Er verband den Hochglanz-Glamour einer unerreichbaren Society-Welt mit den dunklen Begierden, die sonst eher im Verborgenen gehalten wurden. Er brachte das Filmische, das Fetischistische und das Gewagte in die Modefotografie und war dadurch auch Wegbereiter einer künstlerischen Avantgarde und einer neuen Bildsprache. Mehr als fünf Jahrzehnte umspannt das Œuvre von Helmut Newton (1920–2004) und die Zeit seit seinem Unfalltod hat nur gezeigt, wie nachhaltig sein Einfluss ist: Man denke etwa an die Werke Mert & Marcus´ oder die Tabubrüche zeitgenössischer Fashion- und Kunst-Fotografie: sie alle wären ohne Helmut Newtons Rolle als Trailblazer geradezu undenkbar.
Die unverwechselbare „Aesthetic Vision“ Newtons - schon früh rückte er starke Frauen ins Zentrum seiner Bilder und würde für seine Darstellung erotischen Powerplays in vielen seiner Werke ebenso gefeiert wie kritisiert - ist auch das Zentrum des neuen, begleitend zu einer aktuellen Ausstellung veröffentlichen Retrospektivbands „Legacy“.
Es ist dies natürlich bei weitem nicht das erste Coffee Table-Buch, das sich mit dem vielschichtigen Werk Newtons auseinandersetzt. Nicht zuletzt im Taschen Verlag ist bereits eine Vielzahl an Werkschauen erschienen, allen voran natürlich der kultige „Sumo“, „World Without Men“, „Work“, oder „Polaroids“. "Legacy“ wirkt nun wie eine Zusammenfassung all dieser Titel. Der Schlüssel zum Ansatz dieser neuesten Werkschau findet sich im Titel eines Kapitels. Es heißt „Becoming Helmut Newton“ und dies ist auch genau das, was der Leser hier nachvollziehen kann: wie aus dem gebürtigen Berliner Helmut Neustädter die internationale Ikone Helmut Newton wurde.
Schon in jungen Jahren war er stark von amerikanischer Popkultur beeinflusst.
Die Schund-und Groschenromane und Filme der schwarzen Serie faszinierten ihn
und befeuerten seine Vorstellungskraft. Später ließ er diese filmische Komponente
in seine Arbeiten für die Vogue und Elle einfließen. Die erotischen
Femme Fatales wurden zu den Hauptfiguren seiner expressiven Bilder. Im Film
Noir waren die Männer oft Spielbälle der überlebensgroß dargestellten Göttinnen des „Silver Screen“, bei den Shootings traten seine Models nicht minder „hard
boiled“ auf.
„Legacy“ zeichnet, noch deutlicher als vorhergehende Bände anhand von essayistischen Beiträgen, Zitaten von Zeitgenossen und vom Meister selbst sowie - natürlich - einer gelungenen Auswahl seiner Bilder die künstlerische Entwicklung dieses Genies nach und dokumentiert wie die Bildsprache des „professionellen Voyeurs“ (Selbstbeschreibung des Fotografen) entstand.
Die Ausstellung HELMUT NEWTON. LEGACY ist noch bis zum 22.05.2022 in der Helmut Newton Stiftung, Jebensstraße 2, 10623 Berlin zu sehen.
Credit Coverbild: © Taschen Verlag |