Montag, 30. Dezember 2019

METALLICA – BACK TO THE FRONT


Credit Bild: © Edition Olms
Blickt man auf die Diskographie der größten Rockbands der Musikgeschichte so fällt auf, dass es bei vielen Künstlern ein ganz spezielles „Schlüsselalbum“ gibt. Eine LP die einem regelrechten  „watershed moment“ gleicht. Auf jenen Alben  erfolgt entweder eine entscheidende Weiterentwicklung des Signature Sounds oder es wird gleich eine neue, für die spätere Karriere wesentliche Richtung eingeschlagen.
Die Beatles hatten beispielsweise ihr erstes psychedelisches Magnum Opus  „Revolver, die Stones ihr „Beggars Banquet“ das symptomatisch für die bis in die 70er reichende Hit-Serie sein sollte. Bei den Heavy-Ikonen Metallica kann man diesen Moment ganz klar im Jahre 1986 verorten, denn da erschien „Master Of Puppets“(kurz „MoP“).

Dieser Klassiker des Schwermetalls gilt vielen als das beste Genre-Album ever. Und das nicht zu unrecht. Schon auf ihrem Debut „Kill ´Em All“ und insbesondere bei „Ride The Lightning“ zeigten sie sich weitaus vielseitiger und vielschichtiger als all ihre Bay Area-Kollegen. Auf „MoP“ gingen sie diesen Weg konsequent weiter: Während Slayer sich in kakophonischen Collagen ergingen, legten Hetfield, Hammett, Ulrich und Burton einen zusätzlichen Grundstein für die zunehmende Progressivität ihrer Kompositionen. Und trotz dem eher überschaubarem  Mainstream-Appeal aufgrund seines hyper-aggressiven Sounds war „MoP“  ein kommerzieller Triumph – der Durchbruch war geschafft. Die sich aus dem metallischen Themen-Triumvirat  – Wahnsinn, Krieg , Darkness – speisenden Songs sind bis heute Klassiker, die aus den Live-Gigs der San Francisco-Ikonen nicht wegzudenken sind.

Der Bildband „Back To The Front“ beleuchtet nun die Mittachtziger-Phase Metallicas - es sind Bilder aus einer unschuldigeren Zeit: Man sieht die Band on stage aber auch beim Herumalbern abseits der Konzertbühne mit den weißen Kreuzen. Es sind Zeitdokumente der Sturm und Drang-Phase des Metal, als eine Subkultur-Szene endgültig aus dem Schatten ins Licht der Mainstream-Öffentlichkeit trat. In jene Zeit fiel jedoch auch der tragischste Einschnitte der Band-Geschichte: der Unfalltod des prägenden Bassisten Cliff Burton, der  vor genau 33 Jahren bei einem Tourbus-Unfall ums Leben kam. „Back To The Front“ ist auch ein Tribute an diesen innovativen Musiker.

Es handelt sich dabei zwar bei weitem nicht um das erste coffee-table-Buch der Metalheroen aus San Francisco – Hetfield & Co. erkannten schon früh die prestigeträchtige Wirkung der gediegenen Bildband-Retrospektive. Doch ist es die erste monothematische Rückschau, die sich ganz und gar einer ganz speziellen Ära in der illustren Karriere Metallicas widmet. Dass damit vorwiegend der ganz harte Kern der „Metallica Family“ angesprochen wird ist klar. Der erhält jedoch ein toll gestaltetes, bibliophiles Sammlerstück das unzählige ungesehene Dokumente vereint.

Freitag, 27. Dezember 2019

ROBBIE ROBERTSON - SINEMATIC

Credit Bild: © Universal Music   Robbie Robertson
„I Hear You Paint Houses“ – ich habe gehört, dass du Häuser anstreichst: Was betont harmlos klingt, hat in Wahrheit nichts mit den Diensten klassischer Maler und Anstreicher zu tun. Vielmehr handelt es sich um knallharten Gangster-Slang und bedeutet, dass ein Killer des organisierten Verbrechens bei einem Auftragsmord die Wände der Häuser mit dem Blut seines Opfers bespritzt. Diese unheimlich anmutende Phrase ist auch der Titel des Openers des neuesten, mittlerweile sechsten Solo-Studioalbums von Robbie Robertson.
Er bezieht sich mit diesem Song  thematisch auf Martin Scorseses Netflix-Hit „The Irishman“ (der Film wiederum basiert auf dem True Crime-Buch „I Heard You Paint Houses“, für den Streifen der Regielegende arbeitete Robertson auch am Soundtrack mit).
„Film“ ist auch gleich ein passendes Stichwort, denn wie das Wortspiel im Titel dieser Platte schon vermutet lässt, sitzt Gitarrist und Songwriter Robertson diesmal im roten Samtsessel eines klassischen Lichtspielhauses.

Wer dachte, dass die „The Band“-Legende  2019 – also zum 50th Anniversary des geschichtsträchtigen Jahres 1969 in dem auch er einige seiner größten musikalischen Triumphe feierte – auf der reinen Nostalgiewelle surfen würde, kennt den eigenwilligen Kanadier schlecht. Seine noir-inspirierten Narrationen vor einem instrumental unheimlich dichten Background sind keine wehmütige Reminiszenz an „Music From Big Pink“. Vielmehr fügt er seiner Diskographie eine logische Ergänzung hinzu. Und ein wenig Retro ist auch dabei – immerhin haben viele dieser Robertson´schen Nachtstücke einen starken Eighties-Touch, als wären sie die Untermalung für die Retro-Noir-Welle Achtziger. Neben diesen Kammerstücken gibt es am Schluss auch noch eine Komposition im Breitwand-Western –Stil: Ennio Morricone meets Hans Zimmer.
„Sinematic“ ist sicher nicht das am leichtesten zugängliche Album 2019 -  es ist jedoch zu keinem Zeitpunkt so spröde wie der Vorgänger „How To Become Clairvoyant“.
Es ist ein introspektives Bilanzziehen und eine Neuinterpretation bzw. ein Neu-Arrangement bekannter Leitmotive und Versatzstücke und weist damit durchaus Parallelen zum jüngsten Film seines Kumpels Marty auf.

