Freitag, 31. Mai 2019

KENNY WAYNE SHEPHERD – THE TRAVELER


Credit Bild: © Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade
Seine großen Durchbruch hatte der aus Louisiana stammende Gitarren-Virtuose Kenny Wayne Shepherd schon Mitte der Neunziger – damals, in der Post-SRV-Zeit verblüffte der talentierte Teen aus den Südstaaten  mit seinen intensiven Stratocaster-Licks und erdigem, tief in den Traditionen seiner Heimat verwurzelten Songs. Heute, knapp ein Vierteljahrhundert später, ist Shepherd längst eine der absoluten Fixgrößen der internationalen Blues Szene und somit schon mehr als etabliert. An diesem Punkt könnte man also durchaus annehmen, dass er so wie viele seiner Kollegen in den Autopilot-Modus schaltet. Allein, darauf hat KWS keine so rechte Lust. Stattdessen überrascht der Gitarren-Crack und Muscle Car-Aficionado seit Jahren in schöner Regelmäßigkeit mit hochkarätigen Kollaborationen (Stichwort: Stephen Stills) und Studioalben, die immer eine gewisse Evolution in seinem Schafen signifizieren.
 
Credit Bild: © Mark Seliger      Provogue / Mascot Label Group / Rough Trade
Das heute erschiene „The Traveler“ bildet da keine Ausnahmen, vereint es doch all die so erwartbaren wie liebgewonnen Signatures  von adrenalinschwangerem Powerhouse Blues und classic rock-affinen Liedern - jedoch mit merklich gereiftem Songwriting . Dazu passt auch, dass diese Platte des zertifizierten Travelers Kenny Wayne, der beständig auf Achse/Tour zu sein scheint, wie eine Bilanz seines bisherigen Schaffens wirkt. Er ist einerseits nicht mehr die große Nachwuchshoffnung einer zunehmend kleiner werdenden Szene, andererseits auch noch kein Elder Statesman. KWS hält als Neo-Traditionalist die blaue Flamme am brennen – und wirkt dabei zwar routiniert, jedoch noch immer begeistert.
Die 10 Songs auf „The Traveller“ – 8 Eigenkompositionen und zwei sehr gelungene Cover,
„Turn To Stone“(Joe Walsh) und   „Mr. Soul“ (Buffalo Springfield) – sind dann auch durch die Bank genau die richtige Musik zum Cruisen kurz bevor der Sommer ankommt…

Mittwoch, 29. Mai 2019

HELMUT NEWTON – 20 JAHRE SUMO

Verleger Benedikt Taschen mit Helmut Newton und dem Sumo auf dem von Philippe Starck designten Tisch
 Köln 7. Juli 1999

Credit Bild: © Alice Springs      Taschen Verlag
Einer der profiliertesten und prominentesten Kunst- und Fashionfotografen, eine bis dato nicht dagewesene, mehrere Jahrzehnte umspannende Werkschau, eine ungemein stylische Aufmachung sowie ein renommierter Designer, der eine eigenen Buchständer entwarf – der 1999 veröffentlichte Helmut Newton Sumo-Bildband war das erste Buch seiner Art und ein Werk der Superlative. Erschienen ist es im Kölner Taschen Verlag, der damit einen der wichtigsten Meilensteine auf seinem Weg zu einem der hippsten Verlagshäuser legte.

Das SUMO-Exemplar #1, handsigniert von über 100 der in dem Buch abgebildeten Celebrities, brach den Rekord für das teuerste Buch des 20. Jahrhunderts - bei einer Auktion in Berlin kam es für gut €317,000 an den Meistbietenden.
Die erste Auflage des Ur-Sumos belief sich auf exakt 10.000 signierte und nummerierte Exemplare, die allerdings schon kurze Zeit nach dem Release restlos ausverkauft waren.
Dass dies wirklich eine neue Art von Buch war, zeigt unter anderem der Fakt, dass sich ein Exemplar des Sumo in vielen bedeutenden, internationalen Kunst-Sammlungen findet – u.a im  Museum of Modern Art in New York.
Abseits all dieser fraglos beeindruckenden Daten bleibt der Sumo aber auch heute noch die Retrospektive auf das Schaffen dieses großen Fotokünstlers.
Der 1920 als Helmut Neustädter in Berlin geborene und 2004 in Los Angeles bei einem Autounfall verstorbene Fotograf war über Jahrzehnte einer der meistgefragten Vertreter seiner Zunft. Die markante Mischung aus vorwiegend kontrastreich-atmosphärischem Schwarzweiß, dem glamourös-unterkühlten Styling der abgelichteten Frauen und den wiederkehrenden sado-masochistischen (Unter-)tönen brachte Alice Schwarzer auf die Barrikaden und fasziniert seine Fans bis heute. Denn Newton ist schlichtweg Kult, seine expressive, geradezu filmreife Bildsprache wurde selbst zur Marke- und beeinflusste zahllose Fashion-Fotografen nach ihm.

Genau 20 Jahre später wird der Sumo nun neu aufgelegt  – überarbeitet von der Witwe des Fotografen, June Newton, sowie einem Making Of-Booklet, das die Entstehung des trendsettenden coffee table-Werks nachzeichnet – sowie einem eigenen Buchständer zur Drapierung im eigenen Loft oder Wohnzimmer.

Passend zu diesem Jubiläum startet kommenden Monat in der Helmut Newton Stiftung in Berlin eine Ausstellung mit Schlüsselwerken aus dem Sumo– damit man sich die legendären "Big Nudes" auch in Überlebensgroße anschauen kann.

Wann & Wo ?
Ab 6. Juni 2019
Helmut Newton Stiftung
Jebensstraße 2
10623 Berlin-Charlottenburg
Credit Coverbild: © Helmut Newton Taschen Verlag
Helmut Newton. SUMO. Revised by June Newton
Hardcover mit Begleitheft und Buchständer, 26,7 x 37,4 cm, 464 Seiten
ISBN 978-3-8365-1730-0 
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch

Dienstag, 28. Mai 2019

Ethan A. Russels LET T BLEED – Die Rolling Stones, Altamont und das Ende der Sixties

Credit Coverbild:© edel books  Ethan A. Russell
Es war das dunkle Gegenstück zum personifizierten Hippietraum Woodstock: Das Altamont Festival, an dessen Höhepunkt die Rolling Stones spielten und das im Chaos und mit einem ermordeten Menschen endete: beim eigentlich friedlich geplanten Konzert-Event wurde fatalerweise die Bikergang Hells Angels als Security angestellt, die beim Auftritt der Steine den jungen Konzertzuschauer Meredith Hunter erstach. Ein Ereignis, das zusammen mit den durch Anhänger von Charles Mansons "Family" verübten Tate-LaBianca-Morden zum Sinnbild für das Ende der optimistischen Sixtes wurde.
Der Bildband „LET T BLEED – Die Rolling Stones, Altamont und das Ende der Sixties“ von Fotograf Ethan Russel ist die Chronik der Ereignisse vom nordkalifornischen Altamont Speedway vom 6. Dezember 1969 – und  mehr. Denn es geht hier  wie  Untertitel bereits verrät nicht "nur" um jenes Konzert der Stones sondern generell auch um die die 60er und wie die Dekade des Wassermanns ins Dunkelheit endete.

Hauptdarsteller sind jedoch die Stones in ihrer absoluten Hoch-Phase. Im Jahr zuvor (1968) war „Beggars Banquet“ erschienen, eines der Hauptwerke der Band, das nicht nur endgültig das Songwriter Duo Jagger-Richards als treibende Kraft etablierte sondern auch den Stones-Sound zementierte - aus der Beatband "The Rolling Stones" waren „The Stones“ geworden. Es war jene Zeit als ein Klassiker-Album nach dem anderen herauskam und die Stones schlicht "untouchable" waren. 
Dass man in Russels eindringlichen Aufnahmen die Band im Zenit sieht, ist einer der Punkte, die diesen Bildband so faszinierend machen. Russel zählt zu den ganz großen Rock N´Roll Photographers, jener Zunft die ohne große Hilfsmittel und moderne Spielereien heute als klassisch geltende Aufnahmen der Legenden festhielten und den Mythos und die Ikonographie des Rock maßgeblich mitprägten. Die hier gezeigten Aufnahmen zählen dann auch zu den großen Momenten dieses Subgenres der Fotokunst.

Dieses Buch ist aber nicht nur wegen dieser Bilder so spannend, sondern auch weil es sich eben nicht damit begnügt "nur" ein hochwertiger coffee table-Schmöker zu sein. Unzählige Augenzeugenberichte und eine ausführliche Textchronik der Ereignisse des "End of the Sixties"  machen"Let It Bleed" zu einem der besten und mitreissendsten Bände über diese Zeit.

Freitag, 24. Mai 2019

MANDOKI SOULMATES – WINGS OF FREEDOM

Credit Coverbild: © Red Rock Production  Sony Music Entertainment
Will ein Live-Konzert ewig in Erinnerung des Publikums bleiben, so muss es im wahrsten Sinne des Wortes eine Show sein, ein emotional berührendes  Spektakel , ganz gleich ob es dies durch die Intensität einer intimen Performance oder einen sensorischen Overkill erreicht. Dieses eiserne Gesetz des Showbusiness hat László Mándoki, den die Weltöffentlichkeit vor allem seit dem Eurovisions Songcontest-Auftritt von Dschingis Khan anno 1979 als Leslie Mandoki kennt, verinnerlicht . Es ist dies auch jene Maxime nach denen die Liveshows seiner All Star-Gruppe Soulmates seit gut 25 Jahren funktionieren; mit wechselnden jedoch stets hochkarätigen Besetzungen und Gästen zelebriert Mandoki getreu dem Spirit der 60er und 70er eine grenzenlose Form des Musikertums, das so gut wie alle Stilrichtungen umfasst.

Sein heute neu veröffentlichtes Konzert-Dokument "Wings Of Freedom"  ist dann auch ziemlich überbordend ausgefallen: Collectors-Aufmachung im Schuber und gleich zwei Blu rays: Ein Umfang den es auch braucht , denn hier gibt es gut 7 Stunden (!) Material zu sehen. Aufgenommen wurde es mit 16 Kameras bei einem Gig im Konzerthaus Berlin, zusätzlich gibt es eine ganze Reihe von  Ausschnitten aus früheren Konzerten in Paris, London, Budapest, New York. Es ist ein Bonus der nicht bloß eine nette Zugabe ist, gerade hier verstecken sich einige der Juwelen.
Die aufgefahrene Starpower unter den Gästen Mnadokis ist jedenfalls immens: Ian Anderson (Jethro Tull), Jack Bruce (Cream), Bobby Kimball (Toto), David Clayton-Thomas (Blood, Sweat & Tears), Al Di Meola, Chaka Khan, Greg Lake (Emerson, Lake & Palmer), Randy Brecker, Bill Evans, Till Brönner, Klaus Doldinger (Doldinger’s Passport), Cory Henry, Mike Stern, Nick van Eede (Cutting Crew), Chris Thompson (Manfred Mann´s Earth Band), John Helliwell (Supertramp), Nik Kershaw, Tony Carey (Rainbow), Mark Hart (Crowded House), Peter Maffay, Midge Ure (Ultravox), Piero Mazzocchetti, Aura Dione, Anthony Jackson und Julia Mandoki....
Auch wenn bei einem so vielfältigen Lineup natürlich nicht jedes Duett oder jeder Jam zu 100% funktioniert - doch wie Mandoki scheinbar völlig mühelos zwischen den Genres changiert und vom Jazz zum  Rock hin zum Pop wechselt, das beeindruckt auch im Heimkino.

Im Herbst kann man Mandoki by the way auch wieder persönlich live sehen, denn da geht er mit seiner "Hungarian Pictures“-Konzertreihe auf Tour:

31.10.2019     Laeiszhalle - Hamburg
07.11.2019     Circus Krone – München
08.11.2019     Konzerthaus – Dortmund
09.11.2019       Konzerthaus – Berlin

Mittwoch, 22. Mai 2019

MICHAEL LANG - WOODSTOCK. Die wahre Geschichte.Vom Macher des legendären Festivals

Credit Bild: © edel books
Vor 50 Jahren fand im New Yorker Stadtteil Bethel der Höhepunkt der Hippie-Bewegung statt:  „Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarius Exhibition – 3 Days of Peace & Music", wie das Ereignis mit vollständigem Namen hieß, brannte sich dank legendärer Performances von Jimi Hendrix, Santana, The Who oder Ten Years After sowie einem oscar-prämierten Dokumentarfilm ins kollektive kulturelle Gedächtnis ein und wurde zu dem archetypischen Musik-Event schlechthin.
Heute, 5 Jahrzehnte später, ist noch immer fraglich ob die von Pleiten,Pech & Pannen verfolgte  2019er -Neuauflage mit merkwürdig anmutendem Lineup (Legends der Sixties neben Jay-Z und Miley Cyrus) stattfinden wird - was aber eigentlich keine große Rolle spielt. Denn die Idee von Woodstock ist so unsterblich wie unwiederholbar - den Spirit von einst kann man schlicht nicht zurückholen. Denn immerhin nahm das Festival schon kurze Zeit nach jenen drei Tagen im August ´69 mythische Züge an und war das größte und vielleicht letzte positive Medien-Ereignis der damals noch recht jungen Counterculture und Rock-Szene.

