Samstag, 27. Februar 2021

ALICE COOPER - DETROIT STORIES

Credit Coverbild: © earMusic Edel
Detroit City ist in Not, ruft Alice…Assoziationen, die sich zumindest beim Betrachten des Plattencovers des neuen Cooper-Albums aufdrängen, zumal dieses Opus auch eine Ode an die einstmals boomende Industriestadt und ihre glorreiche musikalische Vergangenheit darstellt. Die Stadt im Südosten Michigans – in den letzten Jahren eher Sinnbild für wirtschaftlichen Verfall im Zuge der Automobilkrise-  war einmal ein absolutes Epizentrum der amerikanischen Musikszene.

Hier heulten in den Sechziger- und Siebzigerjahren nicht nur die Motoren der Boliden aus den auf Hochtouren laufenden Fabriken – auch als musikalisches „Hotbed“ konnte sich die Motorcity neben NYC, LA oder den zahlreichen Musikhauptstädten im Süden behaupten -  von poliertem Motown-Soul über dreckigen (Garage-)Rock  hin zum Protopunk, von Mitch Ryder mit seinen Detroit Wheels,  MC 5, Iggy Pop und den Stooges, Ted Nugent, Bob Seger hin zur frühen  Alice Cooper-Band – sie alle waren Proponenten dessen, was als Detroit-Sound die lichten Höhen der Billboard-Charts und FM Radio-Playlists erklomm. Für Cooper waren die early 70s mit Alben wie „Love It To Death“, „Killer“, „School´s Out“ oder „Billion Dollar Babies“  eine der erfolgreichsten Zeiten, vielen gilt sie in kreativer Hinsicht auch als seine beste - und genau diesem Sound zollt der ewige Schockrocker mit „Detroit Stories“ Tribut. „Detroit war wirklich der Ort für Heavy Rock,” erklärt Cooper. „Im Eastown zum Beispiel konnte man an einem Abend Alice Cooper, Ted Nugent, The Stooges und The Who sehen, und das alles für 4$! Dann am nächsten Wochenende im Grande standen MC5, Brownsville Station und Fleetwood Mac auf der Bühne, oder auch Savoy Brown und die Small Faces. Als Soft-Rock-Band hatte man da echt nichts verloren.“ 

Cooper setzt genau dort an wo der Vorgänger „Paranormal“ aufgehört hat. Markierte schon dieses Album eine Rückbesinnung auf alte Tugenden -  weniger Wacken und mehr Vintage - so geht er auf diesem, seinem 28. Studioalbum noch einen Schritt weiter. Mit einem gelungenen Cover des Lou Reed/Velvet Underground-Klassikers “Rock N´ Roll” eröffnet Cooper eine Platte, die musikalisch in gekonnter weise frühere Großtaten und Riffs evoziert sowie augenzwinkernde Querverweise, Inside Jokes und sarkastische Weltbeobachtungen verbindet.

Als Songwriting-Partner, Produzent und Mitmusiker an der Orgel fungierte hier wieder Produzentenlegende Bob Ezrin, der schon bei allen zuvor genannten Seventies-Cooper-Alben mitarbeitete. Eine illustre Riege an Gaststars  - darunter Joe Bonamassa, Johnny "Bee" Badanjek von den Detroit Wheels und  Steve Hunter und Wayne Kramer – sorgen für prominente Unterstützung. Das vermutlich nicht zufällige ironische Highlight in der Gastriege:  Larry Mullen, Jr. von U2 sitzt ausgerechnet  beim Song “Shut up And Rock“ an den Drums, einem Lied, das mit der  Textzeile  “Don’t want to hear about your politics....“ aufwartet…

Cooper gibt auf „Detroit Stories“ generell weniger den Gruselfürst mit Serienkiller-Kurzgeschichten  sondern erzählt  vom „walk on the wild side“ in Detroit und von skurrilen, verirrten Existenzen  -  der Motor City-Moloch fungiert hier als pars pro toto für die aktuelle aus den Fugen geratene Welt. Die teils punkigen Riffs krachen, die Soli sind pentatonisch-blues getränkt … all das wird die Old School-Fans fraglos ansprechen und macht das jüngste Cooper-werk zu einem seiner besseren Alben der letzten Jahre. Mit fortschreitender Spieldauer fällt jedoch auch die Austauschbarkeit eines Großteils der Songs auf. Cooper ist bei aller Kunstfertigkeit nicht davor gefeit ins Klischeehafte, mitunter Repetitive abzudriften – was auch daran liegt, dass „Detroit Stories“ mit 15 Songs nicht zu den kürzesten Alben gehört. Mehr Straffung und das Weglassen von Ideen, die wie Outtakes aus „Hollywood Vampire“-Sessions anmuten, hätten hier durchaus gut getan. 

Als Bonus gibt es in der limitierten Deluxe Edition von „Detroit Stories“ eine Seltenheit in diesen Tagen: ein Live-Konzert, und zwar den Mitschnitt eines Gigs aus Paris. Diesen kennt man schon von einer 2018 veröffentlichten Live-CD, hier gibt es die DVD-Version. Zwar bietet dieser „Paranormal Evening“  keinerlei Überraschungen sondern „nur“ die erwartbare Horror-Show mit Guillotine und Schock-Theater sowie einer veritablen Greatest Hits-Setlist, doch gewinnt der Abend  durch die visuelle Komponente natürlich ungemein.