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Based on truth and lies - and what actually
happened…
In der unwirtlichen Eiseskälte des
hohen Nordens Europas entsteht in den Achtzigern und frühen Neunzigern ein neues Genre extremen Metals. Es wird das letzte Mal
sein, das Musik so richtig gefährlich ist: Jonas Åkerlunds neuer Film „Lords Of
Chaos“ erzählt nun davon wie eine kleine Subkulturszene künstlerisch neue Wege
geht, sich jedoch dabei zunehmend radikalisiert und schließlich ein ganzes Land
in Atem hielt.
Es scheint
derzeit ja so etwas wie eine Renaissance des Musik-Biopics zu geben: Ein prestige-trächtiger
Film über den King Of Rock N´Roll mit Tom Hanks als Col. Parker ist
angekündigt, unlängst feierte die Glam Metal-Chronik „The Dirt“ über die
Exzesse von Mötley Crüe auf Netflix Premiere und bei den diesjährigen Golden Globes
& Oscars sowie an den Kinokassen räumte der Queen-Film „Bohemian Rhapsody“ ab. Dass mit „Lords Of Chaos“ nun ausgerechnet der meilenweit
von jeglichem Mainstream entfernte Black Metal bzw. um genauer zu sein der
„True Norwegian Black Metal“ ein eigenes „BoRap“ erhält, ist durchaus
bemerkenswert. Wobei die
höchst dramatischen Ereignisse in der Frühphase dieses Genres tatsächlich eine
Verfilmung rechtfertigen – wenngleich im Zentrum weniger künstlerische Triumphe
oder eine Läuterungsgeschichte exzessiver Rockstar im Zentrum steht, sondern eine
trostlose Bestandsaufnahme einer irregeleiteten Jugend.
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Doch was
mit extremen Klängen begann, spiegelte sich leider bald in den Taten der Musiker
wider. Die jugendlichen Mitglieder der norwegischen Szene ergingen sich in Rivalitäten,
manche von ihnen beschäftigten sich nicht bloß mit Satanismus sondern auch mit kruden,
nationalistischen Theorien. In der Rap-Szene der USA blieben gewaltsame Auseindersetzungen
auf einer "internen" Ebene von Plattenbossen und Gangs. In Norwegen
jedoch hielt eine kleine Gruppe Jugendlicher, die ihre eigene Musik allzu ernst
nahmen, bald ein ganzes Land in Atem: Wahnsinn,
Gewalt, Mord, Suizid und schließlich das berüchtigte Anzünden historische Kirchen
waren die erschreckenden Folgen.
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Regisseur Jonas
Åkerlund, der zuletzt den Hitman-Streifen „Polar“ mit Mads
Mikkelsen drehte und als Mann hinter im Gedächtnis
bleibenden Musikvideos wie „Turn The Page“
von Metallica, „Come Undone“ von Robbie Willaims oder „Smack My Bitch Up“ von The
Prodigy bekannt ist, zeigt diesen Abstieg in tiefste Abgründe schonungslos und weitgehend
unzensiert (Stichwort: FSK 18). Im Gegensatz zu anderen Biopics nähert er sich
seinem Thema jedoch nicht aus der akademisch-distanzierten Perspektive eines
Außenstehenden. Denn Akerlund war selbst kurzzeitig Drummer bei der frühen
Black Metal-Combo Bathory und ist damit so etwas wie ein Insider. Auch bei „Lords Of
Chaos“ pflegt er seinen „Signature Dirty Glamour“-Stil ohne sich jedoch in reiner
Videoclip-Ästhetik zu ergehen. Gekonnt lässt er die Zeit der Nineties
originalgetreu wiederaufleben – vom Look bis zum ganzen Feeling des Films. Unterstützt
wird er dabei von einer spielfreudigen Riege Jungstars,
darunter Rory Culkin, Jack Kilmer, Sky Ferreira, Wilson Gonzalez Ochsenknecht
und Valter Skarsgård).
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Obwohl Akerlund
Krawalliges nicht fremd und die Abseitigkeit des Plots beträchtlich ist,
wirkt „Lords
Of Chaos“ bei aller Drastik nicht nur wie ein boulevardeskes Kolportage-Stück.
Vielmehr merkt
man, dass der Director ein ehrliches Interesse an seinen jungen Hauptfiguren hat
und bemüht ist ein weitgehend differenziertes Bild der düsteren Vorkommnisse in
der norwegischen Szene zu zeigen - mit all seiner Dramatik aber auch allen Absurditäten und Lächerlichkeiten. Nicht immer gelingt es ihm dabei die Untiefen
des Biopic-Genres mit historischen Verknappungen, Fiktionalisierungen und Klischees zu umschiffen. Klar
ist auch, dass manche Hardcore-Fans eine ästhetisierte
Hollywood-Version der Black Metal-History grundsätzlich ablehnen werden.
Doch
Åkerlund hat hier einen wesentlich besseren Film geschaffen als bspw. den völlig missglückten „The Dirt“ und liefert ein faszinierendes,
semi-dokumentarisch anmutendes Portrait über eine unheilige Allianz
zwischen kompromissloser Kunst und
Verbrechen, das im Kern ein universelles „coming of age gone wrong“-Drama ist.