Freitag, 22. Dezember 2023

MESSENGERS - THE GUITARS OF JAMES HETFIELD

Coverbild Metallica James Hetfield Messengers Flying V Metal Cover Book
Credit Coverbild: © Permuted Press
Zahllose Gigs haben auf ihrem Korpus unauslöschliche Spuren hinterlassen, der Lack blättert an vielen Stellen ab und gibt den Blick auf ihr nacktes Holz frei. Patronen-Gürtel, ein typischer Bestandteil der Metal-Uniform, haben ihren Rücken gezeichnet und ihr Original-Tailpiece ist mittlerweile entzwei gebrochen. Einerseits hat die derart ramponierte "OGV", eine Flying V Kopie der Firma Electra, schon bessere Tage gesehen. Andererseits zeugen diese Abnutzungserscheinungen von leidenschaftlichem Spiel und jahrelangen treuen Diensten, die dieses Instrument ihrem prominenten Besitzer James Hetfield geleistet hat. Der ideelle Wert einer solchen Gitarre übersteigt bei weitem ihren pekuniären. Und dann ist da noch etwas anderes...etwas nicht direkt Greifbares, das liebgewonnene Instrumente auszeichnet.

Denn trotz ihrer gut dokumentierten und von Fachleuten bis ins beinahe letzte Teil durchleuchteten und erforschten Bestandteile wie Holz, Metall oder Plastik wohnt Gitarren immer noch etwas geradezu Mystisches inne. Es ist dieses nicht quantifizierbare Element, das Nicht-Musiker kaum nachvollziehen können und dennoch gewiss ist: sie sind weitaus mehr als nur "Wood And Wire" bzw. 
mehr als lediglich die Summe ihrer Einzelteile. Ein Umstand, der auch in der speziellen Beziehung die viele Musiker zu ihren auserkorenen Instrumenten haben, deutlich wird - ein Aspekt, der nicht zuletzt auf den Seiten dieses Blogs ein immer wiederkehrendes Thema ist. Auch Für Metallica-Frontmann James Hetfield, der wie er selbst es formuliert, erst durch die Musik seine eigene Stimme und Bestimmung fand, sind Gitarren nicht nur die Werkzeuge mit denen er seine Sounds erzeugt. Vielmehr sind sie für ihn auch Freund, Stimmungsaufheller, Schutzschild, musikalische Waffe (wer je seine präzise gespielten Riffs Hetfields vernommen hat, weiß was er damit meint) und auch Botschafter. 

Hetfields Buch über seine Lieblingsgitarrren ist dann auch folgerichtig "Messengers" betitelt. Darin gewährt der Superstar einen extensiven Blick in seine ebenso umfangreiche wie beeindruckende Sammlung einzigartiger Instrumente. Der edle Hochglanzbildband stellt dabei nicht nur besondere Gitarren (und Amps)  vor sondern trägt auch autobiographische Züge. Denn mit jeder einzelnen Gitarre sind immer auch bedeutende Assoziationen und Lebens- und Karriere-Ereignisse verknüpft. In Sachen Metallica steht da ganz am Anfang die eingangs beschriebene mittlerweile stark in Mitleidenschaft und durch eine Replika für Touren ersetzte "OGV". Inspiriert von Michael Schenker musste es für Hetfield damals in den Achtzigern eine weiße Flying V sein. Sie prägte die frühe "Kill 'Em All"-Zeit. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten in denen Metallica sukzessive vom Bay Area Thrash Metal-Phänomen zur mit Abstand größten Band des Genres aufstiegen, wuchs auch die Anzahl an instrumentalen Schätzen. Die Gitarren wurden  naturgemäß immer exquisiter,  von Sonderanfertigungen des japanischen Herstellers ESP zu Vintage Gibson Les Pauls hin zu  metal-untypischen Exemplaren wie einer  B-Bender Tele oder Sitar, die auf dem legendären „Black Album“ zum Einsatz kamen. Hinzu kommen Signature Gitarren und Custom -Anfertigungen,  die etwa Hefields Faible für Hot Rods widerspiegeln. Der Detailgrad mit dem all dies dokumentiert wird ist beachtlich und inkludiert auch Infos zu über die Jahre erfolgten Modifikationen - für Gitarristen und "Gear Hounds" ist das ein Traum und mitunter Inspirationsquelle für den nächsten Einkauf.

Dieses Buch fügt sich nahtlos in die illustre Riege bibliophiler Werke über Rockstar Collections ein (man denke etwa etwa Mr. Slowhand Eric ClaptonJimmy Page oder Billy Gibbons) und ist schlichtweg ein Werk in dem man stundenlang blättern bzw. beim "Tone Chasing" in Sachen Metallica-Sound nachschlagen kann. Um hier einen für diese Band nicht ganz unrelevanten Bob Seger-Song ein wenig abgewandelt zu paraphrasieren: "Messengers" ist ein echter "Page Turner“, auf dem es auf jeder Hochglanzseite etwas Interessantes zu entdecken gibt und eines der schönsten Gitarren-Bücher der letzten Jahre.

