Dienstag, 11. Oktober 2016

EIN REIGEN ZERSTÖRTER TRÄUME: ANDRZEJ ZULAWSKIS "NACHTBLENDE"

Zeit ihres Lebens versuchte sich Romy Schneider von dem ihr so verhassten Klischeebild der Sissi, der Rolle die sie zum Weltstar machte, zu emanzipieren.
Mit keinem anderen Film als mit „Nachtblende“ gelang ihr das so eindrucksvoll.
Regisseur Andrzej Zulawski inszenierte nach der Flucht aus seinem Heimatland Polen in Frankreich einen trostlosen Reigen der gescheiterten Existenzen, mit der Creme de la Creme der damaligen europäischen Film-Prominenz: Klaus Kinski(„Tote pflastern seinen Weg“, „Fitzcarraldo“), Fabio Testi(„Der Garten der Finzi Contini“, “Revolver“), Romy Schneider(„Das Mädchen und der Kommissar“ „Die Spaziergängerin von Sans Souci“), Claude Dauphin(„Barbarella“, „Der Mieter“)…….

Romy Schneider ist Nadine Chevalier. Eine glücklose Schauspielerin, die trotz offensichtlicher Begabung ihrerseits keine seriösen Rollenangebote erhält.
Nur für billige Pornoproduktionen wird sie regelmäßig gebucht- Eine Arbeit die sie grenzenlos anwidert, der sie jedoch nicht entsagen kann – ist dies doch der einzige Job mit dem sie sich und ihrem skurril-verschrobenen Mann Jaques (Dutronc) die Existenz sichern kann. Als sie beim Dreh eines der unzähligen Sexfilme zu ihrem Partner „Ich liebe dich“ sagen soll, bricht sie zusammen. Ihr Kollaps wird vom Fotografen Servais Mont (Fabio Testi) eingefangen. Dieser wird sofort von der verlebten Schönheit Nadines in den Bann gezogen und versucht die Schauspielerin nun besser kennen zu lernen. Da sie Servais´ Annäherungen jedoch nicht erwidert, versucht er sie auf andere Weise für sich zu gewinnen. Er leiht sich Geld und finanziert damit eine ambitionierte Inszenierung von „Richard III:“, in der Nadine eine Hauptrolle erhält.Als das Stück floppt werden die Spannungen zwischen Servais und seinem Geldgeber sowie seine Beziehung zu Nadine immer angespannter. Alles steuert auf eine Katastrophe zu……

„Nachtblende“ ist ein deprimierender Film, der frei von Klischees oder dem üblichen Kitsch von Film-Dramen eine komplizierte Liebesgeschichte erzählt.
Der Originaltitel lautet übersetzt „Was zählt ist Liebe“. Und tatsächlich ist die Liebe bzw. die Hoffnung darauf , das Einzige woran sich die Hauptfiguren klammern (können).Denn keiner von ihnen hat das, was man ein erfülltes Leben nennt.
Servais ist abhängig vom schmierigen Mafioso Mazelli (Claude Dauphin),für den er bei Privat-Orgien und Pornodrehs den Fotografen spielen muss.
Sein Vater deliriert zwischen Alkohol und Drogen. Einziger Lichtblick in Servais´ heruntergekommener Welt (durchaus wörtlich zu nehmen, denn alle Sets von „Nachtblende“ wirken total abgefuckt) ist Nadine.
Halt kann auch sie ihm nicht geben, denn sie ist emotional so bankrott wie ihr depressiver Ehemann, der sie einst vor der Prostitution rettete und dem sie sich verpflichtet fühlt.


Ihre Kollegen am Theater sind ein Haufen von Exzentrikern: Allen voran der homosexuelle Regisseur Messala, der sich an jedem neuen Probentag verkleidet und gerne als Drag-Queen herumläuft und Schauspieler Hans Zimmer(Klaus Kinski).
Die Rolle des Hans ist eine der einprägsamsten des ganzen Films und hätte von niemandem besser verkörpert werden können als von Idealbesetzung Kinski.
Der exzentrische Star spielt einen maßlosen Schauspieler, der sich hemmungslos in Ausschweifungen ergeht. Dieser rücksichtslose Typ ist so etwas wie die krasse Antithese zu den anderen Charakteren des Films, die alle auf ihre ganz eigene Art verzweifelt nach echter Liebe suchen.


Man sieht also, leichte Kost ist der Film wahrlich nicht, wer also einen „netten“ Unterhaltungsfilm erwartet, sollte einen weiten Bogen um den Film machen.
Regisseur Zulawski verlangt seinen Darstellern alles ab und scheut nicht davor zurück die tiefsten seelischen Abgründe schonungslos auf Film zu bannen.
„Nachtblende“ ist ein typischer Schauspielerfilm, der den Zuseher dank der Performances des des exzellenten Casts und der lebensnahen, schmerzhaft emotionalen Dialoge

in seinen Bann zieht - und zu den intensivsten Erfahrungen im französischen Film der Siebziger zählt.