme, großer Popularität. Obwohl es immer wieder Ausnahmen in Form von stilistisch bemerkenswerten Werken  gab und manche von Ihnen gar von den Drehbuchautoren selbst verfasst wurden, die auf den Seiten der Novelizations ihre Version der jeweiligen Filme realisieren konnten, waren sie meistens nicht die ganz große Literatur. Für arrivierte Kritiker stellten diese Büchlein daher immer eher etwas dar, dass man von oben herab betrachtete. Heute ist diese Roman-Gattung zwar nach wie vor existent aber in gewissem Maße im Dornröschenschlaf - von den bekannten „Star Wars“-Adaptionen und Ausnahmen wie dem 2014er „Godzilla“ einmal abgesehen, liegt die kommerziell Hochphase dieses einst beliebten Genres schon lange zurück.

Anders war all dies als Regisseur Quentin Tarantino vor gut einem halben Jahr mit der Adaption seines eigenen Films „Once Upon A Time In Hollywood“ seine Debut-Novel veröffentlichte, die zum etwas anderen Sommer-Hit am Büchermarkt wurde. Der Kult-Auteur wurde damit nicht nur zum Bestseller-Autor, der seinen ureigenen, von seinen Scripts und Filmen bekannten Stil erfolgreich auf die Seiten eines Romans übersetzen konnte. Tarantino legte mit dieser Erzählung auch ein Werk vor, das eine essayistische und intertextuelle Komponente und Tiefgründigkeit aufwies, die den alten Film Novelizations fehlte. Meine In Depth-Analyse dazu findet ihr hier.

Diese Erstausgabe war als Gesamtkunstwerk bis ins Detail den Vintage Mass Market Paperbacks nachempfunden, die man in früheren Zeiten meist nahe der Kasse vieler Supermärkte finden konnte. Im für solche Taschenbüchlein obligatorischen Werbesegment auf den letzten Seiten wurde dann eine Deluxe Edition der „OUATIH“-Novel angekündigt. Diese ist nun erschienen und hat etwas von einer gut ausgestatteten Blu Ray- Collector´s Edition, vereint sie doch eine ganze Reihe interessanter „Special Features".  

Der Kern - der Roman selbst - bleibt derselbe. Wir schreiben das Jahr 1969 in Los Angeles: Es ist eine Zeit der Wende. Das alte Studiosystem Hollywoods liegt endgültig in seinen letzten Zügen, die Schauspieler der Eisenhower-Ära sind zunehmend weniger gefragt – zu dieser Gruppe, die Gefahr läuft vollends an den Rand gedrängt zu werden zählt Rick Dalton (im Film gespielt von Leonardo DiCaprio). Er und sein Stunt Double Cliff Booth (Brad Pitt in seiner Oscar-prämierten Rolle) schlagen sich im Film-Biz durch während sich rund um sie die Industrie komplett verändert. Die Stars des Moments sind etwa Ricks neue Nachbarn, der Regisseur Roman Polanski und seine bezaubernde Frau Sharon Tate (Margot Robbie). Für Dalton bleiben vorerst nur die Optionen sich mit Rollen des "Bösewichts der Woche" in TV-Serien zu begnügen oder aber nach Italien zu gehen, um dort Spaghetti Western zu drehen. Unterdessen ziehen dunkle Wolken über der Stadt der Engel auf, denn die aus der Perversion der Hippie-Ideale entstandene Family Charles Mansons treibt ihr Unwesen.

Der Leser taucht auf den Seiten von Tarantinos Roman in eine Alternativ-Version der Filmhandlung ein, die den Plot erweitert, durch zusätzliche Szenen sowie mehr Rückblenden und Backstories ergänzt und teilweise aus einem anderen Blickwinkel gezeigt wird – und so das ganze Narrativ ändert.

Neben dem größeren Format der Deluxe Hardcover Edition fällt sofort das kunstvoll gezeichnete Cover auf, das eine der Schlüsselszenen aus dem Film und dem Buch zeigt: Die Ankunft Cliff Booths auf der Spahn Movie Ranch,  während seine Beifahrerin, Manson Girl Pussycat lasziv ihre Beine hochgelagert hat.

Darüber hinaus gibt es folgendes Bonusmaterial: 

  • Das „Incident At Inez -Script“: Tarantino schrieb für die fiktive, aber detailgenau an Vintage Western TV- Shows angelehnte Serie “Bounty Law“ ein Drehbuch, das hier in voller Länge nachzulesen ist.
  • Eine „Bounty Law“ Parodie des Mad Magazine, bei Alfred E. Neumann  heißt diese „Lousy Law“
  • Ein „Full Colour“-Bildersegment, das teilweise Szenen zeigt, die es nicht in den Film schafften
  • Filmplakate, Szenenbilder und Fotos von Memorabilia aus der fiktiven Karriere Rick Daltons

Die Hardcover-Ausgabe von „Once Upon A Time In Hollywood“ - dieser ersten großen amerikanischen „pulp novel“ seit langer Zeit - ist eine überaus gelungene Edition und stellt für den Sammler so etwas wie ein Muss dar. Dank der Bonus Features der Hardback-Version weiß man nun, dass einige jener Szenen, die es nicht in den Film schafften bzw. nur im Buch vorkamen, tatsächlich  gedreht wurden. So macht diese attraktive Edition noch mehr Lust auf einen Extended Cut, über den in der Zeit seit der Kinopremiere 2019 immer wieder berichtet wurde.

