Mittwoch, 31. Mai 2017

EGON SCHIELE Sämtliche Gemälde 1909 -1918

Selbstbildnis mit Lampionblume, 1912
Credit Bild: © Leopold Museum, Vienna
„Nach meinem Tod, früher oder später, werden die Leute mich gewiss lobpreisen und meine Kunst bewundern“

Ein Zitat des im Sterbebett liegenden Egon Schiele, kurz bevor ihn schließlich die spanische Grippe das Leben kostete, das geradezu prophetisch anmutet: Heute ist der österreichische Jahrhundertwende-Maler zwar absoluter Kult, zu Lebzeiten sah er sich jedoch immer wieder mit heftiger Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber seiner Person sowie seiner Kunst konfrontiert. In einer Zeit des Umbruchs, in der es zum Widerstreit zwischen modernen wie beharrend-konservativen Kräften in Europa und der Metropole Wien kam, waren drastische Werke wie die seinen, prädestiniert dafür einen Aufschrei in der bürgerlichen Gesellschaft hervorzurufen.
Die Darstellung magerer, nackter Leiber auf seinen Gemälden traf häufig auf Unverständnis und wurde als schlichtweg pornographisch abgestempelt – während aufgeschlosseneren Kunstliebhabern und Mäzenen die neuartige Qualität Schieles Werken und seine Progressivität nicht verborgen blieb. Zeitgenossen Schieles wie etwa Gustav Klimt zeigten zwar ebenfalls erotische Darstellungen in ihrer Kunst, blieben jedoch noch am klassisch-schönen Ideal orientiert. Schiele hingegen ging einen anderen Weg -  er brach radikal mit vorherrschenden Sehgewohnheiten, in seinen schonungslosen Körperstudien präsentierte er Malerei als anthropologische Studie des Begehrens: teils verzerrte Gesichter, verrenkte Gliedmaßen, geisterhaft-fahle Haut im starken Kontrast zu einem tiefrot gefärbtem Schambereich, die lasziven Posen seiner Modelle, die Verbindung von Eros und Thanatos  - dass der Maler auch noch oft äußerst  junge Mädchen für seine expliziten Aktdarstellungen einsetzte machte den Skandal perfekt.
 
Stehendes nacktes Mädchen mit orangefarbenen Strümpfen, 1914
Credit Bild: © Leopold Museum, Vienna
In seinem kurzen Leben war Schiele, der mit gerade einmal 28 Jahren starb und nichtsdestotrotz ein umfangreiches Werk hinterließ, ein oft unverstandenes Genie - nachfolgende Generationen rezipierten sein einflussreiches Werk (man denke nur an Francis Bacon) jedoch gänzlich anders und erkannten ihn als einen der wichtigsten Vertreter des Expressionismus, der tatsächlich einen neuen Stil prägte – was er ja mit der Gründung der Neukunst-Gruppe einst intendiert hatte. 
Liebesakt, 1915
Credit Bild: © Leopold Museum, Vienna
Passend zum kommenden Schiele-Jahr 2018, in dem des 100. Todestages des wegweisenden Malers der Wiener Moderne gedacht wird, erscheint im Taschen Verlag eine Mammut-Retrospektive, die die gesamten 1909 bis1918 entstandenen Gemälde dieses  Meisters der Fin de Siècle–Kunst vereint: eine ungemein genaue und umfassende Werkschau in einer  äußerst stylischen Schutzkassette mit High Quality- Reproduktionen dieser faszinierenden Werke.
Aufgrund des  Detailreichtums und des schieren Umfangs dieser Retrospektive  kann man mit diesem Band die gesamte Entwicklung des Künstlers nachvollziehen. Von den frühen Arbeiten, die teils noch von Klimt beeinflusst waren über die Aktdarstellungen, die Selbstbildnisse als „Schmerzensmann“ bis hin zu seinen Eindrücken toter Städte.
Doch „Egon Schiele Sämtliche Gemälde 1909 -1918“ ist nicht nur eine beeindruckender Bildband. Herausgeber Tobias G. Natter, österreichischer Kunstexperte,  entwirft in diesem wuchtigen Buch auch eine äußerst gut geschriebene Biographie Schieles. Jedes hier vorgestellte Werk wird überdies en detail beleuchtet und kunstgeschichtlich eingeordnet und selbst weniger bekannte Aspekte des künstlerischen Schaffens Schieles, wie seine Arbeiten als Dichter, werden eingehend beleuchtet.

