Montag, 31. Oktober 2016

CREEPY STUFF FOR HALLOWEEN: Lucio Fulcis New York Ripper

„The sickest movie ever made“
Nur eine der Taglines für einen von Luco Fulcis berüchtigtsten Filmen.
Nun ja, als Eurokult- und insbesondere Italofan hat man schon einiges gesehen.
Ausnahmsweise ist die Werbung und der um den Film entstandene Hype jedoch einmal nicht vollständig aus der Luft gegriffen.
So  kann sich Fulcis 1982 Reißer locker einen Platz in den Top 10 der grausamsten Giallo - Produktionen aus bella italia sichern.
In den 80ern, schon einige Zeit nach der ganz großen Siebziger Jahre Giallowelle  entstanden, gehört der Film eigentlich zum Pflichtprogramm für Genrefans– zumindest für diejenigen, die es gern mal deftiger mögen und für die es auch durchaus mal trashig sein darf. Das ist nämlich die Grundvoraussetzung um „NY Ripper“ etwas abzugewinnen.

Fulci geht hier wieder mit dem Holzhammer um und der misogynisitische Pussyslasher macht New York unsicher.
Waren seine bisherigen Gialli wie „Woman In A Lizards Skin“ oder auch „Don´t Torture A Duckling“ im Vergleich zu seinen bluttriefenden Horrorfilmen noch recht subtil, so fährt der Regisseur hier voll die Exploitationschiene.
Sex und Gewalt, wo man nur hinblickt. Mitunter wird hier beides gern miteinander kombiniert.
Die Feinheiten die Fulcis zahlreiche andere Gialli ausmachten sind großteils verschwunden.
Fulci macht schon in der ersten halben Stunde klar, warum er zu den berüchtigtsten Genreregisseuren italienischer Herkunft gehört.

Zur Story: New York wird von einem grausamen Killer in Atem gehalten.
Der offensichtlich völlig gestörte Schlitzer foltert seine bevorzugt weiblichen Opfer bevor er sie schließlich ermordet.
Lt. Williams von der zuständigen Dienstselle ist erst Mal völlig überfordert.
Er kann sich nur auf diffuse Aussagen von Zeugen stützen,  die berichten, dass der Killer mit einer „Donald Duck“ - Stimme gesprochen habe.
Höchst verwunderlich, auch für Williams – bis er eines Tages einen Anruf annimmt und eine kreischend – quakende Stimme an sein Ohr dringt……

Die britischen Genrespezialisten von Shameless Screen Entertainment bringen den Film in ihrer mittlerweile recht umfangreichen Kultreihe ganz in gelber DVD – Hülle heraus. Vollständig uncut, versteht sich. Grund genug für die Zensoren zum Ansetzten der Schere würde der Streifen ja bieten.

Fazit:
Sicherlich ein sehr sehr derber Film, der nicht unbedingt mit Fulcis eigener Konkurrenz in Form seiner schon oben angesprochenen  Suspenseknaller mithalten kann.
Dennoch eine der besseren Produktionen, die in den Achtzigern  im Exploitationsegment herausgekommen sind.  Fulci schafft es routiniert die Spannungsschraube immer weiter anzudrehen -Für zarte Gemüter ist das alles aber, wie gesagt, nicht zu empfehlen.

JEFF LYNNE´S ELO - LIVE IN HYDE PARK


Credit Coverbild: Eagle Rock Entertainment, Eagle Vision, EDEL
Die Verbindung unterschiedlicher Genres funktionierte bei keinem Crossover so schlecht wie bei der Verschmelzung von Klassik mit Rock und Pop. Statt einer gelungenen Amalgamation zwischen E- und U-Musik kam häufig einfach ein klischeehafter, fremdkörperartiger Klassik-Anstrich von Werken der Populärmusik oder ein gekünsteltes Verbiegen von Opernstimmen in einem Popkontext heraus.

Eine der wenigen Ausnahmen - Jeff Lynne, der  mit seinem Electric Light Orchestra in den ohnehin äußerst experimentellen 70ern die Möglichkeiten des Klangkosmos der „alten“ und der „neuen“ Musik auslotete. Wie gut ihm diese Sound-Experimente gelangen, kann man etwa bei einem neuen Blu Ray-Konzertmitschnitt eines Gigs vom September 2014  nachhören.
Lynne und seine Band waren Headliner des vom BBC Radio 2 veranstalteten „Festival In A Day“ im Londoner Hyde Park, spielten vor vollem Haus....äh, Park ein 17 Songs umfassendes Set; darunter „All Over The World“, „Evil Woman“, „Ma-Ma-Ma Belle“,  „Livin´Thing“ ,  das erst zuletzt  genial im Film „American Hustle“ eingesetzte „10538 Overture , „Rock N´ Roll Is King“,  die Travelling Wilburys-Nummer „Handle With Care“, „Don´t Bring Me Down“  oder zum Schluss ein furioses „Roll Over Beethoven“. Lynne´s unverwechselbarer Sound hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren:

Extrem melodische Songs mit Hang zum Million Dollar-Hook, Pop mit Beatles-Sensibilität, klassischer Rock N´ Roll der in so eingängigen wie anspruchsvollen Arrangements auf Experimental-Sounds und Klassik-Elemente trifft.

Phasenweise setzt Lynne im Hyde Park zwar zu sehr auf der Pop- und Balladenschiene, was auf Kosten von - nicht gespielten - Hits wie „Rockaria!“, „Hold On Tight“ oder „Long Black Road“ geht, doch die merkbare Spielfreude der Band (und des Orchesters) machen dieses kompakte Best Of-Konzert zusammen mit der exzellenten Bild-und Tonqualität der Blu Ray zu einem Stammgast im Player von ELO-Fans.

Zudem bietet diese Veröffentlichung nicht nur den sehr guten Konzertfilm sondern auch eine abendfüllende und äußerst sehenswerte Dokumentation über Mastermind Lynne: In „Mr. Blue Sky: The Story of Jeff Lynne & ELO“ besucht man den ELO-Frontman in seinem geschmackvollen Anwesen und erfährt - mit interessanten Anekdoten gespickt - die Geschichte des vielseitigen Produzenten und Songwriters.