QUENTIN TARANTINO - ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD THE DELUXE HARDCOVER, erschienen bei Harper/an Imprint of Harper Collins, englische Originalausgabe

HELMUT NEWTON - LEGACY

Yves Saint Laurent, Queen, Paris 1969
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation Berlin
„Meine Fotografie ist wie „Film Noir“, wie „Pulp Fiction“  - Helmut Newton

Er verband den Hochglanz-Glamour einer unerreichbaren Society-Welt mit den dunklen Begierden, die sonst eher im Verborgenen gehalten wurden. Er brachte das Filmische, das Fetischistische und das Gewagte in die Modefotografie und war dadurch auch Wegbereiter einer künstlerischen Avantgarde und einer neuen Bildsprache. Mehr als fünf Jahrzehnte umspannt das Œuvre von Helmut Newton (1920–2004) und die Zeit seit seinem Unfalltod hat nur gezeigt, wie nachhaltig sein Einfluss ist: Man denke etwa an die Werke Mert & Marcus´ oder die Tabubrüche zeitgenössischer Fashion- und Kunst-Fotografie: sie alle wären ohne Helmut Newtons Rolle als Trailblazer geradezu undenkbar.

Die unverwechselbare „Aesthetic Vision“ Newtons  - schon früh rückte er starke Frauen ins Zentrum seiner Bilder und würde für seine Darstellung erotischen Powerplays in vielen seiner Werke ebenso gefeiert wie kritisiert - ist auch das Zentrum des neuen, begleitend zu einer aktuellen Ausstellung veröffentlichen Retrospektivbands „Legacy“.

Es ist dies natürlich bei weitem nicht das erste Coffee Table-Buch, das sich mit dem vielschichtigen Werk Newtons auseinandersetzt. Nicht zuletzt im Taschen Verlag ist bereits eine Vielzahl an Werkschauen erschienen, allen voran natürlich der kultige „Sumo“, „World Without Men“, „Work“, oder „Polaroids“. "Legacy“ wirkt nun wie eine Zusammenfassung all dieser Titel.  Der Schlüssel zum Ansatz dieser neuesten Werkschau findet sich im Titel eines Kapitels. Es heißt  „Becoming Helmut Newton“ und dies ist auch genau das, was der Leser hier nachvollziehen kann: wie aus dem gebürtigen Berliner Helmut Neustädter die internationale Ikone Helmut Newton wurde.

Schon in jungen Jahren war er stark von amerikanischer Popkultur beeinflusst. Die Schund-und Groschenromane und Filme der schwarzen Serie faszinierten ihn und befeuerten seine Vorstellungskraft. Später ließ er diese filmische Komponente in seine Arbeiten für die  Vogue und Elle einfließen. Die erotischen Femme Fatales wurden zu den Hauptfiguren seiner expressiven Bilder. Im Film Noir waren die Männer oft Spielbälle der überlebensgroß dargestellten Göttinnen des „Silver Screen“, bei den Shootings traten seine Models nicht minder „hard boiled“ auf.

„Legacy“ zeichnet, noch  deutlicher als vorhergehende Bände anhand von essayistischen Beiträgen, Zitaten von Zeitgenossen und vom Meister selbst sowie - natürlich - einer gelungenen Auswahl seiner Bilder die künstlerische Entwicklung dieses Genies nach und dokumentiert wie  die Bildsprache des „professionellen Voyeurs“ (Selbstbeschreibung des Fotografen) entstand.

Die Ausstellung HELMUT NEWTON. LEGACY ist noch bis zum 22.05.2022 in der Helmut Newton Stiftung, Jebensstraße 2, 10623 Berlin zu sehen.

Credit Coverbild: © Taschen Verlag   
Helmut Newton -  Legacy von Helmut Newton, Matthias Harder (Hrsg. Autor), Philippe Garner (Co-Autor), Hardcover, 24 x 34 cm, 3,04 kg, 424 Seiten, ISBN 978-3-8365-8458-6  Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch

Freitag, 10. Dezember 2021

GOV´T MULE - HEAVY LOAD BLUES

Credit Coverbild: © Fantasy Records / Concord / Universal Music
Das Blues-Genre bildete immer schon die Basis der Musik von Warren Haynes - ob bei den Allman Brothers, mit Gov´t Mule oder den vielen anderen Projekten und unzähligen Gastspots des “Hardest Working Man in Jam Rock”. Die blaue Note, sie hat diesen begnadeten Stilisten aus North Carolina seit seiner Jugend nie losgelassen. Der klassische Blues aus dem Süden der USA und die teils psychedelische Reimagination durch Bands einer neuen Genreration inspirierten ihn seinen „formative years“ und wurden zum  Katalysator für seine eigene musikalische Laufbahn. Insofern kann man bei „Heavy Load Blues“ also nicht direkt von einem „back to the roots“-Platte sprechen.