Eine komplettere und umfangreichere Veröffentlichung über Schiele habe ich bisher noch nicht gesehen. Und obwohl es nicht gerade wenige Bücher über ihn gibt, ist dieses beeindruckende bibliophile Sammlerstück schon jetzt ein kunstgeschichtliches Standardwerk wenn es um die Beschäftigung mit diesem faszinierenden Künstler geht.

Credit Coverbild: © Taschen Verlag
Egon Schiele. Sämtliche Gemälde 1909-1918
Tobias G. Natter, Hardcover, 29 x 39,5 cm, 612 Seiten

THE ROLLING STONES – OLÉ OLÉ OLÉ A Trip Across Latin America

Credit Coverbild: © Eagle Rock Entertainment Universal Music
Während in Europa und den USA die Counterculture-Bewegung florierte und die Rolling Stones den „street fighting“-Soundtrack zur Revolution beisteuerten, waren die meisten Länder Lateinamerikas in der Hand von Militärdiktaturen oder wie im Falle Kubas unter der Führung eines kommunistischen „Maximo Líder“. Musik, die dem Hedonismus wie dem Nonkonformismus huldigte war da weitgehend verboten sowie aufgrund der teils horrenden wirtschaftlichen Lage in jenen Ländern einfach schwer bzw. so gut wie nicht erhältlich.
Doch alles Verbotene übt natürlich immer eine ganz besondere, unwiderstehliche Faszination aus und so fand auch der Rock N´ Roll seinen Weg in jene Gefilde, trotz politischer wie ökonomischer Restriktionen entstand eine beachtliche Fangemeinde. Im Vorjahr gingen die Stones nun auf große Tour durch 10 Länder Lateinamerikas wie Peru, Brasilien oder Argentinien und spielten auch einen historischen Gig in Kuba.
Credit Bild: © GettyImages @ Dave J Hogan
„Olé Olé Olé - A Trip Across Latin America“ zeigt nun die Reise der Steine  bis zum historischen, in "Havana Moon“ verewigten Konzert in Kuba (inklusive dramaturgischem  Countdown bis zu diesem Großereignis).
Regie führte bei dieser abendfüllender Dokumentation wie schon zuletzt bei „Live From Hyde Park“ und „Havana Moon“ der britische Director Paul Dugdale.
Dugdale versteht es sowohl die Action on stage, die Interview-Passagen als auch die Eindrücke Lateinamerikas perfekt einzufangen und setzt mehr auf ausgesprochen cineastische Kameraeinstellungen als auf vordergründige Effekte.
Die Kamera ist in diesem Film stets sehr nah an den Stones- besucht sie etwa in ihrem riesigen Rehearsal Space (davon hätte man allerdings gerne mehr gesehen) oder ist auch im Stones-Privatjet mit dabei. Der Einblick, den man hier erhält ist nicht nur für die härtesten Stones-Fans isehenswert, vielmehr kann man die die Funktions-und Arbeitsweise einer Band der Größenordnung der rollenden Steine ein Stück weit nachvollziehen.
Credit Bild: © GettyImages @ Gary Miller

Credit Bild: © Getty Images @ Jorge Amengual
Als Bonus gibt es auf der DVD und Blu ray von „Olé Olé Olé“ ein paar  full length-Live Performance( denn während der Doku werden einzelne Songs nicht ausgespielt):

Out Of Control aus Buenos Aires, Argentinien

Paint It Black, wieder  Bueneos Aires

Honky Tonk Women aus Sao Paulo, Brasilien

Symapthy For The Devil,  wieder aus Sao Paulo

You Got The Silver, Lima, Peru

Midnight Rambler, aus  Lima

Miss You, ebenfalls aus Lima

Von der Songauwahl her, also eher „business as usual“– die Lateinamerika-Tour der Stones war allerdings auch nicht für allzu große Experimente bekannt. Was diese Dokumentation aber insbesondere so sehenswert macht, ist neben dem Einblick in den Touralltag vor allem auch wie gekonnt das ganz spezielle Flair der jeweiligen Destinationen eingefangen wird. Man erfährt in dieser Doku so einiges über die Lebenssituationen der Menschen in diesen Ländern - etwa wie sich Musiker  in einem Land behelfen, in dem man nicht im nächsten Musikalienladen ein Päckchen Ernie Ball Super Slinky-Saiten kaufen kann…Und die Aufnahmen des pulsierenden Lebens abseits kitschiger Postkartenidyllen sind besser als bei zahlreichen  Reisedokumentationen.

Fazit: ein äußerst sehenswerter Film.

Credit Bild: © Getty Images @ Latam

Montag, 29. Mai 2017

JFK 100 – Happy Birthday, Mr. President...