Montag, 9. Dezember 2019

ERIC CLAPTON LIVE HISTORY

Credit Bild: © C. Larsen & Sons Book Publishing Company 
Waren es früher hauptsächlich ausladende CD-Boxsets, die als Statussymbol der verdientesten Koryphäen des Musikbusiness galten, so sind das heute in zunehmenden Maße prestigeträchtige Luxus-Bildbände im coffee-table-Format  - also Bücher die aufgrund ihrer ausladenden Größe nicht nur als Einrichtungsgegenstand durchgehen sondern zudem den Rang eines echten Sammlerstücks haben. Kaum eine Legende der nicht eine oder mehrere solcher Art-Edtionen gewidmet wurden, von Led Zeppelin über Metallica zu den Rolling Stones, die Retrospektive im Gewand eines Kunstbandes hat absolute Hochkonjunktur. Umso verwunderlicher ist angesichts dessen der Umstand, wie wenig Releases es in diesem Sektor zum Thema Mr. Slowhand gibt. Zählt Eric Clapton doch zu den prägendsten Gitarristen aller Zeiten: ein Mann, der nicht nur mit mehreren Bands und als Solokünstler Musikgeschichte schrieb sondern auch ein bis heute gültiges Licks-Vokabular und einen eigenen Sound kreierte (siehe etwa die Entdeckung der Humbucker/Marshall - Kombination bei John Mayalls Bluesbreakers oder der "Woman Tone"). In diesem bibliophilen Vakuum bringt der dänische EC-Hardcore Fan Christian Larsen mit seinem Verlag einen Prachtband über die Live-Konzerte Slowhands heraus und legt damit ein Musikbuch vor, das gleich in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich ist.

Dass hier ein glühender Bewunderer des Saitenmagiers aus Surrey am Werk ist, merkt man schon bei der Verpackung, die mit vielen kleinen Details aufwartet. Der übliche Schutzkarton in dem Bücher dieser Mammut-Größenordnung geliefert werden, wurde mit  einem Hinweis auf Tulsa, Oklahoma bedruckt – ein Insider-Querverweis, der allen langjährigen EC-Anhängern ein Lächeln auf die Lippen zaubern wird. Auch Packpapier mit aufgedrucktem Backstagepass muss man noch vorsichtig entfernen, dann liegt die Live History vor einem. Gedruckt auf 150 Gramm schwerem Fedrigoni Tatami White Paper in der japanischen Narayana Press, handgebunden in einem Skivertex Ubonga-Cover mit goldenem Schriftzug - luxuriöser geht es nicht. Doch nicht nur diese stylisch-reduzierte, ungemein wertige und  attraktive Aufmachung kann überzeugen, auch der Inhalt hält da locker mit.

Den Clapton-Fan erwartet hier nichts weniger, als eine umfassende und karriereumspannende Retrospektive der Jahre 1964-2019. Clapton ist ja seit jeher einer der produktivsten Live-Musiker. Teils legendär gewordene Gastspiele wie seine regelmäßigen Gigs in der altehrwürdigen Royal Albert Hall werden mit expressiven Fotos der führenden Rock N´ Roll Photographers sowie weniger bekannten Chronisten der klassischen Rock-Ära erlebbar.Für das Vorwort konnte gar ein prominenter Weggefährte Claptons, Bobby Whitlock ( Derek & The Dominos) gewonnen werden, den Textteil übernahm Larsen zusammen mit Clapton-Experte Marc Roberty.
Larsen hätte es sich natürlich sehr einfach machen können und nur einige der ohnehin bekannten Live-Shots Claptons aus den gängigen Archiven publizieren können. Stattdessen begab er sich auf eine ganze 4 Jahre dauernde Reise und schaffte es in Kleinarbeit ultra-rare Fotodokumente Claptons aufzuspüren. Gut  85 % der Bilder aus „Live History“ sind bislang unreleased und ungesehen und stammen teils aus den Privatbeständen internationaler Fotografen. Wieso diese Bilder unpubliziert blieben, ist nach dem Durchblättern des Buchs rätselhaft: immerhin sieht man hier einige der genialsten Shots von Mr. Slowhand.

Selten genug kommt es vor, dass einen ein Buch noch zu überraschen vermag oder gar beeindruckt – bei diesem ehrgeizigen Projekt eine umfassende Live-Chronik dieser Ikone zu schaffen, ist dies jedoch vollumfänglich gelungen. So wird die “Eric Clapton Live History” zu einem der besten Rock Photography-Bücher er letzten Jahre – von dem es allerdings weltweit lediglich 2500 Kopien geben wird. 46.1 % der Einnahmen dieses streng limitierten Werks gehen an eine gute Sache, nämlich an Claptons Crossroads Center.

“Eric Clapton Live History” ist exklusiv erhältlich via:

Hier ein Blick ins Buch:

Credit Bild: © C. Larsen & Sons Book Publishing Company 
Credit Bild: © C. Larsen & Sons Book Publishing Company 
Credit Bild: © C. Larsen & Sons Book Publishing Company 
Credit Bild: © C. Larsen & Sons Book Publishing Company 

Dienstag, 3. Dezember 2019

DAS VERMÄCHTNIS DES MODEZAREN : CHANEL – KARL LAGERFELD DIE KAMPAGNEN


Credit Coverbild: © Prestel Verlag

Was für ein seltenes Universalgenie Mode-Designer  Karl Lagerfeld war, wird auch beim Blättern durch dieses Buch deutlich -  der der letzte war, der noch zu seinen Lebzeiten erschienen ist. Dieses aufwendige Buch hat nicht nur einen Werkschau-Charakter sondern ist auch so etwas wie ein Schlussstrich , umfasst er doch beinahe die gesamte Zeit in der Lagerfeld beim traditionsreichen von Coco Chanel zu Weltruhm geführten Modehaus tätig war. Ab 1982 war er im Hause an der Rue Cambon alleiniger  Kreativdirektor und Chefdesigner, zunächst wurden die luxuriösen Werbekampagnen noch von externen Fotokünstlern geschossen, unter ihnen etwa Helmut Newton. Ab dem Jahre 1987 jedoch zeichnete sich Lagerfeld selbst für das Fotogafieren der Topmodels für die Werbesujets zuständig. Dieser Bildband vereint nun auf 544 Seiten in über 600 Bildern alle Kampagnen von 1987 bis  2018.

