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Credit Bild: © Prestel Verlag |
Der
Fotograf Robert Fairer ist einer derjenigen, die hinter die Kulissen blicken
konnten. Für die US-Vogue war er jahrzehntelang mittendrin statt nur
dabei und hielt mit seiner Kamera das Treiben am Laufsteg und vor allem auch
„Behind the Scenes“ fest. Neben ausgewählten Runway Shots zählt vor allem die
Disziplin "Backstage-Fotografie" zum Kern des
neuen Coffee Table-Buchs „Karl Lagerfeld Unseen- Die Chanel
Jahre“ in dem Fairer nun eine Auswahl dieser spannenden Aufnahmen zeigt
und der äußerst umfangreichen Chanel-Bibliothek einen weiteren Prachtband
hinzufügt.
Der Titel
suggeriert natürlich zunächst einmal, dass der Leser hier bislang ungesehene
Werke Lagerfelds sieht oder gar Entwürfe, die es letztlich nie in die
Boutiquen schafften. Beides ist jedoch nicht der Fall, das
"Unseen" bezieht sich sowohl auf die angesprochenen verborgenen
Bereiche als auch auf den Umstand, dass die hier im Großformat reproduzierten Bilder bislang unveröffentlicht geblieben sind. Der ganz große Seltenheitswert
mag dem einen oder anderen Betrachter also fehlen, aber immerhin: Gisele
Bündchen mit Champagnerglas und Zigarette im edlen Zwirn von Chanel sieht man
auch nicht alle Tage.
Im Fokus stehen die Jahre 1994-2007, gerade in diese Ära fielen bedeutende Umbrüche: Lagerfeld modernisierte die Kreationen aus dem Haus an der Rue Gambon ohne dabei die klassischen Elemente Coco Chanels aus den Augen zu verlieren. Für sich selbst entdeckte er die schlankere Silhouette - legendär seine Begründung für den Wandel: er wollte in die notorisch hautengen Jeans von Hedi Slimane passen. Slimane- damals einer der jungen Wilden der mit der Männerlinie bei Dior etwas ähnliches vollbrachte wie Kaiser Karl für Chanel. Die persönliche Stiländerung spiegelte sich dann auch in seinen Entwürfen wider, holten das klassische Chanel-Girl aus dem Salon der besseren Gesellschaft und verliehen ihr "Street (Fashion) Credibility".
Die in diesem Buch gezeigten Kreationen werden teilweise noch heute in den Post-Lagefeld Shows für Chanel zitiert, der Einfluss des Meisters, er wirkt lange nach. Generation Z-Schlabberlook gibt es hier nicht, selbst gut 10-20 Jahre alte Entwürfe wären heute noch problemlos tragbar. Die ikonischen Jacken, sexy Overknees und dieser Mix aus „Belle de Jour“ und Märchenprinzessin wirken einfach zeitlos.
Auch was
das Modelcasting anbelangt blickt man hier auf eine völlig andere Ära. Es ist die Stilepoche vor dem Strange Look und den Instagram-Models. Von „Cloooodia“ Schiffer über Karolina Kurkova bis zu Anja Rubik und Natasha
Poly gibt es hier ein Wiedersehen mit den letzten Super- und Topmodels der
Pre-Social Media-Generation.
In Sachen Fotografie war es auch noch die Vor-Digitalzeit, Fairer musste zu Chanel gleich mehrere Rollen Film mitbringen, um die dort gezeigte Vielfalt festzuhalten. Für den modeaffinen Betrachter ist es leicht sich so wie der Fotograf in den raffinierten Kreationen und der geballten Schönheit zu verlieren. Fairers Bilder mögen Schnappschüsde im geschäftigen Treiben Backstage sein, doch wirken sie in ihrer Komposition und Detailgenauigkeit wie ein aufwendiges Shooting mit einem Fotografem der sowohl in die sartorialen Extravaganzen als auch elfengleichen Model verliebt ist.
Das Buch ist stilecht ganz im Stil des Hauses gehalten - überaus wertig und stylisch in der Aufmachung, grafisch reduziert mit dem gewissen Etwas an Luxus (Überformat, Lotus Leineneinband und der Folienprägung): ein echter Hingucker am Coffee Table. Dies ist ein Band für echte Mode-Aficionados, der auch erneut verduetlicht wie sehr Lagerfeld nicht nur als Persönlichkeit sondern auch als Createur eleganter Mode in der Fashion-Branche fehlt. Insofern ist dieses Buch nicht nur eine spannende Chronik einiger der besten Jahre des Hauses sondern beinahe auch eine wehmütige Retrospektive.
Karl
Lagerfeld Unseen – Die Chanel Jahre, erschienen im Prestel Verlag