 
Credit Bild: © Stanley Tretick/Historic Image Licensing  Taschen Verlag
Weder vorher noch nachher gab es einen Präsidenten wie ihn:
Keiner war populärer, keiner wurde so abgöttisch-verklärend geliebt und kein anderer Politiker verkörperte die diametral entgegengesetzten Welten des mondänen Jetset und der beinharten Weltpolitik so wie der 35. Präsident der USA: Heute wäre John F. Kennedy 100 Jahre geworden – und sein Mythos hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt – trotz oder auch wegen der Schattenseiten des Polit-Superstars.

Zeit für eine popkulturelle Spurensuche und den Versuch einer Erklärung von Kennedys bis heute anhaltender Popularität aus einem nicht alltäglichen Blickwinkel. Denn Kennedy und insbesondere sein Tod als Schlüsselmoment der 60er beschäftigte viele Vertreter der Popkultur.

Flashback zum 22.11.1963: Um Unterstützung und Gelder für seine Wiederwahl zu gewinnen, befindet sich John Fitzgerald Kennedy - kurz JFK - auf Wahlkampftour in einem der konservativsten Bundesstaaten der USA: Texas. Kein einfaches Terrain für den Demokraten. Denn im Süden ist der 46-jährige auch aufgrund seiner liberalen Ansichten (u.a. zu den Bürgerrechten der Schwarzen) vielen ein Dorn im Auge. An diesem Freitag steht eine Fahrt durch die Innen-stadt von Dallas - die Menschen sollen ihr Staatsoberhaupt möglichst nahe sehen können - und eine Rede auf dem Programm. Was als Routinetermin für den 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten beginnt, endet in einer Tragödie: Noch bevor die Wagenkolonne JFKs ihr Ziel erreicht, fallen am Dealey Plaza drei Schüsse - abgefeuert aus dem Fenster eines Schulbuchlagers. Die Kugeln des Schützen, Lee Harvey Oswald, verfehlen ihr Ziel nicht: Kennedy wird tödlich getroffen. Oswald wird zwar noch am selben Tag gefasst, jedoch zwei Tage nach seinen Schüssen auf das Staatsoberhaupt selbst ermordet.

Kennedy, zu Lebzeiten schon ein moderner und medienaffiner Politiker, wurde posthum zu einer Art popkulturellen Phänomen: er und sein Tod werden immer wieder thematisiert - auch in Songs der Populärmusik, die zu den frühesten Reaktionen auf den gewaltsamen Tod des amerikanischen Hoffnungsträgers gehören.
Die musikalische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen begann schon unmittelbar nach den fatalen Schüssen. Die Beach Boys Brian Wilson und Mike Love arbeiteten zu dieser Zeit an dem Song „Warmth Of The Sun“, einer melancholischen Ballade, die in deutlichem Kontrast zum sorgenfreien, fröhlichen Sound der Gruppe und ihrer „Sommer, Girls und schnelle Autos“-Thematik stand, bis heute untrennbar mit JFK verbunden ist und eine Art Tribute an ihn darstellt.
Das Attentat auf JFK veranlasste auch Roger McGuinn, Sänger und Gitarrist der Folk-Rock-Band The Byrds, dazu das alte Traditional „He was A Friend Of Mine“ grundlegend neu zu bearbeiten und so einen der bekanntesten Songs der Byrds zu kreieren.  Einer Grabrede gleich arbeitete McGuinn in die bestehenden Lyrics über den Tod eines Freundes die Geschehnisse vom 22.11.1963 ein: „His killing had no purpose, no reason or rhyme...He was in Dallas town...From a sixth floor window a gunner shot him down...Though I never met him I knew him just the same...Oh he was a friend of mine“.

Tief getroffen von Kennedys Tod zeigte sich auch die schwarze Community, verloren sie doch nicht nur ein Staatsoberhaupt sondern auch einen mächtigen Verbündeten. JFK hatte sich in den noch immer von Rassismus geprägten Sechzigern als einer der wenigen aktiv für Integration und Gleichstellung eingesetzt. Besonders in der Blues-Szene wurden viele Nachrufe in Song-Form aufgenommen: Der berühmte Bluesman Sleepy John Estes beispielsweise reagierte auf den Verlust mit dem Song „President Kennedy (Stayed away too long)“ und sang „We lost the best President we´ve ever had“. Der langjährige Pianist der Muddy Waters-Band, Otis Spann, sang vom „Sad Day In Texas“ und  als 1968 dann der Bürgerrechtler Martin Luther King in Memphis, Tennessee erschossen wurde entstand der u.a. von Ray Charles, Marvin Gaye und Harry Belafonte aufgenommene Song „Abraham, Martin and John“ - ein Tribute an Lincoln, King und Kennedy, die sich alle drei für die Rechte der Schwarzen eingesetzt hatten und die alle das gleiche Schicksal ereilte.