Nicht nur dem Jubiläum sondern auch der immensen Bedeutung Woodstocks ist es denn auch geschuldet, dass sich heuer die Releases zu diesem Thema geradezu überschlagen. Eines der definitiven Bücher zu diesem Thema ist gut 10 Jahre nach der englischen Erstausgabe nun bei edel books auf deutsch neu aufgelegt worden: der Inside-Bericht über das Happening, geschrieben von jener Person, die es am besten wissen muss-  Organisator Michael Lang.
Lang und seine Co-Autorin Holly George-Warren bedienen  sich dabei einer Mischform der zwei populärsten Stilistiken der Rock N´Roll-Literatur: der oral history mit Statements von Celebs der Sixties-Szene und den persönlichen Erinnerungen Langs als Erzähler seiner  eigenen Geschichte. Das sorgt einerseits dafür, dass sich die 384 Seiten des Buchs überaus flüssig lesen und zollt andererseits den unterschiedlichen Sichtweisen, die so ein Mega-Event mit zig Beteiligten zwangsläufig mit sich bringt, Tribut.
Tatsächlich ist Langs Buch ein wesentlicher Puzzle-Teil, wenn man nachvollziehen möchte, was genau bei diesem singulären Ereignis passierte. Denn auch "back in the day" war nicht alles Love & Peace und Musik war schon damals auch ein knallhartes Business.
Bei all dem nicht den Grundgedanken des Festival zu vergessen - ein Kunststück; auch angesichts der organisatorischen Herausforderungen, die dank eines des riesigen Besucherzustroms immens waren (gut 60.000 Musikfans wurden von den Veranstaltern erwartet, je nachdem welchem Bericht man Glauben schenkt machten sich jedoch fast eine Million Hippies auf den Weg zum Festivalgelände. Ein totaler Verkehrskollaps war die Folge, die Anreise wurde zum  Chaos, am Schluss erreichten schätzungsweise 400.000 Personen das bald durch starke Regenfälle im Schlamm versinkende Gelände).
Wie Woodstock von der  so naheliegenden wie genialen Idee zum Kultur-Ereignis einer neuen Generation wurde ist jedenfalls eine überaus spannende Story - die nicht nur im Jahr des Jubiläums lesenswert ist.

MICHAEL LANG -  WOODSTOCK. Die wahre Geschichte.Vom Macher des legendären Festivals
384 Seiten, Format: 13,5 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-8419-0646-5
Einbandart: Hardcover mit Schutzumschlag

Dienstag, 21. Mai 2019

ROB THOMAS – CHIP TOOTH SMILE

Credit Coverbild: © Atlantic / Warner 
Mit seinem äußerst eigenwilligen Timbre zählte Rob Thomas zweifelsohne zu den interessanteren Stimmen der späten Neunziger und frühen Zweitausender-Jahre. Mit seiner damaligen Band Matchbox Twenty gelang es ihm überdies sich als  Proponent einer auch heute noch weitgehend unpeinlichen Schiene des  Alternative Rocks der Noughties zu etablieren. Im Auge des Mainstreams ist seine Karriere dennoch vor allem auf eine einzige Single reduziert: die Hit-Kollaboration mit Carlos Santana bei „Smooth“. Es ist unter diesem Gesichtspunkt schon originell, dass sein neues Album „Chip Tooth Smile“ just in jenem Jahr erscheint in dem dieser Song 20 Jahre alt wird und in dem auch der mexikanische Gitarren-Großmeister einen neuen Longplayer ankündigt. Dem Gedanken vom karrierebestimmenden Moment dieses Duetts kann man sich also nicht wirklich erwehren…

Abgesehen von dieser Fußnote geht Thomas jedoch schon seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit seinen Solopfad entlang, den nun auch sein mittlerweile 4. Studioalbum säumt. Der lässige Titel und das Albumcover sind natürlich prädestiniert dafür, Assoziationen zu den Stones und Bruce Springsteen zu wecken. Doch schon der erste Track und auch die folgenden Nummern verdeutlichen, dass sich Thomas  meilenweit entfernt vom Heartland des Rock N´ Roll befindet: Statt krachender Oden auf die niemals endende Samstagnacht oder die Vertreter der Kaste des Salz der Erde dominieren auf „Chip Tooth Smile“  zeitgenössische Pop-Sounds. Dabei wird so gut wie kein Klischee und kein Versatzstück aus dem Baukasten der gefälligen Mainstream-Hymne ausgelassen, die großen Gefühle sie müssen kommen … und zwar so spontan wie aus der Atocue.
All dies ist zwar extrem druckvoll und modern produziert, wirkt jedoch eben reichlich forciert. Der beliebige Stadion-Sound lässt den Zuhörer denn mehr als einmal denken: Oh nein, auch du, Robert….. denn das Ganze erinnert frappierend an die großen Kommerzialisten aus Dublin und ihre nicht geringe Anzahl an Epigonen.
Dass Rob Thomas mehr als das hier Gezeigte innewohnt, offenbart sich nur beim solitären fetzigen Track „I Love It“ in dem ein cooles Pentatonik-Riff den Takt vorgibt, jedoch von einer Wall Of Sound modernistischer Pop-Glasur beinahe begraben wird. Ein „Chip Tooth Smile“, also das Lächeln mit einem abgebrochene Zahn klingt zwar nach Rebellion, doch  bei diesem Album überwiegt der „middle of the road“-Einheitsbrei.