Es sind Dokumente, die ausnahmslos die Handschrift des Meister tragen. Lagerfeld war ja ein richtiger Rennaissance-Mensch; Kunst, Film , Musik, Literatur - all diese Influences permeieren diese Bilder,  die wie in der Mode üblich den reinen Werbecharakter transzendieren und so zur Kunstfotografie werden.
Mal klassisch , mal zurückgenommen, dann wieder sexy oder futuristisch, jedoch immer sehr nah am Zeitgeist und gleichzeitig zeitlos. Was die Designs Lagerfeld auszeichnete findet ich auch in diesen ästhetischen Kampagnen wieder. Die Hauptdarsteller neben dem „Lagerfeld Gaze“, dem Blick des Meisters, sind das Who Is Who der Fashionszene: Ines De La Fressange in den Eighties, natürlich, „Clooodia“ Claudia Schiffer in den 90ern,  Abbey Lee Kershaw , Freja Beha Erichsen oder  Cara Delevigne und Lily-Rose Depp. Es sind Kampagnen, die genauso gut ein Editorial in einem Hochglanzmagazin sein könnten.

Der Band selbst ist nicht weniger stylisch, sondern vollends im Look des Hauses Chanel gehalten, Mit dem weiß-schwarzen, sehr  wertigen Schuber in dem der in schwarzem  Leinen gebundene Softcover-Band geschützt wird, wirkt  das alles weniger wie ein klassisches coffee table-Buch sondern wie ein Produkt direkt aus einer Chanel-Boutique.
Nun könnte man natürlich anmerken, dass gerade die Kampagnen der jüngeren Vergangenheit und der letzten Saisonen allen Fashion-Aficionados allgemein bekannt sind und sich zudem in Back-Issues der Vogue oder auf Fashion-Sites nachschauen lassen.

Doch gerade die länger zurückliegenden Kampagnen sind weniger leicht zu finden, werden nicht so luxuriös wie hier präsentiert und haben vor allem keinen lexikalen Charakter, der in diesem Buch durch die eingestreuten Trivias zu den Campaigns und dem Model-Index gegeben ist- hier kann man genau nachschauen in welcher Saison Kate Moss das Werbegesicht für Chanel war oder wann "La Schiffer" zum letzten Mal für eine Kollektion posierte.
"Chanel: Karl Lagerfeld Die Kampagnen" überzeugt den Mode-Interessierten als gelungene Retrospektive, die einerseits ein Stück - nun leider abgeschlossene -  Fashion-Geschichte darstellt und zum anderen ein ästhetisches Sammlerstück für Lagerfeld und Chanel-Fans ist.
Bibliographische Angaben: Chanel: Karl Lagerfeld Die Kampagnen
Hardcover, Pappband, 544 Seiten, 19x27,7, 800 farbige Abbildungen
Schmuckschuber, ISBN: 978-3-7913-8452-8

Mode - 150 Jahre – Couturiers, Designer, Marken


Credit Coverbild: © H.F.Ullman - Verlag
Von der Haute Couture zu Ready To Wear, von High Fashion bis zum Massenmarkt.
Von Ackermann und Armani über Gucci, Missoni, Prada bis hin zu Versace und YSL.
Vom durch das „Great Gatsby“-Remake wieder modern gewordenen - Flapper Dress der 20er Jahre über die Fashion der Counter Culture, Le Smoking, 70er Jahre Glam bis in die Gegenwart und hin zu postmodernen Kreationen oder Retro-Entwürfen.
Wer sich nicht bloß oberflächlich für Mode interessiert und sich im Mikrokosmos aus Paris, Mailand, London und New York zurechtfinden will, muss schon einiges an Fachwissen mitbringen.

Der im H.F. Ullman Verlag erschienene Band „Mode - 150 Jahre – Couturiers, Designer, Marken“  bietet einen genauen Wegweiser durch diese umfangreiche Welt und klärt nebenbei welche gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse die Kleidung von einst und jetzt beeinflussten.  Das großformatige, über 500 Hochglanzseiten starke, reich bebilderte und extra schwere Buch ist ein  Werk von lexikalen Ausmaßen, seine Autorin eine absolute Fachfrau: Charlotte Seeling war in den 80er Jahren Chefredakteurin der Vogue, der Cosmopolitan und der französischen Marie Claire. Hier hat sie ihre jahrelange Erfahrung und ihr Wissen eingebracht und entwirft mit spürbarer Begeisterung eine kurzeilige Zeitreise durch die Epochen und Stile  - und geht so über ein reines Markenlexikon und bloßes Name-Dropping hinaus.Vielmehr wird gezeigt wie sich Mode – stets Spiegel ihrer Zeit – entwickelte und warum sich gewisse Trends überhaupt durchsetzten.

Das recht umfangreiche Who Is Who (bei dem allerdings nicht alle Designer und Brands en detail erfasst werden) in Form meist ausführlicher Biographien und die Einordung in den jeweiligen Zeitkontext machen den Band auch zu einem Kulturgeschichtsbuch.
Zudem wirft Seeling  einen Blick auf jene, die in dieser milliardenschweren Branche
abseits von den Designern das Sagen haben: von Carine Roitfeld (ua. Ex-Vogue Paris), Anna Wintour (US-Vogue-Chefin)oder Franca Sozzani (Vogue Italia) über Kritikerinnen wie Suzy Menkes hin zu den Köpfen des LVMH-Konzerns Bernard Arnault und Henri Pinault.
Nur auf die berühmten Top-und Supermodels, die für die Sichtbarkeit der Marken ja von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind, wird  nicht detaillierter eingegangen.
Der Zweig der Männermode kommt gleich ganz zu kurz, da der Fokus des Buchs eindeutig auf Damenmode liegt.