Gewalt und die Frage, wer JFK tötete, spielten einige Jahre später in „Sympathy For The Devil“ der Rolling Stones ebenfalls eine wesentliche Rolle. In den Lyrics des Songs tritt der Teufel selbst als Ich-Erzähler auf und erklärt sich für Chaos und Leid im Laufe der Weltgeschichte verantwortlich. Noch bevor die finalen Aufnahme-Sessions für das „Beggars Banquet“-Album (1968), auf dem der Song erschien, abgeschlossen waren wurde auch JFKs Bruder, Senator Robert Kennedy, erschossen. Die Textstelle, bei der Satan die Zuhörer fragt, wer Kennedy erschossen hat wurde daraufhin zu „I shouted out: Who killed The Kennedys ? When after all it was you and me“ abgeändert.
Zehn Jahre später erinnerte sich dann Police-Frontman Sting an seine Kindheit und Jugend in  „Born in the 50s“: „My mother cried when President Kennedy died, she said it was the communists...but I knew better“.

In den 80ern nahm die direkte Beschäftigung mit dem Kennedy-Attentat in der Pop- und Rockmusik zwar etwas ab, der zunehmende zeitliche Abstand führte jedoch nicht dazu, dass das einschneidende Ereignis aus den Songs bekannter Künstler verschwand. Lou Reed erinnerte sich 1982 an den Tag, an dem er die News von Kennedys Ermordung erfuhr ( „The Day John Kennedy died“) und der Hip Hop-Produzent Steinski machte aus der News-Berichterstattung zum Kennedy-Mord gleich einen ganzen Song: „The Motorcade sped on“ besteht aus einer Reihe von sogenannten Samples. Über den Drum-Beat des Stones-Songs „Honky Tonk Women“ wurden rhythmisch Zitat-Schnipsel von Anchorman-Legende Walter Cronkite, der 1963 über das Ereignis berichtete, gelegt.
Axl Rose, Frontman der Hard Rocker Guns N´ Roses, wiederum verdeutlichte im Antikriegs-Song „Civil War“ von 1991 die traumatisierende Wirkung, die die Schüsse vor „laufender Kamera“ auf eine junge Generation hatten: „And in my first memories they shot Kennedy, and I went numb when I learned to see“.
Im 5. Jahrzehnt nach den Ereignissen in Texas schlüpfte dann die junge, amerikanische Sängerin Lana Del Rey im kontroversen Musikvideo zu ihrem „American Anthem“ (2012) in die Rolle der Jacqueline Kennedy und stellte Teile des berüchtigten Zapruder-Films nach.

Credit Bild:  © Henri Dauman/daumanpictures.com. All rights reserved. Taschen Verlag

Dass es vom JFK-Attentat Filmaufnahmen (siehe das vom Hobbyfilmer Abraham Zapruder gedrehte, sogenannte „Zapruder“-Video) gibt, ist auch ein Schlüsselaspekt, der begreifbar macht, weshalb der im Amt ermordete Präsident Gegenstand so vieler Songs der Populärmusik ist.
Sein gewaltsamer Tod war ein trauriges und schockierendes Medienereignis, an dem selbst jene, die nicht am Dealey Plaza in Dallas standen durch die moderne Berichterstattung „live“ Anteil nehmen konnten. Auch aufgrund der Drastik der Fotos und Bilder vom Dallas-Attentat (in Verbindung mit den Verschwörungsvermutungen, den offiziellen Untersuchungen oder Büchern über den Fall) brannte sich das Ereignis besonders nachhaltig ein. Hinzu kommt, dass sich selbst junge Menschen, teilweise aus der regierungskritischen 60er-Counterculture (der Gegenbewegung zum Establishment), mit ihm identifizieren konnten. War Kennedy doch ein Mann, der trotz Krisen in seiner Amtszeit (Vietnam, Kuba und der Schweinebucht-Vorfall) eine Identifikationsfigur war, die eine Antithese zum „alten, grauenPolitikertypus darstellte.
Die immense Popularität Kennedys schon zu seinen Lebzeiten ist auch darauf zurückzuführen, dass er der erste Medien-Politiker war – der das Spiel mit fernseh-wirksamen Symbolen wie kein zweiter beherrschte.
Auch wenn Enthüllungen der Geschichtsforschung (Affären, Gebrauch von Medikamenten) ein ambivalentes Bild der einstigen Lichtgestalt zeichnen, geht von Kennedy eine Faszination aus, die bis heute anhält.
Auch dadurch ist es zu erklären, warum selbst Artists einer neuen Generation (siehe Lana Del Rey), die die Ereignisse damals gar nicht miterlebt haben, JFK noch immer in ihrer Kunst thematisieren.

