„Nach meinem Tod, früher oder später, werden
die Leute mich gewiss lobpreisen
und meine Kunst bewundern“
Ein Zitat des
im Sterbebett liegenden Egon Schiele, kurz bevor ihn schließlich die spanische
Grippe das Leben kostete, das geradezu prophetisch anmutet: Heute ist der
österreichische Jahrhundertwende-Maler zwar absoluter Kult, zu Lebzeiten sah er
sich jedoch immer wieder mit heftiger Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber
seiner Person sowie seiner Kunst konfrontiert. In einer Zeit des Umbruchs, in
der es zum Widerstreit zwischen modernen wie beharrend-konservativen Kräften in
Europa und der Metropole Wien kam, waren drastische Werke wie die seinen, prädestiniert
dafür einen Aufschrei in der bürgerlichen Gesellschaft hervorzurufen.
Die
Darstellung magerer, nackter Leiber auf seinen Gemälden traf häufig auf
Unverständnis und wurde als schlichtweg pornographisch abgestempelt – während aufgeschlosseneren
Kunstliebhabern und Mäzenen die neuartige Qualität Schieles Werken und seine Progressivität
nicht verborgen blieb. Zeitgenossen Schieles wie etwa Gustav Klimt zeigten zwar
ebenfalls erotische Darstellungen in ihrer Kunst, blieben jedoch noch am
klassisch-schönen Ideal orientiert. Schiele hingegen ging einen anderen Weg
- er brach radikal mit vorherrschenden
Sehgewohnheiten, in seinen schonungslosen Körperstudien präsentierte er Malerei
als anthropologische Studie des Begehrens: teils verzerrte Gesichter, verrenkte
Gliedmaßen, geisterhaft-fahle Haut im starken Kontrast zu einem tiefrot
gefärbtem Schambereich, die lasziven Posen seiner Modelle, die Verbindung von
Eros und Thanatos - dass der Maler auch
noch oft äußerst junge Mädchen für seine
expliziten Aktdarstellungen einsetzte machte den Skandal perfekt.
In seinem
kurzen Leben war Schiele, der mit gerade einmal 28 Jahren starb und
nichtsdestotrotz ein umfangreiches Werk hinterließ, ein oft unverstandenes
Genie - nachfolgende Generationen rezipierten sein einflussreiches Werk (man
denke nur an Francis Bacon) jedoch gänzlich anders und
erkannten ihn als einen der wichtigsten Vertreter des Expressionismus, der tatsächlich einen neuen Stil prägte – was er ja mit der Gründung der Neukunst-Gruppe
einst intendiert hatte.
Passend
zum kommenden Schiele-Jahr 2018, in dem des 100. Todestages des wegweisenden
Malers der Wiener Moderne gedacht wird, erscheint im Taschen Verlag eine Mammut-Retrospektive,
die die gesamten 1909 bis1918 entstandenen Gemälde dieses Meisters der Fin de Siècle–Kunst vereint: eine ungemein genaue und umfassende Werkschau in
einer äußerst stylischen Schutzkassette mit
High Quality- Reproduktionen dieser faszinierenden Werke.
Aufgrund
des Detailreichtums und des schieren
Umfangs dieser Retrospektive kann man
mit diesem Band die gesamte Entwicklung des Künstlers nachvollziehen. Von den
frühen Arbeiten, die teils noch von Klimt beeinflusst waren über die Aktdarstellungen,
die Selbstbildnisse als „Schmerzensmann“ bis hin zu seinen Eindrücken toter
Städte.
Doch „Egon
Schiele Sämtliche Gemälde 1909 -1918“ ist nicht nur eine beeindruckender
Bildband. Herausgeber Tobias G. Natter, österreichischer Kunstexperte, entwirft in diesem wuchtigen Buch auch eine äußerst
gut geschriebene Biographie Schieles. Jedes hier vorgestellte Werk wird überdies
en detail beleuchtet und kunstgeschichtlich eingeordnet und selbst weniger bekannte
Aspekte des künstlerischen Schaffens Schieles, wie seine Arbeiten als Dichter, werden
eingehend beleuchtet.
Eine komplettere
und umfangreichere Veröffentlichung über Schiele habe ich bisher noch nicht
gesehen. Und obwohl es nicht gerade wenige Bücher über ihn gibt, ist dieses
beeindruckende bibliophile Sammlerstück schon jetzt ein kunstgeschichtliches
Standardwerk wenn es um die Beschäftigung mit diesem faszinierenden Künstler
geht.