MESSENGERS - The Guitars Of James Hetfield, von James Hetfield, erschienen bei Permuted Press

Montag, 11. Dezember 2023

JIMMIE VAUGHAN - STRANGE PLEASURE Vinyl Reissue

Credit Bild: © Bear Family Records
Als das Album „Strange Pleasure“ im Jahre 1994 veröffentlicht wurde war Jimmie Vaughan längst ein etablierter Veteran der amerikanischen Blues-Szene. Als Lokalmatador in Austin, Texas hatte er sich schon in den Sixties einen Namen gemacht, als Gründer der Fabulous Thunderbirds spielte er dann ab den Siebzigern eine gewichtige Rolle im traditionellen wie kontemporären Blues. Trotz dieser zum damaligen Zeitpunkt schon einige Jahrzehnte umfassenden Karriere stellte "Strange Pleasure" sein Debüt als Solo-Artist dar. Für den Künstler selbst fielen die Aufnahmen in eine ganz spezielle und schwierige Phase, war es doch das erste Album nach dem tragischen Tod seines Bruders Stevie Ray, dem dieses Album neben Albert Collins auch gewidmet ist.

Jimmie Vaughan arbeitete auf dieser Platte wieder mit Funk-Legende und Hitproduzent Nile Rodgers (Chic, David Bowie´s "Let´s Dance") zusammen, der schon bei den Recordings Sessions zu „Family Style“, dem einzigen gemeinsamen Album der Vaughan Brothers, hinter dem Mischpult gesessen hatte. Als Kontrast zu der düsteren persönlichen Zeit in Vaughans Leben evozieren die Songs auf „Strange Pleasure“ großteils  die „carefree attitude“ der Fünfziger. Bis auf eine Ausnahme: die traurige Gänsehaut-Nummer "Six Strings Down", die ein musikalischer Nachruf auf SRV ist.

Mit seiner einerseits kontemporären und gleichzeitig traditionellen Mixtur unterschiedlicher Einflüsse Vaugahns - von Rock N´ Roll zu puristischem Blues und homöopathischen Latin-Anklängen - war dieses Album eines der Letzten aus jener Blues-Revival-Ära, welche die Vaughan Brüder entscheidend mitgeprägt hatten. Ab Mitte der Neunziger erlebte der Blues dann zwar kein Schicksal wie der Jazz, verschwand jedoch zunehmend aus dem Blickfeld des Mainstreams. „Strange Pleasure“ war seinerzeit völlig zurecht Grammy-nominiert und hätte ihn auch gewinnen sollen, denn neben der kompositorischen Qualität der Songs sind es Vaughans unverkennbare Stimme und Laid Back-Licks, bei denen jede sparsam eingesetzte Note zählt, die schlichtweg faszinieren.

Obwohl dieses Album also zu den besten Blues-Platten der letzten Dekaden zählt, ist es recht schwer zu bekommen - zumindest bislang. Zwar findet man "Strange Pleasure" auf Spotify, doch in analoger Form sieht es da schon wesentlich schlechter aus: Die CD ist vergriffen und als Schallplatte erschien es überhaupt nur in einer kleinen niederländischen Auflage in den Neunzigern. Das auf Vintage-Raritäten spezialisierte Bear Family Label beseitigt nun diesen Missstand und bringt dieses Album in einer hochattraktiven, audiophilen Sammler-Edition erneut auf den Markt - und sorgt so dafür dass dieses geniale Album erstmals weltweit auf Vinyl erscheint. Die elf Songs der Original-CD werden um eine etwas längere Version des Songs "Boom-Bapa-Boom" ergänzt, was für sich genommen schon reichen würde um alle Sammler anzusprechen: Zusätzlich ist diese Vinyl-Ausgabe mit Gatefold-Cover allerdings auch nummeriert und auf insgesamt 1.500 Stück limitiert.  Damit der warme Sound dieses einst von Bob Ludwig gemasterten Werks optimal abgetastet werden und Vaughans Gitarren-Sound transparent aus den Speakern ertönen kann, erscheint dieses Release als schwere, auf 180-Gramm-Vinyl gepresste LP, die mit 45RPM abgespielt wird: eine großartige Neuauflage und ein Fest für Vinyl-Enthusiasten.