Credit Bild:  © Hank Walker/Time & Life Pictures/Getty Images  Taschen Verlag

Was Kennedy für die Menschen in den Sechzigern symbolisierte, wird auch in Norman Mailers Klassiker-Reportage „Superman kommt in den Supermarkt“ nachvollziehbar – einem Stück Journalismus-Geschichte, das  passend zum 100. Geburtstag von „Mr. President“ vom Taschen Verlag neu aufgelegt wird. (und aus dem auch die Bilder dieses Artikels stammen).

Mailers Kennedy-Portrait ist ein geniales Essay – in den 60ern ursprünglich im renommierten Esquire-Magazine erschienen – das die klassische Polit-Berichterstattung erneuerte und auch einen wesentlichen Meilenstein für den New Journalism setzte, der die Sixties und die kommende Dekade prägen sollte. Mailer – der einst meinte, dass sein Portrait von JFK die Wahl entschieden hätte – lässt den Leser unmittelbar teilhaben an der euphorischen Stimmung der early sixties in Kennedys „Camelot“, dem Traum-Königreich der Vereinigten Staaten, teilhaben und ist – nicht nur wegen des 100. Geburtstags – ein Lesetip für polit-und geschichtsaffine Leser.
Credit Coverbild:  ©  Taschen Verlag
Norman Mailer. John F. Kennedy. Superman kommt in den Supermarkt
Nina Wiener, J. Michael Lennon
Hardcover, 23,1 x 31,5 cm, 370 Seiten
Neuausgabe,  € 29,99

Sonntag, 21. Mai 2017

TWIN PEAKS Season 3 - Es gibt wieder verdammt guten Kaffee



Wenn in den USA heute Abend „Twin Peaks“ ins Fernsehen zurückkehrt*, so ist das nicht nur das TV-Event des Jahres, es schließt sich vor allem auch ein Kreis: Denn David Lynchs Serie über die merkwürdigen Vorkommnisse in der nur vermeintlich beschaulichen, titelgebenden Kleinstadt nahe der kanadischen Grenze stellt quasi die Stunde Null des „high quality tv“ dar – Fernsehen, das nicht nur den Anspruch hatte gute TV-Unterhaltung im bekannten Format zu bieten, sondern  das so ambitioniert und anspruchsvoll  wie ein Hollywood-Spielfilm war.

Die Ausstrahlung von „Twin Peaks“ deutete in den frühen Neunzigern auf einen Paradigmenwechsel in der „small screen“-Branche hin.
Das Versprechen eines neuen Fernsehens, das die Macher David Lnych und Mark Frost mit dem ambitionierten Projekt gegeben hatten, sollte jedoch erst  knapp ein Jahrzehnt nachdem die erste Folge der  Mystery-Kult über amerikanische TV-Geräte geflimmert war, eingelöst werden: mit David Chases „Sopranos“ (an der wiederum der spätere „Mad Men“-Macher Matthew Weiner mitwirkte) wurde endgültig das „goldene Zeitalter“ der TV-Serien eingeläutet,  mit dem wegweisende Serien wie beispielsweise die erwähnte Saga über Werbefachmann Don Draper, „Breaking Bad“, „Boardwalk Empire“, „Dexter“, oder zuletzt „Westworld“ folgten.
Nun kehrt jene Show mit der Anfang der Nineties alles begann zurück und so lohnt sich ein ein Blick zurückzuwerfen: auf die ersten zwei Seasons und darauf, was eines der größten Fernsehphänomene aller Zeiten eigentlich ausmachte.

Zum Plot: Es ist ein Tag wie jeder andere in Twin Peaks.Pete Martell möchte einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachgehen und macht sich zum Fischen auf. Doch etwas ist an diesem Tag anders, ganz anders. Denn es wird die Leiche eines jungen Mädchens angeschwemmt: In Plastikplane eingewickelt, ermordet. Es ist die Ballkönigin  Laura Palmer, Tochter des angesehen Anwalts der Stadt.
Was ist mir ihr geschehen? Eine Frage die die ganze in ihren Grundfesten erschütterte Gemeinde martert. Solche Tragödien kennt man doch nur aus der Großstadt und von jener ist Twin Peaks meilenweit entfernt. Zur Klärung des Falls kommt der FBI-Special Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan)  nach Twin Peaks und muss bald erkennen,  dass dort nichts so ist wie es auf den ersten Blick scheint. Und was haben Coopers enigmatische Visionen, die ihn von Zeit zu Zeit heimsuchen, eine Frau, die mit einem Holzscheit spricht und ein unheimlicher langhaariger Typ, den manche Bewohner sehen mit alldem auf sich?

