Mittwoch, 19. August 2020

DEEP PURPLE – WHOOSH!

Eigentlich hatte man angenommen, dass das  2017er Album „Infinite“ das selbstgewählte Farewell der britischen Rock-Ikonen Deep Purple war. Ein Schlussstrich unter die Studio Recording-Karriere einer der produktivsten und beständigsten Bands aus der Hochphase des Rock mit einem grundsoliden 20. Album. Aber wie das glücklicherweise so ist mit den Legenden kam es ganz anders als gedacht: Warum auch aufhören, wenn die (Chart-)Erfolge nicht ausbleiben und Gillan, Glover & Co. die Ideen nicht auszugehen scheinen. ? Nach einer Corona-bedingten Verschiebung ist dieser Tage also nun das 21. Album erschienen und die Erwartungshaltung war äußerst hoch: Denn das lautmalerisch betitelte „Whoosh!“ soll nicht einfach nur ein weiterer Eintrag in der extensiven Diskographie der Band sein sondern so etwas wie eine Rückbesinnung auf all das was DP zu Legende werden ließ.

Das beginnt bereits beim atmosphärischen Albumcover das nicht zufällig an Artworks aus den 70s erinnert. Dann ist da noch das Re-Recording von „And the Address“, dem instrumentalen Opener des Debuts „Shades Of Deep Purple“ aus dem Jahre 1968, das originellerweise der letzte Track auf „Whoosh!“ ist. Die das Album begleitende Tagline hat es überdies in sich:„Putting The Deep Back In Purple“  - eine Ansage, zumal es nicht wenige Fans gibt, die sich nicht nur insgeheim die Mark II-Zeit zurückwünschen.  Eine Reunion mit dem schwierigen Saitenehxer Ritchie Blackmore gibt es allerdings auch hier keine und auch ist „Whoosh“ stilistisch keine reine Reimagination von „In Rock“ oder „Machine Head“. 

Letztlich machen Purple nämlich genau das, was sie schon seit Jahren bzw, Jahrzehnten machen: eine gekonnte Pflege eines sorgsam kultivierten Signature Sounds mit ganz dezenten modernen Zeitgeist-Zugeständnissen. Nur das diesmal die Riffs noch eine Spur grooviger, heavier und erdiger rüberkommen - man kann durchaus sagen: mehr Spätsechziger/Frühsiebziger-Flair atmen – inklusive besonders deutlicher Prog Rock und 50s Rock N Roll-Bezüge. Kontrapunkt zu den lässigen wie tonnenschweren Riffs ist die klassisch inspirierte Hammond Orgel, auf der Tastenmann Don Airey ganz besonders leichtfüßig und ausgiebig soliert. All das macht „Whoosh!“ zur besten Purple-Platte seit vielen Jahren - ein starkes Album, das vor Spielfreude nur so strotzt und dessen Nummer 1 Platz in den aktuellen Charts alles andere als verwundert.

Die Deluxe Version von „Whoosh!“ erscheint im attraktiven Mediabook mit Bonus DVD die einen Livemitschnitt vom 2017er Hellfest beinhaltet (mit Klassikern von – eh klar – „Smoke On The Water“ bis „Hush“) sowie einem einstündigen Film mit einem Gespräch zwischen Produzent Bob Ezrin und Bassman Roger Glover. 

Hier zwei Hörproben aus dem Album mit den Songs „Man Alive“ und „Throw My Bones“ – oder anders asugedrückt: ein Taste Of The Band:

MELODIÖSER SCHWEDENROCK von H.E.A.T.

Geht es um Mainstream Pop und elektronische Musik so zählt Schweden sicher zu den absoluten Hotspots – sowohl von Performer als auch Produzentenseite. Gleichzeitig gibt es jedoch eine beständige Szene voll von engagierten „Trendverweigerern“,  die sich vornehmlich im Rock-Grenre betätigen. Zu dieser gehören auch die Jungs von  H.E.A.T.– einer Band aus dem 30 km von Stockholm entfernten Upplands Väsby, die handwerklich perfekt gemacht die ewigen Achtziger abfeiert. Die dazugehörigen Ingredienzen: Kajal, Lederhose und kreischende Gitarren. Hinzu kommen breite Keyboardwände – allerdings ohne dabei nur nach „Vintage“ oder „Retro“ zu klingen.