Mittwoch, 15. Mai 2019

KUNST-EVENT: ALBERT OEHLEN SIGNIERT SEINE RETROSPEKTIVE IN HAMBURG

Credit Bild: © Albert Oehlen  Taschen Verlag
„Freiheit bedeutet für mich Spielen. Es bedeutet nicht, in einer Leere zu sein oder
verrückte Bewegungen auszuführen, sondern mit den eigenen Regeln zu spielen.“
— Albert Oehlen

An dieses selbst aufgestellte Motto vom Spiel mit persönlichen Regeln hielt sich der 1954 in Krefeld geborene Kunststar Albert Oehlen, einer der Vorreiter der „neuen Wilden“ der early 80s mit einer bemerkenswerten Konsequenz.
Betrachtet man das wechselvolle Schaffen des Neo-Expressionisten fällt tatsächlich als Hauptkonstante vor allem ein stetes „Sich-Neuerfinden“ auf. Das macht die Gesamtheit der Gemälde, Installationen und Objekte Ohelens, die zwischen den beiden Polen bunter Abstraktheit und postmoderner Pop Art-Ästhetik changieren, zwar nicht zu den am leichtesten zugänglichen Ouvres der modernen Art-Szene, sicherte ihm jedoch fraglos einen Platz bei den faszinierendsten Künstlern unserer Zeit.

Nun ist ihm, der sein Schaffen einmal als „postungegenständlich“ bezeichnete, eine ausladende Retrospektive gewidmet – eine großformatige Werkschau aus dem Taschen Verlag. Und genau diese wird  Oehlen persönlich in Kürze in Hamburg signieren -also #savethedate

SIGNIERSTUNDE am 
Montag, 27.Mai 2019 
17:00-18:00
Taschen Store Hamburg 
Bleichenbrückengasse 1-7)
Albert Oehlen
Credit Bild: © Albert Oehlen  Taschen Verlag

Credit Bild: © Albert Oehlen  Taschen Verlag


Credit Bild: © Albert Oehlen  Taschen Verlag

Montag, 13. Mai 2019

CHRISTOPHER FRAYLING – ONCE UPON A TIME IN THE WEST Shooting A Masterpiece


Credit Bild: © Angelo Novi   Reel Art Press
Im Gespräch unter Cineasten kommt garantiert und unweigerlich irgendwann eine ganz bestimmte Frage: Welcher ist eigentlich dein Lieblingsfilm? So lapidar diese cinephile Interrogation erscheinen mag, so unlösbar ist sie für all jene die sich ernsthaft mit dieser Kunstform auseinandersetzen: Denn streng genommen ist  diese Frage unmöglich zu beantworten: Wie soll man genre-übergreifend  nur einen einzelnen Streifen auswählen, wie eine perfekte Komödie Billy Wilders gegen einen vollendeten Suspense-Thriller Alfred Hitchcocks „antreten“ lassen ? Eine schwierige Sache also - doch ungeachtet all dieser Überlegungen: müsste ich mich für einen einzigen Filme entscheiden, der für mich persönlich die Magie des Kinos wie kein anderer exemplifiziert und alle Aspekte in sich vereint, die „Cinema“ ausmachen, so käme wohl Sergio Leones opernhafter Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ aka „Once Upon A Time In The West“ aus dem Jahre 1968 diesem Ideal am nächsten.
Wenige Filme schlugen mich vom ersten Ansehen weg so in ihren Bann und faszinierten mich in weiterer Folge so nachhaltig wie dieser Höhepunkt des Spaghetti Western-Genres: Die überlebensgroße Inszenierung, die  ikonische Musik (Morricone), die tollen Performances(Bronson, Robards, Fonda, Cardinale…), einfallsreiche Szenen, die einem für immer im Gedächtnis bleiben (das lange Warten auf „Harmonika“ bei der Bahnhofs-Sequenz am Beginn, der „Galgen“ am Torbogen….), die künstlerische ästhetische Gestaltung (die stylischen Staubmäntel). -  nach Leone war im ur-amerikanischen Genre des Western alles gesagt, der Italiener hatten für meine Begriffe den definitiven Film über den Mythos des Westens gedreht. 
Credit Bild: © Angelo Novi   Reel Art Press
Nun, nicht ganz ein Jahr nach dem eigentlichen Jahrestag der Uraufführung erscheint die „Festschrift zum Anniversary“ beim Kunstbuch-Verlag Reel Art Press: eine in beeindruckender Weise allumfassende Chronik dieses Kultfilms, in dem so gut wie jeder Aspekt der Schaffung dieses Meisterwerks beleuchtet wird. Autor ist einer der führenden Kulturwissenschaftler unserer Zeit, der Brite Christopher Frayling.
Sir Christopher ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Italowestern, der schon mit „Spaghetti Westerns,Cowboys and Europeans“ und der definitiven Leone-Bio „Something To Do Wth Death“ Referenzwerke zum Thema verfasste. So umfangreich diese Vorgänger waren, mit dem monothematischen „Shooting A Masterpiece“ schafft er es, die äußerst lesenswerten Vorgänger noch zu ergänzen und so ein weiteres Standardwerk auf wissenschaftlichem Niveau vorzulegen. Denn dieses coffee table-Buch ist nicht „nur“ ein  schön anzusehender Bildband, der zahlreiche rare „Behind The Scenes“-Shots, Produktionsskizzen & Co. vereint. Entgegen dem Trend bei solchen Prestige-Büchern ist der Text hier nämlich mindestens  gleichbedeutend bzw. übersteigt in einigen Kapiteln sogar den Bild-Anteil.
 
Credit Coverbild: ©  Reel Art Press
Dass man es hier nicht mit einem „normalen“ Filmbuch zu tun hat, zeigt sich dem Leser bereits ganz zu Beginn, beim äußerst lesenswerten  Vorwort: dieses  stammt von niemand geringerem als Regie-Superstar und Leone-Anhänger Quentin Tarantino. Im Gegensatz zu anderen  Promi-Vorworten ist dieses „Preface“, das auf einer extensiven Konversation Fraylings mit Tarantino in dessen Privatkino basiert, eine seitenlange, leidenschaftliche Brandrede für das Genie Leones. Ebenso passioniert ist auch der Rest des Buches ausgefallen: Frayling recherchierte extensiv und  führte über die Jahrzehnte zahlreiche Interviews – u.a. mit Martin Scorsese, Bernardo Bertolucci, Dario Argento, John Carpenter und John Milius - die alle in „Shooting a Masterpiece“ einfließen und zusammen mit der Analyse aller Bestandteile des Films – vom Script zu den Kostümen über geschnittene Sequenzen hin zu den Locations und Morricones Score – ein extrem komplettes Bild ergeben. Der Leser ist auch dank herrlicher Shots von Leone bei Regieanweisungen quasi beim „Making Of“ von „Spiel mir das Lied vom Tod“ dabei.
Selbst wer sich – so wie ich - schon jahrzehntelang mit dem „cinema al italiana“ beschäftigt wird diesen Band, der eines der faszinierendsten Filmbücher der letzten Jahre darstellt, nicht so schnell weglegen
  