Sonntag, 30. Oktober 2016

Throwback Sunday: HARLEY DAVIDSON 344 - ELECTRA GLIDE IN BLUE

John Wintergreen ist ein typischer amerikanischer Motorcycle Cop, dessen Einsatzgebiet das Monument Valley ist.
Auf seiner Harley Davidson durchquert  er die endlosen Highways, immer auf der Suche nach ein wenig Abwechslung.
Denn so wunderschön die nicht enden wollende  Landschaft auch ist, so trostlos wirkt sie auf den gelangweilten  Polizisten. Nichts passiert, der Cop ist frustriert.
Dabei nimmt er seine monotone Tätigkeit überaus ernst.
Seine einzige Freude abseits dem Schikanieren von Hippies und Schnellfahrern ist die Affäre mit einer Bardame , die es scheinbar mit den gesamten Polizeieinsatzkräften treibt.
John hat seinen Job satt und träumt von einem beruflichen Aufstieg .
Er möchte endlich  zur Mordkommission versetzt werden, doch seine Vorgesetzten verfolgen dieses Ziel mit weniger Elan als Wintergreen.
Zu allem Überfluss leidet er unter einem Minderwertigkeitskomplex aufgrund seiner geringen Größe.
Als in seinem Einsatzbereich ein scheinbarer Selbstmord geschieht, sieht er seine große Chance, auf die er Jahre gewartet hat, endlich gekommen. Er möchte beweisen, dass es sich nicht um einen Selbstmord gehandelt hat und dass er ein fähiger Mann für die Mordkommission wäre……

Regisseur James William Guercio entwirft ein pessimistisches Zeitportrait, das nicht unähnlich zu (Counterculture- ) Kultfilmen wie Dennis Hopper´s „Easy Rider“ oder „Fluchtpunkt: San Franciso“ ist.
Nur das der Film diesmal den Blickwinkel der „anderen“ Seite einnimmt.
Nämlich die jener Personengruppe, die Richard Nixon einst als die silent majority beschrieb- also jenen die in den 60en und 70ern mit ihrer Regierung ganz zufrieden waren oder zumindest ihren Protest nicht, wie die vom Establishment verhassten Hippies, in die Straßen trugen.
Ja, der Hauptcharakter in Guericos Film nimmt sogar ein Bild der beiden von Peter Fonda und Dennis Hopper dargestellten Hauptfiguren aus „Easy Rider“ als Zielscheibe im Schießstand des örtlichen Polizeireviers.
Doch Guerico geht es natürlich nicht darum, den erzkonservativen Lebensstil zu glorifizieren.
Der Film ist vielmehr eine ironische Abrechnung mit Kleingeistern wie sie eben Wintergreen und besonders dessen dümmlich-primitive Kollegen darstellen, bei der aber auch die Hippiekommunen ihr Fett abbekommen.
1973  wurde der Film im Rahmen der Filmfestsiele von Cannes gezeigt.
Dort hasste man den Streifen und ein Verriss folgte auf den nächsten.
Obwohl nicht alle Kritiker so hart mit ihm ins Gericht gingen war dem Film ken großer finanzieller Erfolg beschieden.
Zu Unrecht, wie man nach dem Genuss der neu erschienenen DVD von AT-Medien/Pierrot Le Fou, sagen muss-obwohl der Film nicht ganz mit den oben genannten Filmen mithalten kann. James William Guercio macht seine Sache jedenfalls sehr gut. Beachtlich, wenn man bedenkt, dass Guercio „hauptberuflich“ eigentlich gar kein Regisseur ist. Sein Ausflug ins Land des Zelluloids war folglich nur kurz, den meisten ist er vielleicht eher als Produzent er Band Chicago bekannt.
Einige Chicago-Musiker haben dann auch gleich Gastauftritte im Film und im Soundtrack sind sie ebenfalls vertreten.
Guercio hat ein sicheres Gespür für gute Bildkompositionen, besonders gelungen hat er die langen Fahrten durch den Grand Canyon und die teils in Slow Motion ablaufenden Action-Sequenzen eingefangen.

Hautdarsteller Robert Blake ist die Idealbesetzung als der Komplexer, dessen einziger Stolz sein Beruf ist, zu dem ihn eine seltsame Hassliebe verbindet.
Auch sonst ist „Electra Glide….“ gut besetzt worden:„ Der Malteser Falke“-Star Elisha Cook Jr. Hat einen Auftritt als verrückter Alter und Mitch Ryan ist spitze als der präpotente Harvey Poole. Berechtigte Kritik muss man hingegen an der stellenweisen Behäbigkeit der Handlung üben.
Fazit: Ein kleiner Kultfilm -  für Freunde typischen 70er Jahre Kinos eine klare Empfehlung!

Throwback Sunday: VENUS IN FURS von JESS FRANCO

Jess Franco. Ein Name der bei Freunden derber Exploitation-Kost ein Lächeln auf die Lippen zaubert und bei allen anderen entweder auf Unkenntnis oder auf totale Ablehnung stößt.
Wer den „Meister des Perversen“ bis jetzt nicht mochte wird auch mit „Venus in Furs“ , der bei uns unter dem Titel „Paroxismus“ bekannt ist, auch kein neuer Anhänger .
Dafür ist der Film nämlich viel zu typisch „Jess Franco“, was wiederum bedeutet dass der Film komplett untypisch verglichen mit anderen Streifen ähnlicher Genres ist und ihn letztlich somit jeglicher herkömmlicher (Film-)betrachtungsweise enthebt.


Der Jazzer (James Darren, bekannt aus „The Guns of Navarrone“) wird Zeuge eines SM-Rituals in der Villa eines pervertierten Adeligen(gespielt von, wie könnte es anders sein, Klaus Kinski). Dabei wird die „Hauptakteurin“ jedoch ins Jenseits befördert.
Das Gesehene lässt den von Selbstzweifeln geplagten Musiker nicht mehr los und als schließlich eines Tages der Leichnam der Ermordeten an den Strand angespült wird und einer der Mörder nach dem Anderen auf mysteriöse Art und Weise ins Gras beißt, glaubt er den Verstand zu verlieren….