Trotzdem: 150 Jahre Mode stellt wirklich einen recht seltenen Fall dar: Ist es doch ein Referenzwerk, welches sowohl dem absoluten Neuling einen nicht allzu komprimierten Überblick über die behandelte Materie liefert und gleichzeitig so gut und unterhaltsam geschrieben und gestaltet ist, dass selbst Experten ihre Freude daran haben werden -wofür natürlich auch die durchwegs attraktiven Aufmachung und die vielen tollen hochauflösenden Bilder sorgen.Alles in allem ist dieser Band somit ein richtiges Standardwerk auf dem Sektor der Fashion-Bücher. 

ROCKY MOUNTAIN SLIDES: ORGANIC SERIES AGED BRASS SLIDES

Grundsätzlich ist die Varianz bei Gitarren-Slides ja eher überschaubar: Fast jeder der größeren und kleineren Hersteller hat sie seit Ewigkeiten im Programm, an der  Röhrenform kann man funktionsbedingt natürlich nichts ändern und die verwendbaren Materialien sind ebenso wie die Farben mehr oder minder allseits bekannt. Auf diesem gesättigten Markt, auf dem sich vermeintlich recht wenig ändert, bringt die Boutique-Schmiede Rocky Mountain Slides nun doch so etwas wie eine kleine Evolution auf den Markt: und zwar einen Messing-Slide mit einigen cleveren ergonomischen Pluspunkten sowie einem großen Style-Bonus. Wer die US-Firma kennt, weiß, dass die so gut wie keinen 08/15 Bottleneck im Programm hat und auch die neueste Kreation aus dem „Labor“ von Firmengründer Doc Sigmier bildet da keine Ausnahme.

Die Aged Brass Slides  aus der Organic Series erinnern auf den ersten Blick eher an Relikte einer vergangenen Zeit, mit ihren Reliefs an der Außenseite sind Assoziationen zum Schmuckdesign naheliegend. Die lightly aged Patina verleiht den Sides ein ganz eigenes Flair - was passt besser zu Blues und Roots-Musik ?
Zwei Designs stehen zur Wahl: der dezent blingige „Golden Rapids“ und der an H.R. Giger gemahnende schwarze „Whirpool“. Der optische Gesamteindruck ist bei beiden Designvarianten  ungemein wertig – was sich auch in der Haptik fortsetzt. Die Slides bringen materialbedingt  ein ordentliches Gewicht auf die Waage, dabei sind sie einerseits so massiv, dass die Klangvorzüge des Messings voll ausgespielt werden, jedoch noch immer so leicht, dass man mit ihnen mühelos über die Saiten flitzen kann. Die Slides werden in zwei Größen angeboten werden ( Standard und Large), nach oben hin sind sie verjüngt, diese „tapered“,  an einen Flaschenhals angelehnte Form, sorgt für einen perfekten Fit, ohne dass die Röhrchen zu eng oder zu locker sitzen – so hat man stets genug Kontrolle beim Spiel und bei der nuancierten Tonformung.

Klanglich lassen sich diese Brass Slides mit einem Attribut beschreiben: unglaublich fett. Messing Slides zählen ja grundsätzlich zu den ruppigeren Slides, anders als bspw. das hellere Coricidin/Glas oder die schneidenden, verchromten Stahlslides. Der Golden Rapids und Whirlpool sind also einerseits typische Vertreter ihrer Gattung, andererseits verfügen sie noch zusätzlich über ein wesentliche weitreichenderes Klangspektrum als manch andere Brass-Slider: Der schwere und „mellow“ Charakter dominiert zwar, doch haben sie immer noch genug Höhen um eine präzisen Klang zu gewährleisten. Akustisch möchte man beinahe von einem Slide sprechen, der die Vorzüge mehrerer Materialien in sich vereint.

Wer also einen individuellen Slide sucht und auf den Sound von Messing steht, sollte sich die Organic Serie unbedingt ansehen. Denn einen besser aussehenden und differenzierter klingenden Brass Slide wird man kaum finden.

Über RMS:
Oft sind es gerade die kleineren Firmen und Marken abseits des Mainstreams und fernab etablierter Branchenriesen die spezielle und besondere Produkte kreieren. Auch im weiten Feld der „Guitar Gear“ und in jenem Segment, das im Musikalienladen meist unter der Bezeichnung „Accessoires“ firmiert, ist das nicht anders. Ein Paradebeispiel hierfür ist die US-Firma Rocky Mountain Slides (kurz RMS) und ihre Tonebars und Fingerslides. In Poncha Springs am Fuße der mächtigen Rocky Mountains fertigt „Doc“ Sigmier Slides, die nicht ungewöhnlicher sein könnten. In der Roots-Szene der Staaten sind diese längst kein Geheimtipp mehr, vom Kentucky Headunter Greg Martin über Sheryl Crow-Gitarrereo Peter Stroud spielt eine ganze Reihe illustrer Musiker die Kreationen des Doktors.

Individualisten werden es zudem schätzen, dass die Slides mit so klingenden Namen wie „Shavano“ oder „Cochetopa“ zu 100 % handmade sind – mit allen Eigenheiten und kleinen Inmperfektionen bzw. Unebenheiten im Material – ziemlich unique das Ganze, was natürlich einen ganz eigenen Charme besitzt.
Der Doc bei der Arbeit  
Credit Bild:© Rocky Mountain Slide Company 