Während in
Europa und den USA die Counterculture-Bewegung florierte und die Rolling Stones
den „street fighting“-Soundtrack zur Revolution beisteuerten, waren die meisten
Länder Lateinamerikas in der Hand von Militärdiktaturen oder wie im Falle Kubas
unter der Führung eines kommunistischen „Maximo Líder“. Musik, die dem
Hedonismus wie dem Nonkonformismus huldigte war da weitgehend verboten sowie
aufgrund der teils horrenden wirtschaftlichen Lage in jenen Ländern einfach schwer
bzw. so gut wie nicht erhältlich.
Doch alles
Verbotene übt natürlich immer eine ganz besondere, unwiderstehliche Faszination
aus und so fand auch der Rock N´ Roll seinen Weg in jene Gefilde,
trotz politischer wie ökonomischer Restriktionen entstand eine beachtliche
Fangemeinde. Im Vorjahr gingen die Stones nun auf große Tour durch 10
Länder Lateinamerikas wie Peru, Brasilien oder Argentinien und spielten auch
einen historischen Gig in Kuba.
„Olé Olé
Olé - A Trip Across Latin America“ zeigt nun die Reise der Steine bis zum historischen, in "Havana Moon“
verewigten Konzert in Kuba (inklusive dramaturgischem Countdown bis zu diesem Großereignis).
Regie
führte bei dieser abendfüllender Dokumentation wie schon zuletzt bei „Live From Hyde Park“ und „Havana Moon“ der
britische Director Paul Dugdale. Dugdale versteht es sowohl die Action on stage, die
Interview-Passagen als auch die Eindrücke Lateinamerikas perfekt einzufangen und setzt mehr auf ausgesprochen
cineastische Kameraeinstellungen als auf vordergründige Effekte.
Die Kamera
ist in diesem Film stets sehr nah an den Stones- besucht sie etwa in ihrem
riesigen Rehearsal Space (davon hätte man allerdings gerne mehr gesehen) oder
ist auch im Stones-Privatjet mit dabei. Der Einblick, den man hier erhält ist nicht
nur für die härtesten Stones-Fans isehenswert, vielmehr kann man die
die Funktions-und Arbeitsweise einer Band der Größenordnung der rollenden Steine
ein Stück weit nachvollziehen.
Als Bonus
gibt es auf der DVD und Blu ray von „Olé Olé Olé“ ein paar full length-Live Performance( denn während der
Doku werden einzelne Songs nicht ausgespielt):
Out Of Control aus Buenos Aires, Argentinien
Paint It Black, wieder Bueneos Aires
Honky Tonk Women aus Sao Paulo, Brasilien
Symapthy For The Devil, wieder aus Sao Paulo
You Got The Silver, Lima, Peru
Midnight Rambler, aus Lima
Miss You, ebenfalls aus Lima
Von der
Songauwahl her, also eher „business as usual“– die Lateinamerika-Tour der Stones war allerdings auch nicht für allzu große Experimente bekannt. Was diese Dokumentation
aber insbesondere so sehenswert macht, ist neben dem Einblick in den Touralltag vor allem auch wie gekonnt das ganz spezielle Flair der jeweiligen Destinationen
eingefangen wird. Man erfährt in dieser Doku so einiges über die
Lebenssituationen der Menschen in diesen Ländern - etwa wie sich Musiker in einem Land behelfen, in dem man nicht im
nächsten Musikalienladen ein Päckchen Ernie Ball Super Slinky-Saiten kaufen
kann…Und die
Aufnahmen des pulsierenden Lebens abseits kitschiger Postkartenidyllen sind besser
als bei zahlreichen Reisedokumentationen.
Weder
vorher noch nachher gab es einen Präsidenten wie ihn:
Keiner
war populärer, keiner wurde so abgöttisch-verklärend geliebt und kein
anderer Politiker verkörperte die diametral entgegengesetzten Welten des
mondänen Jetset und der beinharten Weltpolitik so wie der 35. Präsident der
USA: Heute wäre John F. Kennedy 100 Jahre geworden – und sein Mythos hat bis heute
nichts von seiner Faszination eingebüßt – trotz oder auch wegen der
Schattenseiten des Polit-Superstars.