CHRISTOPHER FRAYLING – ONCE UPON A TIME IN THE WEST Shooting A Masterpiece
ISBN: 978-1-909526-33-4;336pp; hardback; 290 x 245mm / 11.5 x 9.5 in
https://www.reelartpress.com/

Freitag, 10. Mai 2019

WHITESNAKE - FLESH & BLOOD

Credit Bild: © Katarina Benzova   Frontiers Music Srl
Kreischend preschen die Gitarren aus den Boxen, als ob die Erfindung des Floyd Rose-Vibratosystems erst wenige Jahre zurückliegen würde. Libidinös ist die Lyrik des Sängers als wäre er erst vor kurzem als junger Mann bei Deep Purple eingestiegen. Archaisch wirken die Songs als hätte es die Trends der Neunziger & Zweitausender-Jahre schlichtweg nicht gegeben. Ja, das gerade neu erschienene Whitesnake-Album „Flesh & Blood“ (das übrigens trotz dieses Titels und der offensichtlichen 80er-Bezüge kein verschollener Soundtrack zu Paul Verhoevens Proto-„Game Of Thrones“-Film gleichen Namens ist ...) wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen – und wird allen Old School-Rockern wohl gerade deshalb gefallen. 

Ist es doch genau jener Anachronismus, der im Hinblick auf die immer weichgespültere aktuelle Rockmusik und wenig kreative Mainstream-Charts alles andere als negativ zu betrachten ist. Vielmehr ist es genau diese Haltung auf der mittlerweile 13. Platte der weißen Schlange sowie die gekonnt platzierten Querverweise auf die glorreiche Vergangenheit, die dieser CD ihren Spirit verleihen. Schon das Cover spielt mehr offensichtlich denn dezent auf das vor genau 30 Jahren releasede „Slide It In“-Album an (damals mit Steve Vai an der Ibanez). Und auch im Musikvideo zur ersten, in keinster Weise von #metoo angekränkelten Single „Shut Up And Kiss  Me“ wurden Coverdales 80er Seiden-Blazer und sein weißer Jaguar aus dem MTV-Hitvideo „Here I Go Again“ entmottet bzw. entwintert (auf Model Tawny Kitaen, das sich dereinst auf besagtem Sportwagen räkelte wurde allerdings verzichtet…). 
Credit  Coverbild: © Frontiers Music Srl
Auch musikalisch könnten die neuen Lieder von „Flesh & Blood“ abgesehen vom zeitgenössischen Produktionsstil auch Outtakes früherer Scheiben sein.
Wie konsequent hier der ganz spezielle Whitesnake-Hard Rock anno 2019 gepflegt wird, täuscht natürlich ein wenig darüber hinweg, dass man hier kein neues „Still Of The Night“ vorfindet und die  Songs zwar handwerklich tadellos routiniert, jedoch eher derivativ wirken: von der obligatorischen Seufz-Ballade zum Mid-Tempo-Stampfer hin zum  hormonell überbordenden Rocker ist das alles aus dem Standard-Repertoire einer Band im 40. Jahr ihres Bestehens gegriffen. Dass trotz der Gastauftritte von Ex-Whitesnake Gitarrero Bernie Marsden bei Liveshows die Blues-Bezüge wieder einmal nur in homöopathische Dosen zu finden sind, wird die ganz langjährigen Fans zudem wohl etwas enttäuschen. Denn Coverdale ist nach wie vor in bemerkenswerter stimmlicher Form, wie gern würde man ihn mal in diesem Genre hören. Ungeachtet dessen, muss man als Zuhörer jedoch konstatieren, dass Coverdale & Co. hymnische, catchy Refrains und Hooks noch immer ziemlich locker aus dem Ärmel schütteln – insofern bieten die mehr als soliden neuen Songs guten Fan-Service, der angenehmerweise gegen den Strom des Zeitgeists schwimmt. 

Mittwoch, 8. Mai 2019

GEAR REVIEW: EARTHQUAKER DEVICES COLBY FUZZ SOUND

Seit dem Start von 6strings24frames sind sie ein wiederkehrender Fixpunkt: die Features über die großen Klassiker des Rock/Roots-Genres und die Legenden, die diese Musik schufen sowie die Instrumente, die sie einst verwendeten um diese unsterblichen Sounds auf Tape zu bannen. Doch wie kann man sich  anno 2019 diesen Sounds annähern und welche ungewöhnlichen Geräte prägten seinerzeit den Klang der großen Aufnahmen? Fragen, die wohl die meisten Gitarren-Aficionados, die wie Indiana Jones einem unerreichbar scheinenden Gral nachjagen, umtreibt. Und da nicht alle Equipment-Erkenntnisse so eindeutig sind, wie dass man für das „Sweet Child O´Mine“-Intro wohl eher keine Strat nimmt, wird das Spektrum der Site nun um Gear Reviews erweitert: ein Spotlight auf spezielles Equipment, das einen bei der Suche nach tonalem Nirvana näher zum perfekten Setup bringen kann.

Den Anfang macht ein Pedal aus dem Hause Earthquaker Devices (EQD), einer Boutique Schmiede aus Akron,Ohio, die mit dem „Colby Fuzz“ eine Neuauflage eines ultra-raren  Tonebender-Style Fuzz herausgebracht haben. Das handgemachte Pedal im retro-tastischen Look teleportiert uns direkt in die Zeit des britischen (Blues-)Rock-Booms und ist damit mehr als passend zum 50th-Anniversary des ikonischen Jahres 1969 - jenem Jahr, in dem nicht nur die ersten Platten eines gewissen bleiernen Zeppelins veröffentlicht wurden sondern in dem auch eines der Events der Hippie-Counterculture stattfand. Und was  schreit mehr „SIXTIES!“ als die archaischen Fuzz Pedale, die mit ihrem Krächzen zahllose Aufnahmen dieser Zeit dominierten ? Eben…