Soviel zu Handlung, die sich jedoch mit fortschreitender Spielzeit des Films immer mehr verdichtet bzw. immer vielschichtiger wird - beinahe ist man geneigt von einer Exploitation-Variante von „Blow-Up“ zu sprechen. Francos Vorliebe für psychedelische Kameraeinstellungen und eine teils seltsam anmutende „rastlose“ Kamera, die scheinbar unwichtige Dinge mit hektischen Schwenks in den Fokus und damit ins Auge des Betrachters rückt, ist auch hier vertreten, wenn auch nicht in dem Ausmaße wie in „Vampyros Lesbos“ vom gleichen Regisseur.
Dennoch ist der Rausch aus Bildern und Musik (die Manfred Mann komponiert hat) noch abgedreht genug, dass man sich nach gut einer Dreiviertelstunde Spielzeit in einem ähnlich delirierenden Zustand wie der Hauptakteur wähnt.
Die Hauptdarsteller agieren ansprechend, allen voran natürlich Kinski(der allerdings nicht allzu viel Screentime bekommt) und Blickfang Maria Rohm.

Der ambitionierte Plot ist, leider wieder typisch für Franco, nicht ganz konsequent umgesetzt und bietet etliche Längen, die sogar die gerade mal 83 Minuten Spielzeit lang erscheinen lassen.
Sleaze-Fans, die eher des Regisseurs späteren Output bevorzugen, werden vermutlich auch etwas enttäuscht sein-Denn Franco gibt sich hier (noch ) nicht so exploitation-freudig wie in seinen Filmen einige Jahre später.
Mit Leopold von Sacher-Masochs Buch „Venus im Pelz“ hat der Film übrigens bis auf eine Frau die sich nackt im Pelz räkelt nicht viel zu tun.

Ob es sich bei „Venus in Furs“ um Francos Meisterwerk handelt, muss jeder nach dem Sehen des Streifens für sich selbst entscheiden.
Sehenswert ist der Film-Trip allemal und besonders der starke Schluss weiß zu überzeugen -  Hängen bleiben aber letztlich nur die psychedelischen Kamerafahrten und der interessante Soundtrack, dem aber vermutlich nur Jazzliebhaber etwas abgewinnen können.

Throwback Sunday: THE WILD ANGELS von ROGER CORMAN

Von allen Bikergangs (wobei Gang eigentlich der falsche Ausdruck ist, immerhin sehen sich die Members als Zugehörige eines Motorcycle CLUBS) sind die Ende der 40er Jahre gegründeten Hells Angels mit ihrem Anführer Sonny Barger sicher die Bekannteste und vor allem die Berüchtigtste. Was wenig verwundert. DEnn insbesondere in den sonst so friedlichen und rückblickend verklärten Sechzigern gewannen die Angels an fragwürdiger Bekanntheit durch ihren rauen, zügellosen Lebensstil, der Stilisierung als letzte Outlaws Amerikas und eine Reihe tragischer, gewaltsamer Zwischenfälle.

Trash-Papst Roger Corman näherte sich zusammen mit seinem Regieassistenten Peter Bogdanovich dem Stoff aus der Sicht des Exploitationfilmers und schuf damit einen seiner besten und vor allem denkwürdigsten Filme sowie einen waschechten Kultflick der Sechziger, der ein ganzes Lebensgefühl einfängt( wenn auch nicht unbedingt ein positives).

Jahre bevor er sich unter der Regie Dennis Hoppers in „Easy Rider“ als Captain America in den Sattel eines Choppers schwingen sollte, war Peter Fonda schon einmal in einer Hauptrolle als Biker zu bewundern. Er spielt den Anführer des fiktiven San Pedro Chapters der Hells Angels, Heavenly Blues.Ganz in schwarz gewandet cruised er durch die Straßen wie Marlon Brando zu seinen besten Zeiten.
Bei einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd mit der Polizei, die zum Alltag der Angels gehört, bleibt sein Kumpel Loser (Bruce Dern, bekannt aus „Driver“),von Polizeikugeln getroffen, schwer verletzt zurück.
Der Rest der Bande kann noch rechtzeitig die Fliege machen.
Doch Blues vergisst seinen Freund nicht und ist wild entschlossen ihn aus dem Gefängniskrankenhaus zu befreien. Dass dabei keine Gefangenen gemacht werden, versteht sich von selbst….

Die Gewaltbereitschaft seiner Protagonisten erklärt sich Corman mit dem Auftreten eines „Generation Gaps“: Die Jungen können sich in keinster Weise mit ihren stockkonservativen Eltern identifizieren.
Die Folge ist Rebellion, die zum benebelten Hippietum oder eben zu den Gesetzlosen auf ihren heißen Öfen führt.
Die Angels lehnen sich gegen das System auf, indem sie sich mit Naziorden behängen um ihre Väter, die im Krieg gedient haben, zu verschrecken und veranstalten als Bürgerschrecks Wettrennen genau da wo strikte Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten.
Die echten Hells Angels waren mit der Darstellung ihres Alltags nicht gerade glücklich.
Sie vertraten die Ansicht, dass sie als eine Bande gewaltbereiter Rüpel im Dauerstoned - Zustand rüberkamen.
Eine Klage gegen Corman folgte.
Schon während den Dreharbeiten hatten sich erste Probleme mit seinem Cast gezeigt der teilweise aus echten Hells Angels vom kalifornischen Venice - Chapter bestand.
Darsteller Bruce Dern wurde von nicht am Dreh beteiligten Hells Angels - Mitgliedern brutal zusammengeschlagen, da sie dachten der Mime würde ich zu Unrecht mit den Colours (quasi die „Uniform“, die einen echten Angel für die eingeschworene Gemeinde sofort als solchen erkenntlich macht) des Clubs schmücken.

Doch auch sonst kehrte abseits des Filmsets keine Ruhe ein:
Bereits nach seiner Erstaufführung sorgte der Film für einigen Wirbel.
In England wurde ihm gar eine Freigabe verweigert. Zu brutal und nihilistisch war den Behörden zufolge das wüste Treiben auf der Leinwand.
Das sollte Corman finanziell jedoch nicht schaden. Ganz im Gegenteil: der Streifen war ein großer Erfolg.
Wen wunderts, bei solch einer Publicicty.
Der Staub hat sich mittlerweile gelegt. Von der 18er Freigabe nahm man Abstand, den Film gibt’s jetzt erstmals ungeschnitten mit einer 16er Freigabe in einer exzellenten DVD-Version von Pierrot Le Fou.

