Freitag, 10. Mai 2019

WHITESNAKE - FLESH & BLOOD

Credit Bild: © Katarina Benzova   Frontiers Music Srl
Kreischend preschen die Gitarren aus den Boxen, als ob die Erfindung des Floyd Rose-Vibratosystems erst wenige Jahre zurückliegen würde. Libidinös ist die Lyrik des Sängers als wäre er erst vor kurzem als junger Mann bei Deep Purple eingestiegen. Archaisch wirken die Songs als hätte es die Trends der Neunziger & Zweitausender-Jahre schlichtweg nicht gegeben. Ja, das gerade neu erschienene Whitesnake-Album „Flesh & Blood“ (das übrigens trotz dieses Titels und der offensichtlichen 80er-Bezüge kein verschollener Soundtrack zu Paul Verhoevens Proto-„Game Of Thrones“-Film gleichen Namens ist ...) wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen – und wird allen Old School-Rockern wohl gerade deshalb gefallen. 

Ist es doch genau jener Anachronismus, der im Hinblick auf die immer weichgespültere aktuelle Rockmusik und wenig kreative Mainstream-Charts alles andere als negativ zu betrachten ist. Vielmehr ist es genau diese Haltung auf der mittlerweile 13. Platte der weißen Schlange sowie die gekonnt platzierten Querverweise auf die glorreiche Vergangenheit, die dieser CD ihren Spirit verleihen. Schon das Cover spielt mehr offensichtlich denn dezent auf das vor genau 30 Jahren releasede „Slide It In“-Album an (damals mit Steve Vai an der Ibanez). Und auch im Musikvideo zur ersten, in keinster Weise von #metoo angekränkelten Single „Shut Up And Kiss  Me“ wurden Coverdales 80er Seiden-Blazer und sein weißer Jaguar aus dem MTV-Hitvideo „Here I Go Again“ entmottet bzw. entwintert (auf Model Tawny Kitaen, das sich dereinst auf besagtem Sportwagen räkelte wurde allerdings verzichtet…). 
Credit  Coverbild: © Frontiers Music Srl
Auch musikalisch könnten die neuen Lieder von „Flesh & Blood“ abgesehen vom zeitgenössischen Produktionsstil auch Outtakes früherer Scheiben sein.
Wie konsequent hier der ganz spezielle Whitesnake-Hard Rock anno 2019 gepflegt wird, täuscht natürlich ein wenig darüber hinweg, dass man hier kein neues „Still Of The Night“ vorfindet und die  Songs zwar handwerklich tadellos routiniert, jedoch eher derivativ wirken: von der obligatorischen Seufz-Ballade zum Mid-Tempo-Stampfer hin zum  hormonell überbordenden Rocker ist das alles aus dem Standard-Repertoire einer Band im 40. Jahr ihres Bestehens gegriffen. Dass trotz der Gastauftritte von Ex-Whitesnake Gitarrero Bernie Marsden bei Liveshows die Blues-Bezüge wieder einmal nur in homöopathische Dosen zu finden sind, wird die ganz langjährigen Fans zudem wohl etwas enttäuschen. Denn Coverdale ist nach wie vor in bemerkenswerter stimmlicher Form, wie gern würde man ihn mal in diesem Genre hören. Ungeachtet dessen, muss man als Zuhörer jedoch konstatieren, dass Coverdale & Co. hymnische, catchy Refrains und Hooks noch immer ziemlich locker aus dem Ärmel schütteln – insofern bieten die mehr als soliden neuen Songs guten Fan-Service, der angenehmerweise gegen den Strom des Zeitgeists schwimmt.