Am Anfang war das Fuzz…In der  Frühzeit des verzerrten Gitarrensounds hatten Musiker noch keine unüberschaubare Anzahl an Distortion-Pedalen zur Verfügung und selbst die Verstärker Jim Marshalls waren damals noch nicht darauf ausgelegt extremere Formen der Verzerrung zu produzieren. Die eigentlich unbeabsichtigte Erfindung des Fuzz-Effekts kam da gerade recht und sollte in weiterer Folge den Sound einer ganzen Ära entscheidend mitprägen. Seine Wurzen hatte dieser „pelzige“ Effekt, der stets so ungebürstet wie ein Bürgerschreck daherkam bei einer Session des bekannten Rockabilly-und Country-Gitarristen Grady Martin. Der spielte seinen Bass bei den Aufnahmen einer klassischen Country-Ballade von Marty Robbins („Don´t Worry“ aus dem Jahre 1961) direkt ins Mischpult. So weit so gut, doch besagtes Pult hatte einen Makel - es war nämlich kaputt. Das Endergebnis: ein brummender Sound, wie von einem Schwarm wildgewordener Honigbienen. Das  Bass-Solo blieb letztlich auf der Aufnahme und sorgte aufgrund seines mehr als ungewöhnlichem Klangs für großes Aufsehen. Bald schon wollte man diesen Sound schnell und einfach reproduzieren -  die Genesis des Fuzz-Pedals war damit perfekt:  Neben dem frühen „Maestro Fuzz“, das Keith Richards einst auf „Satisfaction“ unsterblich machte und dem späteren Fuzz Face (Hendrix!) wurden vor allem die britischen „Tonebender“-Geräte zum  Must Have der damaligen Zeit.

Der Schaltkreis jener urtümlichen Verzerrer durchlief zwar binnen weniger Jahre zahlreiche Veränderungen und wurde von einer unübersichtlichen Anzahl unterschiedlicher Hersteller gefertigt, gemein war jedoch so gut wie allen Inkarnationen des Tonebenders ein charakteristischer leicht nasaler Sound bei dem fast alle Frequenzen überbetont wurden: donnernde, dennoch relativ stabil bleibende Bässe, sehr präsente Hochmitten und bei Bedarf stechender Treble. Ein Klang, der vielen der heißesten neuen Gitarren-Helden gefiel und so fanden sich jene Geräte bald zu den Füßen von Jeff Beck, Jimmy Page oder auch Bowie-Gitarrero Mick Ronson wieder.
Ein sehr seltenes Exemplar jener Gattung wurde in den 60s auch von Jim Marshalls Firma Park Amplification gefertigt: das „Park Fuzz Sound“, ein Pedal, das heute meist nicht mal auf „Reverb“ oder ebay zu finden ist. Doch da das Park-Label, eine unter Kennern hochgeschätzte Marke, vor einiger Zeit vom Ex-Marshall Mitarbeiter Mitch Colby reanimiert wurde, kam es auch zu einer Kollaboration mit EQD in dessen Folge dieses relativ obskure Fuzz neu aufgelegt wurde. Wer auf einen charaktervollen Vintage-Fuzz-Sound steht u, kann sich nun also eine moderne Version einer Rarität aufs Board holen.

Wie bei Boutique Pedalen üblich verbirgt sich im Karton des Colby Fuzz netter „Candy“ in Form eines Stickers und einem Plektrum sowie einem an einen Juwelier erinnernden  Stoffsäckchen zum Schutz. Das sehr leichtgewichtige, jedoch solide verarbeite Gerät kommt vintage-korrekt mit nur drei Reglern aus: einmal Volume, ein Tone Regler  zur Betonung der Bass oder Treble-Frequenzen sowie der obligatorischen Fuzz-Regler, der den Grad der klanglichen Verheerung steuert - mehr braucht man in diesem Fall nicht um diverse Referenzsounds nachzustellen. Ein gleißendes, weißes Indikator-LED gibt als moderner Touch Auskunft darüber, ob das Pedal eingeschaltet ist. Im Inneren sorgen NOS Germanium Transistoren dafür, dass es klanglich zurück ins Swinging London geht.

Bei dieser Neuauflage handelt es sich jedoch nicht um eine sklavische Kopie eines alten Pedals sondern um eine zeitgemäße Interpretation mit einer Reihe sinnvoller Erweiterungen. Die auffälligste ist hierbei sicher die Gain-Range, denn  das neue Colby Fuzz hat wesentlich mehr Verzerrungs-Reserven in petto als das Vorbild. Das erweist sich vor allem dann als praktisch, wenn es nicht nur in Richtung Brit-Blues gehen soll, sondern man auch zeitgenössischen Riff-Rock zocken möchte. Zudem lässt sich das Pedal nicht nur per Batterie sondern auch problemlos via 9V Power Supply mit Saft versorgen. Schon beim ersten Einschalten fällt überdies auf, wie nebengeräuscharm das Gerät arbeitet.
Ein 100% auf dem Stand der Spätsechziger stehender Klon ist dieses Gerät also nicht, vergleicht man jedoch seinen Sound mit einigen Tonebender-Recordings der Sixties merkt man wie gewissenhaft die Jungs und Mädels von EQD hier gearbeitet haben und eine praxistaugliche, problemlos in moderne Rigs integrierbare Version designt haben. Letztlich wird hier nur in der Optik und beim Klang die reine Retro-Schiene gefahren. Und damit sind wir schon beim wichtigsten Part – dem Sound.

Sound-Clip #1 
Das obige Klangbeispiel (Signalkette: Gibson ES-335---Colby mit Gian auf 3/4----cleaner Plexi; später auch ein Schuss Delay) verdeutlicht schon, dass das Colby nicht unbedingt ein zurückhaltender Effekt ist. Selbst mit dem Fuzz-Regler auf Null wird dem Signal eine beträchtliche Menge knarzender, extrem fetter  Distortion hinzugefügt. Wenn man den Tone Regler nicht im extrem Linksanschlag auf eine Überbetonung der hohen Frequenzen stellt, weist das Colby in so gut wie jedem Setting einen äußerst hohen Cholesterinwert auf.
Mit Fuzz auf ca. 12 Uhr und einer Telecaster  sowie einem Amp britischer Prägung ist man geradewegs im Yardbirds-Territorium: Ein Klang, als würde der Amp explodieren, Single Note-lines bleiben extra lange stehen und weisen eine überdeutliche Tenorsaxofon bzw „cocked wah“-Färbung auf, Akkord-Riffs werden zur Fuzz-Wand. 
Tonebender-Pedalen eilt oftmals der Ruf voraus, dass sie nicht so gut mit dem Volume-Regler interagieren und „aufklaren“ wie bspw. Fuzz Faces.  Dies konnte ich beim Spielen nur bedingt feststellen. Zwar weist der „cleane“ -Sound nicht diese seidige Transparenz anderer Germanium-Fuzzes auf, der Verzerrungsgrad lässt sich aber doch relativ feinfühlig rausregeln – wer also binnen Millisekunden zwischen einem undurchdringlichen Schwall an Fuzz-Artefakten hin zu weniger verzerrten Klängen wechseln will, wird vom Colby nicht daran gehindert. Generell lässt sich so eine recht breite Klangpalette abrufen, die ihr in den  folgenden Soundclips nachhören könnt:

Sound-Clip #2
Telecaster, Plexi, silbernes Herco-Pick, Spiralkabel und ein paar Licks als wäre es ´69. 