Hauptdarsteller Fonda kam durch den Film auf die Idee eines Roadmovies über zwei Biker, weswegen Cormans Werk gleich eine doppelt wegweisende Bedeutung erhielt.
Für Filmkritiker Leonard Maltin war der Film zwar nur nach 24 Bieren erträglich und auch sonst stieß der Film auf ein eher verhaltenes Kritikerecho, doch trotz der stellenweise holprigen Inszenierung (und der lächerlichen dt. Synchro - aber für die kann der gute Corman ja nun nichts) muss man „Wild Angels“ als wegweisenden Meilenstein für ein ganzes Genre und das Werk Cormans anerkennen.
Exploitation-typisch wirkt das Endresultat ein wenig ziellos und episodenhaft-daran kann man nicht rütteln.
Spätestens wenn aber Fonda unglaublich lässig im Sattel seines hochgezüchteten Feuerstuhls sitzt und der geniale Soundtrack aus den Speakern schallt, ist alles wieder gut.

Sonntag, 23. Oktober 2016

Der Traum von der kosmischen amerikanischen Musik - Truckers, Kickers, Cowboy Angels: The Blissed-Out Birth Of Country Rock

Credit Coverfoto: Bear Family , Delta Music
Der junge Musiker Gram Parsons hatte eine Vision. In den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts schwebte ihm die Amalgamation zweier Sounds vor, die sich zur damaligen Zeit diametral gegenüber standen - der damals gerade neu aufgekommene Sound der Gegenbewegung und das traditionelle Country-Genre.
Obwohl die Country- und Hillbilly-Sounds neben dem Blues die zweite Seite der Medaille des Rock N ´Roll darstellen, schienen Hippietum und die teilweise konservativere Country & Western Music unvereinbar.
Wie Parsons tüftelten damals eine Reihe amerikanischer Musiker an dieser distinktiven Spielart die letztlich zum Subgenre des Country Rock werden sollte: Lange Haare trafen auf die Nudie-Suits, die mit aufwändigen Verzierungen geschmückten Western-Anzüge. Die Twang-Vollbedienung durch die Telecaster  traf auf die Steelguitar, die bisweilen allerdings nicht clean gespielt wurde sondern durch eine Fuzzbox, gejagt wurde. Während der ganz große kommerzielle Durchbruch vielen Protagonisten verwehrt blieb und erst spätere Bands wie die Eagles den Country Rock quasi in die Stadien brachten, war der Einfluss der Protagonisten der Szene dennoch immens und hält letztlich bis heute an.

Die aufwändige Compilation-Reihe „Truckers, Kickers, Cowboy Angels: The Blissed-Out Birth Of Country Rock“ aus dem Hause Bear Family/Delta Music wirft nun einen umfassenden Blick zurück auf dieses Genre. In einer siebenteiligen äußerst umfassenden CD-Retrospektive werden die Anfänge und der kommerzielle Aufstieg des Coutry Rock beleuchtet.
Die musikalische Reise beginnt im Jahre 1966 und der Frühphase des Genres.
Die  eigentlichen Roots des Genres werden nicht weiter beleuchtet, stattdessen wird gleich mit der International Submarine Band und ihrer Version von „Truck Drivin´ Man“ losgelegt.

Von hier an erlebt der Hörer eine clever zusammengestellte und eklektische Reise mit Songs der Byrds, den Everly Brothers, The Band, Buffalo Springfield. The Dillards, Gene Clark , Lovin´ Spoonful oder auch  Bob Dylan, der ja zu dieser Zeit den Pfad der reinen Folklehre längst verlassen hatte. Elvis, einer der Gründungväter des Genres mit seiner früh praktizierten Verbindung von Blues und Country zu Rockabilly und Rock N´ Roll, ist hier ebenso vertreten wie Townes Van Zandt oder Doug Sahm.
Songs wie das beißend-sarkastische „Drug Store Truck Driving Man“ der International Submarine Band oder das (ironische?)„ We Need A Whole Lot More Jesus ( And A Lot Less Rock And Roll“), hier gesungen von Linda Ronstadt, verdeutlichen zudem das gerade in den Sixties durchaus stark aufgeladene Spannungsfeld, in dem die Musiker zwischen Country-Tradition und Rock-Gegenbewegung agierten.
Im Jhare 1975 - also kurz vor dem endgültigen kommerziellen Durchbruch mit dem Eagles Millionen-seller „Hotel California“, der gleichzeitig die Grenzen des Genres stark auslotete -  Schluss.

Credit Coverfoto: Bear Family , Delta Music
Natürlich muss man selbst bei einer so extensiven Chronik Abstriche machen, Hardcore-Fans werden wohl einige Tracks vermissen. Trotzdem lässt sich anhand der ausgewählten Titel die Entwicklungsstadien dieses Subgenres sehr gut nachvollziehen.
Wie man das von Bear Family gewohnt ist, richten sich diese Releases an den Liebhaber und Sammler: ausführliche Booklets, die mit vielen Fotos illustriert sind und zudem mit informativen Liner-Notes   und Kommentaren  aufwarten werden vom extrem liebevollen Packaging abgerundet - Die Rücken der einzelnen Digipaks ergeben das Bild des Anhängers  des Trucks neben dem Gram Parsons, Ikone des Genres, steht - eine wirklich sehr coole Idee.

 „Truckers, Kickers, Cowboy Angels“ ist eine eklektische Zusammenstellung geworden, die einerseits in kompakter, gleichzeitig aber auch ausführlicher Art und Weise eine Retrospektive auf ein einflussreiches und sehr vielfältiges Genre entwirft.
Liebevoll fielen sowohl die Gestaltung/das Design wie auch die gelungene Zusammenstellung der Tracks aus - hier merkt man, dass Experten und echte Liebhaber des Genres am Werk waren. Ein Release von Fans für Fans.
Auch wer die Sternstunden des Genres wie „Sweethearts Of The Rodeo“   schon seit Jahren im Plattenschrank hat, wird mit diesem Release Freude haben. Ein Highlight für langjährige Country Rock-Fans und für den Sammler und eine der schönsten Compilations der letzten Jahre!