Zeit
für eine popkulturelle Spurensuche und den Versuch einer Erklärung von Kennedys bis heute anhaltender Popularität aus einem nicht alltäglichen Blickwinkel.
Denn Kennedy und insbesondere sein Tod als Schlüsselmoment der 60er
beschäftigte viele Vertreter der Popkultur.
Flashback
zum 22.11.1963: Um Unterstützung und Gelder für seine Wiederwahl zu gewinnen,
befindet sich John Fitzgerald Kennedy - kurz JFK - auf Wahlkampftour in einem
der konservativsten Bundesstaaten der USA: Texas. Kein einfaches Terrain für
den Demokraten. Denn im Süden ist der 46-jährige auch aufgrund seiner liberalen
Ansichten (u.a. zu den Bürgerrechten der Schwarzen) vielen ein Dorn im Auge. An
diesem Freitag steht eine Fahrt durch die Innen-stadt von Dallas - die Menschen
sollen ihr Staatsoberhaupt möglichst nahe sehen können - und eine Rede auf dem
Programm. Was als Routinetermin für den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten
beginnt, endet in einer Tragödie: Noch bevor die Wagenkolonne JFKs ihr Ziel
erreicht, fallen am Dealey Plaza
drei Schüsse - abgefeuert aus dem Fenster eines Schulbuchlagers. Die Kugeln des
Schützen, Lee Harvey Oswald, verfehlen ihr Ziel nicht: Kennedy wird tödlich getroffen.
Oswald wird zwar noch am selben Tag gefasst, jedoch zwei Tage nach seinen
Schüssen auf das Staatsoberhaupt selbst ermordet.
Kennedy,
zu Lebzeiten schon ein moderner und medienaffiner Politiker,
wurde posthum zu einer Art popkulturellen Phänomen: er und sein Tod werden
immer wieder thematisiert - auch in Songs der Populärmusik, die zu den
frühesten Reaktionen auf den gewaltsamenTod
des amerikanischen Hoffnungsträgers gehören.
Die
musikalische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen begann schon unmittelbar nach
den fatalen Schüssen. Die Beach Boys Brian Wilson und Mike Love arbeiteten zu
dieser Zeit an dem Song „Warmth Of The Sun“, einer melancholischen Ballade, die
in deutlichem Kontrast zum sorgenfreien, fröhlichen Sound der Gruppe und ihrer
„Sommer, Girls und schnelle Autos“-Thematik stand, bis heute untrennbar mit JFK
verbunden ist und eine Art Tribute an ihn darstellt.
Das
Attentat auf JFK veranlasste auch Roger
McGuinn, Sänger und Gitarrist der Folk-Rock-Band The Byrds, dazu das alte
Traditional „He was A Friend Of Mine“ grundlegend neu zu bearbeiten und so
einen der bekanntesten Songs der Byrds zu kreieren. Einer Grabrede gleich arbeitete McGuinn in
die bestehenden Lyrics über den Tod eines Freundes die Geschehnisse vom 22.11.1963
ein: „His killing had no purpose, no reason or rhyme...He was in Dallas town...From
a sixth floor window a gunner shot him down...Though I never met him I knew him
just the same...Oh he was a friend of mine“.
Tief
getroffen von Kennedys Tod zeigte sich auch die schwarze Community, verloren
sie doch nicht nur ein Staatsoberhaupt sondern auch einen mächtigen Verbündeten.
JFK hatte sich in den noch immer von Rassismus geprägten Sechzigern als einer
der wenigen aktiv für Integration und Gleichstellung eingesetzt. Besonders in
der Blues-Szene wurden viele Nachrufe in Song-Form aufgenommen: Der berühmte Bluesman
Sleepy John Estes beispielsweise reagierte auf den Verlust mit dem Song „President
Kennedy (Stayed away too long)“ und sang „We lost the best President we´ve ever
had“. Der langjährige Pianist
der Muddy Waters-Band, Otis Spann, sang vom „Sad Day In Texas“ und als
1968 dann der Bürgerrechtler Martin Luther King in Memphis, Tennessee
erschossen wurde entstand der u.a. von Ray Charles, Marvin Gaye und Harry
Belafonte aufgenommene Song „Abraham, Martin and John“ - ein Tribute an Lincoln, King und
Kennedy, die sich alle drei für die Rechte der Schwarzen eingesetzt hatten und die
alle das gleiche Schicksal ereilte.