Sound-Clip #3 
Humbucker-Sounds stehen als nächstes auf dem Programm. Bei den wimmernden Licks mit blauer Note kam eine Prestige DC Coupe Deuce mit TV Jones Classic Pickups in einen relativ wenig verzerrten Tweed Deluxe zum Einsatz. In den ersten Sekunden hört ihr den Grundsound, dann kommt das Colby hinzu.   


Sound-Clip #4 
Wie durchsetzungsfähig das Colby Fuzz in einem Bandkontext bzw. einem produzierten Track ist, zeigt das folgende Soundbeispiel: ein schneller Shuffle mit Dampframmen-Schlagzeug wie er typisch für die Sixties ist. Wieder kommt die Prestige DC Coupe zum Einsatz, diesmal allerdings in einen cleanen Plexi. Der Rhythmus-Part zeigt die höheren Treble Einstellungen des Colby, die Lead Parts demonstrieren das cremige Woman Tone-artige Sustain. Der Track vereint somit so gut wie alle Signature-Soundchakteristika dieses Pedals.  


Sound-Clip #5 
In Richtung kanadisch geprägtem Folk-Rock geht es beim finalen Clip. Beim Lead Part kamen erneut die Prestige mit den TV Jones-Pickups und ein Tweed Deluxe sowie ein Delay zum Einsatz, der räudige Sound ist das Ergebnis der höheren Gain-Settings des Colby.  



Fazit: Das Colby Fuzz ist eine gelungene Reinterpretation eines Vintage-Pedals, das den Retro-Sound mit modernen, sinnvollen Features ergänzt. Die verbiegende Vielseitigkeit ganz moderner Geräte kann (und will) das Colby zwar nicht erreichen, es ist jedoch in jeder Einstellung charaktervoll und nie eindimensional. Wer authentische Sitxies-Sounds zwischen Page, Beck und Morricone nachstellen will, sollte das Colby also unbedingt antesten - denn die Suche nach einem old school-Fuzz könnte mit dieser blauen Kiste für den ein oder anderen schon vorbei sein. 

Dienstag, 7. Mai 2019

IHRER ZEIT WEIT VORAUS: Die männlichen und weiblichen Pioniere des BAUHAUS


Credit Coverbild: ©  Taschen Verlag

Das legendäre Bauhaus wird heuer 100 - und passend zu diesem Anniversary ist ein in Kooperation mit dem Berliner Bauhaus-Archiv entstandener Prachtband erschienen. Dieser widmet sich allen Aspekten der 1919 von Walter Gropius gegründeten Kunst- und –Gestaltungsschule, deren wegweisende, visionäre Designs nicht nur ihrer Entstehungszeit (genau zwischen den zwei Weltkriegen) voraus waren sondern in weiterer Folge das ganze 20. Jahrhundert und den zeitgenössischen Modernitäts-Begriff geprägt haben: 
was heute oft als Funktionsmöbel bei IKEA & Co. steht, fand seinen Anfang in den ebenso reduzierten wie durchdachten Designs des Bauhaus. 
Eine nun neu erschienene, aktualisierte Ausgabe des ultimativen Bauhaus-Kompenidums lässt mit über 550 Abbildungen auf 400 Seiten die faszinierende und wechselvolle Geschichte hinter der Entstehung des Kultphänomens Revue passieren.

Doch das Bauhaus war nicht nur in Sachen Design wegweisend - auch was die Rolle der Frau anbelangt, wies es direkt in die Zukunft: unter den Schülern waren nämlich, auch kriegsbedingt sehr viele Frauen. Und diesen wenig bekannten, jedoch äußerst faszinierenden feministischen Pionierinnen  wird mit dem ebenfalls neu erschienenen Bildband "Bauhausmädels- A Tribute To Pioneering Woman Artists" ein Denkmal in Buchform gesetzt.
Während der Approach des 100 Jahr-Jubiläums-Bandes ein eher generalistischer ist, ergänzt das "Bauhausmädels"-Buch das Standardwerk um einige bemerkenswerte Facetten und liefert eine andere Sichtweise auf die ikonische Gestaltungsschule.
Credit Coverbild: ©  Taschen Verlag

Montag, 6. Mai 2019

HELMUT NEWTON – SUMO & WORK

Credit Coverbild: © Helmut Newton Taschen Verlag
Wenn die Bildsprache selbst zur Marke wird.
Bei Helmut Newton war bzw. ist das in einem Maße der Fall wie bei wenigen anderen.
Der 1920 als Helmut Neustädter in Berlin geborene und 2004 in Los Angeles bei einem Autounfall verstorbene Fotograf war über Jahrzehnte einer der meistgefragten Vertreter seiner Zunft. Die markante Mischung aus vorwiegend kontrastreich-atmosphärischem Schwarzweiß, dem glamourös-unterkühlten Styling der abgelichteten Frauen und den wiederkehrenden sado-masochistischen (Unter-)tönen brachte Alice Schwarzer auf die Barrikaden und fasziniert seine Fans bis heute.
Newton ist Kult, und dieser Status ist ungebrochen. Wie stark sein Einfluss ist, zeigt schon das Video zur Leider-Nein-ESC-Kandidatin Maruv aus der Ukraine --- oder ein Blick in beliebige, aktuelle Ausgaben der Vogue, ein Magazin für das er ja lange Zeit Editorials schoss. Egal ob Fotografin Camilla Akrans Teile einer  Alta Moda-Kollektion von Dolce & Gabbana - die als Hommage an Newton designt wurden - inszeniert oder Mert Alas & Marcus Piggot Topmodel Daria Werbowy in strenger Pose, als laszive Venus im Pelz im Park ablichten – an Newton kommt man einfach nicht vorbei.
Credit Bild: © Helmut Newton Taschen Verlag
Wer sich nun näher mit dem Meister und seinem ganz eigenen, einflussreichen und
gleichzeitig oftmals kontrovers diskutierten Stil beschäftigen will, der bekommt mit zwei Neuauflagen aus dem Hause Taschen die Möglichkeit eines Einstiegs in das Schaffen Newtons: auf der einen Seite steht der prestige-trächtige Klassiker "SUMO" mit eigenem Buchständer & Making Of-Heft und auf der anderen das kompakte "Work".  

