Mittwoch, 30. Dezember 2020

SEEING STEVIE RAY von TRACY ANNE HART

Credit Coverbild: © Tracy Anne Hart     Texas A & M University Press
Fährt man die musikalische Landkarte der USA ab, so offenbaren sich von Küste zu Küste zahlreiche Epizentren und ausgeprägte  „Hotbeds“ der unterschiedlichsten Genres. Gerade im Blues gibt es eine Vielzahl regionaler Spielarten, die ausgehend von derselben formalen Basis zahlreiche Eigenheiten entwickelten. Dem Lone Star State Texas kommt hier  eine ganz besondere Bedeutung zu, die sich bis in die Zeit vor der Großen Depression zurückverfolgen lässt. Entlang der Highways und den teils kargen Landschaften des zweitgrößten Bundestaates entstand eine fruchtbare Szene, die einige der größten Namen des Genres hervorgebracht hat. Und unter den vielen großen Söhnen des Lone Star States zählt Stevie Ray Vaughan fraglos zu den absoluten Ikonen. Nach Vaughan gelang es keinem kontemporären Bluesgitarristen mehr diesen absoluten Legendenstatus zu erreichen. Für das Blues Revival der Eighties war er ein wesentlicher Initiator, seine Roots-Alben waren Chart-Erfolge, selbst zu einem Mainstream-Publikum gelang ihm der Crossover (Stichworte: Aufnahmen mit David Bowie oder Zucchero), sein Gitarrensound – so groß wie sein Heimatland – ist bis heute eine Benchmark, sein hochoktaniger Spielstil inspirierte Legionen von Epigonen. Heuer jährte sich der Todestag SRVs, der 1990 bei einem tragischen Helikopterunfall in Alpine Valley ums  Leben kam zum 30. Mal. 

Bedenkt man den Stellenwert SRVs so verwundert es, dass der neue Bildband „Seeing Stevie Ray“  das erste Buch dieser Art über den Gitarristen  ist. Erschienen ist der kompakte Bildband  nicht bei einem der großen Coffee Table-Publisher sondern  beim Uni-Verlag Texas A & M University Press. Interessantes Trivia und eine SRV-Connection am Rande: auf dem Campus der Texas A &M  fand  Ex-Präsident George Bush Senior seine letzte Ruhe gefunden und 1989 spielten bei  dessen Inauguration Concert SRV & seine Band Double Trouble.

Credit Bild: © Tracy Anne Hart     
Zurück zum  Buch: Die Bilder in „Seeing Stevie Ray“  stammen von Fotografin Tracy Anne Hart, die seit den  80ern Teil jener Szene ist, deren Renaissance sie mit ihren Leica Kameras für die Ewigkeit festhielt und die in diesem Buch neben SRV eine Hauptrolle spielt. Überhaupt fällt bei der Lektüre der Anekdoten und dem Betrachten der vielen großartigen Bilder eines auf:  Anders als es der Titel dieses Bands vermuten lässt, ist „Seeing Stevie Ray“ nicht ausschließlich eine liebevolle Ode an die verstorbene Legende sondern auch eine leidenschaftliche Liebeserklärung an jene „local scene“ , in der SRVs Weg zum Superstar begann. Dementsprechend blättert man sich durch ein texanisches Who Is Who von Billy Gibbons über Doyle Bramhall II und Charlie Sexton hin zu Gary Clark Jr. Auch angesichts des Umfangs von nur 166 Seiten hätte man sich zwar durchaus noch mehr Bilder von SRV gewünscht, doch die hier gezeigten überwiegend monochromen Aufnahmen sind schlichtweg ikonisch. Zudem gelingt es der Autorin/Fotografin einen Bogen über mehrere Jahrzehnte texanischer Musikgeschichte zu spannen und dabei den Aufstieg SRVs sowie seinen Einfluss, der bis heute überdeutlich zu spüren ist, zu illustrieren.

Erhältlich u.a.  via: TheHeightsGallery.com - Home

Montag, 21. Dezember 2020

ALFRED HITCHCOCK – ALLE FILME

Credit Coverbild: © Edition Delius Klasing

König der Suspense, Mitbegründer des modernen Kinos, treibende Kraft hinter einer Vielzahl von Klassikern für die Ewigkeit, Meister des gepflegten Cameos, Innovator der Inszenierung – Regisseur Alfred Hitchcock war vieles und bei vielem was mit Zelluloid zu tun hat, war er auch der erste. Ohne das britische Regie-Genie wäre nicht nur das Thriller-Kino wie wir es heute kennen undenkbar – dementsprechend frühe setzte auch die filmhistorische Auseinandersetzung mit dem Filmemacher ein (bis heute faszinierend etwa das Standardwerk „Mr. Hitchcock wie haben sie das gemacht ?“ von Francois Truffaut).

