Montag, 29. November 2021

DAVE GAHAN & SOULSAVERS - IMPOSTER

Credit Bild: © Sean Matsuyama
Das Hymnische und der Blues - blickt man auf die bisherige Karriere von Dave Gahan, der Stimme von Depeche Mode und dem einzigen echten Frontman des Synth Pop/Rock-Genres, zurück, so sind es genau diese zwei Eckpfeiler, die seine größten Hits und eindrücklichsten musikalischen Momente prägen. Während andere Elektro-Bands mit der Tradition ihrer Vorgänger und der Pentatonik brachen, verwendeten Depeche Mode stets bewusst Einflüsse amerikanischer Roots-Musik in ihren düsteren Songs. Nicht von ungefähr zeigte sich etwa ZZ Tops Billy F Gibbons  begeistert von den britischen Synth-Pionieren und ebenso ist es kein Zufall, dass einer der größten Hits DMs auf einem klassischen Blues Riff basiert ("Personal Jesus").  
Das Hymnische und der Blues also: diese zwei Elemente - die in der musikalischen Tradition der Südstaaten einem Yin und Yang gleichen; Samstagnacht der Blues im verrauchten Roadhouse und Sonntagfrüh das Sakrale in der Kirche - ziehen sich wie rote Fäden durch das neue  Soloalbum Gahans. Es ist die dritte und bislang gelungenste Kollaboration mit den Soulsavers bestehend aus den Produzenten Ian Glover und Rich Machin. Überdies ist  "Imposter " das beste Depeche Mode-Album das gar kein Depeche Mode-Album ist. 

Denn interessanterweise kommt Gahan der Essenz der besten der dunkelgrauen Kompositionen seiner Stammband mit diesen eindringlichen Interpretation von Songs, die von anderen Interpreten geschrieben oder bekannt gemacht wurden, näher als mit den letzten Alben mit Martin Gore & Co. Der Elektro-Anteil wurde relativ stark zurückgefahren, Purismsus wie er im Genre von Neo Country- bis Neo-Blues durchaus eine Tugend ist, steht jedoch nicht aufs Gahans Agenda. Vielmehr handelt es sich hier um ein atmosphärisches  Roots-Album, das einerseits unverkennbar die Handschrift Gahans trägt und andererseits Erinnerungen an Nick Cave oder die "American Recordings" weckt. Auch Daniel Lanois würde sich wohl über eine kommende Zusammenarbeit freuen.  

Alle Songs - vom Soul-Evergreen "Dark End Of The Street" über Elmore James "I Held My Baby Last Night" (hier in einer genial krachigen Version) bis "Always On My Mind" (Elvis Presley sang die ultimative Aufnahme ein) -  haben eine besondere Bedeutung und repräsentieren schwere Zeiten in der bewegten Biographie des charismatischen Sängers.  
Gahan präsentiert sich hier im Kontrast zum selbstgeißelnden Titel "Imposter"  (also Hochstapler, durchaus ein Name mit universeller Resonanz, siehe Imposter-Syndrome) wieder einmal als absoluter Könner und vor allem vielseitiger als jemals zuvor. Auch Roots Music-Fans, die um Depeche Mode sonst eher einen Bogen machen, sollten in dieses düstere, aber nicht hoffnungslose Album unbedingt reinhören - denn wie sich der Beschwörer der Publikumsmassen bei den großen Depeche-Gigs hier als Blues- und Soul-Interpret in intimen, oft nah am Gospel angelegten Arrangements präsentiert, zählt zu den musikalischen Highlights des Jahres.

Credit Coverbild: © Columbia  Sony Music