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Dass er es
mit der Trennung von beruflichem und privatem nicht ganz so genau nimmt, wird
Enrico (Fabio Testi; Nachtblende ) dem Sportlehrer eines
Londoner Mädcheninternats, zum Verhängnis: Sein geheimes Verhältnis mit der
Schülerin Elizabeth (Cristina Galbó) hätte an sich schon genug Potential ihn in
die Bredoullie zu bringen. Doch als er sich während einer romantischen
Bootsfahrt redlich bemüht, seine sich noch keusch zierende Flamme endlich zu knacken,
passiert etwas Schreckliches: Während das „love boat“ die Themse entlang
schippert, wird am Ufer ein halbnacktes Mädchen von einer schwarz gewandeten Gestalt
verfolgt. Enrico bekommt von alldem nichts mit, hat er doch alle Hände voll zu
tun, doch Elizabeth muss das grausame Schauspiel mit ansehen. Damit ist die romantische
Stimmung logischerweise dahin. Enrico schenkt dem, was seine Freundin
vermeintlich gesehen hat, zunächst keinen Glauben - zumal am Ufer keine Spur von
einem Verbrechen zu finden ist. Doch kurze Zeit später wird die Leiche eines
Mädchens am Themse-Ufer gefunden – schnell gerät Enrico ins Visier des
ermittelnden Inspector Barth (Joachim
Fuchsberger) und der Pädagoge kann wenig für seine Entlastung tun, ohne seine
indezente Liaison zu offenbaren. Indes gehen die Morde an blutjungen
Internatsschülerinnen weiter….
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Mit den
Dreharbeiten zu „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ (Originaltitel: Cosa
avette fatto a Solange) ging eine der erfolgreichsten Äras des deutschsprachigen
Kinos zu Ende: Ist diese deutsch-italienische Koproduktion aus dem Jahre 1972
doch der letzte offizielle Teil der Edgar Wallace-Reihe. Und wie schon Dylan
wusste „The times they are a-changin“ – die neuen Zeiten, ein veränderter
Publikumsgeschmack und damals aktuelle Genre-Trends machten auch vor dieser Filmserie
nicht halt. Der finale Eintrag der Wallace-Reihe ist dann auch ein
interessanter Fall eines Films der genau zwischen zwei Welten angesiedelt ist:
im Spannungsfeld zwischen dem klassischen Krimi und dem (damals) neuen Genre
des Giallo.
So ist
dieser Streifen zwar offiziell Teil der Edgar Wallace-Reihe und basiert in
Grundzügen auch auf der Story „The Clue Of The New Pin“ des britischen
Autors - dennoch handelt es sich bei der
„grünen Stecknadel“ nicht um ein klassisches „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“-Werk
der Alfred Vohrer-Schule (siehe etwa
„Die toten Augen von London“ oder „Das Gasthaus an der Themse“). An die
klassischen Gruselkrimis aus deutschen Landen gemahnt hier nämlich nur der
deutsche Teil des Casts, allen voran Blackie Fuchsbeger als ruhig ermittelnder
Inspector und Karin Baal als gestrenge Ehegattin von Fabio Testis „Professor
der Begierde“. Abseits davon ist der Film ein klassischer, lupenreiner „black
gloves“-Giallo.
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Die Kamera
übernahm Aristide Massaccessi (aka Joe D´Amato) und für den traum-haften Soundtrack
war niemand anderer als Maestro Ennio Morricone verantwortlich.
Der Film
selbst ist typisch für die Italo-Thriller der early seventies, die bestimmenden
Topoi sind Sex und Gewalt bzw. Lust und Strafe.
Das
Giallo-Genre war ja immer wieder ein (a)moralischer Raum, in dem Vergeltung für
eine in der Vergangenheit liegende Verfehlung/ein Unrecht geübt wird - so sind auch Schuld und Sühne in der
„Stecknadel“ die zentralen Trieb-Federn des Plots. Die Hauptfiguren werden durch
ihre Laster und sexuellen Obsessionen ins Verderben gestoßen – der zügellose
Trieb wird bestraft, Sex als Sündenfall. Der freudianische Eros und Thanatos
waren sich in wenigen anderen Genres so nahe wie im Giallo.