Jede über diese Kurz-Synopsis hinausgehende Bemerkung würde unweigerlich dazu führen, handlungsrelevante Wendungen vorwegzunehmen und den Zuseher so einer unglaublichen „Viewing-Experience“ zu berauben. Ja, „Twin Peaks“ (TP) macht es einem fast schon schwer ein Review zu verfassen, ohne nach jedem Absatz ein großes „Spoiler!“-Schild auszupacken. Zumal die Serie auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert- nicht umsonst häufen sich im Internet seitenweise Erklärungsversuche und Essays darüber, was denn nun genau in „Twin Peaks“ vor sich ging.

TP stellt  die Definition einer Kultserie dar. Heutzutage wird dieser Begriff ja schon in inflationärer Art und Weise gebraucht und es beschleicht einen das Gefühl, dass mittlerweile jede zweite TV-Serie,  die länger als eine Staffel lang die vom Sender erwartete Quote einfährt, als solche tituliert wird. Nun, Twin Peaks verdient das Kultlabel mehr als zurecht.
Denn bei „Twin Peaks Revisited“, also beim neuerlichen Anschauen der zwei Staffeln, fällt eines ganz eklatant auf: Die Serie ist nicht wirklich  gealtert.
Obwohl in der damaligen Gegenwart angesiedelt, hat man nicht das Gefühl sich eine Serie, die fast 3 Jahrzehnte auf dem Buckel hat anzusehen.
Technische Geräte spielen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dem hilft natürlich das ländliche Setting, das von Technik nicht so abhängig ist, wie wenn die Handlung in einer Großstadt spielen würde.

Sicher liegt die zeitlose Faszination von TP  auch an der ungemein liebevollen Charakterzeichnung jeder einzelnen Figur. In TP geht es nicht „nur“ um Spannung und im Mittelpunkt steht nicht „nur“ die Hatz nach dem Mörder von Laura Palmer.
Vielmehr lernt man als Zuschauer fast schon in „our town“—Manier die ganze TP-Gemeinschaft näher kennen.
In TP mixen Lynch und Frost auf virtuose Weise  Genres und verbinden die klassische detective story mit Cooper als holm´schen Helden mit dem  „murder mystery“ und der Studie einer skurrilen Kleinstadtgemeinde.
Manche sprachen in diesem Zusammenhang von Soap-Elementen. Eine Meinung, die ich nicht unbedingt teilen kann. Denn steht  zwar außer Frage, dass auch die mannigfaltigen zwischenmenschlichen Beziehungen in TP eingehend beleuchtet werden, dies geschieht jedoch in einer weitaus naturalistischeren und gehaltvolleren Darstellung als in den besagten seifigen Nachmittagssendungen.

Hinzu kommt, dass  in Twin Peaks jeder mehr ist als er vorzugeben scheint. Nichts ist so wie es auf den ersten Blick scheint.
Hier wird der gepflegte Cliffhanger auf die Spitze getrieben und als Zuseher sitzt man mit offenem Mund ganz am Rande des Sessels:„The Owls Are Not What They Seem“- einer jener Kultsätze aus TP, den Cooper in einer seiner Visionen hört, fällt einem ein.
Hier kommt auch eines von Lynchs Lieblingsthemen, das sich durch so viele seiner Arbeiten zieht zum Tragen: Das Böse das hinter der blitzenden Fassade der heilen Welt lauert.
In „Blue Velvet“, in dem ebenfalls Kyle MacLachlan mitspielt, sind es die Vorstädte,  hier das Setting der Kleinstadt, die fernab von dem „Bösen“ der Großstadt gelegen ist und dennoch in den Einfluss dunkler Mächte gerät.
Die Spannung und diesen Sinn von einer unterschwellig brodelnden Gefahr, die TP im Seher evoziert ist wahrlich meisterhaft.
Hinzu kommen der herzerwärmende Humor, der ebenfalls nicht zu kurz kommt und die im Laufe der Serie immer mehr zunehmenden Mystery-Elemente.