Martin Scorseses TAXI DRIVER : 40th ANNIVERSARY


Regisseur Martin Scorsese mit seinem Hauptdarsteller Robert De Niro
Credit Bild : © Steve Schapiro TASCHEN Verlag
„You talkin´ to me ?“ 
Mit von beinhartem Workout gestähltem Körper und dem Blick eines immer entrückter werdenden, jedoch ungemein entschlossenen Mannes steht der von Insomnie geplagte Vietnamveteran und Taxifahrer Travis Bickle (Robert De Niro) vor seinem Spiegel. Mit der Waffe in der Hand ist er, nachdem es ihm nicht gelingt sich in die zivile Gesellschaft einzugliedern, auf seiner ganz persönlichen Mission, den Großstadtmoloch vom „Abschaum“ zu säubern - ganz so wie der von ihm bei seinen nokturnen Fahrten durch das Herz der New Yorker Finsternis herbeigesehnte „große Regen“.

Es ist dies nur einer der vielen eindringlichen Szenen aus Martin Scorseses 1976er Kultfilm „Taxi Driver“, die sich unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis von Filmfans auf der ganzen Welt  eingebrannt haben. Jetzt feiert dieses Schlüsselwerk des amerikanischen Seventies-Kinos sein 40-jähriges Jubiläum.
Dass Scorseses fünfte Regiearbeit so gut gealtert ist, auch 4 Jahrzehnte nach seiner Uraufführung noch immer fasziniert und im Gegensatz zu manch anderem New Hollywood-Streifen noch immer begeistert, hat eine Vielzahl von Gründen.



Taxifahrer Bickle mit prominentem Fahrgast
Credit Bild: © Steve Schapiro TASCHEN Verlag

Einerseits ist die Geschichte Travis Bickles filmhistorisch bedeutsam, markierte sie doch den endgültigen Durchbruch sowohl für Hauptdarsteller Robert De Niro in einer seiner intensivsten Performances als auch für den Regisseur selbst.
Andererseits zählt „Taxi Driver“ auch zu Scorseses vielschichtigsten Werken:
Während die Filme aus seiner Paradedisziplin, den epischen Gangsterdramen, vom amerikanischen Traum, dargestellt durch den Zerrspiegel einer kriminellen Welt, erzählen,
vereint „Taxi Driver“ gleich mehrere, ganz unterschiedliche Handlungsstränge und Topoi in sich.

Travis Bickle wird immer entrückter
Credit Bild: © Steve Schapiro TASCHEN Verlag
In jenem Teil der Story, die man als „Hauptplot“ bezeichnen könnte, folgt der Zuseher Travis Bickle in seinem fortschreitenden Wahn in den Schlund New Yorks auf seinem Weg zur Befreiung der minderjährigen Prostituierten (Jodie Foster) aus den Klauen des Pimps (Harvey Keitel).
Neben dieser „crime“-Handlung ist „Taxi Driver“ jedoch auch ein intensives Außenseiterportrait (siehe der Subplot mit Wahlkampfhelferin Cybil Shepherd) , das mit seiner sensiblen, genauen Figurenzeichnung, die introspektiven Frühwerke Scorseses zitiert. Überdies ist Scorseses Film auch ein beinahe dokumentarisch anmutendes Zeitportrait eines New York, dass sein wahres, verzerrtes Antlitz erst zeigt, wenn die Sonne versunken ist. Martin Scorsese und Drehbuchautor Paul Schrader zeichneten das unglaublich dichte Bild einer im Verfall begriffenen Stadt, lange vor jeglicher „Zero Tolerance“-Politik oder  Verbrechensbekämpfung  eines Rudy  Giuilani.
Ähnlich wie Michael Ciminos „The Deer Hunter“, ist „Taxi Driver“ zudem auch eine filmische Auseinandersetzung mit dem „Shellshock“-Phänomen (Kriegsveteranen-Traumata) und dem für viele Ex-Soldaten unbewältigbaren Kontrast zwischen dem Leben in Uniform und der Welt außerhalb des Schlachtfelds.
Zuletzt ist Scorseses aufwühlender Streifen jedoch auch eine bemerkenswert ausgefeilte psychologische Studie über (politischen) Extremismus- und Fanatismus - eine Thematik, die heute beinahe beängstigend aktuell wirkt.

Buch-Tip:


Credit Coverbild: © Steve Schapiro TASCHEN Verlag
Steve Schapiro. Taxi Driver
Paul Duncan (Hrsg.)
Hardcover 24,6 x 37,4 cm
400 Seiten
19,99 €
Das unglaublich schmutzig-authentische Feeling des „Taxi Driver-New Yorks“ ist nicht nur im Film präsent, sondern auch in den faszinierenden Fotos des Pressefotografen Steve Schapiro, der seinerzeit live bei den Dreharbeiten mit dabei war und mit seiner Kamera den Entstehungsprozess eines zukünftigen Kultwerks einfing. Seine Impressionen präsentiert er in einem im TASCHEN Verlag erschienenen  Bildband, aus dem die Fotos dieses Artikels stammen. Das attraktiv aufgemachte, gut 400 seitige Hardcover-Buch zeigt Fotos aus dem Privatarchiv Shapiros, die dem Betrachter einen detaillierten Blick hinter die Kulissen gewähren. Die Bilder sind dabei so brutal authentisch wie der Film selbst  - intensiv etwa die Eindrücke der finalen Schießerei, bei der ein blutüberströmtes Opfer Bickles genau in Shapiros Linse blickt. Neben den  Fotos gibt es noch ein Vorwort von Martin Scorsese und zahlreiche Texte und Interviews mit dem Regisseur, Drehbuchautor Schrader und De Niro.

Dienstag, 11. Oktober 2016

NEO-GIALLO: DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN


Credit Coverbild: KOCH MEDIA
Wer als Genre-Fan einen Film mit einem Titel  wie „Der Tod weint rote Tränen“
in die Hände bekommt, mag sich freuen, dass er ein bislang verschollenes Hauptwerk des Genres des Giallo - also der italienischen Sex N´ Crime Thriller  der 70er bis frühen 80er- entdeckt hat. Wenn der englische Titel dann noch „The Strange Colour Of Your Body´s Tears“ lautet, scheint alles klar zu sein - man hat es offensichtlich mit einem seltenen Kleinod aus der Hochzeit des europäischen Paracinemas zu tun.
Doch weit gefehlt: denn bei diesem Film  handelt es sich nicht etwa um eine Vintage-Rarität, sondern um die jüngste Regiearbeit des Duos Bruno Forzani und Héléne Catet, die vor einigen Jahren mit „Amer“, der hyper-stylishen Coming Of Age-Story meets Argento, ihre cineastische Verbeugung vor dem „black gloves“-Genre inszenierten.
In die Richtung Neo-Giallo geht auch „Der Tod weint rote Tränen“.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Zur Story:
Irgendwas stimmt so gar nicht : Als Dan Kristensen (Klaus Tange) von einem Geschäftstrip in sein trautes (Jugendstil-)Heim kommt, ist seine Frau Edwige (Giallo-Fans grinsen spätestens jetzt....), wie vom Erdboden verschluckt . Dan macht sich auf die Suche nach ihr, doch was er dabei findet, hätte er sich wohl lieber nicht ausgemalt - denn zusammen mit ihm verlässt der Zuseher zusehends das Gefüge der Realität....