Es  ist jedoch tatsächlich das erste dezidierte Blues-Album von Haynes und seiner Band Gov´t Mule, die hier Klassiker von Junior Wells, Elmore James oder Howlin´ Wolf einspielen sowie Eigenkompositionen präsentieren, die alles eines gemeinsam haben: den roten (bzw. in diesem Fall wohl eher blauen) Faden, der tief hineinführt ins Delta und in die großen städtischen Epizentren des Blues. Was besonders auffällt: der Band, dem Produzenten und den Toningenieuren gelang es den Ambience Sound alter Blues-Platten einzufangen. Es ist ein Klang, der sich wohl m besten mit den Adjektiven „warm“ und „dunkel“ beschreiben lässt. Statt dem Bombast der Rock Stage gibt es hier ein geradezu intimes Blues Club und Studio-Feeling mit verhallten Vocals und teils „kleinerem Besteck“ in Sachen Amps.  

Das in pandemischen Zeiten entstandene Album „Heavy Load Blues“ hält für den Zuhörer - und das ist keinesfalls negativ zu verstehen  - keine Überraschungen bereit. Vielmehr bietet es genau das, was man erwarten konnte wenn eine Band vom Kaliber Gov´t Mules eine Blues-LP ankündigt. Hier hört man Virtuosen, die zwar den Coverversionen nicht unbedingt neue Nuancen abgewinnen, allerdings ein vor allem atmosphärisch dichtes Album geschaffen haben. Ein  Genre-Highlights dieses Jahres.

Credit Bild: © Jay Sansone


Mittwoch, 1. Dezember 2021

ADELE - 30

Credit Bild: © Simon Emmett
Wenig überraschend bricht das neue Adele-Album alle Rekorde und erklimmt die lichten Höhen der internationalen Charts. Es sind sehr wenige Stars, vielleicht gerade einmal eine Handvoll, die im heutigen, immer schnelllebigeren und von Algorithmen geprägten Musikbusiness eine so sichere Bank sind wie Adele Laurie Blue Adkins. Fast wirkt es wie ein geradezu vorprogrammierter Erfolg, nach langer Durststrecke für die Fans. Der ebenfalls höchst erfolgreiche Vorgänger erschien immerhin schon 2015. Nun ist Tottenhams liebste Drama Queen allerdings zurück in der Lounge Bar der (ganz ganz) großen Gefühle. Schon die ebenfalls nach Lebensjahren benannten Vorgängeralben waren nicht gerade euphorische Fingerübungen im Happy Sound. Auf „30“ trägt Adele jedoch gleich die Blumen zum Friedhof ihres Herzens, denn dies ist ihr „Post-Divorce“-Album und setzt die musikalische Selbstbeobachtung der Vorgänger fort. 

Musikalisch erscheint dies alles sehr vertraut - stilistisch angesiedelt zwischen Streicher-getränktem Old Hollywood Jazz und mehr offensichtlich als dezent von Hitfließbandarbeitern wie Max Martin getunten Pop-Balladen. Dennoch ist hier nicht alles beim Alten, vornehmlich im Privatleben Adeles, das nun (halb-) öffentlich in den Songs seziert wird. 30, dieses einschneidende Alter brachte eine ganze Reihe Veränderungen mit sich: Adele ist geschieden, mehr oder minder alleinerziehende Mutter und dann war da noch diese radikale Typveränderung. Diese Herausforderungen und das Hadern mit unerfüllten (eigenen) Erwartungen sind Quell höchstpersönlicher, teils ironischer Betrachtungen in den Lyrics. Die stimmvirtuos vorgebrachten Botschaften, deren Bedeutungshaftigkeit gerne mit Koloraturen akzentuiert wird, werden bei einigen Zuhörern wohl auf starke Resonanz stoßen. Die eher beliebig wirkenden, eintönigen Songs konterkarieren diese vermeintliche Substanz jedoch.

Manch einer überschlägt sich dennoch mit Superlativen und spricht gar vom Album des Jahres. In rein kommerzieller Sicht ist diese Einschätzung durchaus nicht unrealistisch und unrichtig - immerhin, „30“ ist in den USA drei Tage nach dem Release schon die erfolgreichste Platte 2021. Auch die von einem atmosphärischen, monochromen Musikclip begleitete Single „Easy On Me“ schlägt mit mehr als 310 Millionen Spotify-Streams zu Buche - die harte Währung der Popularität im Biz  gibt der Erfolgsformel von Adele und ihren Produzenten recht. 

„30“  mag zwar das neue „25“ zu sein, der vorherrschende Eindruck ist jedoch der eines allzu routinierten Albums, das seltsam blass bleibt - auch wenn man hier eine Sängerin mit technisch fraglos beeindruckender Stimme hört, die genau ihre Genre-Nische gefunden hat.

Credit Coverbild: © Sony Music