Anlässlich des 40. Todestages der Legende und dem 60th Anniversary des Tier-Horror-Klassikers „Die Vögel“ erscheint im Delius Klasing Verlag ein Band, der der extensiven Bibliographie über den Film-Pionier eine kontemporäre Würdigung hinzufügt. In „Hitchcock – Alle Filme“ analysieren die Autoren Bernard Benoliel, Murielle Joudet, Gilles Esposito und Jean-François Rauger auf über 600 Seiten alles was diesen legendären Regisseur ausmachte. Schlüsselszenen werden seziert, Filme in einen größeren biographischen wie zeitgeschichtlichen Kontext gesetzt und die mehr oder minder versteckten Cameo-Auftritte beleuchtet. Der gewichtige Band hat dabei nicht nur denen Anspruch einen Überblick über alle Filme vom Frühwerk „Irrgarten der Leidenschaft“ bis zum finalen Streifen  „Familiengrab“ zu geben sondern ist ein regelrechtes Lexikon voll von Facts & Trivias, das so reich bebildert ist wie ein Coffee Table-Band.

Das erinnert an die „Alle Songs“-Reihe vom gleichen Verlag und ebenso wie diese Bände ist auch dieses Buch ein nachhaltiges Nachschlagewerk oder anders gesagt, ein Wälzer mit Langzeit-Effekt: denn einerseits macht dieses Buch Lust darauf oft gesehenen Filme aus dem Oeuvre Hitchcocks einen „Revisited“-Besuch abzustatten und andererseits ist es der ideale Begleiter für  die Analyse und Interpretation der Klassiker – und das mitunter nicht nur für Neulinge auf dem Gebiet des englischen Thriller-Spezialisten.

Mittwoch, 9. Dezember 2020

DER BARDE IN DER STILLEN NACHT: Blackmore´s Night – Here We Come A-Caroling

Credit Bild:© earMusic Edel

Während seine ehemaligen Mitstreiter unlängst erfolgreich die eigene glorreiche Vergangenheit feierten, widersetzt sich Meister Ritchie Blackmore auch heuer wieder einmal erfolgreich allen Hoffnungen auf eine späte Deep Purple-Reunion. Er stimmt stattdessen die „Laute“ und macht seinerseits eine Zeitreise. Allerdings eben nicht wie Ian Gillan & Co. in die Siebziger sondern in die Epoche der Renaissance. Er kocht quasi seine eigene Festtagssuppe und feiert in trauter Zweisamkeit X-Mas mit Ehefrau Candice Night auf Blackmore Castle.
 

Das Ergebnis ist die streng limitierte 4 Song EP „Here We Come A-Caroling“ die sowohl Vorbote des kommenden Weihnachtsfests als auch des für 2021 geplanten neuen Studioalbums von Blackmore´s Night ist.Seit der Gründung der Band – in deren Zentrum trotz wechselnder Besetzungen stets die Blackmores stehen – sind der legendäre Gitarrist und seine Ehefrau keinen Millimeter von ihrem Plan abgerückt, den Leuten die Musik einer vergangene Epoche näherzubringen. Für die beiden ist das ein absolutes Herzensprojekt über das sie sagen: „Unsere Musik ist eine Flucht vor dem Stress und dem Druck der Neuzeit. Eine Reise zurück in eine einfachere, magische Zeit, in der Musik in unser Herz und unsere Seele dringt“. 

Die Einspielungen von „Oh Little Town Of Betlehem“, „Here We Come A-Caroling”, “It Came Upon A Midnight Clear” und dem ewigen Lied “Silent Night” haben nicht den Anspruch eine innovative Neudeutung von oft gehörten und noch öfter gecoverten Traditionals zu sein und wer Blackmore´s Night kennt, weiß, dass hier nicht die schmissige Folk Rockin´ Christmas zu erwarten ist - doch in diesem Subgenre des Folk findet man kaum Besseres. Manchem Hörer wird all das wohl dennoch zu besinnlich und traditionell-konventionell sein, doch geht von diesen atmosphärischen - um nicht zu sagen sphärischen- Darbietungen ein ganz eigener Reiz aus – der ein Weihnachten evoziert,  wie es ganz früher war.

WEIHNACHTS-CHARITY: LESLIE MANDOKI & FRIENDS „WE SAY THANK YOU“

Credit Bild: © Krisztian Miklos

Es gibt Künstler, die die Lockdown-Zeiten kreativ nutzen und im Laufe von 2020, diesem annus horribils, einen beachtlichen Output im vielleicht magersten Jahr der Musikindustrie veröffentlichen…und dann gibt es Leslie Mandoki. Der umtriebige Musiker setzt schon zuvor auf einen konstanten Stream an Releases (von der Live-DVD hin zu einem Doppelalbum). Und auch heuer kennt sein Schaffensdrang scheinbar keine Grenzen. 
Passend zur Charity-intensiven Zeit um Weihnachten bringt er den im ersten Lockdown veröffentlichten Song  »We Say Thank You” in einer Christmas Version mit Kinderchor heraus.