Beim ersten Kritiker-Screening wurde der Serie jedoch keine Überlebenschance eingeräumt- zu anders war das, was die Kritiker da am Bildschirm sahen und zu weit weg vom Mainstream um sich zu etablieren.
Und ehrlich gesagt, man kann diese Haltung auch ein Stück weit verstehen.
Denn TP ist natürlich Lynch pur. Ungemein faszinierend, dabei gelichzeitig aber auch mehr als rätselhaft.
Der US-Sender ABC, der die finanziellen Mittel zur Realisierung von Lynchs und Frosts Idee beisteuerte ging mit der Genehmigung von TP sicher ein Risiko ein, war jedoch auch im Zugzwang sich gegen die anderen großen amerikanischen Networks durchzusetzen. Etwas Neues musste her. Und Twin Peaks war neu- und wie!
Der Erfolg, den die Ausstrahlung des spielfilmlangen Piloten nach sich zog überraschte und man genehmigte die Fortführung der TP-Story.
Ganz so abenteuerlich waren die verantwortlichen Herren  ABC in letzter Konsequent dann  aber leider doch wieder nicht. So ist die Story von TP auch die eines Kampfes zwischen den kreativen Kräften hinter der Idee (Lynch und Frost) und den pekuniären Interessen des Senders.
Am Ende musste dann der Stoff, der noch locker für eine dritte Staffel gereicht hätte mehr schlecht denn recht in Season 2.0 reingequetscht werden.
Obwohl die Serie bis zum atemlosen Finale überaus spannend bleibt, taten viele Entscheidungen die während der Arbeit getroffen wurden, der Serie nicht eben gut.
So zerfällt TP grob in zwei Teile.

Hier jetzt eine kurze Spoilerwarnung!:
Wer absolut null und nada über den Handlungsverlauf wissen will, kann ab jetzt zum nächsten Absatz springen: Die Bruchstelle kommt nach der Enttarnung des Mörders nach der Hälfte von Season 2. Die mystischen Elemente nehmen nun verstärkt zu. Eine metaphysische Ebene die zwar mit Coopers Visionen korrespondiert, die die Serie aber nicht unbedingt gebraucht hätte, auch wenn Lynchs Paralleluniversum natürlich faszinierend ist.
Spoiler-Ende!

Die Zuseherzahlen schwanden langsam aber sicher auch, der Sendeplatz wurde immer wieder verschoben. Nicht auszudenken, wie TP ausgesehen hätte, wenn man Lynch seinen Lauf gelassen hätte- es wird jedoch auch klar was TP für Pionierarbeit geleistet hat.
TP war seiner Zeit meilenweit voraus und es ist schon bezeichnend, dass kurze Zeit spätere etwa die X-Files mit David Duchovny, der in TP auch eine kleine Rolle hat, starteten.

Nachdem wohl auch für Lynch etwas unbefriedigenden Abschluss der Serie kehrte der Regisseur mit dem Feature Film „Fire Walk With Me“ 1992 nach Twin Peaks zurück und entwarf einen (alp-) traumartigen Film, der gleichzeitig Prequel- wie Sequel-Elemente beinhaltet.
Diesen Film sollte man sich allerdings erst nach dem Genuss der TV-Staffeln ansehen. Er trägt nicht unbedingt viel zum Verständnis des TP-Mysteriums bei, nimmt jedoch einige der spannendsten Plottwists der Serie vorweg.

Fazit:
„Verdammt guter Kaffee“ entfährt es Agent Cooper ob des Genusses des wohl meist konsumierten Getränks in ganz Twin Peaks (wohl nicht zufällig bietet Mr. Lynch selbst eine eigene Kaffeemarke auf seiner Website an…..)
Und „Verdammt gute Serie“ kann man da nur sagen, auch wenn TP  sicher nicht hundertprozentig  perfekt ist:
Insbesondere ab der  kritischen, zweiten Hälfte der zweiten Staffel werden nicht mehr alle Handlungsfäden aufgeklärt und auch der Schluss wirkt etwas übereilt.
Besonders wenn man bedenkt, wieviel Zeit für die genaue Charakterentwicklung man sich bis dahin genommen hatte. Doch wer sich an den Pilotfilm wagt, ist sofort „hooked“ und kann sich dem Bann von Twin Peaks und seiner umliegenden Wälder wohl kaum entziehen.
TP ist wahrlich eine essentielle TV-Serie für Lynch-Fans und Freunde abseitiger Unterhaltung.

Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die neue Staffel von Twin Peaks - dass die Serie nun doch noch eine damals geplante, jedoch nicht zustande gekommene dritte Season bekommt, lässt darauf hoffen, dass manch lose gebliebenen Handlungsstränge endlich aufgelöst werden.

