Sonntag, 24. September 2023

ERIC CLAPTON - 24 NIGHTS: BLUES

Eric Clapton with Fender Stratocaster live on stage in Royal Albert Hall in England
Credit Bild: © Warner Music, Carl Studna
Trotz der seit Jahrzehnten in ihren altehrwürdigen Hallen stattfinden Populärmusik-Konzerten ist die Royal Albert Hall im Londoner Stadtteil Kensington mit ihren gediegenen roten Sitzreihen und ihrer einem römischen Amphitheater nachempfunden Architektur nicht eben das, was man unter einem Blues-Club versteht. Anfang der Neunziger war dies jedoch etwas anders. Der majestätische, einst zum Andenken an Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha errichtete Kuppelbau verwandelte sich beinahe in eine Venue, die an der South Side Chicagos oder im tiefen Süden weit unterhalb der Mason Dixon Line gelegen sein könnte. Der Grund dafür: Mr. Slowhand Eric Clapton gastierte für seine ausgedehnte „24 Nights“-Konzertreihe in der RAH und spielte eine Serie monothematischer Abende, die unter den Mottos „Rock“, „Orchestral“ und „Blues“ standen.

Zwar gibt es schon seit Jahren ein Live-Album und eine DVD dieser legendären Konzerte, allerdings fassten diese die „24 Nights“ sehr kompakt zusammen. Die nun neu erschienenen Doppel CD-und DVD-Kombis präsentieren nun eine Extended Versionen dieser Abende, die zu den besten in Claptons langer Karriere zählen.

Die Blues Nights waren für Clapton so etwas wie ein Homecoming, nach den eher zeitgenössisch orientierten Werken „August“ und “Behind The Sun“ kehrte Clapton mit „Journeyman“ zu alten Tugenden zurück. In jene Phase fallen auch die "24 Nights"-Gigs. Clapton spielte seine damals noch recht neue Signature Stratocaster und Soldano Amps – soundtechnisch fraglos eine ganz besondere Ära Claptons, das „24 Nights Rig“ ist nicht ohne Grund bis heute ein absoluter Referenz-Sound.

Die im „24 Nights: Blues“-Set dokumentierten Nächte wirken wie ein Vorgriff auf die ein paar Jahre später stattfindenden „From the Cradle“-Sessions. Mit prominenten Gaststars wie Buddy Guy (der mit seinem Leoparden-Trainingsanzug die ohnehin laxen Garderobe-Vorschriften der Royal Albert Hall doch ein wenig strapazierte), „Iceman“ Albert Collins, Jimmie Vaughan, Robert Cray sowie Muddy Waters´ Mann an den Tasten Jimmie Johnson, spielte  EC puren Blues: "Key To The Highway"  "Sweet Home Chicago", "Have You Ever Loved A Woman" oder "Worried Life Blues" sind nur einige der zu hörenden Klassiker. Hier offenbart sich erneut die besondere Kunst von Musikern wie Clapton, Guy oder Vaughan - denn die Jams sind hier kein Wettbewerb, sondern eine musikalische  Konversation zwischen „Brothers in Blues“. 

Wie schon das im Vorjahr veröffentlichte "Nothing But The Blues" zeigt auch die erweiterte „24 Nights“-Neuauflage Clapton an einem absoluten Karrierehöhepunkt und stellt eine  essenzielle Erweiterung der Diskographie dieser Legende dar.

Credit Bild: © Warner Music, Carl Studna
Credit Coverbild: © Warner Music


Samstag, 23. September 2023

ELFIE SEMOTAN - ALL PERSONAL

Buch-Cover zeigt die österreichische Fotografin Elfie Semotan
Credit Coverbild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023
Blickt man zurück in die Historie der Fotografie, so fallen die Ausübenden dieser Zunft fast ausnahmslos in eine von zwei Gruppen: jene, die selbst mitunter bereitwillig zum Objekt werden und das Scheinwerferlicht nicht scheuen. Und jene, die beinahe hinter ihrem Werk verschwinden und die eigene Person bzw. Privates eher aus der Öffentlichkeit heraushalten. Die österreichische Starfotografin Elfie Semotan zählt eher zu letzterer Kategorie.