Montag, 25. November 2019

THE STAN LEE STORY


Credit Coverbild: © Taschen Verlag     Marvel Entertainment, LLC
Comic- Legende, Begründer moderner Mythen und eine Schlüsselfigur in einer der erfolgreichsten Hollywood-Erfolgsstories der Neuzeit: Stan Lee (1922-2018) war und ist fraglos eine der ganz großen Ikonen amerikanischer Populärkultur. Aus seiner überbordenden Imagination entstanden Comic-Heroen wie Spider-Man, Hulk, die Fantastic Four, Iron Man, Thor oder die X-Men – fiktive  Charaktere, die auch durch den Siegeszug des so kontrovers diskutierten wie erfolgreichen Marvel Cinematic Universe eine neue Generation von Fans begeistern.
Nun ist im Taschen Verlag eine bibliophile Rückschau auf das immense Lebenswerk Lees erschienen, die in sich so vielseitig ist, wie die Helden aus den bunten Bildern:
Die im üblichen XXL-Format gehaltene „The Stan Lee Story“ ist einerseits eine Biographie und eine Success-Story wie aus dem New Yorker Jungen Stanley Martin Lieber der „Vater“ von Peter Parker wurde.Andererseits ist dieser Großformat-Band auch ein Best Of der Marvel-Historie, in dem nachgezeichnet wird, wie sich die archetypischen Helden über die Jahrzehnte veränderten und sich dem Zeitgeist anpassten.
Und schließlich ist dieses Buch auch soziokulturell betrachtet eine Geschichte des Superhelden-Genres  und wie sich Comics vom oft kritisierten Nerd-Medium und belächelten „Pulp“, der einst sogar im Ruf stand die Jugend zu „verderben“ zu einer anerkannten Kunstform und einem Millionenseller mit Mainstream-Appeal wandelten.

Diese gesamte Entwicklung spiegelt sich in der Lebensgeschichte Lees wider, die vom Autor dieses Bands, dem renommierten Comictexter, -redakteur und -historiker Roy Thomas sehr anschaulich nacherzählt wird  -  Hunderte von Illustrationen und Fotos, viele davon aus Stan Lees privatem Archiv, eingelegte Reprints kompletter Comichefte und ein Vorwort von Stan Lee selbst, runden diesen Tribute an eine Legende ab – empfehlenswert nicht nur für Marvel-Jünger die so eisern wie die Rüstung Tony Starks sind, sondern ganz generell ein Tip für all jene die sich mit amerikanischer Popkultur auseinandersetzen.

Stationen einer Karriere – ein Blick ins Buch:
DER GANZ JUNGE STAN LEE
Credit Bild: Copyright Courtesy Stan Lee

IKONISCHES COVER: SPIDEY IN TYPISCHER POSE
Credit Bild: TM & © 2018 Marvel Entertainment, LLC

LEE BEI DER WÜRDIGUNG MIT EINEM STERN AM HOLLYWOOD WALK OF FAME
Credit Bidl: Copyright: Courtesy Stan Lee/POW! Entertainment

The Stan Lee Story
Stan Lee, Roy Thomas
Hardcover, 29,3 x 43,7 cm, 624 Seiten
ISBN 978-3-8365-7577-5
Ausgabe: Deutsch

FULL CREAM

Credit Coverbild: © Wymer Publishing
Nun liegt sie hier vor mir, die erste umfassende coffee table-Würdigung einer der einflussreichsten und musikhistorisch wichtigsten Bands aller Zeiten, Cream. Und doch kann das hier nicht "nur" ein herkömmliches Review sein. Denn nachdem schon Bassist und Sänger Jack Bruce 2016 verschieden ist, starb letzten Monat auch das Drum-Genie Ginger Baker. R. I. P. Ginger – einen Drummer wie ihn wird es nie wieder geben, mit seinem Jazz-Feeling schuf er ein völlig neues Vokabular, das sowohl  Rock- als auch Gene Krupa-Elemente beinhaltete. Cream zeichnete ja neben ihren progressiven Songs auch der Umstand  aus dass hier drei völlig eigenständige, virtuose Solisten am Werk waren...die alle ihre unterschiedlichen Einflüsse  - teils parallel und in einem Song -  in die damals völlig neuartige  psychedelische Deutung des Blues einfließen ließen. Dieses Phänomen, das gerade einmal knappe 3 Jahre existierte ist das Zentrum eines neuen Buchs vom britischen Verlagshaus Wymer Publishing.

Die Aufmachung dieses Sammlerstücks ist sehr hochwertig und erinnert an einen modernen Kunstband. Das eigentliche Hardcover-Buch befindet sich in einer stylischen schwarzen Schutzkassette, die nur mit einem reduzierten silbernen "Full Cream"-Schriftzug ornamentiert ist. Öffnet man diese, so offenbart sich das kunterbunte, an  "Disraeli Gears" angelehnte Cover (siehe oben) sowie 4 Art Prints. Das verspricht ein psychedelisches Layout, doch der Buchinhalt selbst ist  etwas nüchterner gestaltet: Eine Reihe von Archivfotos zeichnen die Zeit vor Cream (John Mayall, Graham Bond…), die drei Jahre des Bestehens, die Post-Cream-Phase  sowie die Reunion 2005 nach. Der Textteil wird vom Regisseur des „Cream Farewell"-Films Tony Palmer sowie von Nettie Baker, Gingers älteste Tochter,  bestritten.

Bei vielen der hier vertretenen Bilder stehen eher die kleinen Momente abseits der Bühne im Fokus. So entsteht zwar ein sehr gutes, bisweilen intimes Portrait dieser Supergroup, dennoch ist dieses Buch nicht unbedingt eine Collection der „most iconic shots“ – der Fan hat sowohl von Cream selbst als auch bei ähnlich gelagerten Retrospektiven anderer Sixties-Ikonen schon actionreichere  Aufnahmen gesehen als jene die hier über weite Strecken der 128 Seiten gezeigt werden. Dass die Macher jedoch teils wirklich seltenes Bildmaterial zusammengetragen haben,  sowie der Umstand, dass die Auflage von  „Full Cream“  limitiert ist, machen das Buch für den Cream-Sammler dennoch zum „Must Have“.

Hier ein exklusiver Blick ins Buch:
Credit Bild: © Wymer Publishing
 
Credit Bild: © Wymer Publishing
 
Credit Bild: © Wymer Publishing

Samstag, 23. November 2019

JEFF LYNNE´S ELO – FROM OUT OF NOWHERE


Credit Coverbild: ©  Sony Music
Klassische Rock N´ Roll- Riffs? Check. Schwebende Melodien aus der Beatles-Schule der Euphonik ? Check. Breitwand-Streicher-Arrangements ? Check.  Das Raumschiff des Jeff Lynne ist bereit zum Starten, denn die Ingredienzien seines vollkommen unverwechselbaren Stils  sind allesamt  an Bord - und finden sich in Reinkultur auf dem gerade neu erschienenen Nachfolger zum Comeback-Album „Alone In The Universe“ wieder, das damals  eine 14-jährige Veröffentlichungspause beendete. Und genau dort wo „Alone..“ aufhörte knüpft „From Out Of Nowhere“ an -  mit einer kultivierten Pflege seines eigenen Signature Sounds.