Hinzu kommen treibende, bisweilen hymnische Songs mit durchaus pop-affinen Hooklines. Wer da an gewisse Landsleute von H.E.A.T. – Stichwort: Europe – denkt, liegt durchaus richtig. Assoziationen zum melodiösen Schwedenrock der in den 80s Chartpotential hatte, drängen sich förmlich auf -  die akrobatischen Gitarrensoli, die der Höhepunkt der meisten H.E.A.T.-Songs sind, tun ihr übriges dazu.

Mit dem in guter Hardrock-Tradition  betitelten „H.E.A.T II-Album legt die Band nun  ihr erstes selbst produziertes Album vor, das genau dort anknüpft wo der Vorgänger aufgehört hat. Auch wenn die neuen Lieder nicht immer das in diesem Genre in der Neuzeit inhärente Epigonen-Problem vermeiden können (die Grenze zwischen gekonnter Hommage und derivativem Songwriting ist oftmals nur ein schmaler Grat) werden Fans des Heavy Rock der Eighties gut bedient.


Montag, 17. August 2020

DIE GESCHICHTE HINTER DER ROCKOPER „TOMMY“

© Hannibal Verlag

Das Leben hat es alles andere als gut gemeint mit dem kleinen Tommy – blind, stumm und taub geboren ist er scheinbar zu einem Leben als Außenseiter verdammt. Bis er seine besondere Begabung und letztlich seine Bestimmung entdeckt. Denn trotz seiner schweren Beeinträchtigungen ist er ein absoluter Meister an der Pinball-Maschine , niemand spielt so virtuos mit dem Flipperautoamten wie er. Ähnlich wie die jungen Rockstars der Sixties wird er dank seiner speziellen Fähigkeiten aus der Anonymität gerissen und ins Scheinwerferlicht einer dekadenten Welt der Versuchungen und der Exzesse geworfen - eine Welt, die jedoch auch bald ihre Schattenseiten zeigt…

Diese so seltsame wie düstere Geschichte bildet das Zentrum des Konzeptalbums „Tommy“ von The Who, veröffentlicht 1969 – einem denkwürdigen Jahr, in dem ja nicht gerade wenige Klassikeralben erschienen und im Monatstakt eine „Landmark-LP“ nach der anderen die Charts stürmte. Auch „Tommy“ zählt zum allgemein anerkannten Kanon der „großen Weke“ dieser Zeit. Retrospektiv mag es schlechter gealtert sein als andere Alben der „Woodstock“-Ära, die musikhistorische Bedeutung als Pionierleistung  in der Konzeptualisierung der Rockmusik sowie die interessante Entstehungsgeschichte sind jedoch unbestritten. Um die Entwicklung des „Tommy“-Phänomens vom progressiven Album bis hin zur kultigen Verfilmung ( die vor allem aufgrund der denkwürdigen Auftritte von Tina Turner als „Acid Queen“, Eric Clapton als Priester und Elton John als der „Pinball Wizard“ im Gedächtnis bleibt)  geht es auch im monothematischen Band „Tommy - Stil, Zeitgeist, Musik und Vermächtnis der legendären Rock-Oper (erschienen im Hannibal Verlag).

Der reichhaltig illustrierte Band dokumentiert die Geschichte dieser ersten Rockoper der Musikgeschichte bis ins kleinste Detail und beleuchtet deren Genesis vor dem Hintergrund der Sixties-Umbrüche. Mit seiner inhärenten Progressivität traf „Tommy“ den Zeitgeist der Spätsechziger und wies den Weg zu den Progressive Seventies: das Theatralische in der Rockmusik hatte zwar schon zuvor immer stärker an Bedeutung gewonnen, die ganz großen Konzeptalben sollten sich jedoch erst im darauffolgenden Jahrzehnt etablieren. "Tommy" bleibt als eines der ersten Werke seiner Art bis  heute faszinierend - wie innovativ dieses vollständig ausgereifte Experiment von Daltrey, Townshend, Entwistle und Moon war unterstreicht die "Tommy-Chronik" zudem nochmals eindrucksvoll.