Mehr soll an dieser Stelle nicht über die nicht eben stringente Handlung, die um die genre-typischen Topoi Gewalt, Wahnsinn und sexuelle Obsessionen kreist, verraten werden- wobei der Plot bei diesem rauschhaften Werk mit zunehmender Spieldauer immer mehr zur Nebensache wird. Der Film ist letztlich Film in seiner reinsten Form - vissi d´arte par excellence. Ein unwirklicher bis psychedelischer Rausch aus abnormal satten Farben,
auditiven Verzerrungen, künstlerisch-artifiziellen Kameraspielereien und erotisch aufgeladenen Setpieces wie aus einem Hochglanzmagazin gerissen - die immer wieder von plötzlichen Ausbrüchen von Gewalt konterkariert werden. Dieser Strudel an Eindrücken gleicht einem „sensory overkill“ der letztlich zum Hauptkritikpunkt  des Films führt. Wie schon bei „Amer“ regiert bei Forzani und Catet die Maxime „style over substance - ein Makel, den der Streifen mit allzu vielen Werken aus der Blütezeit der Gialli gemein hat.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Wer bislang nichts mit den „black gloves“-Thrillern anzufangen wusste, wird also kaum bekehrt werden. Wer jedoch die Genre-Meister wie Argento oder Martino kennt, wird sich über die mal mehr, mal weniger versteckten  Querverweise auf die Hauptwerke des Genres freuen. „Der Tod weint rote Tränen“ ist Metacinema, das einerseits vollständig aus einer anderen, experimentelleren Zeit (sprich den Seventies) zu stammen scheint, aufgrund seiner perfektionistischen Hochglanzoptik jedoch gleichzeitig eindeutig modern ist.
In dieser (selbst-)referenziellen, postmodernen Auseinandersetzung mit dem Giallo-Genre, gelingt dem Regie-Duo die Gratwanderung zwischen einer spürbar leidenschaftlichen Referenz an die großen Idole ohne in die Falle einer uninspirierten Kopie zu tappen.
So ist „Der Tod weint rote Tränen“ ein Filmexperiment mit Retro-Charme und Seventies-Videoclip-Ästhetik, an dem allerdings vornehmlich Genre-Liebhaber ihre Freude haben werden.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Zur Heimkino-Version:
Koch Media veröffentlicht das Kleinod in einer überaus ansprechenden Mediabook-Version, die sich auch als Schmuckstück in Dan Kristensens beneidenswertem Domizil gut gemacht hätte - denn so durchgestylt wie der Film ist auch die Aufmachung des kleinen Buchs mit attraktivem Artwork und einem Booklet mit einem Essay und einem recht informativen Interview mit den Regisseuren.
Credit Bild: KOCH MEDIA

EIN REIGEN ZERSTÖRTER TRÄUME: ANDRZEJ ZULAWSKIS "NACHTBLENDE"

Zeit ihres Lebens versuchte sich Romy Schneider von dem ihr so verhassten Klischeebild der Sissi, der Rolle die sie zum Weltstar machte, zu emanzipieren.
Mit keinem anderen Film als mit „Nachtblende“ gelang ihr das so eindrucksvoll.
Regisseur Andrzej Zulawski inszenierte nach der Flucht aus seinem Heimatland Polen in Frankreich einen trostlosen Reigen der gescheiterten Existenzen, mit der Creme de la Creme der damaligen europäischen Film-Prominenz: Klaus Kinski(„Tote pflastern seinen Weg“, „Fitzcarraldo“), Fabio Testi(„Der Garten der Finzi Contini“, “Revolver“), Romy Schneider(„Das Mädchen und der Kommissar“ „Die Spaziergängerin von Sans Souci“), Claude Dauphin(„Barbarella“, „Der Mieter“)…….

Romy Schneider ist Nadine Chevalier. Eine glücklose Schauspielerin, die trotz offensichtlicher Begabung ihrerseits keine seriösen Rollenangebote erhält.
Nur für billige Pornoproduktionen wird sie regelmäßig gebucht- Eine Arbeit die sie grenzenlos anwidert, der sie jedoch nicht entsagen kann – ist dies doch der einzige Job mit dem sie sich und ihrem skurril-verschrobenen Mann Jaques (Dutronc) die Existenz sichern kann. Als sie beim Dreh eines der unzähligen Sexfilme zu ihrem Partner „Ich liebe dich“ sagen soll, bricht sie zusammen. Ihr Kollaps wird vom Fotografen Servais Mont (Fabio Testi) eingefangen. Dieser wird sofort von der verlebten Schönheit Nadines in den Bann gezogen und versucht die Schauspielerin nun besser kennen zu lernen. Da sie Servais´ Annäherungen jedoch nicht erwidert, versucht er sie auf andere Weise für sich zu gewinnen. Er leiht sich Geld und finanziert damit eine ambitionierte Inszenierung von „Richard III:“, in der Nadine eine Hauptrolle erhält.Als das Stück floppt werden die Spannungen zwischen Servais und seinem Geldgeber sowie seine Beziehung zu Nadine immer angespannter. Alles steuert auf eine Katastrophe zu……

„Nachtblende“ ist ein deprimierender Film, der frei von Klischees oder dem üblichen Kitsch von Film-Dramen eine komplizierte Liebesgeschichte erzählt.
Der Originaltitel lautet übersetzt „Was zählt ist Liebe“. Und tatsächlich ist die Liebe bzw. die Hoffnung darauf , das Einzige woran sich die Hauptfiguren klammern (können).Denn keiner von ihnen hat das, was man ein erfülltes Leben nennt.
Servais ist abhängig vom schmierigen Mafioso Mazelli (Claude Dauphin),für den er bei Privat-Orgien und Pornodrehs den Fotografen spielen muss.
Sein Vater deliriert zwischen Alkohol und Drogen. Einziger Lichtblick in Servais´ heruntergekommener Welt (durchaus wörtlich zu nehmen, denn alle Sets von „Nachtblende“ wirken total abgefuckt) ist Nadine.
Halt kann auch sie ihm nicht geben, denn sie ist emotional so bankrott wie ihr depressiver Ehemann, der sie einst vor der Prostitution rettete und dem sie sich verpflichtet fühlt.


