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Kreischend
preschen die Gitarren aus den Boxen, als ob die Erfindung des Floyd
Rose-Vibratosystems erst wenige Jahre zurückliegen würde. Libidinös ist die
Lyrik des Sängers als wäre er erst vor kurzem als junger Mann bei Deep Purple
eingestiegen. Archaisch wirken die Songs als hätte es die Trends der Neunziger
& Zweitausender-Jahre schlichtweg nicht gegeben. Ja, das gerade neu
erschienene Whitesnake-Album „Flesh & Blood“ (das übrigens trotz dieses
Titels und der offensichtlichen 80er-Bezüge kein verschollener Soundtrack zu
Paul Verhoevens Proto-„Game Of Thrones“-Film gleichen Namens ist ...) wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen – und wird allen
Old School-Rockern wohl gerade deshalb gefallen.
Ist es
doch genau jener Anachronismus, der im Hinblick auf die immer weichgespültere aktuelle
Rockmusik und wenig kreative Mainstream-Charts alles andere als negativ zu
betrachten ist. Vielmehr ist es genau diese Haltung auf der mittlerweile 13.
Platte der weißen Schlange sowie die gekonnt platzierten Querverweise auf die
glorreiche Vergangenheit, die dieser CD ihren Spirit verleihen. Schon das Cover
spielt mehr offensichtlich denn dezent auf das vor genau 30 Jahren releasede
„Slide It In“-Album an (damals mit Steve Vai an der Ibanez). Und auch im Musikvideo
zur ersten, in keinster Weise von #metoo angekränkelten Single „Shut Up And
Kiss Me“ wurden Coverdales 80er Seiden-Blazer
und sein weißer Jaguar aus dem MTV-Hitvideo „Here I Go Again“ entmottet bzw.
entwintert (auf Model Tawny Kitaen, das sich dereinst auf besagtem Sportwagen räkelte
wurde allerdings verzichtet…).
Auch
musikalisch könnten die neuen Lieder von „Flesh & Blood“ abgesehen vom
zeitgenössischen Produktionsstil auch Outtakes früherer Scheiben sein.
Wie
konsequent hier der ganz spezielle Whitesnake-Hard Rock anno 2019 gepflegt
wird, täuscht natürlich ein wenig darüber hinweg, dass man hier kein neues
„Still Of The Night“ vorfindet und die Songs zwar handwerklich tadellos routiniert, jedoch eher derivativ wirken: von der
obligatorischen Seufz-Ballade zum Mid-Tempo-Stampfer hin
zum hormonell überbordenden Rocker ist das alles aus dem
Standard-Repertoire einer Band im 40. Jahr ihres Bestehens gegriffen. Dass
trotz der Gastauftritte von Ex-Whitesnake Gitarrero Bernie Marsden bei
Liveshows die Blues-Bezüge wieder einmal nur in homöopathische Dosen zu finden
sind, wird die ganz langjährigen Fans zudem wohl etwas enttäuschen. Denn
Coverdale ist nach wie vor in bemerkenswerter stimmlicher Form, wie gern würde
man ihn mal in diesem Genre hören. Ungeachtet dessen, muss man als
Zuhörer jedoch konstatieren, dass Coverdale & Co. hymnische, catchy Refrains
und Hooks noch immer ziemlich locker aus dem Ärmel schütteln – insofern bieten
die mehr als soliden neuen Songs guten Fan-Service, der angenehmerweise gegen den
Strom des Zeitgeists schwimmt.