Alle Einnahmen werden an die „Tribute to Bambi“-Stiftung gespendet  (zusammen mit den  Erlösen aus 2 Versteigerungen).

Bereits imMärz dieses Jahres startete Mandoki gemeinsam mit seiner All Star-Gruppe Soulmates eine künstlerische Initiative, um den Alltagshelden im Gesundheitswesen, in der öffentlichen Ordnung und in der täglichen Versorgung ihre Wertschätzung und Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. „Jeder ist von dieser Pandemie auf seine Art persönlich betroffen. Mit einer Ehefrau, die als Allgemeinmedizinerin an vorderster Front arbeitet, werden mir die Tragweite und die Konsequenzen der Pandemie überdeutlich vor Augen geführt….Wir sind sehr glücklich, mit unserem Song einen Charity-Beitrag leisten zu können und ein Zeichen der Hoffnung zu setzen. Wie wir eines Tages auf diese Zeit zurückblicken werden, ist völlig ungewiss. Welche Entscheidungen die richtigen waren, wird man auch erst im Nachhinein beurteilen können. Aber eines ist zweifelsfrei richtig, all diesen großartigen Menschen, die unser öffentliches Leben während dieser Krise am Laufen gehalten haben und noch immer halten, laut und vernehmlich „DANKE“ zu sagen.“, betont Mandoki. 

Her könnt ihr in die Weihnachtsversion von „We Say Thank You“ hineinhören:

Montag, 7. Dezember 2020

EISNER - AWARD 2020: ALLES FÜR DIE KRAZY KAT

 


Credit Coverbild: ©  Taschen Verlag  George Herriman
Während in hiesigen Breitengraden der „newspaper comic strip“, also der klassische Zeitungs-Comic, eher in der Nebenrollen-Kategorie unter ferner liefen zu finden ist, zählt dieses Subgenre seit jeher zu den absoluten  Fixpunkten in US-amerikanischen  Printmedien – und das seit mehr als 100 Jahren. Einer der ganz frühen Vertreter des Zeitungscomics modernen Zuschnitts ist die von George Herriman kreierte  Krazy Kat, die ihrem Namen stets alle Ehre machte. Dem alten Überthema „unrequited love" folgend, erzählen die kurzen Geschichten von einer schwarze Katze, die sich Hals über Kopf in eine weiße Maus verliebt hat. Dummerweise ist deren Antwort auf die Avancen jedoch oft ein Ziegelstein auf dem Kopf des Stubentigers.
Zu den prominentesten Fans von Herrimans Kätzchen zählten etwa Gertrude Stein, F. Scott Fitzgerald, Pablo Picasso, James Joyce, US-Präsident Woodrow Wilson, Jackson Pollock, Charlie Chaplin, Frank Capra, P.G. Wodehouse oder Willem de Kooning – was schon viel über den Appeal dieses kultigen Comics verrät, der von 1913 bis zum Tode Herrimans im Jahr 1944 erschien und in dem zuvor beschriebenen Hauptplot über  amourösen Begierden immer wieder auch traditionelle Wertvorstellungen hinterfragte.
Credit Bild: ©  George Herriman Taschen Verlag  
Dass diese teils absurden, teils melancholischen Strips so lange erscheinen konnten, lag vor allem am legendären Medien-Tycoon William Randolph Hearst, der ebenfalls ein Fan von Herrimans Geschichten war und dem Zeichner so gut wie alle Freiheiten ließ.
Dies führte dazu, dass Krazy Kat zu einem durchaus transgressiven Comic voll von Slang dadaistischen Szenerien und  Anspielungen auf die gender-fluide Orientierung der Krazy Kat wurde - und all das lange vor den „Counterculture“-Eskapaden eines Robert Crumb.
Der Werkschau-Band über die Jahre ´35-´44 vereint nun alles was die Krazy Kat so ausmachte  und huldigt in Taschen Verlag-typischem Luxusoutfit diesem unorthodoxen Vorläufern von Tom & Jerry.
Der aufwendige Band wurde unlängst prämiert und zwar mit dem "Comic-Oscar", dem Will Eisner Award 2020 in der Kategorie “Best Archival Collection/Project—Strips”.

George Herrimans "Krazy Kat". Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe 1935–1944
Alexander Braun
In Leinen gebunden, 30 x 44 cm, 632 Seiten, in einem Karton mit Tragegriff
ISBN 978-3-8365-7194-4
Ausgabe: Deutsch
Taschen Verlag