Freitag, 8. Dezember 2023

THE BIG BOOK OF LEGS

Bettie Page  Dian Hanson Big Book Of Legs Taschen Verlag Vintage Pin-Up Retro Inside
Pinup-Legende Bettie Page am Strand, fotografiert von Bunny Yaeger
Credit Bild: © Taschen Verlag
In den Fünfzigern war man von "Long Tall Sallies", also großgewachsenen Frauen mit langen Beinen mitunter derartig fasziniert, dass sich diese Begeisterung in zahlreichen Songtexten niederschlug: Neben dem eingangs erwähnten Klassiker sang auch Rockabilly-Pionier Johnny Burnette von einer über 1,80 großen Angebeteten, deren Beine so lang waren, dass ihre Füße im Vorzimmer herausschauten wenn sie  in der Küche schlief. Nun mag dies nicht der bequemste Ort für die Nachtruhe sein, sein Genre-Kollege Billy Lee Riley tat es ihm mit einer fast identischen lyrischen Beschreibung in „Red Hot“ jedoch gleich und sang von einer ebenso langbeinigen Gazelle. Ein paar Jahrzehnte später machten dann "Hot Legs"  Rod Stewart im gleichnamigen Song vollkommen fertig. Billy Gibbons, Dusty Hill und Frank Beard von ZZ Top beschrieben im programmatisch betitelten „Legs“ die Vorzüge einer Frau, die ebenjene gekonnt einzusetzen wusste - und David Lee Roth dozierte untermalt von den lasziven Riffs Edward Van Halen gar über „Drop Dead Legs“ .

Eine gewisse lyrische Tendenz lässt sich hier also durchaus ablesen, die Liste an „Songs About Gams“ könnte man jedenfalls noch beliebig lange fortführen. Doch auch abseits der Recording Industry waren es interessanterweise immer wieder Beine - und weniger die -ähem- offensichtlicheren Busen & Pos -  auf die der Fokus gerichtet wurde. Ein Blick durch unterschiedliche Epochen der Geschichte zeigt, dass dieser Körperteil immer wieder im Fokus stand: In viktorianischen Zeiten, gemeinhin eine Ära schwelender Prüderie und noch stärkerer Doppelmoral, barg schon die bloße Erwähnung des Wortes „Beine“ die Gefahr, die Gentlemen des Empire in Raserei zu versetzen und sollte daher - Etikette ist schließlich alles - tunlichst vermieden werden. So will es zumindest die Legende. Die Befreiung des Beins - auch durch die sich ändernde Damenmode - war wiederum ein Teilaspekt der Emanzipationsbewegung und veränderter Sexualmoral. 

Im Hollywood zu Zeiten der Selbstzensur des Motion Picture Production Codes, auch als Hays-Code bekannt, durfte man wiederum auf dem Silver Screen wenig zeigen, das (nur vermeintlich) unverfänglich-unschuldige Bein war davon jedoch nicht betroffen, was für einige erotisch aufgeladene Szenen sorgte, die nicht den Scheren der Sittenwächter zum Opfer fielen. Tänzerin Cyd Charisse wiederum war nicht nur für ihre komplexen und eleganten Tanzchoreographien mit Fred Astaire berühmt, sondern auch für ihre  48,5 Millionen Dollar Beine . Und die Spinde und Kriegsgeräte zierenden Pinup-Girls der amerikanischen GIs waren für ihre "Legginess" berühmt.

Man sieht: Die (Pop-)Kulturgeschichte dieser Körperteile ist so lang wie die unteren Extremitäten einer Laufstegschönheit nach Pariser Gardemaß. Dementsprechend umfangreich und schwer (372 Hochglanz-Seiten im XL-Format) ist dann auch  "The Big Book Of Legs" ausgefallen, das nun in einer Neuauflage erschienen ist. Darin entwirft Autorin Dian Hanson (als ehemalige Herausgeberin des „Leg Show“-Magazins eine Kapazität auf dem Gebiet anatomischer Forschung unter ästhetischen Gesichtspunkten)  anhand von teils rarem Bildmaterial und witzigen Essays eine soziokulturelle Chronik sich wandelnder Körper-(Selbst-)Bilder und Schönheitsideale. 

Der Fokus liegt dabei vor allem auf Vintage-Aufnahmen mit historischen Aufnahmen von 20er Jahre-Flapper Girls oder  klassischen Pinup-Bilder von Bettie Page. Man sieht Arbeiten der Fotografie-Pioniere Bunny Yaeger, Elmer Batters oder Peter Gowland. Es sind dies teils seltene Aufnahmen, die auch eine Geschichte der sexuellen Revolution erzählen. Beim Gipfel jener Bewegung  endet dieses Buch jedoch, der Bogen wird nur bis zu dem Ende der 60er gespannt, vor den 70ern ist kurioserweise Schluss.