Gewalt
und die Frage, wer JFK tötete, spielten einige Jahre später in „Sympathy For The Devil“ der
Rolling Stones ebenfalls eine wesentliche Rolle. In den Lyrics des Songs tritt
der Teufel selbst als Ich-Erzähler auf und erklärt sich für Chaos und Leid im Laufe
der Weltgeschichte
verantwortlich. Noch
bevor die finalen Aufnahme-Sessions für das „Beggars Banquet“-Album (1968), auf
dem der Song erschien, abgeschlossen waren wurde auch JFKs Bruder,Senator Robert Kennedy, erschossen. Die Textstelle, bei der
Satan die Zuhörer fragt, wer Kennedy erschossen hat wurde daraufhin zu „I
shouted out: Who killed The Kennedys ? When after all it was you and me“
abgeändert.
Zehn
Jahre später erinnerte sich dann Police-Frontman Sting an seine Kindheit und
Jugend in „Born in the 50s“: „My mother
cried when President Kennedy died, she said it was the communists...but I knew
better“.
In
den 80ern nahm die direkte Beschäftigung mit dem Kennedy-Attentat inder Pop-und Rockmusik zwar etwas ab, der zunehmende zeitliche
Abstand führte jedoch nicht dazu, dass das einschneidende Ereignis aus den Songs
bekannter Künstler verschwand. Lou Reed erinnerte sich 1982 an den Tag, an dem er die News von Kennedys
Ermordung erfuhr ( „The Day John Kennedy died“) und der Hip Hop-Produzent
Steinski machte aus derNews-Berichterstattung
zum Kennedy-Mord gleich einen ganzen Song: „The Motorcade sped on“ besteht aus
einer Reihe von sogenannten Samples. Über den Drum-Beat des Stones-Songs „Honky Tonk Women“ wurden rhythmisch Zitat-Schnipsel von
Anchorman-Legende Walter Cronkite, der 1963über
das Ereignis berichtete, gelegt.
Axl
Rose, Frontman der Hard Rocker Guns N´ Roses, wiederum verdeutlichte im Antikriegs-Song „Civil War“ von
1991 die traumatisierende Wirkung, die die Schüsse vor „laufender Kamera“ auf
eine junge Generation hatten: „And in my first memories they shot Kennedy, and
I went numb when I learned to see“.
Im 5. Jahrzehnt
nach den Ereignissen in Texas schlüpfte
dann die junge,
amerikanische Sängerin Lana Del Rey im kontroversen Musikvideo zu ihrem „American Anthem“ (2012)
in die Rolle der Jacqueline Kennedy und stellte Teile des berüchtigten Zapruder-Films nach.
Dass
es vom JFK-AttentatFilmaufnahmen (siehe das vom Hobbyfilmer
Abraham Zapruder gedrehte, sogenannte
„Zapruder“-Video) gibt, ist auch ein Schlüsselaspekt, der begreifbar
macht, weshalb der im Amt
ermordete Präsident Gegenstand
so vieler Songs der Populärmusik ist.
Sein
gewaltsamer Tod war ein trauriges und schockierendes Medienereignis, an dem selbst jene, die nicht am Dealey Plaza in Dallas
standen durch die moderne Berichterstattung
„live“ Anteil nehmen konnten. Auch aufgrund
der Drastik der Fotos und Bilder vom Dallas-Attentat (in Verbindung mit den Verschwörungsvermutungen,
den offiziellen Untersuchungen oder Büchern über den Fall)brannte sich das
Ereignis besonders nachhaltig
ein. Hinzu kommt, dass sich selbst junge Menschen, teilweise aus der regierungskritischen 60er-Counterculture (der Gegenbewegung zum
Establishment), mit ihm
identifizieren konnten. War Kennedy doch ein Mann, der trotzKrisen
in seiner Amtszeit (Vietnam, Kuba und der Schweinebucht-Vorfall) eine
Identifikationsfigur war, die eine Antithese zum „alten, grauen“ Politikertypus darstellte.
Die
immense Popularität Kennedys schon zu seinen Lebzeiten ist auch darauf
zurückzuführen, dass er der erste Medien-Politiker war – der das Spiel mit
fernseh-wirksamen Symbolen wie kein zweiter beherrschte.