Zwar begann ihre Karriere vor der Kamera (Semotan arbeitete als Model), der Platz dahinter lag ihr jedoch stets weitaus mehr. Ihre Arbeit ließ sie so stets für sich sprechen. Persönliches, so konnte man den Eindruck gewinnen, sollte bei ihr auch wirklich immer Persönlich und damit privat bleiben. Der neue Bildband „All Personal“ stellt nun jedoch ausgerechnet genau dies in den Vordergrund. Ihre hochgelobten Arbeiten - legendäre Sujets für heimische Produkte oder Fashion-Editorials für internationale Hochglanzmagazine - spielen hier, mitunter verblüffenderweise, nicht die Hauptrolle. So sieht man in diesem kleinformatigen Bildband vorwiegend Aufnahmen von Semotans Familienleben, aber auch Landschaften und Stillleben. Es sind Schnappschüsse der beiden Söhne, liebevolle Aufnahmen ihres ersten Ehemanns Kurt Kocherscheidt, der als Maler und Mitbegründer der Gruppe „Wirklichkeiten“ selbst bekannt war. Dann Dokumente der zweiten Ehe mit Martin Kippenberger, die aufgrund des frühen Todes dieses multi-talentierten Künstlers tragischerweise nur kurz währte.

Dieses Buch will Elfie Semotan als eine der frühen und wichtigsten Protagonistinnen der Autorinnenfotografie Österreichs würdigen und tatsächlich sieht man auch in diesen teils mitunter banaleren fotografischen Beobachtungen natürlich den professionellen Touch aufblitzen, selbst Urlaubsbilder wirken hier mitunter durchkomponiert. Gleichzeitig hat man als Betrachter, der nicht mit Semotan verwandt ist oder nicht in genau jener Szene verhaftet ist, wenig Bezug zu diesen intimen Aufnahmen. Zwar gibt es fraglos auch das Außergewöhnliche im Alltäglichen, doch zeigt dieser Band vor allem, dass ebenjener Alltag auch bei einer international gefragten Fotografin nicht so wahnsinnig anders aussieht als bei Nicht-Prominenten - wenn man einmal vom illustren künstlerischen Freundeskreis absieht.

So ist „All Personal“ ausgerechnet immer genau dann am Spannendesten, wenn auf einigen wenigen Seiten das Private in den Hintergrund rückt und man einen Einblick in die glamouröse Seite von Semotans Ouevre gewinnt - etwa wenn man kurz backstage bei den Models von Designer Helmut Lang, dem Phantom der österreichischen Modeszene, vorbeischaut.

Elfie Semotan. All Personal, erschienen bei Fotohof Edition

Ein Blick ins Buch:

Kein Bild aus einem Eddy Saller-Film, sondern Kurt Kochenscheidt  1973 in Wien
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Martin Kippenberger 1996 in Venedig
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Die Wiener Mariahilfer Straße anno 1973
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Schreibmaschinen-Stillleben in Jennersdorf, ca. 1973
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Sara Moon, Paris 1968
Credit Bild: © Copyright: Elfie Semotan, FOTOHOFedition, 2023