Testi etwa
wandelt in Dallamanos Welt nicht im Garten der Finzi Contini sondern im Garten
der verbotenen Früchte – was schlichtweg nicht gut gehen kann. Die Schülerinnen
des von außen ehrenwerten Jungmädchen-Colleges sind in diesem Giallo nur scheinbar
unschuldig lächelnde, naive Girls. In Wahrheit haben es die frühreifen Nymphen faustdick
hinter den Ohren und erinnern in an Vladimir Nabokovs Dolores Haze.
In welche
Gefahr sie sich mit ihrem Handeln begeben, wird ihnen zu spät bewusst. Dass der
Killer ein Messer in die Genitalien seiner Opfer stößt, wird zur
offensichtlichen Allegorie auf die Defloration.
Der Film
spielt gekonnt mit Motiven der damals unheimlich erfolgreichen Erotikfilm-Reihe des "Schulmädchen-Report" und wirft einen – teils durchaus voyeuristischen – Blick in die Duschkabinen
eines Mädcheninternats - was man in diesem Fall durchaus aus wörtlich verstehen kann.
Getreu dem Motto „Was Eltern nicht für möglich halten“
werden
quasi die Schattenseiten der damaligen sexuellen Revolution aufgezeigt.
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Wobei
festzuhalten ist, dass abseits dieses durchaus brisanten Subtextes und ein paar elativ drastischer Szenen, zahlreiche Gialli existieren, die weitaus mehr „sleaze
and gore“ beinhalten. So mag dem Film
zur Zeit
der Erstveröffentlichung aufgrund seiner Thematik etwas „Skandlöses“ angehaftet
haben - Heute präsentiert sich „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ als ruhig
inszenierter Genre-Vertreter mit für die early 70s typischem, teils etwas
gemächlichem Tempo - wodurch der
Zuseher nicht unbedingt „on the edge of the seat“ gefesselt wird.
Der Film
ist dennoch ein mehr als solider Genre-Vertreter mit reichlich kultigem Viantge-Flair,
der sich für Fans durchaus lohnt – insbesondere auch aufgrund der neuen, äußerst
liebevoll gemachten Sammler-Edition aus dem Hause Koch Media.
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Zur Mediabook Version:
Die
„Stecknadel“ erhält von Koch Media das Deluxe Treatment mit einem attraktiven
Mediabook mit gleich 3 Discs inklusive Booklet mit einem unterhaltsamen Essay
von Paul Poet und einem informativen Interview mit Schauspielerin Camille Keaton, der eine
Schlüsselrolle in Dallamanos Giallo zukam.
Den Film selber
erhält der Fan gleich in in mehreren Versionen:
1 Blu ray
mit dem Film in der internationalen Langfassung
1 X Blu
ray mit der deutschen Kinofassung
1X DVD mit
der internationalen Langfassung
Die
Qualität der neuen Abtastung ist jedenfalls ziemlich tadellos. Für das Alter des
Films wird hier ein richtig guter Transfer des Vintage-Prints geboten. Die internationale Langfassung erweitert den Film um ein paar
Szenen - die meisten davon würde man
zwar nicht vermissen, gegen Schluss zu gibt es jedoch eine Schlüsselsequenz, die
sich für die Auflösung des „murder mystery“ als wesentlich erweist.
Die
Bonus-Features der Discs sollte man keinesfalls skippen- hier gibt es u.a.
Interviews mit Fabio Testi, Karin Baal oder Pilar Castel sowie eine fast
einstündige Doku namens „German Grusel“, die sich dem Kultphänomen Wallace
widmet.
Es gibt
zwar fraglos bessere Gialli als „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ - aber diese neue Koch-Edition ist schlichtweg ein
Sammler-Traum.