Auch wenn Enthüllungen
der Geschichtsforschung (Affären, Gebrauch von Medikamenten) ein ambivalentes
Bild der einstigen Lichtgestalt zeichnen, geht von Kennedy eine Faszination
aus, die bis heute anhält.
Auch dadurch ist
es zu erklären, warumselbst Artists einer neuen Generation (siehe Lana Del Rey), die
die Ereignisse damals gar nicht miterlebt
haben,JFK noch immerin ihrer Kunst thematisieren.
Was
Kennedy für die Menschen in den Sechzigern symbolisierte, wird auch in Norman
Mailers Klassiker-Reportage „Superman kommt in den Supermarkt“ nachvollziehbar
– einem Stück Journalismus-Geschichte, das passend zum 100. Geburtstag von „Mr. President“
vom Taschen Verlag neu aufgelegt wird. (und aus dem auch die Bilder dieses
Artikels stammen).
Mailers
Kennedy-Portrait ist ein geniales Essay – in den 60ern ursprünglich im
renommierten Esquire-Magazine erschienen – das die klassische Polit-Berichterstattung
erneuerte und auch einen wesentlichen Meilenstein für den New Journalism setzte,
der die Sixties und die kommende Dekade prägen sollte. Mailer – der einst
meinte, dass sein Portrait von JFK die Wahl entschieden hätte – lässt den Leser
unmittelbar teilhaben an der euphorischen Stimmung der early sixties in
Kennedys „Camelot“, dem Traum-Königreich der Vereinigten Staaten, teilhaben und
ist – nicht nur wegen des 100. Geburtstags – ein Lesetip für polit-und
geschichtsaffine Leser.
Wenn in
den USA heute Abend „Twin Peaks“ ins Fernsehen zurückkehrt*, so ist das nicht
nur das TV-Event des Jahres, es
schließt sich vor allem auch ein Kreis: Denn David Lynchs Serie über die
merkwürdigen Vorkommnisse in der nur vermeintlich beschaulichen, titelgebenden Kleinstadt
nahe der kanadischen Grenze stellt quasi die Stunde Null des „high quality tv“
dar – Fernsehen, das nicht nur den Anspruch hatte gute TV-Unterhaltung im
bekannten Format zu bieten, sondern das so
ambitioniert und anspruchsvoll wie ein
Hollywood-Spielfilm war.
Die
Ausstrahlung von „Twin Peaks“ deutete in den frühen Neunzigern auf einen Paradigmenwechsel
in der „small screen“-Branche hin.
Das
Versprechen eines neuen Fernsehens, das die Macher David Lnych und Mark Frost
mit dem ambitionierten Projekt gegeben hatten, sollte jedoch erst knapp ein Jahrzehnt nachdem die erste Folge der
Mystery-Kult über amerikanische TV-Geräte
geflimmert war, eingelöst werden: mit David Chases „Sopranos“ (an der wiederum der
spätere „Mad Men“-Macher Matthew Weiner mitwirkte) wurde endgültig das „goldene
Zeitalter“ der TV-Serien eingeläutet, mit
dem wegweisende Serien wie beispielsweise die erwähnte Saga über Werbefachmann
Don Draper, „Breaking Bad“, „Boardwalk Empire“, „Dexter“, oder zuletzt „Westworld“
folgten.
Nun kehrt
jene Show mit der Anfang der Nineties alles begann zurück und so lohnt sich ein
ein Blick zurückzuwerfen: auf die ersten zwei Seasons und darauf, was eines der
größten Fernsehphänomene aller Zeiten eigentlich ausmachte.
Zum Plot: Es
ist ein Tag wie jeder andere in Twin Peaks.Pete Martell möchte einer seiner
Lieblingsbeschäftigungen nachgehen und macht sich zum Fischen auf. Doch etwas
ist an diesem Tag anders, ganz anders. Denn es wird die Leiche eines jungen
Mädchens angeschwemmt: In Plastikplane eingewickelt, ermordet. Es ist die
Ballkönigin Laura Palmer, Tochter des angesehen
Anwalts der Stadt.
Was ist
mir ihr geschehen? Eine Frage die die ganze in ihren Grundfesten erschütterte Gemeinde
martert. Solche Tragödien kennt man doch nur aus der Großstadt und von jener
ist Twin Peaks meilenweit entfernt. Zur Klärung des Falls kommt der FBI-Special
Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) nach
Twin Peaks und muss bald erkennen, dass dort
nichts so ist wie es auf den ersten Blick scheint. Und was haben Coopers enigmatische
Visionen, die ihn von Zeit zu Zeit heimsuchen, eine Frau, die mit einem
Holzscheit spricht und ein unheimlicher langhaariger Typ, den manche Bewohner
sehen mit alldem auf sich?