Während mancher Legenden-Kollege Lynnes seine Anhänger mit Spätkarriere-Experimenten befremdet, geht der Mann aus Birmingham mit dem Gespür für die ganz große Dramatik einen gänzlich anderen Weg – und liefert ohne jegliche Deviation seiner Erfolgsformel ein Album ab, das beinahe auch als Outtake-LP früherer ELO-Sessions durchgehen  könnte. Gibt es auch so etwas wie ein Zuviel an Fan-Service ? Eine Frage die sich während „From Out Of Nowhere“ im Player rotiert durchaus aufdrängt. Denn zweifelsohne hat man es hier nicht mit einer experimentellen oder innovativen Großtat wie in der Frühzeit des elektrischen Lichtorchesters zu tun. Auf der anderen Seite; jeder einzelne der neuen Tracks ist in sich stimmig und melodiös vollendet, wenige Songwriter haben ein solches Gespür für Hooks wie Lynne. Überdies spielt er auch auf dieser LP wieder fast jede Note selbst (!). Als Multi-Instrumentalist hört man den vielseitig Begabten somit bei allen Gitarren und Bass-Parts, am Klavier, Schlagzeug, den  Keyboards bis hin zum Vibraphon. Darüber hinaus singt er alle Lead- und mehrstimmigen Harmony-Vocals.
Der Albumtitel ist interessanterweise programmatisch, denn die Initialzündung kam  „‘Aus dem Nichts‘ - genau dort kommt es her ", sagt Lynne. „Es war der erste Song, den ich für dieses Album geschrieben habe, und genau so war es dann auch.“
„From Out Of Nowhere“ ist ein rundum gelungenes Album – dessen einziger „Kritikpunk“ ist, dass Lynne hier keinerlei Risiken eingeht und den Zuhörer somit auch zu keinem Zeitpunkt überrascht. Doch wen stört das wirklich, wenn all das dermaßen gut klingt ….
Ikone mit Les Paul: Jeff Lynne
Credit Bild: ©  
Sony Music

MARILLION – WITH FRIENDS FROM THE ORCHESTRA


Credit Coverbild: © earMusic Edel
Blickt man auf das Cover des neuen Marillion-Albums könnte man es beinahe für die späte Abrechnung klassik-geplagter Musikschüler halten, die das alte Motto ”Roll Over Beethoven” allzu ernst nehmen. Das ist es zwar mitnichten, doch verrät die brennende Violine nichtsdestoweniger die Marschrichtung und die lautet „Klassik meets Rock“.
Die  Neo-Progger begeben sich damit auf ein mitunter schwieriges Terrain - haben sich doch  schon zahlreiche Bands seit Deep Purples Concerto in den Sixties daran versucht die E- mit der U-Musik zu verbinden. Der Erfolg blieb bei diesem Unterfangen wechselhaft, nicht immer sorgte der „Full Blast“ eines Orchesters Auch für eine Steigerung der Intensität der Rock-Riffs. Auch „With Friends From The Orchestra“ bei dem neun Greatest Hits symphonisch ausgeschmückt werden, ist kein uneingeschränkter Triumphzug des Crossover.
Grundsätzlich verlieren die ohnehin nicht an zu wenig Pomp und Übertreibung leidenden Songs durch Streicher, Blechblasinstrumente & Co. nichts an Pathos. Eher ist das Gegenteil der Fall, manchem Zuhörer wird  das wohl zu dick aufgetragen sein. Aber gut, für diskrete Zurückhaltung waren Marillion nie bekannt und man  muss  konstatieren, dass die Arrangements immerhin so gut funktionieren, dass das Orchester nie wie ein Fremdkörper wirkt: So ist das Album ein Werk für die ganz eisernen Fans, die durchaus neue Nuancen in den bekannten Stücken finden werden – ohne dass die Ur-Versionen übertroffen werden.

Montag, 18. November 2019

FOREIGNER – DOUBLE VISION: THEN AND NOW


Credit Coverbild: © earMusic Edel
Es scheint gerade die Zeit zu sein, in der längst geschlossene Kapitel erneut aufgeschlagen werden und Unvereinbares wieder zusammen kommt - zumindest im Musikbusiness, stehen doch gefühlt allerorts die Zeichen auf Reunion, egal ob bei Guns N´ Roses oder den zerstrittenen Robinson-Brüdern (Black Crowes). Auch bei den Classic Rock Haudegen von Foreigner kam es zu einer Wiedervereinigung die mit einem neuen Konzertmitschnitt für die Ewigkeit festgehalten wurde.
Die „Double Vision“ findet sich hier nicht nur im Albumtitel – stehen doch gleich zwei Versionen bzw. Generationen der Band auf der Bühne: Das Classic Lineup mit Lou Gramm (nach langer Krankheit und der Verkündigung seines weitgehenden Rückzugs aus der Szene nun doch wieder mit dabei – und gut bei Stimme ) und die „neue“ Besetzung mit  Kelly Hansen am Mikro. Der stimmstarke Hansen war für Foreigner seinerzeit ja ein Glücksgriff, der es schaffte,  sich im Schatten seines Vorgängers zu behaupten. Dennoch ist das Highlight von „Then And Now“ fraglos der Umstand,  dass der eigentliche kreative Nukleus Lou Gramm und Mick Jones an Les Paul und den Schmalz-Synthies wieder auf einer Bühne steht. Jones zeigt sich ob dieses Umstands sichtlich ergriffen : „Diese Show werde ich nie vergessen! Die Bühne zu teilen mit den Jungs, die Foreigner am Anfang geformt haben, und den großartigen Musikern, die heute Foreigner weitertragen, war ein wahrhaft emotionaler Moment. “ 
Credit Bild: © Karsten Staiger
Die hochglanzpolierten Balladen und aufs Nötigste reduzierten Riff-Rocker waren in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern nicht von ungefähr Dauerbrenner im Radio (80 Millionen verkaufte Alben und 16 Top 30 Hits !). Auch heute noch funktionieren diese Klassiker des AOR-Genres und erweisen sich als zeitlos  -  gerade wenn sich in diesem Live-Dokument ein Kreis schließt und das Resümee einer langen Karriere gezogen wird.

