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Credit Bild: © Paul McCartney |
Wie muss
es sich anfühlen an der Schwelle zum Weltruhm zu stehen und Teil der Speerspitze
eines kulturellen Phänomens zu sein? Und was muss das für ein Gefühl sein, wenn
der nächste Anruf und das nächste Engagement Platz 1 der Charts und das
Erreichen eines Millionenpublikums bedeuten können? Dass dies nicht immer nur einem
atemlosen Rausch gleichen muss, sondern mitunter auch surreal ruhig anmuten
kann - ganz so als befände man sich im Auge eines Sturms - davon zeugen die jüngst
wieder entdeckten, bislang unveröffentlicht gebliebenen und nun in Paul McCartneys
neuem Buch gesammelten Aufnahmen.
McCartney zeigt
darin vorwiegend Schwarz-Weiß-Bilder, die er Ende 1963 und Anfang 1964 mit seiner
neu erstandenen Pentax SLR Kamera geschossen hat und die „first hand“-Impressionen
aus jener Zeit liefen, als die
Beatlemania global wurde. In Lokalitäten zwischen Liverpool und Hamburg hatten
die Pilzköpfe bereits für Furore gesorgt, Anfang 1964 stand die Band an der
Spitze der englischen Charts, nun ging es um den Rest der Welt. Der Auftritt in
der Ed Sullivan Show im selben Jahr läutete endgültig die British Invasion ein und
sorgte dafür, dass zahllose Jugendliche, die vor den Fernsehgeräten Zeugen dieses
geschichtsträchtigen Auftritts wurden, ihre Lebensplanung über den Haufen
warfen. 1964 brachen die Dämme endgültig und die Beatlemania griff
international vollends um sich: dies bedeutete tumultartige Szenen bei jedem
Auftritt, Fans im ekstatischen Verzückungszustand, der im extremsten Fall
Kollaps und Beinahe-Ausschreitungen nach sich zog - oder dafür sorgte, dass das
gellende Geschrei der Fans Ringo Starrs Drums, die Vox-Verstärker und die Mikrofone
übertönte. Nein, dieses Jahr war für den jungen Paul wahrlich kein Gewöhnliches.
Doch nicht
nur für ihn - was auch den bewusst gewählten Plural im Titel erklärt, wie McCartney
erläutert: „Ich
dachte an „Auge des Sturms“, im Singular, da die Beatles sich im Auge eines
von ihnen selbst entfachten Sturms befanden, aber als wir uns die Bilder
ansahen, dachte ich, das sind eher viele Augen als nur eins. Es gab da ja auch nicht nur einen einzigen Moment, sondern
unzählige Momente im Zentrum dieses Sturms. Außerdem finden sich auf den Bildern
sehr viele Augen. Das war ein verrückter Sturm, ein irrer Wirbelwind, den wir erlebten, als wir
tourten und mehr oder weniger jeden Tag gearbeitet haben, und dabei Leuten begegnet
sind, die uns fotografieren wollten. Im Zentrum dieses Sturms gab es also sehr
viele Augen und Kameras.“
Das Buch ist so etwas wie ein Sequel zum 2021 veröffentlichten
„Lyrics“-Band. Schon damals blickt die
81-jährige Legende auf ihr Leben zurück, hier wählt sie nur einen kleineren Zeitrahmen.
McCartney ist natürlich kein professionalere Fotograf, man sieht hier also
nicht am Laufenden Band ikonische Fotografien wie bei einem Alfred Wertheimer
oder Harry Benson. Manche Bilder sind etwas „out of focus“ oder fallen eher unter
die Kategorie „Schnappschüsse“. Doch hat der Beatle fraglos ein Talent fürs Fotografieren.
Einerseits zeigt sich McCartney, ähnlich wie in seinen Songtexten als ruhiger und genauer Beobachter - sowohl von
Alltagssituationen als auch von vermeintlichen
Nebensächlichkeiten. Andererseits offenbaren insbesondere die Aufnahmen von den begeisterten Fans, Portraits seiner Bandkollegen und die sinnlichen Bilder seiner Langzeitfreundin
Jane Asher ein gutes Auge sowie ein beeindruckendes Gespür für
Bildkomposition.
Was die Zukunft bringen sollte und welche Art von
Karriere noch vor ihm lag, konnte McCartney zum damaligen Zeitpunkt noch nicht
wissen. Uns, den Betrachtern, offenbart er hier Innenansichten der Beatlemania , die zwar unaufgeregt wirken, in ihrer
unbekümmerten Unschuld dennoch die kribbelnde Spannung, die damals in der
Luft gelegen haben muss, erahnen lassen. Einem Foto-Tagebuch gleich werden wir
Zeugen von „A In the Life“, eines
Alltags der trotz manch banaler Momente alles andere als gewöhnlich war.
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Credit Bild: © Paul McCartney |
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Credit Bild: © Paul McCartney |
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Credit Bild: © Paul McCartney |
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Credit Coverbild: © C.H. Beck |
Paul McCartney-
1964:Augen des Sturms. Fotografien und Betrachtungen, erschienen im C.H. Beck
Verlag