Beide Bände liefern einen extensiven Überblick über das vielfältige Schaffen Newtons in unterschiedlichen Metiers: Von frühen Editorials (die alle einen speziellen kreativen Touch haben (wie z.B. ein Hitchcock-Zitat aus „North By Northwest“ ), ikonischen Fashion-Aufnahmen (wie etwa die 1925er Fotos in der ein Model „Le Smoking“ von Yves Saint Laurent trägt ) über die „Big Nudes“ bis hin zu den expressiven Portraits berühmter Persönlichkeiten (Gianni Versace, Luciano Pavarotti, Anthony Hopkins, Heinrich Harrer....).
Der Überblick, der hier gegeben wird, ist jedenfalls bei beiden coffee table-Bänden durchaus extensiv - der SUMO fungiert aufgrund des transparenten Buchständers jedoch nicht nur als Sammlerstück sondern auch als hipper Einrichtungsgegenstand für den Art-Fan.
Credit Coverbild: © Helmut Newton Taschen Verlag

Helmut Newton. Work
Françoise Marquet, Manfred Heiting
Hardcover, 21,2 x 27,3 cm, 280 Seiten, ISBN 978-3-8365-7422-8
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
Helmut Newton. SUMO. Revised by June Newton
Hardcover mit Begleitheft und Buchständer, 26,7 x 37,4 cm, 464 Seiten
ISBN 978-3-8365-1730-0 
Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch

Samstag, 4. Mai 2019

STAR WARS DAY May the 4th: Das Archiv der Kult-Trilogie

Credit Bild: © Taschen Lucasfilm

"Es war einmal in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts in einer gar nicht weit entfernten Galaxis..."

So oder so ähnlich könnte eine Rekapitulation der märchenhaften Erfolgsgeschichte von Regisseur George Lucas beginnen, der mit seiner Sternen-Saga vom immerwährenden Kampf "Gut gegen Böse" - also von den Jedi-Rittern gegen die Sith und das galaktische Imperium - einen gleichermaßen modern-futuristischen wie zeitlosen Mythos schuf. Ein Mythos der alters- und generationsübergreifend eine ungebrochene Faszination  ausübt -  außer Lucas gelang dies nur Tolkien und seinem Ringzyklus.
In jüngerer Vergangenheit hat dieses makellose Milliarden-Franchise um Luke Skywalker, Yoda, Obi-Wan Kenobi, Lord Vader & Co. zwar  durch eine wohlintendierte, jedoch missglückte Prequel-Trilogie, die neuen, noch schlimmeren Fortsetzungen sowie Substandard-Spinoffs wie „Rogue One“ oder die 2018er Han Solo-Story (der erste richtige Flop in der Geschichte von "Krieg der Sterne") ein paar Dellen abbekommen - doch all dies spielt beim gerade neu auf deutsch erschienenen „Star Wars Archiv“ aus der Filmreihe des Taschen Verlags überhaupt keine Rolle. die ausladende, schwelgerische Bildband-Retrospektive im Umfang eines Bantams, dreht sich nämlich nur um die kultige Classic Trilogy - also die Episoden IV -VI mit den SF-Klassikern  "A New Hope" , "The Empire Strikes Back" und "Return of the Jedi". Ewoks und Javas statt Jar Jar Binks lautet hier also die interstellare Devise.
Damit richtet sie sich zwar nicht ausschließlich, aber doch in besonderem Maße an alle alten Fans, die  so wie ich das Planetensystem des George Lucas in Kindheitstagen entdeckt haben.
Credit Bild: © Taschen Lucasfilm
Credit Bild: © Taschen Lucasfilm
Credit Bild: © Taschen Lucasfilm
 Waren schon die ähnlich gelagerten Releases über Pedro Almodóvar oder James Bond aus dieser Buchreihe sehr aufwendig, so ist dieser Band sogar noch eine Spur luxuriöser (und schwerer). Öffnet man die Schutzbox aus Karton, so offenbart sich einem ein wohlbekannter Anblick: der Galaxy-Shot mit dem seit 1977 jede Episode beginnt-  inklusive Sternenglitzer all over im Einband!
Das Star Wars-Archiv ist jedoch nicht nur ein Schmuckstück, das als stylischer Einrichtungsgegenstand durchgeht sondern auch ein extrem gehaltvolles und informatives Buch für Cineasten. Denn das Herzstück dieses in enger Kooperation mit George Lucas und Lucasfilm entstandenen Bandes ist ein extrem langes und äußerst ausführliches Interview mit dem visionären Regisseur und Schöpfer der Filmreihe.
Einen tieferen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Originaltrilogie hat man auch dank der zahllosen selten gezeigten Dokumente, Drehbuchseiten, Produktionsunterlagen, Konzeptentwürfe, Storyboards und unzähligen Fotos aus den Filmen und den Dreharbeiten selten bekommen. Der Herausgeber und Filmexperte Paul Duncan entwarf hier ein Kompendium mit der sich die gesamte Entwicklung dieses Kults nachvollziehen lässt - von den Inspirationen Lucas' zu den Skizzen hin zur schlussendlichen Realisation im Film.

Zwar ist dieses neue Star Wars-Archiv bei weitem nicht das erste bibliophile Werk über die Kult-Trilogie – doch durch seinen schieren Umfang wird man wohl die gesamte Galaxis vom Wüstenplaneten Tatooine bis zur Eiswelt Hoth durchsuchen können und kein besseres Buch über das Phänomen finden.
  
Bibliographische Angaben:
Das Star Wars Archiv: 1977–1983 von Paul Duncan
Hardcover, Halbleinen, 41,1 x 30 cm, 604 Seiten
ISBN 978-3-8365-6340-6, Ausgabe: Englisch