Freitag, 22. September 2023

ALICE COOPER - ROAD

Plattencover des neuen Alice Cooper-Albums zeigt den Schockrocker am Steuer eines Autos "on the road"
Credit Coverbild: © earMusic Edel 
Im Jahr 1970 verkündete Vincent Damon Furnier, der seine eigene Rock N´ Roll-Fantasie unter dem weitaus bekannteren Namen Alice Cooper auslebte und deshalb von bigotten Sittenwächtern beinahe steckbrieflich gesucht wurde: „I´m Eighteen“. Der Song war nicht nur der erste Top 40-Hit der Band sondern entwickelte sich über die Jahre zu einer der wohl beständigsten Hymnen auf den Gemütszustand "Teenage Angst“ - und gleichzeitig auch ein mit jedem ins Land ziehenden Jahr zum immer prägnanter werdenden Loblied auf den ewigen Jungbrunnen  Rockmusik - immerhin war Cooper bei der Aufnahme des Songs schon 23.
Erwachsenwerden das ist etwas für Spießer, davon sangen in fatalistischer Manier schon The Who in "My Generation". Doch Alter ist natürlich auch immer eine Frage der inneren Einstellung - und ist nicht eines der Urversprechen des Rock N´ Roll die immerwährende Adoleszenz (oder zumindest di Ausdehnung jugendlichen Hedonismus ins hohe Alter).

Anno 2023 ist Cooper 75 und selbst eine der besten Werbefiguren für ebenjene Verheißung. Im dritten Karrierefrühling ist er sowohl solo als auch mit den Hollywood Vampires vielbeschäftigt, Album reiht sich an Album, Tour folgt auf Tour - die Kunstfigur Cooper ist ohnehin alterslos und Furnier steht seinem Alter Ego in Sachen Virilität und Schaffensdrang in nichts nach. Davon zeugt auch sein neuestes Studiowerk "Road", vermutlich nach der letzten verlässlichen Einnahmequelle vieler Musiker benannt. 13 Songs - einer davon bezeichnenderweise ein Who Cover ("Magic Bus")-sind es geworden.
Die Überraschungen halten sich dabei in Grenzen bzw. sind nicht existent. Bob Ezrin nahm wieder am Produzentenstuhl Platz, man merkt dies vor allem an den teils an frühe Cooper-Tage erinnernden Garage Rock-Klängen, die so schroff daher kommen wie die Sounds der Straßen der Motor City Detroit, die einst der Nährboden für den „Schock Rock“ des ewig 18-Jährigen war.

Erfrischend ist, wie wenig zeitgeistig sich Cooper und seine Stammband hier geben, „Road“ bietet kompromisslos krachenden Rock, der sowohl die Grusel- (Alice der sich und seinen Fans versichert noch immer der „Master of Madness“ zu sein) als auch die hormonelle Schiene bedient("Big Boots" über eine Kellnerin deren faszinierendes Schuhwerk einen Gast fasziniert). All das wird energisch dargeboten und hat seinen eigenen Appeal, ist jedoch auch reichlich derivativ. So ist „Road“ zwar mehr als solide, aber keinesfalls ein großes Album-dafür fehlen die Hymnen oder das Hit-Gespür eines Desmond Child ( der das Achtziger-Comeback-Album „Trash“ produzierte). 

"Road" erscheint in mehreren Formaten, darunter als Vinyl+DVD, die das atmosphärische Cover mit Alice als "Hitcher-Der Highway Killer" besonders gut zur Geltung bringt, als auch als CD+DVD im Digipak. Beide Versionen erweitern das Studioalbum um einen Livemitschnitt des 2022er Hellfest-Gastspiels der Cooper-Band.

Credit Coverbild: © Jenny Risher

Donnerstag, 21. September 2023

STATUS QUO - Official Archive Series Vol. 1 - Live In Amsterdam 2010

Plattencover, Roadcase Status Quo
Credit Coverbild: © earMusic Edel 
Während das Archiv für Politiker die Rache des Journalisten repräsentiert, ist es für Musiker weitaus positiver konnotiert. Zumindest für jene Legenden mit dementsprechend weit zurückreichendem Backkatalog und daher gut gefüllten Lagerbeständen.
Zu jenem erlauchten Kreis zählen auch die  Boogie Rocker von Status Quo. Diese veröffentlichen mit „Live in Amsterdam“ einen 2 CDs bzw. 3 LPs umfassenden Konzertmitschnitt, der - die Vol. 1 im Titel verrät es schon - als Auftakt für eine groß angelegte Archiv-Reihe fungiert.

