Dienstag, 24. März 2020

PETER LINDBERGH – UNTOLD STORIES


© Peter Lindbergh  Taschen Verlag
Diese regennassen, verlassenen Straßen; Strände wie von Edward Hopper gemalt; undurchdringlicher Dampf, der die Boardwalks entlang kriecht; das nur durch spärliche Beleuchtung durchbrochene Dunkel: Es sind Settings wie sie sonst eher in den expressionistischen Pionierwerken eines Fritz Lang, dem Film Noir oder den großen Kino-Dramen vorkommen. Es waren aber auch immer die bevorzugten Kulissen von Fotograf Peter Lindbergh (1944-2019), der mit seinen eindringlichen Portraits die Antithese zur „More Is More“-Ästhetik der Modefotografie der Achtziger herausarbeitete. Der Geist des Vintage Silver Screens verlieh seinen oftmals intimen und naturalistischen Bildern eine ganz eigentümliche Aura, ein ganz eigenes Flair: Die Nineties Supermodels ? Lindbergh erfand diesen neuen Archetypus mit seinen expressiven Aufnahmen mit. Die oftmals vordergründige Effekt-hascherei manch seiner Kollegen aus der Hochglanz-Welt war seine Sache nie – auch deshalb galt er mehr als drei Jahrzehnte als ein „Go To“-Fotograf von Leitmedien wie der  Vogue, Harper’s Bazaar, W, Interview oder dem Rolling Stone, die alle den unverwechselbaren Stil des deutschen Künstlers wollten.
Uma Thurman
 © Peter Lindbergh  Taschen Verlag
Naomi Campbell
© Peter Lindbergh  Taschen Verlag
Typisch Lindbergh - Licht und Schatten
© Peter Lindbergh  Taschen Verlag
Das neu erschienene Buch „Untold Stories“ ist nun die zweite posthum im Taschen Verlag veröffentlichte Werkschau des großen Fotokünstlers, an der Entstehung war Lindbergh noch selbst beteiligt. Dabei ist „Untold Stories“  allerdings nicht bloß ein Accompaniment zu den zuvor erschienenen „A Different Vision on Fashion Photography“, „Shadows On The Wall“ oder Dior“ sondern der Bildband zur ersten, von Lindbergh selbst kuratierten Ausstellung, die er kurz vor seinem Tod noch fertigstellen konnte. Gezeigt werden in diesem Großformat-Band über 150 Aufnahmen aus den frühen 1980er Jahren bis in die Gegenwart. Man sieht ein paar der bekannteren Lindbergh-Aufnahmen, viele der  Bilder sind  jedoch bislang unrelased und offenbaren auch eine weniger bekannte Seite  (Stichwort: Aktaufnahmen). 

Über „Untold Stories“ sagte Lindbergh selbst: „Durch die Ausstellung ergab sich die Möglichkeit, ausführlicher über meine Bilder und in einem anderen als dem Modekontext nachzudenken“. Der Künstler begegnete seinen eigenen Fotos nochmal gänzlich neu. Der Betrachter dieses Bildbandes kann wiederum die Entwicklung des Fotografen  nachvollziehen und einem  roten Faden der sich durch Lindberghs Gesamtwerk zieht, folgen: das Filmische, das Cineastische. Dass Lindbergh-Freund und Filmemacher Wim Wenders einen äußerst intimen Textbeitrag, eine Hommage, zu diesem Band beisteuerte, ist da nur folgerichtig. 

Erhältlich via Taschen.com

Peter Lindbergh. Untold Stories
Peter Lindbergh, Felix Krämer, Wim Wenders
Hardcover, 27 x 36 cm, 1,91 kg, 320 Seiten
ISBN 978-3-8365-7991-9
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch

Freitag, 6. März 2020

JAN VAN EYCK: DIE WERKE DES MEISTERS UNTER DER LUPE


Genter Altar: Die Anbetung des Lamm Gottes, Sankt-Bavo-Kathedrale, Gent, Fotografie:Hugo Maertens
Dass man den „Genter Altar“ – eines der bekanntesten Werke der Kunstgeschichte, das im 15. Jahrhundert die Welt der klassischen Malerei geradezu revolutionierte  - im heurigen Van Eyck-Jahr in seiner restaurierten Form bewundern kann, grenzt eigentlich an ein Wunder.
Dies liegt allerdings weniger am hohen Alter dieses Kunstwerks, dem der Zahn der Zeit etwas weniger zugesetzt hat als so manch anderer Ikone sondern an seiner geradezu abenteuerlichen Geschichte. Diese liest sich ganz ohne Übertreibung wie ein Krimi:
Der Genter Altar wurde einmal knapp Raub der Flammen, immer wieder verkauft, versteckt, in einzelne Teile zerlegt und Ende des Zweiten Weltkriegs beinahe in einem Bergwerkstollen in Altaussee auf Anordnung Hitlers gesprengt. Mutige  Bergleute bewahrten es vor der Zerstörung und die „Monuments Men“ der US Army sorgten dafür, dass dieses unschätzbar wertvolle Kulturerbe bewahrt wird. Seither wird der Genter Altar immer wieder restauriert, der bislang letzte Schritt in der aufwendigen Präservation wurde im Jahr 2012 gestartet und das Ergebnis kann man nun in der Kathedrale Sankt Bavo bewundern.

Der  Genter Altar als ein Hauptwerk im Oeuvre Van Eycks ist natürlich auch ein Hauptdarsteller im neuesten Band der Reihe „Meisterwerke im Detail“ (Verlag Bernd Detsch), die sich ganz dem altniederländischen Maler widmet. Dessen innovativer Einsatz der Öltechnik, seine Neuerfindung des Bildraumes und eine bis dahin ungekannte naturalistische und ins Kleinste reichende Detailgenauigkeit revolutionierten die gültigen Gesetze der Malerei im Spätmittelalter und läuteten eine neue Ära ein.
Nun könnte man annehmen, dass das Thema „Van Eyck“ ohnehin schon sehr gut erforscht ist,  und die Geheimnisse dieses ungebrochen populären Künstlers, der manchen Kunsthistorikern als „König der Malerei“ gilt, schon längst gelüftet wurden. Doch gerade die Restaurationsbemühungen der letzten Jahre förderten teils Erstaunliches zu Tage. Und da der Bildband „ Van Eyck - Meisterwerke im Detail“ sehr aktuell ist, kann man auch jüngste Enthüllungen, die jahrhundertlang Verborgenes offenbaren, begutachten
Von der Totalen hin zum Close Up also.
Nicht alles was so in den Fokus gerückt wird, ist eine kunsthistorische Sensations-Entdeckung, doch wer sich näher mit diesen faszinierenden Bildern auseinandersetzt, entdeckt ein weit verzweigtes Netz aus kulturgeschichtlichen Trivias, das von religiösen Bezügen hin zu Vergil-Zitaten reicht. 
Credit Coverbild: Verlag Bernd Detsch 

Dienstag, 3. März 2020

WISHBONE ASH – COAT OF ARMS

Credit Bild: © SPV/Steamhammer
Im Gegensatz zu manch anderen Heroen des Early Seventies-Rock waren Wishbone Ash nie wirklich weg und haben sich auch nicht allzu gut versteckt sondern tourten vielmehr beständig durch die Lande. Ungeachtet dessen dauerte es jetzt trotzdem ganze 6 Jahre bis Andy Powell – das einzige verbliebene Gründungsmitglied jener innovativen Pioniere der Twin Guitar-Harmonien, die trotz Klassikern wie „Argus“ immer ein bisschen ein Geheimtipp blieben -  das jüngste Studiowerk “Coat Of Arms“ veröffentlichte. Der Albumtitel klingt reichlich martialisch, die Songs sind es dennoch bewusst nicht. Denn trotz ausufernder Sechssaiten-Orgien setzten Powell & Co ihren heavy Landsleuten immer schon hochfiligrane Frickelei mit Medieval-Touch entgegen – und diese Formel wird auch 2020 nicht geändert.
Dieses jüngste Studioplatte bietet also insofern Fan-Service in Reinkultur: ein Gutteil der Songs geht durchaus als „Leftover“ aus der Frühphase durch – erklingen doch diese ikonischen Harmonien für die Wishbone Ash so berühmt sind und die faszinierende Mischung aus mittelalterlichen Folkmelodien und progressivem Rock an jeder Ecke.
Es ist also alles vorhanden was diese Band immer schon ausmachte -  dass „Coat of Arms“ dennoch nur ein eher solides Spätwerk ist, liegt an den beliebigen Songs, die oft wie ein bloßer Teppich für die besagten Dual Guitar Harmonies wirken.

Hier ein audiovisueller Peak in dieses neo-traditionelle Album mit der ersten Singleauskopplung „We Stand As One“, die Zusammengehörigkeitsgefühle al a Judas Priest aufkommen lässt, wenn auch nur in den Lyrics: