Freitag, 30. November 2018

THE ROLLING STONES – BEGGARS BANQUET 50th Anniversary Edition

Credit Bild: © Universal Music
Als die Rolling Stones im Dezember 1968 ihr Album  „Beggars Banquet“ veröffentlichten, markierte diese LP einen der wesentlichsten Wendepunkte in der Karriere von „Englands Newest Hitmakers“: Mit dem Festmahl der Bettler spielten sie nicht nur ihre für viele Fans beste Platte ein sondern nahmen auch den ersten Eintrag in einer unglaublichen Reihe unumstößlicher, in rascher Abfolge releaseder Klassiker auf. Das geniale Live-Dokument "Get Yer Ya Ya´s Out" sowie die ebenso großartigen Studioalben  "Let It Bleed", "Sticky Fingers", "Exile On Main Street" und "Goats Head Soup" sollten folgen.

Deutlich bemerkbar machte sich auf "Beggars..." vor allem eine Verschiebung im band-internen Machtgefüge: so vollzog sich hier der Shift weg von Brian Jones , der sich zunehmend von der Gruppe entfremdete und nur mehr auf ein paar Songs zu hören ist, hin zum nun dominierenden Songwriter Duo Jagger-Richards. Diese verfolgten eine andere künstlerische Ausrichtung als Jones und so wurde ´68 jenes Jahr, in dem die Stones endgültig ihren eigenen Sound fanden. Die Beatles-esken Psychedelik-Experimente wie noch auf „Their Satanic Majesties Request“ gehörten fortan der Vergangenheit an, auf diesem Meisterwerk der Ausschweifung hörte man eine neue ungleich düsterere Version der einst härtesten Beat-Band der Welt:  Nach wie vor im tiefsten Delta verwurzelt war die Amalgamation von Akustikgitarren und elektrischen Instrumenten, hinzu kam ein stärker werdender Country-Einfluss, der sich auf den kommenden Alben noch deutlicher manifestieren sollte.

Die Songs auf "Beggars" transzendieren das Hitsingle-Format und gleichen beinahe einer Kurzgeschichtensammlung. Short Stories, die bei der Vertonung eines Bacchanals des Verdorbenen geschrieben wurden. Sang Jagger zuvor noch - eh schon unverblümt, für die damals noch weitaus zugeknöpftere Zeit - wie er mit einem Mädl die Nacht verbringen wollte, lud er nun gleich ein Groupie zu sich "upstairs" wie im rasselnden „Stray Cat Blues“. Mit dem zeitgeistigen „Street Fighting Man“ lieferte man quasi den offiziellen Soundtrack zum Straßenkampf im Revoutionsjahr, ungeachtet dessen, dass die Stones selber stets weitaus apolitischer als etwa Dylan oder Lennon waren. 

Passend zum dreckigen Sound sind auch die dunklen, oft resignierten Lyrics:
Pure Hoffnungslosigkeit zum Wehklang der Slidegitarre („No Expectations“) trifft auf
Südstataen-Ausschweifung im expliziten „Parachute Woman“ und ein Hillbilly-Panoptikum bei der Southern Gothic-Erzählung „Dear Doctor“ über ein bevorstehendes unglückseliges „shotgun wedding“, das nur mit reichlich Hochprozentigem zu ertragen ist. Das Säkulare verlassen die Stones mit der Gospel-Ode auf den kleinen Mann bei "Salt Of The Earth". Einen Kontrapunkt dazu setzt der Teufels-Samba beim von Mihail Bulgakov inspirierten "Sympathy For The Devil“ - ein absoluter Jahrhundertsong."Beggars" ist das Paradebeispiel für eine Platte bei der es "all killer, no filler" gibt.

Nun 5 Jahrzehnte nach dem ursprünglichen Release wird diese Meisterwerk zum großen Jubiläum reissued. Die Neuauflage kommt im Schuber, wodurch sowohl das ikonische  "Toiletten"-Cover als auch das 1968 veröffentlichte Artwork bei der Neuauflage reproduziert werden. Das Bild mit den Kloschmieragen  - wo etwa der Traum Bob Dylans  runtergespült wurde - wollte die Plattenfirma in den Sixties nicht, stattdessen kam "Beggars Banquet" in schlichter, beiger Hülle in die Läden: darauf war nur zu lesen "Rolling Stones  Beggars Banquet  R.S.V.P. ;  also „répondez s’il vous plaît“ als höfliche Bitte um Rückantwort an den Gastgeber für das Bankett der Bettler:
Credit Coverbild: © Universal Music
Abgesehen davon merkt man jedoch bei dieser neu erschienenen 2018er Version nicht viel von "Anniversary". Denn auf eine an die Vinyl angelehnte CD-Reissue wie beim jüngst veröffentlichten White Album-Neuauflage oder Sticky Fingers wurde hier verzichtet. Auch ein dickes Booklet oder Bonus Tracks sucht man vergeblich: Obwohl gerade ungesehene Fotos, Demos oder anderes unveröffentlichtes Material von den Sessions in den Olympic Studios  ungemein interessant gewesen wärenDas alles ändert zwar nichts daran, dass dieses Album nach wie vor eines der besten aller Zeiten ist, doch hat der Stones-Fan schon aufwendigere Reissues gesehen.