Bei solchen Projekten mag man zunächst reflexartig an Vintage Gigs aus den Seventies denken, doch der erste Eintrag dieser Reihe präsentiert einen Gig in der Heineken Hall in der niederländischen Hauptstadt vom 19.Oktober 2010.  Im Rahmen der „Pictures Exposed World Tour" präsentierten Quo einen mit zahlreichen Klassikern gespickten Abend, der wenn es nach der Audiospur des Publikums geht, frenetisch bejubelt wurde. Was durchaus verständlich ist, denn Francis Rossi und damals noch Rick Parfitt ließen es in den Grachten ordentlich krachen, so wie das bei einem Quo-Konzert eben so ist. 

Der hier präsentierte Gig hat zwar keinen klassischen Seltenheitswert (gut, das Jahr 2010 ist schon eine Weile her, aber immerhin gibt es von der "Pictures"-Tour bereits einen Live-Mitschnitt aus Montreux), aber der gute Sound, die Spielfreude sowie eine richtig gute Setlist machen diesen Gig aus Amsterdam für Fans dennoch interessant.

Credit Bild: © Christie Goodwin 


Sonntag, 10. September 2023

BRASILIANISCHE GEGENSÄTZE: BEATRIZ MILHAZES WERKSCHAU + SIGNIERSTUNDE

 

Einladung Taschen Verlag Brasilianische Künstlerin Beatriz Milhazes
Credit Bild:© Taschen Verlag
Tropische Klischees und harte Realität,Tradition und Fortschritt, Retro und Futuristik, Naturverbundenheit und durch die Politik befeuerte Umweltprobleme, extreme soziale Herausforderungen und dennoch scheinbar nie endende Lebensfreude - krasse Gegensätze liegen in Brasilien teils allzu dicht nebeneinander. Ein Umstand der sich auch in den abstrakten Werken einer der prominentesten Vertreterinnen der brasilianischen Kunstszene, Beatriz Milhazes, widerspiegelt.
In ihren  Werken verschmilzt sie sowohl südamerikanische als auch europäische Einflüsse und wirft beeinflusst von den Traditionen und Symbolen ihres Heimatlandes als auch von modernistischen Meistern wie etwa Henri Matisse oder Op-Art Star Bridget Riley einen ungewöhnlichen Blick auf ihr Heimatland.

Für ihre knalligen Bilder entwickelte die Künstlerin Ende Ende der Achtziger eine besondere Technik, bei der sie ihre Motive au Plastikfolien malt, diese  dann auf eine Leinwand klebt und nach dem Trocknen die Folie abzieht. Eine ausgeklügelte Methode, die es Milhazes ermöglicht Oberflächen übereinanderzuschichten  - versteckte und doch offensichtliche  Layers, welche die Widersprüche Brasiliens verdeutlichen.
So offenbaren die grafisch ausgeklügelten Farbexplosionen Milhazes´ bei näherer Betrachtung eine ungeahnte Doppelbödigkeit, ein künstlerischer Kommentar zu einem oft klischeehaft dargestellten Paradies. Erneut drängen sich Assoziationen zu einem anderen großen europäischen Meister auf, denn wie in den Werken Paul Gauguins zeigt sich auch bei Milhazes ein Paradise Lost. 

Event-Hinweis: Am Donnerstag, den 14.September wird Milhazes persönlich im Berliner Flagshipstore des Taschen Verlags (Schlüterstraße 39, 10629, Berlin) anwesend sein und ab 18  Uhr  ihre aktualisierte Werkschau im Coffee Table-Format signieren.
Der Band zeichnet anhand von über 300 Werkabbildungen den Werdegang der Künstlerin von den Anfängen bis inklusive 2020 nach. 

Credit Coverbild: © Taschen Verlag
Beatriz Milhazes-Hardcover, 25 x 33.4 cm, 3.83 kg, 528 Seiten erschienen im Taschen Verlag

Credit Bild: © Taschen Verlag