Montag, 13. Mai 2019

CHRISTOPHER FRAYLING – ONCE UPON A TIME IN THE WEST Shooting A Masterpiece


Credit Bild: © Angelo Novi   Reel Art Press
Im Gespräch unter Cineasten kommt garantiert und unweigerlich irgendwann eine ganz bestimmte Frage: Welcher ist eigentlich dein Lieblingsfilm? So lapidar diese cinephile Interrogation erscheinen mag, so unlösbar ist sie für all jene die sich ernsthaft mit dieser Kunstform auseinandersetzen: Denn streng genommen ist  diese Frage unmöglich zu beantworten: Wie soll man genre-übergreifend  nur einen einzelnen Streifen auswählen, wie eine perfekte Komödie Billy Wilders gegen einen vollendeten Suspense-Thriller Alfred Hitchcocks „antreten“ lassen ? Eine schwierige Sache also - doch ungeachtet all dieser Überlegungen: müsste ich mich für einen einzigen Filme entscheiden, der für mich persönlich die Magie des Kinos wie kein anderer exemplifiziert und alle Aspekte in sich vereint, die „Cinema“ ausmachen, so käme wohl Sergio Leones opernhafter Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ aka „Once Upon A Time In The West“ aus dem Jahre 1968 diesem Ideal am nächsten.
Wenige Filme schlugen mich vom ersten Ansehen weg so in ihren Bann und faszinierten mich in weiterer Folge so nachhaltig wie dieser Höhepunkt des Spaghetti Western-Genres: Die überlebensgroße Inszenierung, die  ikonische Musik (Morricone), die tollen Performances(Bronson, Robards, Fonda, Cardinale…), einfallsreiche Szenen, die einem für immer im Gedächtnis bleiben (das lange Warten auf „Harmonika“ bei der Bahnhofs-Sequenz am Beginn, der „Galgen“ am Torbogen….), die künstlerische ästhetische Gestaltung (die stylischen Staubmäntel). -  nach Leone war im ur-amerikanischen Genre des Western alles gesagt, der Italiener hatten für meine Begriffe den definitiven Film über den Mythos des Westens gedreht. 
Credit Bild: © Angelo Novi   Reel Art Press
Nun, nicht ganz ein Jahr nach dem eigentlichen Jahrestag der Uraufführung erscheint die „Festschrift zum Anniversary“ beim Kunstbuch-Verlag Reel Art Press: eine in beeindruckender Weise allumfassende Chronik dieses Kultfilms, in dem so gut wie jeder Aspekt der Schaffung dieses Meisterwerks beleuchtet wird. Autor ist einer der führenden Kulturwissenschaftler unserer Zeit, der Brite Christopher Frayling.
Sir Christopher ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Italowestern, der schon mit „Spaghetti Westerns,Cowboys and Europeans“ und der definitiven Leone-Bio „Something To Do Wth Death“ Referenzwerke zum Thema verfasste. So umfangreich diese Vorgänger waren, mit dem monothematischen „Shooting A Masterpiece“ schafft er es, die äußerst lesenswerten Vorgänger noch zu ergänzen und so ein weiteres Standardwerk auf wissenschaftlichem Niveau vorzulegen. Denn dieses coffee table-Buch ist nicht „nur“ ein  schön anzusehender Bildband, der zahlreiche rare „Behind The Scenes“-Shots, Produktionsskizzen & Co. vereint. Entgegen dem Trend bei solchen Prestige-Büchern ist der Text hier nämlich mindestens  gleichbedeutend bzw. übersteigt in einigen Kapiteln sogar den Bild-Anteil.
 
Credit Coverbild: ©  Reel Art Press
Dass man es hier nicht mit einem „normalen“ Filmbuch zu tun hat, zeigt sich dem Leser bereits ganz zu Beginn, beim äußerst lesenswerten  Vorwort: dieses  stammt von niemand geringerem als Regie-Superstar und Leone-Anhänger Quentin Tarantino. Im Gegensatz zu anderen  Promi-Vorworten ist dieses „Preface“, das auf einer extensiven Konversation Fraylings mit Tarantino in dessen Privatkino basiert, eine seitenlange, leidenschaftliche Brandrede für das Genie Leones. Ebenso passioniert ist auch der Rest des Buches ausgefallen: Frayling recherchierte extensiv und  führte über die Jahrzehnte zahlreiche Interviews – u.a. mit Martin Scorsese, Bernardo Bertolucci, Dario Argento, John Carpenter und John Milius - die alle in „Shooting a Masterpiece“ einfließen und zusammen mit der Analyse aller Bestandteile des Films – vom Script zu den Kostümen über geschnittene Sequenzen hin zu den Locations und Morricones Score – ein extrem komplettes Bild ergeben. Der Leser ist auch dank herrlicher Shots von Leone bei Regieanweisungen quasi beim „Making Of“ von „Spiel mir das Lied vom Tod“ dabei.
Selbst wer sich – so wie ich - schon jahrzehntelang mit dem „cinema al italiana“ beschäftigt wird diesen Band, der eines der faszinierendsten Filmbücher der letzten Jahre darstellt, nicht so schnell weglegen
  
CHRISTOPHER FRAYLING – ONCE UPON A TIME IN THE WEST Shooting A Masterpiece
ISBN: 978-1-909526-33-4;336pp; hardback; 290 x 245mm / 11.5 x 9.5 in
https://www.reelartpress.com/