Sonntag, 29. August 2021

DEPECHE MODE BY ANTON CORBIJN: Band-Chronik und Signierstunde

© Taschen Verlag
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ass Bands mit bekannten Fotografen und Künstlern zusammenarbeiten, ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Spätestens seit den Swinging Sixties ist der Crossover unterschiedlicher Kunstgattungen in Form der Kollaboration von Musikern mit großen Namen der Art-Welt gang und gäbe. Man denke beispielsweise an die Zusammenarbeit der Rolling Stones mit Andy Warhol oder David Bailey. Dass aber ein Fotograf gleich jahrzehntelang regelmäßig eine ganz spezielle Gruppe inszeniert und dann auch noch einen wesentlichen Anteil an deren Ästhetik und Image hat, ist eher selten - bei der langanhaltenden Kollaboration der britischen Elektro-Ikonen Depeche Mode und dem Niederländer Anton Corbijn ist jedoch genau dies der Fall. 

Sänger Dave Gahan meint dazu etwa, dass Corbijn Depeche Mode in ihrer Frühzeit eine visuelle Identität gegeben hat. Ein Umstand, der beim Betrachten von Corbijns neuem, monothematischen Bildband  überdeutlich wird: Einerseits spiegelten die Bilder des Fotografen die zunehmend ernster und düsterer werdende Musik wider, andererseits  sind die Videos und Fotosessions DMs ohne diese reduzierte und eigenwillige Bildsprache beinahe undenkbar. Das neue Coffee Table-Buch „Depeche Mode By Anton Corbijn“ (kurz „DM AC“ ) ist nun die Chronik  dieser kreativen Langzeit-Beziehung.

Passend zum aus dem Song „Enjoy The Silence" bekannten Bonmont  "words are meaningless and forgettable“ sprechen dabei die eindringlichen Bilder für sich selbst, Begleittext ist hier nur spärlich vorhanden. Dennoch lässt sich die Entwicklung der Band von den Elektro-Boys hin zu den einzigen echten Rockstars der Electronic Szene nachvollziehen - es ist die Geschichte einer künstlerischen Adoleszenz, eingefangen von der aufmerksamen jedoch nie aufdringlichen oder effektheischenden Kamera Corbijns - quasi  von "Just Can´t Get Enough" hin zu "Personal Jesus". 

Event-Hinweis: Nächstee Woche – am Donnerstag, den 7. Oktober – wird Corbijn persönlich im Kölner Flagshipstore des Taschen Verlags anwesend sein und von 18 bis 19 Uhr diese kunstvolle Band-Chronik signieren (Neumarkt 3, 50667, Köln).

©  2020 Anton Corbijn Taschen Verlag  

Depeche Mode by Anton Corbijn, von Anton Corbijn und Reuel Golden, Hardcover, 24,3 x 34 cm, 3,69 kg, 512 Seiten,€ 100, taschen.com

Credit Bild: © Taschen Verlag

Dienstag, 24. August 2021

JOHN MAYER – SOB ROCK

Credit Coverbild: © Sony Music Carlos Serrao
Ein Intro wie eine Demoaufnahme zu Totos „Africa“, ein Musikvideo mit überdeutlichen visuellen Zitaten aus Eric Claptons atmosphärischem Clip zu „Forever Man“, ein Gitarrenton der stark an die „Journeyman“-Ära ebenjenes Mannes aus Surrey erinnert. Dazu ein Song, der durchaus Anklänge an den Songwriter Jerry Lynn Williams („Pretending“, „No Alibis“) aufweist und dann auch noch Percussionist Lenny Castro (Toto) und Keyboarder Greg Phillinganes (Stevie Wonder, EC, Michael Jackson…) als Gaststars. Bei diesen Merkmalen der überaus catchy Lead Off-Single „Last Train Home“ aus John Mayers neuestem Album hätte es das ganz in Michael Mann/Miami Vice-Farben gehaltene Plattencover gar nicht gebraucht um zu verdeutlichen: The 80s are back.

Es ist jene Dekade, die seit mehr als einer Dekade ein permanentes Revival feiert (Synthwave , Neo Hair Metal, die jüngsten Arbeiten von The Weeknd….). Die Achtziger, die Mayer auf seinem mittlerweile achten Studioalbum aufleben lässt, sind die der großen Studio-Zeit. Es war die Epoche der großen Session-Gitarristen, die sich im sonnen- und neonverbrannten L.A. bei auf Hochglanz polierten Großproduktionen die Klinke in die drückten. Die Rockstars der 60er und 70er Jahre experimentierten mit neuen Sounds- und kühlschrankgroßen Racksystemen und viele von ihnen reüssierten im Bereich der Billboard Pop-Charts. Für Mayer selbst hat das etwas von einem nostalgischen Experiment, ist dies für ihn doch ein Trip in eine Zeit vor seinem eigenen Durchbruch, zurück in seine Jugend in den Achtzigern. Das ironisch betitelte „Sob Rock“ (zu deutsch etwa soviel wie Schluchz Rock) steht dann auch gänzlich im Zeichen der musikalischen Reminiszenzen - hier ein Groove wie aus der kommerziellsten Phase Fleetwood Macs, dazu ein super cleanes Fingerpicking-Solo wie von Mark Knopfler, dort schimmert etwas von Boz Scaggs durch, da hört man etwas von Steve Winwoods Charterfolgen heraus. Diese Mosaiksteine – kurze References und kleine Zitate, die dem musikhistorisch kundigen Hörer sofort auffallen - ergeben dann letztlich wieder Songs, die typisch für Mayer und seine besonders balladeske Seite sind.