Ihre Kollegen am Theater sind ein Haufen von Exzentrikern: Allen voran der homosexuelle Regisseur Messala, der sich an jedem neuen Probentag verkleidet und gerne als Drag-Queen herumläuft und Schauspieler Hans Zimmer(Klaus Kinski).
Die Rolle des Hans ist eine der einprägsamsten des ganzen Films und hätte von niemandem besser verkörpert werden können als von Idealbesetzung Kinski.
Der exzentrische Star spielt einen maßlosen Schauspieler, der sich hemmungslos in Ausschweifungen ergeht. Dieser rücksichtslose Typ ist so etwas wie die krasse Antithese zu den anderen Charakteren des Films, die alle auf ihre ganz eigene Art verzweifelt nach echter Liebe suchen.


Man sieht also, leichte Kost ist der Film wahrlich nicht, wer also einen „netten“ Unterhaltungsfilm erwartet, sollte einen weiten Bogen um den Film machen.
Regisseur Zulawski verlangt seinen Darstellern alles ab und scheut nicht davor zurück die tiefsten seelischen Abgründe schonungslos auf Film zu bannen.
„Nachtblende“ ist ein typischer Schauspielerfilm, der den Zuseher dank der Performances des des exzellenten Casts und der lebensnahen, schmerzhaft emotionalen Dialoge

in seinen Bann zieht - und zu den intensivsten Erfahrungen im französischen Film der Siebziger zählt.

Donnerstag, 6. Oktober 2016

ROLLING STONES veröffentlichen am 02. DEZEMBER ihr NEUES ALBUM „BLUE & LONESOME“

Credit Coverbild: Universal Music
Nachdem es schon die ganze Woche angeteased wurde und die Spannung bei allen echten Stones-Fans rund um den Globus beinahe ins Unermessliche gestiegen ist, wurde nun das Geheimnis hinter dem blauen „Lip and Tongue“-Logo, das die Social Media-Kanäle von Instagram, Facebook bis Twitter in den letzten Tagen bevölkerte, gelüftet:
Zwar machen die Stones, wie von vielen vermutet,  keinen „Bowie“ und veröffentlichen ihr neues Album ganz ohne Vorankündigung schon jetzt, aber eine neue Studioplatte - ihre erste seit über 10 Jahren - kommt tatsächlich noch dieses Jahr:

Pünktlich zu Weihnachten erscheint „Blue & Lonesome“ am 02. Dezember 2016.

Auf der Platte geht es für die Briten „back to the roots“ - denn „Blue And Lonesome“ ist, wie
der Titel schon andeutet, wirklich jenes beinahe  sagenumwobene Blues- Album, auf das viele Fans schon seit Jahrzehnten warten.

Nach dem ersten Vorabtrack, der Little Walter-Nummer „Just Your Fool“ (den Pressevertreter schon heute exklusiv hören konnten) zu schließen , kann man sich auf einiges gefasst machen. Schon die ersten Takte zaubern langjährigen Anhägern von Jagger, Richards, Watts und Wood ein breites Lächeln ins Gesicht: Mick bläst die Blues-Harp mit unglaublicher Vehemenz und Autorität - ganz im Stile des Chicago Blues. Keith und Ronnie knallen die Blues-Riffs mit twangigem Sound hinaus und Charlie treibt die Band mit präzisen Brush Strokes immer weiter an.„Just Your Fool“ ist ein Shuffle, mit so einer Dinglichkeit gespielt - unglaublich - die Stones sind momentan eine der wenigen - und nicht zu sagen eine der letzten-Gruppen, die das in dieser Authentizität drauf haben.
Mick und Keith im Studio
Credit Bild: Universal Music
Dass die Band bei den nur wenige Tage dauernden Aufnahmen in den British Grove Studios - bei denen auch Mr. Slowhand Eric Clapton vorbauschaute und auf zwei der insgesamt 12 Tracks zu hören sein wird - Spaß hatten, merkt man eindeutig. Denn tighter und treibender hat man die Stones - abgesehen von vereinzelten Roots-Covern in den Gigs der letzten Jahre oder beim „Midnight Rambler“-Jam - selten gehört.

Es sieht alles danach aus, dass „Blue & Lonesome“  das wohl beste Stones-Album seit vielen vielen Jahren werden wird.

Mittwoch, 5. Oktober 2016

STONES-SPECIAL: THE ROLLING STONES - TOTALLY STRIPPED

Credit Coverbild: Eagle Rock Entertainment  EDEL
Einer der größten Trends der an Trends nicht gerade armen Neunziger Jahre war die Idee, Rockstars ihre Elektrifizierung zu nehmen und jene, die sonst nur in Stadien oder auf den größten Bühnen des Erdballs weilten, in intimen Rahmen auftreten zu lassen. Etwa um Mitte der Nineties hatte diese Unplugged-Welle ihren absoluten Höhepunkt erreicht -  dank Grunge und erfolgreicher Formate wie VH 1 Storytellers und natürlich vor allem MTV Unplugged, in dessen Rahmen Mr. Slowhand Eric Clapton und Kurt Cobain mit Nirvana denkwürdige Auftritte absolvierten. Auch die Rolling Stones gingen 1995 in diese Unplugged-Richtung, allerdings nicht für einen der großen Musiksender, sondern für eine Konzertreihe und Studio-Sessions. Das Ergebnis: das „Stripped“-Album, produziert von Don Was, das die Stones mit sparsamer Instrumentierung zeigt und wenngleich nicht durchgehend ohne in den Amp gestöpselte Gitarre zumindest semi-akustisch, mit viel Westerngitarre und zurückgenommenen Arrangements.

