Montag, 6. August 2018

Die große Gossen-Symphonie: Die Neuauflage des GUNS N´ ROSES –Klassikers APPETITE FOR DESTRUCTION


Credit Bild: © Ross Halfin    Universal Music
Vor 31 Jahren wussten überwiegend die eingeweihten Insider der L.A. Hard Rock Szene Bescheid: In den Clubs des Sunset Strips gab es da eine kleine Band, die wilder, unberechenbarer und schlichtweg besser war als so gut wie alles was in Sachen R N´R seit den späten Siebzigern aus Kalifornien gekommen war. Guns N´ Roses, aus den Überresten der Lokalgrößen L.A. Guns und Hollywood Rose entstanden, hatten sich einen Ruf als großartiger Liveact in den verrufenen Teilen der Stadt erspielt und standen an der Schwelle zum Durchbruch. Der sollte ihnen dann mehr oder minder über Nacht auch gelingen und zwar gleich mit ihrem Major Label Debut, dem programmatisch betitelten „Appetite For Destruction“. Die Platte machte sie zu absoluten Superstars und gilt vielen bis heute als ihr Magnum Opus sowie als einer der besten Alben der 80er.

Der Gunners-Sound war so dreckig wie die Straßen vor den Strip Clubs von L.A.:
Ein Gemisch aus Bekanntem - Stones, Blues und klassischem Hard Rock sowie Punk- jedoch mit einer solchen Intensität und Originalität dargeboten, dass die Band eine eigene Klangidentität kreieren konnte: Axl Roses Oszillieren zwischen teils orgiastischem Kreischen und klassischem Rock-Balladeer; der ungemein räudige Gitarrensound von Hutmeister Slash und Izzy Stradlin, der erdige, songdienliche Bass Duff McKagans und die durchschlagenden Drum Fills von Steven Adler - ja, damals war keiner besser als G N´R.
Die handwerklich erstklassigen Songs über billigen Alkohol, Heroin, gescheiterte Existenzen und  ganz generell die Schattenseiten der glitzernden Stadt der Engel machten „Appetite“ zum Epos aus der Gosse, der rauen ungebügelten Antithese zum  ungleich glatteren Hair Metal-Mainstream. Dank dem Hitsingle-Triumvirat aus „Welcome To The Jungle“, „Sweet Child O´Mine“ und „Paradise City“ wurde die Platte zum Superseller und machte G N´R zur größten Hardrock-Band des Planeten; zumindest für kurze Zeit, denn der Höhenflug sollte nur wenige Jahre andauern. Nun - im Jahr nach dem eigentlichen großen Jubiläum dieser wegweisenden Platte und  während die an ehemals heillos zerstrittene Band wieder auf der „Not In This Lifetime“-Tour ist - wird der Klassiker reissued.

Auch Retrospektiv betrachtet verliert das Album nichts von seinem rauen Charme und die Reissue ist großartig gemacht und wird auch jenen langjährigen Fans gefallen, die bereits mehrere Versionen des Albums im Plattenschrank haben.  Die attraktive Deluxe Version erinnert an eine Vinyl im Miniaturformat; Zieht man das Slipcase aus dem Hochglanzschuber kommt das berüchtigte und einst zensierte „Robot Rape „-Cover zum Vorschein (das ebenfalls ikonisch gewordene Cover mit dem Kreuz und den Totenköpfen wurde seinerzeit nur genommen, da man das ursprünglich intendierte Gemälde als zu kontroversiell ansah). In diesem Slipcase mit Gatefold stecken zwei Disc und ein Booklet mit einigen Shots aus der Frühphase der Band
Disc 1 enthält das bereits bekannte Album in neu remasterter Version; bereits dieursprüngliche LP klang ja sehr gut, die neue Reissue ist aber klanglich ebenfalls ausgezeichnet, ganz ohne den Höreindruck verfälschende Änderungen (Stichwort: loudness wars). Disc 2 heißt „B-Sides, Eps & More" und enthält genau, was der Titel verspricht: gesammelte Raritäten: Live Tracks (wie etwa das Abrissbirnen-AC/DC-Cover "Whole Lotta Rosie", die 1986er "Sound City Sessions, frühe Akustik-Versionen bekannter Songs (wie etwa "Move To The City" sowie das bislang offiziell unveröffentlichte„Shadow Of Your Love“, der es damals nie auf ein reguläres Release der Band schaffte.
Credit Coverbild: © Universal Music 
Die nachfolgenden Alben "Use Your Illusion I + II" waren sicher die noch ambitionierteren und abwechslungsreicher Werke, doch die hatten  nicht die kompakten Hits wie man sie auf „Appetite“ findet. Ähnlich wie das erste Van Halen Album fast 10 Jahre zuvor, öffnete „Appette“ nicht nur den Weg zum Ruhm für die Band selbst sondern wurde zum Referenzwerk, das die Schleuse für unzählige Epigonen des Sunset Strips öffnete.
Es ist fraglos eines der besten Debutalben ever und bleibt auch 3 Jahrzehnte nach dem Release eines der komplettesten Werke der letzten Hochphase des Hard Rock.
Das oft bemühte Klischee „still sounds fresh today“ trifft hier vollends zu.