Dienstag, 5. Dezember 2023

STATUS QUO - OFFICIAL ARCHIVE SERIES VOL. 2 - LIVE IN LONDON 2012

Credit Bild: © Christie Goodwin earMusic/Edel
Erst im Sommer startete die groß angelegte Status Quo Archive-Reihe und schon folgt die nächste Volume dieser Livekonzert-Retrospektive. Passend zur aktuellen Season nicht nur in festlichem Rot gehalten sondern auch mit einem Konzertmitschnitt von der 2012er "Quo Festive"-Tour aus der Vorweihnachtszeit. 

Farblich wie ein Krampuspackerl, allerdings gefüllt wie vom Nikolo: Das limitierte Release erscheint sowohl in einer Vinyl Edition (180g 3 LP- Gatefeold-Version ) als auch als Doppel-CD-Digipak und dürfte darob bei Quo-Anhängern für leuchtende Augen sorgen.
Auch wenn dieser Gig wie schon bei Vol. 1 nicht wirklich den ganz großen Seltenheitswert oder den Kultfaktor eines Seventies-Konzerts hat. Aber wie dem auch sei: Die Aufmachung ist auch hier wieder sehr gelungen und klanglich ist diese Aufnahme ebenfalls einwandfrei. Auch die Setlist dieses Heimspiel-Gigs für Francis Rossi, Rick Parfitt Andrew Bown, John "Rhino" Edwards und Matt Letley (in seiner letzten UK-Show als Quo-Schlagzeuger) 
hält neben den erwartbaren Gassenhauern wie „Rockin All Over The World", „Whatever You Want, oder „In The Army Now “ auch selteneres Material wie ein Weihnachtsmedley, mit Evergreens wie "Walking In A Winter Wonderland", oder „ Around The Christmas Tree" und den Quos eigenen Weihnachtssong „It's Christmas Time" bereit.

Dieses Release richtet sich freilich ausschließlich an die Hardcore-Sammler, bietet für jene jedoch genug Anreiz , den Status Quo der eigenen Boogie Rock-Sammlung zu überdenken - sprich zu erweitern.

Credit Coverbild: © earMusic/Edel

Montag, 4. Dezember 2023

BEARTOOTH - THE SURFACE

Beartooth The Surface Album Cover Metalcore
Credit Coverbild: © Red Bull Records
Fröhlichkeit zählt nicht unbedingt zu den bestimmenden Attributen des Metal-Genres: Stets aktuelle Themen wie das Triumvirat aus „Tod, Destruction und gepflegter Misanthropie“, vor denen der „Heile Welt“-Mainstream-Pop oft die Augen verschließt, prägen die Lyrics der Sparte „Hard N´ Heavy“. Die US Metalcore-Band Beartooth versucht dem mit ihrem neuen Album „The Surface“ einen Kontrapunkt entgegenzusetzen.

Das Plattencover wird neben dem Sensenmann von pudrigem Rosa dominiert, die Gitarren riffen zwar heavy, manchmal kurz vorm Djent, ohne dass es dabei je sinister wird. Lyrisch steht hier Lebensbejahung statt Nihilismus im Vordergrund - also Happy Metal mit positiver Botschaft, oder auch: Urschrei-Selbsttherapie. Denn jene Message - man könnte es aufgrund der für den Metalcore typischen Schreianfälle in der vokalen Darbietung auch als aggressive Fröhlichkeit interpretieren - hat einen ernsten Hintergrund. Frontman Caleb Shomo kämpft seit langem mit Depressionen und anderen Mental Health-Problemen, auf „The Surface“ beschreibt er seinen Weg heraus aus dem finsteren Loch hin zu einem positiveren Selbstbild. 

Beartooth sind zwar beim 2007 von Didi Mateschitz gegründeten und was den Artist Roster anbelangt, sehr hippen Red Bull Records Label unter Vertrag, doch trotz dieser Österreich-Komponente ist die Band hierzulande noch etwas weniger bekannt. In der Szene sind die Amerikaner allerdings längst kein Geheimtipp mehr: 800.000 verkaufte Platten, Milliarden von Streams, mehrere Award-Auszeichnungen, die Spitze der Billboard Mainstream Rock & US Active Rock Radio-Charts und dann auch noch eine zweimonatige Co-Headlining Tour mit Trivium zeigen dass diese Band offenbar einen Nerv trifft.

Trotz einiger groovender, guter Riffs ist  „The Surface“ - wieder mitunter typisch für den Metalcore -  nicht gerade ein Wunderwerk an Abwechslung und Ideenreichtum, weshalb sich schon nach wenigen Nummern Ermüdung einstellt. Die in den Songtexten behandelten Themen unserer Zeit werden wohl dennoch auf Resonanz bei der geneigten Hörerschaft treffen und der kontemporäre Formatradio-freundliche Sound mit  poppigen Elementen hat sowohl mehr Mainstream-Appeal als die Vorgängerscheiben aus dem Hause Beartooth als auch das Potential die beachtliche Fanschar noch zu erweitern.