Dienstag, 11. Oktober 2016

NEO-GIALLO: DER TOD WEINT ROTE TRÄNEN


Credit Coverbild: KOCH MEDIA
Wer als Genre-Fan einen Film mit einem Titel  wie „Der Tod weint rote Tränen“
in die Hände bekommt, mag sich freuen, dass er ein bislang verschollenes Hauptwerk des Genres des Giallo - also der italienischen Sex N´ Crime Thriller  der 70er bis frühen 80er- entdeckt hat. Wenn der englische Titel dann noch „The Strange Colour Of Your Body´s Tears“ lautet, scheint alles klar zu sein - man hat es offensichtlich mit einem seltenen Kleinod aus der Hochzeit des europäischen Paracinemas zu tun.
Doch weit gefehlt: denn bei diesem Film  handelt es sich nicht etwa um eine Vintage-Rarität, sondern um die jüngste Regiearbeit des Duos Bruno Forzani und Héléne Catet, die vor einigen Jahren mit „Amer“, der hyper-stylishen Coming Of Age-Story meets Argento, ihre cineastische Verbeugung vor dem „black gloves“-Genre inszenierten.
In die Richtung Neo-Giallo geht auch „Der Tod weint rote Tränen“.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Zur Story:
Irgendwas stimmt so gar nicht : Als Dan Kristensen (Klaus Tange) von einem Geschäftstrip in sein trautes (Jugendstil-)Heim kommt, ist seine Frau Edwige (Giallo-Fans grinsen spätestens jetzt....), wie vom Erdboden verschluckt . Dan macht sich auf die Suche nach ihr, doch was er dabei findet, hätte er sich wohl lieber nicht ausgemalt - denn zusammen mit ihm verlässt der Zuseher zusehends das Gefüge der Realität....

Mehr soll an dieser Stelle nicht über die nicht eben stringente Handlung, die um die genre-typischen Topoi Gewalt, Wahnsinn und sexuelle Obsessionen kreist, verraten werden- wobei der Plot bei diesem rauschhaften Werk mit zunehmender Spieldauer immer mehr zur Nebensache wird. Der Film ist letztlich Film in seiner reinsten Form - vissi d´arte par excellence. Ein unwirklicher bis psychedelischer Rausch aus abnormal satten Farben,
auditiven Verzerrungen, künstlerisch-artifiziellen Kameraspielereien und erotisch aufgeladenen Setpieces wie aus einem Hochglanzmagazin gerissen - die immer wieder von plötzlichen Ausbrüchen von Gewalt konterkariert werden. Dieser Strudel an Eindrücken gleicht einem „sensory overkill“ der letztlich zum Hauptkritikpunkt  des Films führt. Wie schon bei „Amer“ regiert bei Forzani und Catet die Maxime „style over substance - ein Makel, den der Streifen mit allzu vielen Werken aus der Blütezeit der Gialli gemein hat.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Wer bislang nichts mit den „black gloves“-Thrillern anzufangen wusste, wird also kaum bekehrt werden. Wer jedoch die Genre-Meister wie Argento oder Martino kennt, wird sich über die mal mehr, mal weniger versteckten  Querverweise auf die Hauptwerke des Genres freuen. „Der Tod weint rote Tränen“ ist Metacinema, das einerseits vollständig aus einer anderen, experimentelleren Zeit (sprich den Seventies) zu stammen scheint, aufgrund seiner perfektionistischen Hochglanzoptik jedoch gleichzeitig eindeutig modern ist.
In dieser (selbst-)referenziellen, postmodernen Auseinandersetzung mit dem Giallo-Genre, gelingt dem Regie-Duo die Gratwanderung zwischen einer spürbar leidenschaftlichen Referenz an die großen Idole ohne in die Falle einer uninspirierten Kopie zu tappen.
So ist „Der Tod weint rote Tränen“ ein Filmexperiment mit Retro-Charme und Seventies-Videoclip-Ästhetik, an dem allerdings vornehmlich Genre-Liebhaber ihre Freude haben werden.

Credit Bild: KOCH MEDIA
Zur Heimkino-Version:
Koch Media veröffentlicht das Kleinod in einer überaus ansprechenden Mediabook-Version, die sich auch als Schmuckstück in Dan Kristensens beneidenswertem Domizil gut gemacht hätte - denn so durchgestylt wie der Film ist auch die Aufmachung des kleinen Buchs mit attraktivem Artwork und einem Booklet mit einem Essay und einem recht informativen Interview mit den Regisseuren.
Credit Bild: KOCH MEDIA