Woods, Jagger und Richards in Action
Credit Bild: © Ilpo Musto  Eagle Rock Entertainment  EDEL
Der Stretch in diese „(semi-)unplugged“-Richtung  war bei den Stones weniger weit als bei manch anderem Künstler, waren doch schon Klassiker der Bandgeschichte wie „Beggars Banquet“ oder „Let It Bleed“ maßgeblich mit akustischen Instrumenten eingespielt worden
Dennoch markiert die kurze „Stripped“-Phase einen interessanten Zeitpunkt in der Karriere von Jagger, Richards, Watts und Wood: Die Stones waren schon in ihrem heutigen Entwicklungsstadium angekommen, - sprich auf dem Status eines Mega-Acts mit gigantischen Touren durch die größten Stadien der Welt. „Stripped“ stellte da ein regelrechtes Kontrastprogramm dar: die Gigs  fanden in wesentlich kleineren Clubs vor deutlich weniger Leuten statt und die Arrangements waren „bare bones“ oder auch „back to the roots“. Auch der damals mehr oder minder in Stein gemeißelten Setlist aus Klassikern wurden noch interessante Raritäten hinzugefügt.

Credit Bild: © Ilpo Musto  Eagle Rock Entertainment  EDEL
Die Blu ray „Totally Stripped“ dokumentiert nun in Spielfilmlänge die Studio-Sessions und Aufritte der „Stripped“-Phase. Als Zuseher gewinnt man gerade bei den Studio-Segmenten des Films erfährt man einiges über die lockere Arbeitsweise der Band.
Die Live-Gigs finden in einem Rahmen statt, wie man ihn heute eigentlich nur mehr bei Spontan-Gigs wie dem letztjährigen „Sticky Fingers“-Überraschungs-Gig in L.A., miterleben kann - die Steine auf kleiner Bühne und im Publikum u.a. ein Hollywood-Star wie Jack Nicholson, der Backstage vorbeischaut und sich über „seinen“ „ Song „Jumping Jack Flash“ freut. Schade ist nur, dass in der Doku nicht alle Lieder voll ausgespielt werden - etwa wenn Jagger zum furiosen Harmonika-Solo in „The Spider And The Fly“ ansetzt wird  zur nächsten Szene geschnitten.

Credit Bild: © Ilpo Musto  Eagle Rock Entertainment  EDEL
Der für Fans interessanten Mixtur aus Konzertfilm und Doku merkt man das Entstehungsjahr stellenweise an - etwa was die Nineties-Style Kameraführung bei den Gigs betrifft. Das Highlight von „Totally Stripped“ stellen jedoch insbesondere die Studio Sessions dar, die einen interessanten Einblick in den Studioalltag von Legenden liefern.

Dienstag, 4. Oktober 2016

STEVEN TYLER - WE´RE ALL SOMEBODY FROM SOMEWHERE



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Dass es Aerosmith-Frontröhre Steven Tyler auf seinem allerersten Soloalbum weder zum Blues noch zum Hard Rock sondern ins Country-Genre zieht, ist weniger verwunderlich als konsequent. Denn amerikanische Roots-Musik bildete schon immer die Basis für den Sound seiner Stammband und bereits 1987 nahmen Aerosmith einen der besten Song ihrer ganzen Karriere mit Country-Legende Willie Nelson auf: das von Tyler geschriebene „One Time Too Many“, das als langsames Cowboy-Lament beginnt, nur um in vollverzerrtem Bluesrock zu enden.


Credit Bild: Zack Whitford 
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Umso gespannter durfte man auf das lange angekündigte Solowerk Tylers sein -  das erste in seiner im  5.Jahrzehnt angekommenen Karriere. Die bereits im Vorjahr veröffentlichte erste Singleauskopplung „Love Is Your Name“ verhieß erst einmal nichts Gutes und erging sich in  poppigem „Country“ - wenn man es denn so nennen will - der sich allzu stark am gängigen Nashville-Mainstream orientierte. Das nun erschienene Full-Length-Album rückt diesen Ersteindruck nur bedingt zurecht. Denn Tyler widmet sich darauf weder dem 60s/70s Country Rock-Sound der „cosmic american music“ eines  Gram Parsons noch bewährtem Blues-Rock mit Steel Guitar Twang.
Vielmehr frönt er dem seit einigen Jahren die Radiostationen im  ruralen Amerika dominierenden Sound zwischen Zeitgeist-Orientierung und der tiefen Verwurzelung in der Genre-Tradition. Überraschenderweise ist „We´re All Somebody...“ ein recht ruhiges, bisweilen gar zurückgenommenes Album geworden, dass vor allem von akustischen Instrumenten und langsamen bis mid-tempo Nummern und Balladen mit Hang zur großen Geste und Bombast geprägt wird - wie bereits beim wehmütigen Opener „My Own Worst Enemy“ deutlich wird. Die einzige richtige  Uptempo-Nummer „The Good, The Bad, The Ugly & Me“ ist weniger von Leone und Morricone inspiriert, als ein lupenreiner, von elektrischer Gitarre angetriebener Shuffle, der als einer der Standout-Tracks deutlich macht, in welche Richtung Tylers Solo-Album auch hätte gehen können.


Credit Bild: Zack Whitford 
Universal Music
Eine Richtung, die auf  „We´re All Somebody From Somewhere“ allerdings zugunsten von unerklärlich poppigen Songs und balladesken Variationen meist nicht eingeschlagen wird - Trotz einiger durchaus starker Momente, die sich auch auf einem Aerosmith-Album der Neuzeit gut gemacht hätten, ist die Platte so nicht der große Überraschungswurf in der späten Phase in Tylers Karriere geworden ist - und das trotz der interessanten Country-und  „Roots“-Orientierung und eines Produzenten vom Schlage eines T-Bone Burnett.
Damit findet Tyler in den USA sicherlich dennoch viele neue Fans - da genau jener Sound seit Jahren die Country-Szene prägt, weit entfernt vom klassischen Outlaw-Sound eines Cash doer Jennings . „We´re All Somebody....“ ist über weite Strecken symptomatisch für diese radiofreundliche Ausrichtung des Genres - an diesem Eindruck ändert auch ein solides Joplin-Cover („Piece Of My Heart“) zum Finale nichts mehr.
Von Tyler hätte man sich durchaus  mehr erwarten können, vor allem weil er auf „We´re All Somebody....“ immer wieder zeigt, dass er sowohl ein großer Country-Balladier mit der nötigen Melancholie in der Stimme ist und gleichzeitig mit der ihm eigenen Energie schmissig rocken kann.

Credit Bild: Zack Whitford 
Universal Music