Sonntag, 7. August 2016

VINYL: Der Reverend und die Reise von Houston nach Havanna

Credit Coverbild: Universal Music
 
Ungewöhnliche ist sie, die allererste Soloplatte von ZZ TOPs Billy Gibbons - verweilt der bärtige Reverend musikalisch doch nicht an der vertrauten texanisch-mexikanischen Border sondern verlässt die Staaten in Richtung einer neuen Destination: Kuba.

Gibbons verbindet seinen sorgsam kultivierten Blues-Rock mit afro-kubanischen Rhythmen. Eine überraschende Kombination, deren Ursprung man in der Biographie des Mannes aus Texas findet: schon in seiner Jugend begeisterte er sich für diese Musik, studierte gar die hohe Kunst des Percussion-Spiels unter der Ägide Tito Puentes. Ein Einfluss, der im ZZ Top-Sound nicht eben omnipräsent war, der jedoch scheinbar so profund war, dass Gibbons sein erstes Album ohne Dusty Hill und Frank Beard ganz ins Zeichen jener Musik stellt.
Wenn Gibbons seine Bluesgitarre laid back vor einem emsigen Latin-Background  erklingen lässt, gemahnt das immer wieder an den frühen Santana der Sechziger. Maracas, Congas und Bongos spielen ihren ganz eigenen Groove, die Hammond B-3 blubbert im Background nur um im nächsten Moment scharf akzentuierend nach vorne  zu schnellen. Zusammen bildet dies einen extrem dichten, karibisch bis afro-kubanisch beeinflussten Soundteppich, durch den sich  tief im Delta verwurzelte Riffs ihren Weg bahnen - oder es zumindest versuchen.

Denn die Verschmelzung von Blues Rock und Latin-Sound gelingt nicht durchgehend völlig reibungslos und fällt nicht immer so lässig wie bei der das Album eröffnenden Slim Harpo-Nummer „Got Love If You Want It“ oder der ersten Singleauskopplung „Treat Her Right“ aus.
Inmitten von lyrisch zweideutigen Songs blitzen zwar immer wieder Riff-Fragmente auf, die es in ihrer vertrackten Rhythmik auch durchaus auf ein ZZ Top-Album hätten schaffen können - doch allzu oft, werden diese im nächsten Moment vom teils allzu gefällig-smoothen Latin-Sound begraben.
So wirkt „Perfectamundo“ über weite Strecken überfrachtet und etwas zerfahren - sinnbildlich hierfür steht der  Song „Quiero Mas Dinero“, der mit seinem Intro-Lick genial wie ein Stax-Soul Song beginnt, nur um dann urplötzlich den Groove zu ändern und mit einer vollkommen unpassenden Rap-Einlage zu befremden.

Inwieweit das „Perfectamundo“- Experiment als geglückt anzusehen ist, hängt stark von der Affinität des Hörers zu Afro-Cuban-Sounds ab. So manch eingefleischter ZZ-Fan wird wohl nicht viel mit Gibbons Solo-Exkurs anfangen können, wenngleich das Album durchaus immer wieder starke Momente hat.  Der Reverend ist nicht der erste, der die interessanten Möglichkeiten der feurigen Verbindung zwischen Blues-Rock und Latin  erkannt hat  - in seiner Umsetzung  bleibt vom exzentrisch-experimentellen Solo-Debut des 65-Jährigen Texaners jedoch der Eindruck einer Platte, die - wenn man die genialen Gastauftritte Gibbons der vergangen Zeit (siehe etwa Live From Daryl´s House) betrachtet - nicht nur ganz anders hätte ausfallen können sondern auch das Potential zu wesentlich mehr gehabt hätte.

Einige Monate nach dem ursprünglichen Release von Gibbons´ Afro-Cuban-Blues-Rock-Experiment ist „Perfectamundo“ nun auch in der Version für Black Gold-Enthusiasten erhältlich:
Allerdings wird das bekannte Album nicht um zusätzlichen Content erweitert;  keine Bonus Tracks und auch keine aufwändige Picture Disc, wie sie ja zu so einem stylischen Musiker wie Gibbons passen würde - weshalb letztlich eher der Eindruck eines Standard-Vinyl-Releases bleibt.