Jede über
diese Kurz-Synopsis hinausgehende Bemerkung würde unweigerlich dazu führen,
handlungsrelevante Wendungen vorwegzunehmen und den Zuseher so einer unglaublichen
„Viewing-Experience“ zu berauben. Ja, „Twin Peaks“ (TP) macht es einem fast schon
schwer ein Review zu verfassen, ohne nach jedem Absatz ein großes
„Spoiler!“-Schild auszupacken. Zumal die Serie auf vielen verschiedenen Ebenen
funktioniert- nicht umsonst häufen sich im Internet seitenweise
Erklärungsversuche und Essays darüber, was denn nun genau in „Twin Peaks“ vor
sich ging.
TP
stellt die Definition einer Kultserie
dar. Heutzutage wird dieser Begriff ja schon in inflationärer Art und Weise
gebraucht und es beschleicht einen das Gefühl, dass mittlerweile jede zweite
TV-Serie, die länger als eine Staffel
lang die vom Sender erwartete Quote einfährt, als solche tituliert wird. Nun,
Twin Peaks verdient das Kultlabel mehr als zurecht.
Denn bei
„Twin Peaks Revisited“, also beim neuerlichen Anschauen der zwei Staffeln,
fällt eines ganz eklatant auf: Die Serie ist nicht wirklich gealtert.
Obwohl in
der damaligen Gegenwart angesiedelt, hat man nicht das Gefühl sich eine Serie,
die fast 3 Jahrzehnte auf dem Buckel hat anzusehen.
Technische
Geräte spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dem hilft natürlich das ländliche
Setting, das von Technik nicht so abhängig ist, wie wenn die Handlung in einer
Großstadt spielen würde.
Sicher
liegt die zeitlose Faszination von TP
auch an der ungemein liebevollen Charakterzeichnung jeder einzelnen
Figur. In TP geht es nicht „nur“ um Spannung und im Mittelpunkt steht nicht
„nur“ die Hatz nach dem Mörder von Laura Palmer.
Vielmehr
lernt man als Zuschauer fast schon in „our town“—Manier die ganze TP-Gemeinschaft
näher kennen.
In TP mixen
Lynch und Frost auf virtuose Weise Genres und verbinden die klassische detective
story mit Cooper als holm´schen Helden mit dem
„murder mystery“ und der Studie einer skurrilen Kleinstadtgemeinde.
Manche
sprachen in diesem Zusammenhang von Soap-Elementen. Eine Meinung, die ich nicht
unbedingt teilen kann. Denn steht zwar außer
Frage, dass auch die mannigfaltigen zwischenmenschlichen Beziehungen in TP
eingehend beleuchtet werden, dies geschieht jedoch in einer weitaus naturalistischeren
und gehaltvolleren Darstellung als in den besagten seifigen Nachmittagssendungen.
Hinzu
kommt, dass in Twin Peaks jeder mehr ist
als er vorzugeben scheint. Nichts ist so wie es auf den ersten Blick scheint.
Hier wird
der gepflegte Cliffhanger auf die Spitze getrieben und als Zuseher sitzt man
mit offenem Mund ganz am Rande des Sessels:„The Owls Are Not What They Seem“- einer
jener Kultsätze aus TP, den Cooper in einer seiner Visionen hört, fällt einem
ein.
Hier kommt
auch eines von Lynchs Lieblingsthemen, das sich durch so viele seiner Arbeiten
zieht zum Tragen: Das Böse das hinter der blitzenden Fassade der heilen Welt
lauert.
In „Blue
Velvet“, in dem ebenfalls Kyle MacLachlan mitspielt, sind es die Vorstädte, hier das Setting der Kleinstadt, die fernab
von dem „Bösen“ der Großstadt gelegen ist und dennoch in den Einfluss dunkler
Mächte gerät.
Die
Spannung und diesen Sinn von einer unterschwellig brodelnden Gefahr, die TP im
Seher evoziert ist wahrlich meisterhaft.