Die mit Hits gespickte Best-Of Setlit im Detail:

1. Cold As Ice
2. Head Games
3. Waiting For A Girl Like You
4. Headknocker
5. Say You Will
6. Urgent
7. Starrider
8. Juke Box Hero
9. Feels Like The First Time
10. Double Vision
11. Blue Morning, Blue Day
12. Long, Long Way From Home
13. Dirty White Boy
14. I Want To Know What Love Is
15. Hot Blooded
        + Bonus:
16. The Flame Still Burns
17. Fool For You Anyway

Freitag, 15. November 2019

QUENTIN TARANTINO´S ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD ORIGINAL MOTION PICTURE SOUNDTRACK


Credit Coverbild: © Sony Music
Dieses weichzeichnende, gelbe kalifornische Licht bricht sich seinen Weg durch die Windschutzscheibe deines Cadillacs aus der glorreichen Zeit des amerikanischen Autobaus, der Fahrtwind weht durchs heruntergekurbelte Fenster und gibt deinem Robert Redford-Haarschnitt erst die nötige Lässigkeit. Neben dir sitzt die Definition der freien L.A.-Woman – eine  leicht bekleidete Beifahrerin, die ihre endlosen Gazellenbeine lasziv auf dem Armaturenbrett hochgelagert hat, während aus dem Radio Werbejingles – womöglich aus der Feder Don Draper s- und die „hits of the day“ quellen. Der zähe Verkehr auf den Autobahnen, die sich wie Schlangen durch die Stadt der Engel  ziehen, wen kümmert er ?
An der Westcoast ist ohnehin alles etwas lockerer…. Dies ist nicht nur eine Szene aus dem jüngsten Quentin Tarantino-Film „Once Upon A Time In Hollywood“(kurz OUATIH) sondern es ist auch das eigentümlicheFeeling das beim Anhören der begleitenden Soundtrack-CD evoziert wird. Hippie Girl allerdings nicht inklusive, was in diesem Fall und im Hinblick auf die späteren Geschehnissen in OUATIH auch ganz gut ist...

Vom Regisseur selbst produziert versammelt dieses Album nicht bloß Songs aus dem Film sondern es wird eine ganze Radioshow der damaligen Zeit nachgestellt – und das ähnlich wie bei der Ausstattung des Streifens bis ins kleinste Detail mit allen Werbeunterbrechungen und Anmoderationen im authentischen Vintage-Stil. Für den Zuseher wird somit ein Stück weit jenes Hörerlebnis nachgestellt, das Tarantino einst als Kind beim hören der lokalen Radio Stations hatte – was auch insofern sehr passend ist, als dass er mit diesem Film ja sein persönliches „Roma“ (oder „Amacord“) über das Jahr 1969 geschaffen hat. Da die Jingles und markigen Sprüche der Radio Host flvöllig nahtlos in die Songs fließen ist dieses Album – zumindest wenn man es sich in der „physcial copy“ als CD und nicht in einer Spotify-Playlist  anhört  - vielleicht nicht die ideale Beschallung für eine Party, doch wird hier das Medium Soundtrack-Album neu gedeutet. Der OST ist hier ein Gesamtkunstwerk, das dem Zuhörer eine Art von Experience nahebringt, wie sie eingangs beschrieben wurde. Im heimischen Player wie auf der Leinwand ist dieser Soundtrack eine naturgetreu nachgestellte Radioshow die den Klangteppich für die Figuren im Film wie für den Retro-affinen Cineasten-und Musikaficionado liefert.

Auf viele der offensichtlichsten Choices für einen Film der anno ´69 spielt – jener Zeit als die Psychedelic-Welle in vollem Gang war und nicht nur das Old Hollywood vom New Hollywood abgelöst wurde sondern sich auch die Musikszene ihrem experimentellen Höhepunkt näherte - verzichtete QT. Zwar gibt es durchaus viele bekannte Songs wie etwa Deep Purples mittlerweile als Evergreen zu klassifizierendes „Hush“, Simon And Garfunkels „Mrs. Robinson“, Bob Segers „Ramblin´ Gamblin´ Man“,  Neil Diamonds Gospelhymne „Brother Loves Travelling Salvation Show “ oder Vanilla Fudges „You Keep Me Hnaging On“ in einer speziellen Version, die es wohl nur hier zu hören gibt, stammt sie doch von einer selten Vinyl aus QTs persönlicher Collection -  doch abgesehen davon kuratierte Tarantino eine Revue teils vergessener, teils obskurer Songs, die zwar in Summe nicht in die erste Reihe der Rock-History eingingen, anno ´69 jedoch nicht aus dem Radio wegzudenken waren  - wer weiß,  vielleicht kommt es dadurch ja zu einer Wiederentdeckung Renaissance von Paul Revere And The Raiders.

Was ein wenig Schatten auf diese ebenso ungewöhnliche wie exzellente Auswahl wirft, ist jedoch der Umstand, dass einige Songs fehlen, die im Film in zentralen Schlüsselmomenten gespielt wurden. Keine Angst, hier kommt jetzt kein Spoiler…aber dass „Out Of Time“ von den Stones und das beklemmend eingesetzte „Young Girls Are Coming To The Canyon“ (The Mamas & The Papas)  fehlen, mutet beinahe so an als würde „Stuck In The Middle With You“ nicht auf der Reservoir Dogs-CD vertreten sein.
Abgehen davon ist jedoch auch dieser QT-Soundtrack ein ungemein gelungenes Werk.
Die OSTs zu seinen Filmen genossen ja aufgrund ihrer großartigen Song Selection seit den Neunzigern eine  Sonderstellung und auch OUATIH bildet da keine da keine Ausnahme.