Der Name „Sob Rock“ ist derweil Programm, denn schmissigere oder gar härter rockende Nummern findet man hierauf überhaupt keine. Ein Umstand, der dem Mainstream-Appeal dieses Albums zwar nicht schmälern wird, beim Zuhörer allerdings auch den Ersteindruck einer eher unspektakulären LP hinterlässt – die zudem allzu glatt rüberkommt. Hier wurden wirklich jegliche Ecken und Kanten zugunsten eines Maximums an Melodiösität vorsätzlich abgefeilt. Das ist zwar eine Kunst für sich und für manche wird diese Form von einschmeichelndem Schönklang genau der richtige musikalische Kontrast zur düsteren Gegenwart sein (Stichwort: Sehnsuchtsort Kalifornien der Vergangenheit). Doch all die großen „Million Dollar“-Guitar Sounds aus PRS-Gitarren, Dumble Amps & Co. und die aufwendig arrangierten Songs ändern nichts daran, dass "Sob Rock" über weite Strecken allzu gefällig wirkt. Auch seine unbestrittenen Fähigkeiten an der Sechsaitigen setzt Mayer stets nur sehr sparsam und zurückhaltend ein. Vielen Zuhörern wird er hier allzu sehr auf der Bremse stehen. Die Güte der Songs und die kompositorische Cleverness blitzen so mitunter eher subtil beim öfteren Durchhören auf.

Wer die Vintage Glanztaten der Eighties kennt, für den ist dieses Album letztlich mehr MOR statt AOR – woran auch Star-Produzent Don Was nichts ändern konnte. Denn bei all den gekonnt platzierten 80s-Bezügen fehlen letztlich gerade die Hauptingredienzen der zeitgeistigen Smash-Hits der „Me Decade“: zwingende Killer-Hooks, unvergessliche Refrains und dann weitgehend auch die Klimax-artigen Soli. Oder anders formuliert: Die „schluchzenden Songs“ auf Mayers Soft Rock-Platte sind in etwa so wie ein ins Mischpult gespielter DI-Gitarrensound: sehr clean, sehr eigenwillig und auch durchaus cool für eine oder zwei Nummern, aber letztlich auch etwas steril und dynamik-bzw. abwechslungsarm - zumindest wenn dieser Klang ein ganzes Album dominiert. Am Appeal der merkbar hohen Production Value und den üppigen zeit-konformen Arrangements ändert dies jedoch nichts.

(HAUT-)BILDER FÜR DIE EWIGKEIT: HENK SCHIFFMACHER´S PRIVATE COLLECTION + SIGNIERSTUNDE in KÖLN

© Taschen Verlag

Waren Tätowierungen früher ein Ausdruck maximaler Individualität und Zeichen dafür, dass ihr Träger entweder seinen indigenen Traditionen folgte, Member einer gewissen Subkultur war oder aber seinen Lebensunterhalt in der Halbwelt verdiente, so sind Tattoos mittlerweile nicht mehr aus der "Mitte der Gesellschaft" und damit dem Mainstream wegzudenken. Ihre Geschichte und teilweise auch ihre Bedeutung treten jedoch heute angesichts von Social Media-Trends, normierten Lifestyles oder auch den oft wenig individuellen Sportler-Tattoos etwas in den Hintergrund. 

Der komplette Gegenentwurf dazu stellt Henk Schiffmacher dar, einer der prominentesten Chronisten der Historie hinter den Körperkunstwerken , der nun ein Standardwerk zum Thema Tattoos veröffentlicht hat. Der Niederländer , den man in der  Szene auch als  Hanky Panky kennt, ist selbst gefragter (und  kultiger) Tätowierer und zudem Autor sowie Leiter des Amsterdamer Tattoo Museums. Sein nun neu erschienener Bildband „TATTOO. 1730s-1970s. Henk Schiffmacher’s Private Collection“ ist so etwas wie die bibliophile Version seines Archivs und eine Reise durch ganze 200 Jahre Tattoo-Geschichte.  

Ähnlich wie Tattoos, die bekanntlich in die zweite Hautschicht gestochen werden, ist auch dieses großformatige Werk alles andere als oberflächlich. Dieses Buch ist so knallhart – vollgepackt mit fantastischem Shit aus der Geschichte, des Tätowierens, den ich über 40 Jahre gesammelt habe. Vieles davon hat man nie zuvor gesehen. Das war eine echte Herzensangelegenheit!“ meint Schiffmacher über seinen Prachtband. Dem vintage-affinen Leser offenbart sich hier eine Fülle an Originalzeichnungen (die sog. Flashs ), Designs, Fotos sowie Artefakte aus aller Welt, Lithographien, Radierungen, Tätowier-Instrumente, Gemälde, Fotos, Poster, Ladenschilder und Designs.

 Ink Aficionados (und natürlich alle anderen Interessierten), die sich ein persönliches Exemplar dieses faszinierenden Buchs vom Meister veredeln lassen wollen, sollten sich den Dienstag, 31. August  in den Kalender eintragen. Denn da kommt Schiffmacher persönlich nach Köln und wird sein Buch im Taschen Store(Neumarkt 3, 50667 Köln)  von 18 bis 19 Uhr signieren.

TASCHEN: TATTOO. 1730s-1970s. Henk Schiffmacher’s Private Collection von Henk Schiffmacher, Noel Daniel, Hardcover, 29 x 38,8 cm, 6,13 kg, 440 Seiten, 125  taschen.com

Der Taschen Store in Köln
© Taschen Verlag