Hinzu
kommen der herzerwärmende Humor, der ebenfalls nicht zu kurz kommt und die im
Laufe der Serie immer mehr zunehmenden Mystery-Elemente.
Beim
ersten Kritiker-Screening wurde der Serie jedoch keine Überlebenschance
eingeräumt- zu anders war das, was die Kritiker da am Bildschirm sahen und zu
weit weg vom Mainstream um sich zu etablieren.
Und ehrlich
gesagt, man kann diese Haltung auch ein Stück weit verstehen.
Denn TP
ist natürlich Lynch pur. Ungemein faszinierend, dabei gelichzeitig aber auch
mehr als rätselhaft.
Der US-Sender
ABC, der die finanziellen Mittel zur Realisierung von Lynchs und Frosts Idee beisteuerte
ging mit der Genehmigung von TP sicher ein Risiko ein, war jedoch auch im
Zugzwang sich gegen die anderen großen amerikanischen Networks durchzusetzen.
Etwas Neues musste her. Und Twin Peaks war neu- und wie!
Der
Erfolg, den die Ausstrahlung des spielfilmlangen Piloten nach sich zog
überraschte und man genehmigte die Fortführung der TP-Story.
Ganz so abenteuerlich
waren die verantwortlichen Herren ABC in
letzter Konsequent dann aber leider doch
wieder nicht. So ist die Story von TP auch die eines Kampfes zwischen den
kreativen Kräften hinter der Idee (Lynch und Frost) und den pekuniären
Interessen des Senders.
Am Ende
musste dann der Stoff, der noch locker für eine dritte Staffel gereicht hätte mehr
schlecht denn recht in Season 2.0 reingequetscht werden.
Obwohl die
Serie bis zum atemlosen Finale überaus spannend bleibt, taten viele
Entscheidungen die während der Arbeit getroffen wurden, der Serie nicht eben
gut.
So
zerfällt TP grob in zwei Teile.
Hier jetzt
eine kurze Spoilerwarnung!:
Wer
absolut null und nada über den Handlungsverlauf wissen will, kann ab jetzt zum
nächsten Absatz springen: Die Bruchstelle kommt nach der Enttarnung des Mörders
nach der Hälfte von Season 2. Die mystischen Elemente nehmen nun verstärkt zu.
Eine metaphysische Ebene die zwar mit Coopers Visionen korrespondiert, die die
Serie aber nicht unbedingt gebraucht hätte, auch wenn Lynchs Paralleluniversum
natürlich faszinierend ist.
Spoiler-Ende!
Die
Zuseherzahlen schwanden langsam aber sicher auch, der Sendeplatz wurde immer
wieder verschoben. Nicht auszudenken, wie TP ausgesehen hätte, wenn man Lynch
seinen Lauf gelassen hätte- es wird jedoch auch klar was TP für Pionierarbeit
geleistet hat.
TP war
seiner Zeit meilenweit voraus und es ist schon bezeichnend, dass kurze Zeit spätere
etwa die X-Files mit David Duchovny, der in TP auch eine kleine Rolle hat,
starteten.
Nachdem
wohl auch für Lynch etwas unbefriedigenden Abschluss der Serie kehrte der
Regisseur mit dem Feature Film „Fire Walk With Me“ 1992 nach Twin Peaks zurück
und entwarf einen (alp-) traumartigen Film, der gleichzeitig Prequel- wie
Sequel-Elemente beinhaltet.
Diesen
Film sollte man sich allerdings erst nach dem Genuss der TV-Staffeln ansehen.
Er trägt nicht unbedingt viel zum Verständnis des TP-Mysteriums bei, nimmt
jedoch einige der spannendsten Plottwists der Serie vorweg.
Fazit:
„Verdammt
guter Kaffee“ entfährt es Agent Cooper ob des Genusses des wohl meist
konsumierten Getränks in ganz Twin Peaks (wohl nicht zufällig bietet Mr. Lynch
selbst eine eigene Kaffeemarke auf seiner Website an…..)
Und
„Verdammt gute Serie“ kann man da nur sagen, auch wenn TP sicher nicht
hundertprozentig perfekt ist:
Insbesondere
ab der kritischen, zweiten Hälfte der
zweiten Staffel werden nicht mehr alle Handlungsfäden aufgeklärt und auch der
Schluss wirkt etwas übereilt.
Besonders
wenn man bedenkt, wieviel Zeit für die genaue Charakterentwicklung man sich bis
dahin genommen hatte. Doch wer sich an den Pilotfilm wagt, ist sofort „hooked“
und kann sich dem Bann von Twin Peaks und seiner umliegenden Wälder wohl kaum
entziehen.
TP ist
wahrlich eine essentielle TV-Serie für Lynch-Fans und Freunde abseitiger
Unterhaltung.
Ich bin
jedenfalls schon sehr gespannt auf die neue Staffel von Twin Peaks - dass die
Serie nun doch noch eine damals geplante, jedoch nicht zustande gekommene
dritte Season bekommt, lässt darauf hoffen, dass manch lose gebliebenen
Handlungsstränge endlich aufgelöst werden.
* in
Österreich und Deutschland kann man die Serie ab Donnerstag auf Sky Atlantic
sehen, es wird insgesamt 18 Folgen in der dritten Staffel geben, die jeweils
ein apart Tage nach der Erstausstrahlung in den USA gesendet werden.
In der
Riege der internationalen Topstars der Fotografie zählt Mario Testino fraglos
zu den wandlungsfähigsten: Ob stylische Familienfotos der britischen Royals
oder Portraits von Rockstar-Legenden wie den Rolling Stones Mick Jagger und Keith
Richards; ob Topmodels der Fashion-Szene wie Kate Moss, Gisele Bündchen und Anja
Rubik in aufreizenden Posen in der Vogue oder Schauspielerinnen wie Keira Knightley
für eine aufwändige Werbekampagne von Chanel - der peruanische Starfotograf ist in vielen
unterschiedlichen Spielarten der Fotokunst zu Hause und wandelt zwischen den
Welten des internationalen Jetsets.
Seine Bilder verkörpern puren Hochglanz-Glamour,
wobei seine Kameralinse nicht nur an der schönen Oberfläche interessiert ist,
sondern dem Betrachter meist auch eine verborgene Seite der abgelichteten
Person offenbart.Es ist
auch diese spezielle Qualität seiner Aufnahmen, die häufig gleichermaßen
durchkomponiert und völlig spontan wirken, die den Mann aus Peru auszeichnet.
Nächsten
Monat besteht die Möglichkeit diese interessante Persönlichkeit zu treffen:
Denn Mario
Testino wird am Freitag den 2. Juni
im neuen Berliner Taschen Store in der Shlüterstraße
39 (10629 Berlin) von 17:30-18:30seine aktuellen Bücher „Undressed“
und „SIR“ signieren.
In
letzterem Band setzt sich der Starfotograf, mit moderner Maskulinität auseinander:
„What does it mean to be a man ?“ Der Bildband ist ein fotografischer Diskurs
über Männlichkeits-ideale und verdeutlicht wie viele unterschiedliche Antworten
es auf diese Frage geben kann. Testino zeigt hier nämlich ganz unterschiedlichen
Männertypen: Kollegen aus der
Fashionszene wie die Designer Karl Lagerfeld oder Giorgio Armani, Guns N´ Roses-Gitarrist
Slash „up close and personal“, David Beckham, David Gandy ,Schauspieler wie Michael Fassbender oder auch Gesamtkunstwerk David Bowie.
Die in
„SIR“ gezeigten Bilder aus mehreren Jahrzehnten werden auch zur Retrospektive
des künstlerischen Schaffens Testinos und illustrieren auch seine stilistische
Bandbreite und Wandlungsfähigkeit, die vom
klassisch-reduzierten Vintagestil über intime Portraits bis zu
offensiv-knalligen Inszenierungen – etwa eine Gruppe „male models“ mit einer
halbnackten Candice Swanepoel am Strand
- reichen.
Diesen Band
im XL-Format könnt ihr auch gewinnen,
denn in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Taschen Verlag verlose ich ein
Exemplar von „SIR“.
Um an der Verlosung teilzunhemen müsst ihr nur folgendes machen:
1) Schreibt
eine E-Mail mit der Betreffzeile „Mario Testino
Gewinnspiel“ und mit dem Hinweis, dass ihr von
mir bzw. 6strings24frames kommt und an dem Gewinnspiel teilnehmen
möchtet.
2) Schickt
die Mail an c.waiblinger@taschen.com
Der
Gewinner oder die Gewinnerin wird dann kontaktiert.
Folgt mir
auf Twitter und Instagram (Links dazu auf der rechten Seite).