Mittwoch, 6. November 2019

The Kinks - Arthur (Or the Decline and Fall of the British Empire)


Credit Bild: © BMG/Sanctuary  Warner
Der Untergang des britischen Empire? Solch einen unheilschwangeren Album-Titel könnte man beinahe für eine hochaktuelle Abrechnung mit dem jenseitigen Brexit-Chaos halten. Tatsächlich ist das jedoch der Name eines schon 1969 veröffentlichten Konzeptalbums der Kinks, das einst zwar auf positive Resonanz in der britischen Musikpresse traf, jedoch im übermächtigen Schatten anderer großer Meisterwerke (Abbey Road, Let It Bleed, Led Zeppelin II…) etwas unterging.

Im Jubiläumsjahr ´69, also genau 50 Jahre nach der Urveröffentlichung wird dieses ebenso ungewöhnlich wie interessante Werk der Kinks-Diskographie mit einer umfangreichen Deluxe Edition gewürdigt und re-released.
Ursprünglich war das Album als Soundtrack für ein Fernseh-Theaterstück über den Teppichhändler Arthur Morgan, der nach Australien auswandert, konzipiert.
Aus dem Projekt wurde letztlich nichts, das Album kam als eigenständige LP auf den Markt – in einer sehr schwierigen Zeit für die Band. Die British Invasion-Single Hits lagen hinter ihren, der Vorgänger „The Kinks Are the Village Green Preservation Society“ war kein kommerzieller Erfolg. Auch „Arthur“ war retrospektiv betrachtet wohl das falsche Album zur falschen Zeit – nicht nur weil im selben Jahr ein anderer Konzeptalbum erschien, mit dem das etwas unscheinbarere „Arthur“ nicht mithalten konnte: die Ur-Rock-Oper Tommy“.
Ray Davis gewohnt ironisch-sarkastische Lyrics über ein Empire, dem der Glanz abhanden gekommen war, nahmen zwar die Katerstimmung der bevorstehenden Seventies vorweg und hätten überdies zum zunehmend düsteren Zeitgeist der etwa auch auf „Let It Bleed“ der Stones dominierte, gepasst – doch letztlich fehlten hier die ganz großen Standout-Tracks und Single-Hits. Die 12 Nummern in denen sich die Story Arthurs entspinnt, sind jedoch keinesfalls schlecht, ganz im Gegenteil.
Credit Bild: © BMG/Sanctuary  Warner
Zwar findet man hier keine Gassenhauer der Marke „Early Kinks“ und auch noch kein „Lola“, der typische, sehr spezielle Sound der späteren Phase der Band ist hier jedoch in vollem Glanz zu genießen. Und auch die geistreichen Lyrics Ray Davis überzeugen hier so wie immer auf voller Länge - nicht umsonst zitierte der heurige Literatur-Nobelreisträger Peter Handke diesen großen britischen Songwriter bei einem Interview kurz nach Bekanntgabe dieser großen Auszeichnung.
Die 2019er Remastered Reissue dieses Albums präsentiert „Arthur“ im Mediabook-Format mit 2 CDs  als richtiges Sammlerstück, das den Kinks-Archivar  mit Bonus Tracks, B-Sides und Alternative Mixes erfreut. Es lohnt sich also durchaus dieses (beinahe) vergessene Album wiederzuentdecken. Nicht nur, weil das im Umbruch befindliche England ´69 und England anno 2019 mitunter Parallelen aufweisen.

Dienstag, 5. November 2019

BRUCE SPRINGSTEEN – WESTERN STARS SOUNDTRACK

Credit Bild: © Rob De Martin        Sony Music
Nachdem der Boss im Sommer dieses Jahres mit „Western Stars“  bereits introspektiven California-Country Sounds gefrönt hat, erscheint nun auch eine abendfüllende Musikdokumentation gleichen Namens, in der die Entstehung dieses Albums nachgezeichnet wird. Der Streifen ist zudem auch ein äußerst stimmungsvoller Konzertfilm, der Springsteen zeigt, wie er mit seiner kompletten Band und Orchester in der imposanten Kulisse einer über hundert Jahre alten Scheune die Lieder seiner jüngsten LP spielt.
Das dazugehörige Soundtrack-Album umfasst alle Songs der Studio-Platte – diesmal jedoch in Liveversionen  sowie einen Bonustrack: die Coverversion von Glen Campbells „Rhinestone Cowboy“. Im Grunde hat man es also mit dem bereits bekannten Album zu tun, doch wer den Boss schätzt,  weiß auch, dass er ein ebenso guter Album- wie  Live-Musiker ist. So haben die Einspielungen aus der Scheune ein ganz eigenes Flair, man könnte sagen die Arrangements mit dem Live-Orchester wirken hier noch expansiver, atmen noch mehr das Vintage-Flair der großen Aufnahmen aus den Sechzigern und Siebzigern. 
Credit Bild: ©  Rob De Martin Sony Music
Wir sind in Amerika, der letzten großen „Frontier“, politisches oder die Trump-Administration spielen hier dennoch keine Rolle. Im Mittelpunkt dieses musikalischen Neo-Western stehen keine aktuellen Zeitbezüge sondern ein Gefühl der literarischen Introspektion und der Verarbeitung universeller(der „American Dream“ im Heartland)  wie persönlicher (die Depression Springsteens).

Während die CD im Player rotiert und die kernige Stimme des Mannes aus New Jersey in den melancholischen  Streichern-Arrangements badet entstehen vor dem geistigen Auge des Zuhörers jedenfalls ganze Film-Szenen: ein gemächlich durch den Staub rollender Pickup-Truck, die schier endlos scheinende Straße ins Nirgendwo, das pulsierende Herz Amerikas, den Wilden Westen im Rückspiegel, die technisierte Zeit noch nicht ganz da, ein wilder Mustang, ….

Zwar ist „Western Stars“ auch gut 4 Monate nach dem ursprünglichen Release kein heimliches „Nebraska“ oder „Born To Run“- doch wer ruhige Americana-Exkurse schätzt, für den evoziert Springsteen ebenjene stimmungsvollen Bilder, die ebenso archaisch wie ikonisch anmuten.
Credit Coverbild: ©  Sony Music Rob De Martin