* in Österreich und Deutschland kann man die Serie ab Donnerstag auf Sky Atlantic sehen, es wird insgesamt 18 Folgen in der dritten Staffel geben, die jeweils ein apart Tage nach der Erstausstrahlung in den USA gesendet werden.

Mittwoch, 17. Mai 2017

STARFOTOGRAF MARIO TESTINO IN BERLIN + GEWINNSPIEL

Karl Lagerfeld, Paris, American Vogue, 2004
Credit Bild: Copyright © Mario Testino  
In der Riege der internationalen Topstars der Fotografie zählt Mario Testino fraglos zu den wandlungsfähigsten: Ob stylische Familienfotos der britischen Royals oder Portraits von Rockstar-Legenden wie den Rolling Stones Mick Jagger und Keith Richards; ob Topmodels der Fashion-Szene wie Kate Moss, Gisele Bündchen und Anja Rubik in aufreizenden Posen in der Vogue oder Schauspielerinnen wie Keira Knightley für eine aufwändige Werbekampagne von Chanel  - der peruanische Starfotograf ist in vielen unterschiedlichen Spielarten der Fotokunst zu Hause und wandelt zwischen den Welten des internationalen Jetsets. 
Seine Bilder verkörpern puren Hochglanz-Glamour, wobei seine Kameralinse nicht nur an der schönen Oberfläche interessiert ist, sondern dem Betrachter meist auch eine verborgene Seite der abgelichteten Person offenbart.Es ist auch diese spezielle Qualität seiner Aufnahmen, die häufig gleichermaßen durchkomponiert und völlig spontan wirken, die den Mann aus Peru auszeichnet.
Ryan Burns, Paris, Gucci Rush, 2000
Credit Bild: Copyright © Mario Testino  
Nächsten Monat besteht die Möglichkeit diese interessante Persönlichkeit zu treffen:
Denn Mario Testino wird am Freitag den 2. Juni im neuen Berliner Taschen Store in der Shlüterstraße 39 (10629 Berlin) von 17:30-18:30 seine aktuellen Bücher „Undressed“ und „SIR“ signieren.

In letzterem Band setzt sich der Starfotograf, mit moderner Maskulinität auseinander: „What does it mean to be a man ?“ Der Bildband ist ein fotografischer Diskurs über Männlichkeits-ideale und verdeutlicht wie viele unterschiedliche Antworten es auf diese Frage geben kann. Testino zeigt hier nämlich ganz unterschiedlichen Männertypen:  Kollegen aus der Fashionszene wie die Designer Karl Lagerfeld oder Giorgio Armani, Guns N´ Roses-Gitarrist Slash „up close and personal“,  David Beckham, David Gandy ,Schauspieler wie Michael Fassbender oder auch Gesamtkunstwerk David Bowie.
David Bowie, New York, V Magazine, 2002
Credit Bild: 
Copyright © Mario Testino  
Die in „SIR“ gezeigten Bilder aus mehreren Jahrzehnten werden auch zur Retrospektive des künstlerischen Schaffens Testinos und illustrieren auch seine stilistische Bandbreite und  Wandlungsfähigkeit, die vom klassisch-reduzierten Vintagestil über intime Portraits bis zu offensiv-knalligen Inszenierungen – etwa eine Gruppe „male models“ mit einer halbnackten Candice Swanepoel am Strand  - reichen.

WIN - WIN WIN

Credit Bild: Copyright © Mario Testino  
Diesen Band im XL-Format  könnt ihr auch gewinnen, denn in freundlicher Zusammenarbeit mit dem Taschen Verlag verlose ich ein Exemplar von „SIR“.

Um an der Verlosung teilzunhemen müsst ihr nur folgendes machen:

1) Schreibt eine E-Mail mit der Betreffzeile „Mario Testino Gewinnspiel“ und mit dem Hinweis, dass ihr von mir bzw. 6strings24frames kommt und an dem Gewinnspiel teilnehmen möchtet.

2) Schickt die Mail an  c.waiblinger@taschen.com

Der Gewinner oder die Gewinnerin wird dann kontaktiert.

Folgt mir auf Twitter und Instagram (Links dazu auf der rechten Seite).
Viel Glück beim Gewinnspiel !

Einsendeschluss ist Montag der 05. Juni 2017
Keine Barablöse möglich.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Buch-Infos:
Mario Testino. SIR
Softcover 27 x 35 cm, 504 Seiten
ISBN 978-3-8365-5372-8
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch