Samstag, 22. Juli 2023

108 ROCKSTAR GUITARS

Cover 108 Rocktstar Guitar Book
Credit Coverbild: © Lisa S. Johnson Rowman & Littlefeild Publishers / Hal Leonard
Die Formen attraktiver Instrumente, die an die Kurven einer Frau erinnern; Bendings, die wie die Stimme einer Opernsängerin klingen und die vollkommene Hingabe während die Finger über das Griffbrett gleiten: Gitarre spielen ist eine durch und durch sinnliche  Erfahrung, das können unzählige Musiker fraglos bestätigen - und so sieht es auch die US-Fotografin Lisa S. Johnson, die der Erotik der Gitarre mit einem innovativen Projekt ein Denkmal gesetzt hat.

17 Jahre dauerte es bis "108 Rockstar Guitars" fertiggestellt war - ein echtes Mammutprojekt, bei dem man allerdings auch das damit verbundene Herzblut merkt. Denn Johnson überließ nichts dem Zufall, vom zahlenmystischen Titel über die detailverliebte Gestaltung bis zum Arrangieren der Gitarren. Der Anspruch war hier nicht einfach einen weiteren Coffee Table-Bildband zu kreieren und das ist mehr als geglückt. Denn dieses Buch ist mehr als nur ein Bildband, es ist ein bibliophiles Kunstwerk: Roter Einband mit Prägedruck, goldumrandete Hochglanzseiten, stylishes Design. Nicht umsonst wurde dieses extrem schöne und extrem aufwendig gestaltete Buch mit dem Silver Graphis Award for Design ausgezeichnet.

Mit dem Auge einer Künstlerin portraitiert Johnson in  ästhetischen Bildern Instrumente von Stars wie Eric Clapton, den Stones, Brian Setzer, Brian May, Joe Bonamassa oder Rick Nielsen. Johnson begreift die Gitarren selbst nicht bloß als Objekte sondern als Kunstwerke, die so wie Exponate in Museen oft eine eigene Patina haben und dadurch wiederum eine Geschichte erzählen. 

Die Instrumente werden in Szene gesetzt als wären sie Models, die Kamera wandert  - teils im Close-Up - über ihre Korpusse. Bei all der auf jeder Seite gezeigten Liebe zum Detail fällt jedoch auf, dass es neben den Bildern wenig tiefergehende Infos über die einzelnen Instrumente gibt. Da sich dieser Band aber ohnehin vorwiegend an Experten und Aficionados richtet, die viele Fakten ohnehin schon kennen dürften, fällt das in diesem Fall nicht wirklich ins Gewicht.

"108 Rockstar Guitars" ist die perfekte Verbindung von Fotografie- und Gitarrenkunst: Guitar Art sozusagen  - Ein Buch für den Connaisseur und eine Hommage an einzigartige Instrumente und an den Rock und Blues selbst. 

Ein Teil der Erlöse dieses Buchs geht an die Les Paul Foundation

108 Rockstar Guitars von Lisa S. Johnson, erschienen bei Rowman & Littlefield Publishers / Hal Leonard

MICHAEL PUTLAND - MUSIKIKONEN: Von ABBA bis The Who

Cher, John Lennon, Bob Marley, Angus Young, AC/DC Tina Turner Van Morrison Rockstars Book Cover von Michael Putland
Credit Coverbild: © Delius Klasing Verlag
Über den britischen Fotografen Michael Putland (1974-2019) gibt es die Anekdote, dass er dermaßen vielbeschäftigt war, dass er in den Siebzigern keinen Tag frei hatte. Blättert man durch den neuen Retrospektiv-Band "Musikikonen", der eine extensive Werkschau seiner Arbeiten im "coffee table"-Format präsentiert, wundert einen dies überhaupt nicht.  

Der gewichtige Band liefert exakt, was der  geradezu programmatisch anmutende Titel verspricht und das sogar nicht nur von A(bba) bis W(ho) sondern sogar bis Z(appa). Seite um Seite gewinnt man den Eindruck dass Putland nicht nur ein "Rock N´ Roll Photographer" war sondern geradezu ein Zelig, der von der "Beat"-Zeit der Sixties bis zum Post-Punk vorne mit dabei war. Eine seiner  größten Stärken war dabei immer seine Vielseitigkeit: Putland zeigte sich in seinen Arbeiten einerseits als Meister des intimen, stillen Portraits als auch als Mann, der wohl einige spektakulärsten Live-Shots ever aufnahm. 
Diese Dichotomie zwischen dem Zurückgenommenen und dem Ikonisch-Überhöhten zieht sich dann auch quer durch dieses Buch. Der Betrachter wird auf der einen Seite Zeuge eines Moments, der nur einem prominenten Liebespaar gehört (ein unglaublich romantisches und zugleich lässiges Kussbild von Ringo Starr und seiner Ehefrau Barbara  Bach) hin zu einem Moment der Tausenden gehört (Tina Turner explosiv live on stage).  

Wie im zuvor erschienenen  "Stones By Putland"-Band  äußerst sich der Fotograf in ausführlichen, anekdotischen Begleittexten zu den Bildern und lässt dabei auch seine eigene jahrzehntelange Karriere Revue passieren - und das in einem faszinierenden Bildband, der erneut verdeutlicht, wieso er der ersten Riege der  R N´ R-Forografen gehörte.

Michael Putland - Musikikonen, erschienen im Delius Klasing-Verlag

Donnerstag, 20. Juli 2023

NOTHING BUT THE BLUES: The Music and the Musicians

Blues Musician Historical Photography
Credit Bild: © Edition Olms
Der Blues, dieser ebenso archaische wie zeitlose musikalische Ausdruck der "human condition" in all ihren Facetten von Freud bis Leid, durchlief in seiner langen und wechselvollen Geschichte unzählige Metamorphosen. Von den Baumwollfeldern und ruralen Gegenden des Südens (wo er bis zu seiner "Entdeckung" durch Leute wie W.C. Handy, der ihn dereinst als die seltsamste Musik, die er bis dahin je vernommen hatte, beschrieb, eher im Verborgenen gedieh) auf die großen Bühnen dieser Welt. 
Dieser immensen Vielschichtigkeit des Genres versuchen Lawrence Cohn und eine Riege von Mitautoren (darunter  „Living Blues“-Magazin-Journalistin und Samuel Charters, der selbst eine ganz frühe Blues-Chronik geschrieben hat) in dem den Neunzigern erstveröffentlichten und nun neu aufgelegten Band  „Nothing But The Blues“ gerecht zu werden.

Cohn war ehemals Vize-Präsident von CBS/Epic Records, Mitbegründer des Labels Legacy Recordings bei Sony Music und Produzent der Serie "Roots ’N’ Blues". Er erhielt acht Grammy Award Nominierungen und gewann diesen höchsten Preis der amerikanischen Musikindustrie im Jahr 1991 für das "Best Historical Album"für sein Projekt „Robert Johnson : The Complete Recordings“. Nach dem Vorwort von niemand Geringerem als B.B. King geht es auf eine Reise tief zu den Wurzeln dieser „Roots“-Musik. Cohns "Nothing But the Blues" ist dabei sowohl Würdigung dieses Genres duch Liebhaber dieser Musik als auch Geschichtsband und Chronik. Ein Werk, dass sowohl in seiner immensen Dichte an geflissentlich zusammengetragenen Infos als auch durch seine Ernsthaftigkeit einen geradezu wissenschaftlichen Anspruch hat.

Wie erwähnt erschien der Band bereits vor mehreren Jahrzehnten. Dieses Alter merkt man dem  Buch auch an. Einerseits ist seine Aufmachung und der Schreibstil eher nüchtern. Andererseits wirkt auch die Sichtweise auf den Blues allzu puristisch. Allgemein anerkannte wesentliche Wendepunkte, Erweiterungen und Strömungen des Blues und seine Protagonisten (vom Rock N' Roll der Fifties über den Blues Boom der Sixties hin zum Revival der Eighties) werden nur en passant gestreift, man könnte geradezu sagen: vermieden. Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Rolle Elvis Presleys, Eric Claptons oder Stevie Ray Vaughan bleibt so aus. Blues-Erneuerer Jimi Hendrix wird beinahe argwöhnisch betrachtet. Diese Herangehensweise ist zu selektiv und dogmatisch. Dem Totalphänomen „Blues“ als Urgrund der Populärmusik des 20. Jahrhunderts wird das nicht wirklich gerecht.   

Aufgrund der vielen überaus raren Fotografien und detailreichen Ansichten über den traditionellen Blues ist dieses Buch dennoch eine interessante Lektüre und Recherche-Ressource für den Genre-Enthusiasten.

Credit Bild: © Edition Olms

Credit Bild: © Edition Olms

Credit Bild: © Edition Olms

Credit Bild: © Edition Olms
Nothing But the Blues: The Music And The Musicians von Lawrence Cohn, erschienen bei Edition Olms

Mittwoch, 19. Juli 2023

INNENANSICHTEN DER BEATLEMANIA: Paul McCartney - 1964: Augen des Sturms

Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 
Wie muss es sich anfühlen an der Schwelle zum Weltruhm zu stehen und Teil der Speerspitze eines kulturellen Phänomens zu sein? Und was muss das für ein Gefühl sein, wenn der nächste Anruf und das nächste Engagement Platz 1 der Charts und das Erreichen eines Millionenpublikums bedeuten können? Dass dies nicht immer nur einem atemlosen Rausch gleichen muss, sondern mitunter auch surreal ruhig anmuten kann - ganz so als befände man sich im Auge eines Sturms - davon zeugen die jüngst wieder entdeckten, bislang unveröffentlicht gebliebenen und nun in Paul McCartneys neuem Buch gesammelten Aufnahmen.

 McCartney zeigt darin vorwiegend Schwarz-Weiß-Bilder, die er Ende 1963 und Anfang 1964 mit seiner neu erstandenen Pentax SLR Kamera geschossen hat und die „first hand“-Impressionen aus jener  Zeit liefen, als die Beatlemania global wurde. In Lokalitäten zwischen Liverpool und Hamburg hatten die Pilzköpfe bereits für Furore gesorgt, Anfang 1964 stand die Band an der Spitze der englischen Charts, nun ging es um den Rest der Welt. Der Auftritt in der Ed Sullivan Show im selben Jahr läutete endgültig die British Invasion ein und sorgte dafür, dass zahllose Jugendliche, die vor den Fernsehgeräten Zeugen dieses geschichtsträchtigen Auftritts wurden, ihre Lebensplanung über den Haufen warfen. 1964 brachen die Dämme endgültig und die Beatlemania griff international vollends um sich: dies bedeutete tumultartige Szenen bei jedem Auftritt, Fans im ekstatischen Verzückungszustand, der im extremsten Fall Kollaps und Beinahe-Ausschreitungen nach sich zog - oder dafür sorgte, dass das gellende Geschrei der Fans Ringo Starrs Drums, die Vox-Verstärker und die Mikrofone übertönte. Nein, dieses Jahr war für den jungen Paul wahrlich kein Gewöhnliches.

Doch nicht nur für ihn - was auch den bewusst gewählten Plural im Titel erklärt, wie McCartney erläutert:Ich dachte an „Auge des Sturms“, im Singular, da die Beatles sich im Auge eines von ihnen selbst entfachten Sturms befanden, aber als wir uns die Bilder ansahen, dachte ich, das sind eher viele Augen als nur eins. Es gab da ja auch  nicht nur einen einzigen Moment, sondern unzählige Momente im Zentrum dieses Sturms. Außerdem finden sich auf den Bildern sehr viele Augen. Das war ein verrückter Sturm, ein  irrer Wirbelwind, den wir erlebten, als wir tourten und mehr oder weniger jeden Tag gearbeitet haben, und dabei Leuten begegnet sind, die uns fotografieren wollten. Im Zentrum dieses Sturms gab es also sehr viele Augen und Kameras.

 Das Buch ist so etwas wie ein Sequel zum 2021 veröffentlichten „Lyrics“-Band.  Schon damals blickt die 81-jährige Legende auf ihr Leben zurück, hier wählt sie nur einen kleineren Zeitrahmen. McCartney ist natürlich kein professionalere Fotograf, man sieht hier also nicht am Laufenden Band ikonische Fotografien wie bei einem Alfred Wertheimer oder Harry Benson. Manche Bilder sind etwas „out of focus“ oder fallen eher unter die Kategorie „Schnappschüsse“. Doch hat der Beatle fraglos ein Talent fürs Fotografieren. Einerseits zeigt sich McCartney, ähnlich wie in seinen Songtexten als ruhiger und genauer Beobachter - sowohl von Alltagssituationen als auch von vermeintlichen Nebensächlichkeiten. Andererseits offenbaren insbesondere die Aufnahmen von den begeisterten Fans,  Portraits seiner Bandkollegen und die sinnlichen Bilder seiner Langzeitfreundin Jane Asher ein gutes Auge sowie ein beeindruckendes Gespür für Bildkomposition.

Was die Zukunft bringen sollte und welche Art von Karriere noch vor ihm lag, konnte McCartney zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen. Uns, den Betrachtern, offenbart er hier Innenansichten der Beatlemania , die zwar unaufgeregt wirken, in ihrer unbekümmerten Unschuld dennoch die kribbelnde Spannung, die damals in der Luft gelegen haben muss, erahnen lassen. Einem Foto-Tagebuch gleich werden wir Zeugen von „A In the Life“, eines Alltags der trotz manch banaler Momente alles andere als gewöhnlich war.

Paul McCartney Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Ringo Starr Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

George Harrison Pool Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

John Lennon George Harrison Young Book Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Bild: © Paul McCartney 

Cover Paul McCartney  Fans Beatlemania Sixties
Credit Coverbild: © C.H. Beck
Paul McCartney- 1964:Augen des Sturms. Fotografien und Betrachtungen, erschienen im C.H. Beck Verlag

Sonntag, 16. Juli 2023

OSCARS - GLAMOUR AUF DEM ROTEN TEPPICH: Eine Fashiongeschichte der Academy-Awards

Credit Coverbild: © Prestel Verlag
Die Historie des unbestritten größten Filmpreises der Welt ist ebenso so lang wie facettenreich. Unterschiedlichen Kameraperspektiven gleich kann man sie unter völlig verschiedenen Blickwinkeln betrachten: die Oscar-Geschichte ist sowohl eine von bemerkenswerten Konstanten als auch von sich wandelnden Trends und Genre-Strömungen. Sie ist eine von Triumphen genauso wie von "Snubs", also jenen  Filmen und Künstlern, die unerklärlicherweise übergangen wurden. An den jeweiligen Verleihungsabenden wurden Weltkarrieren zementiert und andere verblassten kurz nachdem die Gravur in der Platte am Sockel der Oscar-Statue angebracht wurde. Auch haben die Oscars eine lange Tradition politsicher Statements, ebenso wie von Skandalen oder auch ganz einfach nur Schlagzielen machenden Dankesreden. 

Man kann sich ihnen jedoch noch von einer anderen völlig Seite her nähern: nämlich einer sartorialen, haben die Academy Awards doch auch alljährlich den vielleicht wichtigsten Red Carpet der Unterhaltungsindustrie. Im neuen Bildband "Oscars-Glamour auf dem roten Teppich" macht Modejournalistin, Stylistin und Designerin Dijanna Mulhearn genau dies und lenkt den Lichtkegel des Scheinwerfers auf zeitlose Styles und große Roben der Stars - sowie auf jene Kreationen die statt einem Goldjungen wohl eher einen Razzie, eine goldene Himbeere, verdient hätten.

Mulhearn spannt den Bogen von der 1. Verleihung 1929 bis zur 94. im Jahre 2022. Jedes Jahr wird von einem kurzen Text und einer reichhaltigen Auswahl an Bildern begleitet. Dabei wird schnell klar, dass dieses Buch viel mehr als nur ein Fashion-Band und modischer Streifzug durch vergangene Epochen ist. Mode spielt zwar eine Leading Role, doch hat man es hier auch mit einer Chronik sich wandelnder gesellschaftlicher Normen und Werte zu tun. Auch die zunehmende Kommerzialisierung des roten Teppichs als Teil der groß angelegten Marketingkampagnen der Modehäuser sowie das Aufkommen von Stylisten verdeutlichen diesen Zeitenwandel. 
Diese Reise durch fast 100 Jahren ist auch ein Wiedersehen mit noch lebenden und verstorbenen  Legenden und Ikonen der Leinwand, großen und weniger großen Schauspiel-Stars und auch beinahe vergessenen Gesichtern "Tinseltowns". Man wird unweigerlich an die wohl beste Szene in Damien Chazelles  "Babylon" erinnert, in der die von  Jean Smart gespielte Kolumnistin Elinor St. John dem alternden Stummfilm-Star Jack Conrad (Brad Pitt) die Mechanismen Hollywoods und den ewig währenden Ruhm im Pantheon des Kinos erläutert.

Mode ist dabei immer schon ein nicht unwesentlicher Teil der Glamour-Metropole an der Westküste gewesen und Mulhearn zeigt in ihrer Glamour-Retrospektive, dass Zelluloid nicht der einzige Stoff ist aus dem Träume in der Traumfabrik gemacht sein können.

OSCARS - GLAMOUR AUF DEM ROTEN TEPPICH: Eine Fashiongeschichte der Academy-Awards, erschienen im Prestel Verlag

Freitag, 14. Juli 2023

ENNIO MORRICONE - DER MAESTRO

Ennio Morricone Conducts
Credit Bild: © Plaion Pictures
Kein anderer zeitgenössischer Komponist vermochte es so gekonnt Emotionen zu vertonen, wie Ennio Morricone. In seinem ungewöhnlichen Signature-Sound verschmolz er in progressiver Weise sowohl Elemente aus der E-Musik als auch der U-Musik. Typische Orchesterinstrumente trafen auf moderne elektrische Instrumente, die in der Klassik sonst überhaupt keine Rolle spielten. Selbst Geräusche und Laute konnten bei ihm zur Musik werden. Morricone prägte nachhaltig wie der historische amerikanische Western klang, setzte in Sachen Suspense, Dramatik bis Melancholie neue Maßstäbe in Sachen "Scoring" und hob Filmmusik so auf ein neues Level.  

In der bei den 78. Filmfestspielen von Venedig im Jahr 2021 erstmals vorgestellten und nun auf Blu ray veröffentlichten Doku mit dem passenden Titel „Der Maestro" wird nun der Lebensweg dieses Genies nachgezeichnet. Regie führte dabei kein klassischer Dokumentarfilmer sondern Giuseppe Tornatore, einer der prominentesten Gegenwarts-Filmemacher Italiens. Morricone und ihn verband eine fast vierzigjährige innige Freundschaft und Arbeitsbeziehung ( "Cinema Paradiso", oder "Der Zauber von Malèna"). 

156 epische Minuten nimmt sich Tornatore Zeit, die unterschiedlichen Stationen in der langen Karriere Morricone zu beleuchten und den legendären Komponisten, der kurz nach Fertigstellung verstarb, in  Interviews auf sein Lebenswerk zurückblicken. Dabei ist die Gestaltungsweise  recht zurückgenommen, gelegentlich werden einige interessante Einstellungen eingewoben, großteils folgt dieser Film jedoch den Konventionen der High Profile-Doku im Talking Heads-Format. Dies könnten jedoch nicht prominenter sein: Clint Eastwood, Quentin Tarantino, Dario Argento, Kris Kristofferson, James Hetfield,  Hans Zimmer, Bernardo Bertolucci  Bruce Springsteen.... 

Ihnen allen ist die Faszination für den Maestro gemein. Hier wird erneut deutlich wie sehr Morricone Genre-Grenzen überwand. Während andere Dokumentationen oft etwa distanziert wirken, merkt man hier die persönliche Note Tornatores und sein Näheverhältnis zum Maestro. Wo sonst würde man derart detaillierte Einblicke in die  Wohnung Morricones bekommen oder den Komponisten beim Stretching in einer Arbeitspause sehen? 

Dass die Italowestern nicht das  Zentrum und Details dieser ikonischen Aufnahmen nicht den bestimmenden Hauptteil dieser Dokumentation darstellen hätte Morricone, der sich nie auf diese Soundtracks reduzieren lassen wollte, sicher gefallen - mag mitunter jedoch nicht deren historischer Bedeutung gerecht werden. Viele Fakten wird der Fan schon kennen, doch dass Kunststück Tornatores offenbart sich in den Details, den kleinen persönlichen Einblicken in Leben und Personality des Künstlers und der Beleuchtung weniger bekannter Filmmusik-Arbeiten oder Zusammenarbeiten (Chet Baker!). So ist dieses ruhige, teils intime Portrait nicht einfach nur eine Retrospektive sondern eine liebevolle Hommage auf den Ausnahme-Komponisten. 

Ennio Morricone Blu ray Cover Der Maestro
Credit Coverbild: © Plaion Pictures



Donnerstag, 13. Juli 2023

VOLKER HINZ - CARROUSEL

Karl Lagerfeld
Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023
Andy Warhol oder Bryan Ferry in der Front Row, beim Kostümball mit Kaiser Karl, Helmut Newton mit High Heels am Tisch, auf einer der legendären Yves Saint Laurent-Parties oder halbnackte Models kurz vor dem großen Catwalk-Moment: Wo anderen kein Zutritt gewährt wurde, war der deutsche Starfotograf Volker Hinz (1947–2019) im Auftrag des Stern mit seiner Hasselblad dabei. Im neuen Bildband "Carrousel", dem Mittelteil einer von Hinz' Witwe Henriette Väth-Hinz herausgegebenen retrospektivischen Buch-Trilogie über das umfangreiche Werk ihres Mannes, sieht man nun eine Auswahl dieser beeindruckenden Aufnahmen einer vergangenen Fashion-Ära. Die hier gezeigten Bilder hatte der Fotokünstler noch selbst für eine Ausstellung im Jahr 2015 selektiert.

Mit der ihm eigenen "hinzigen" effektvoll-dynamischen Bildsprache zwischen Kunst- und Reportage-Fotografie lichtete er ein veritables Who is Who der Branche ab und blickte hinter die Kulissen dieser glamourösen Parallelwelt zwischen überirdischer Schönheit, sartorialen Extravaganzen und  allgegenwärtiger Dekadenz. Hinz hatte einen Radar für die kleinen, jedoch besonderen Momente. Augenblicke, die im Trubel leicht untergehen konnten, die jedoch mitunter viel über die Ausübenden der High Glamour-Industry aussagen. Er sah das Altman-eske und Fellini-eske im titelgebenden Mode-Karussell, das niemals still steht. Nicht nur einmal wird man beim Betrachten der Bilder an "La Dolce Vita" und „Prêt-à-porter" erinnert. Hinz blickte dorthin wo etwa aktuelle Fashion-Backstage-Fotografen ihren Blick abwenden. 
Gerade die Momente vor der am Laufsteg gezeigten Perfektion sind es, die ihn interessieren. Da Hinz die Modeszene über mehrere Jahrzehnte dokumentierte sieht man hier auch die Transformation der Branche: was sich im Siegeszug der Ready To Wear-Kollektionen zeigt oder auch im Aufkommen der damals jungen Grade von  John Galliano bis Jean-Paul Gaultier.
Hinz folgte stets dem Credo „Der Fotograf darf nicht langweilen. Langweilige Bilder gibt es genug.“ Für diesen Ansatz, sind die in "Carrousel" gezeigten Aufnahmen absolute Paradebeispiele, zeigen sie doch die Modeszene sowohl "ungeschminkt" als auch in all ihrer endlos faszinierenden Pracht.  

 Ein exklusiver Blick ins Buch:

Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Credit Bild:  © Copyright: BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Credit Coverbild:  © Copyright: Hartmann Books BSB Bildarchiv Volker Hinz, Hartmann Books, 2023

Volker Hinz - Carrousell , von Henriette Väth-Hinz Hrsg.:, erschienen bei Hartmann Books

Dienstag, 11. Juli 2023

JIMI: OFFICIAL 80th BIRTHDAY EDITION

Credit Coverbild: © Chronicle Chroma/Abrams & Chronicle
Am 27. November ´22 wäre James Marshall "Jimi" Hendrix 80 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses großen Anniversaries ist mit "Jimi" ein neuer Prachtband erschienen, in dem seine Schwester Janie und John McDermott von der Experience Hendrix L.L.C das Leben und einflussreiche Schaffen dieser Legende beleuchten. 

Trotz seines frühen Todes mit nur 27 Jahren hinterließ Hendrix ein Werk, das so dermaßen komplex und vielfältig war, dass es von Gitarristen aller Welt bis heute regelrecht studiert wird - bzwm werden muss, will man sich diesen so expressionistischen wie impressionistischen Klanggebilden nähern. Was Hendrix im Studio, dass er als eigenes Instrument begriff und auf der Bühne, bei der er seine Gitarren- und Amp-Opferungen schamanisch anmuteteb-  war damals revolutionär und ist es noch.

Dieses neue offizielle "commemorative " Release im Coffe Table-Format versucht nun sowohl dem Phänomen als auch dem Menschen Hendrix gerecht zu werden - was auch gelingt, wird der legendäre Musiker hier doch überaus detailreich portraitiert und sowohl seine Eigen-und Fremdsicht beleuchtet. Die Autoren wollen dieses Buch als "visual celebration" verstanden wissen: Text- und Bildcontent  sind hier nahezu gleich gewichtet. Es gibt schon viele Bücher über die Ausnahmeerscheinung Hendrix, dieses zählt mit seinem konsequenten Sixties-Styling (knallige Farben und immer wieder ein Retro-Schriftfont, der an Vintage-Plakate gemahnt)  jedoch fraglos zu den schönsten Releases
Die informativen Texte, bekannte sowie bislang ungesehenen Aufnahmen, Memorabilia, handgeschriebene Lyrics und Zitate von Hendrix selbst zeichnen den Lebensweg dieser Ikone nach, O-Töne legendärer Zeitgenossen wie Paul McCartney, Keith Richards, Ronnie Wood sowie von jüngeren Artists wie Rapper Drake verdeutlichen wiederum den  generationenübergreifenden Appeal des Musikers aus Seattle. 

Diese wunderbare bibliophile Würdigung eines der ganz  großen Gamechanger ist auch für Leute mit gut gefüllter Hendrix-Bibliothek ein echtes Highlight.

Ein Blick ins Buch -  Jimi throughout the years:

All-American Boy: Jimi im Football-Outfit zuhause in Seattle , circa 1956, Washington.        Credit Bild: ©: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Courtesy James "Al" Hendrix Collection / © Authentic Hendrix, LLC


Jimi vor seinem Haus - mit Danelectro-Gitarre, ca. August 1960
Credit Bild: ©: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Courtesy James "Al" Hendrix Collection / © Authentic Hendrix, LLC

Jimi in Nottingham, England, 20.April 1967
Credit Bild: ©: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Courtesy James "Al" Hendrix Collection / © Authentic Hendrix, LLC

Jimi mit der späteren Autorin dieses Buchs, seiner Schwester Jnaie, backstage in der Seattle Center Arena, Seattle, WA, February 12, 1968
Credit Bild: ©
: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Ulvis Alberts / MoPOP / Authentic Hendrix, LLC

In der Royal Albert Hall, 18. Februar 1969
Credit Bild: ©: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Graham F. Page / MoPOP / Authentic Hendrix, LLC

1969;: Woodstock Festival
Credit Bild: ©: Photo from JIMI by Janie Hendrix and John Mc Dermott. Published by Chronicle Chroma. Allan Koss © Authentic Hendrix, LLC
JIMI: Official 80th Birthday Edition von Janie Hendrix und John McDermott, erschienen bei Chronicle Chroma/Abrams & Chronicle


Montag, 10. Juli 2023

PINK FLOYD - THE DARK SIDE OF THE MOON: Das offizielle Buch zum 50. Jubiläum

Credit Coverbild: © Edel  Books
Große Alben der Musikgeschichte gibt es so einige, diverse Top 100-Listen zehren seit Ewigkeiten von diesem Umstand. Doch nur eine Handvoll dieser Werke haben den Status inne regelrechte "Initiations-Platten " zu sein, die jede Generation neu für sich entdeckt und die in ihrer ungebrochenen Faszinationskraft  zeitlos geworden sind.

Das am 3. März 1973 erstveröffentlichte „The Dark Side Of The Moon“ von Pink Floyd ist ein solches Album. Ein ausgewachsener Klassiker gespickt mit legendären Songs,darüber hinaus ein  Referenzwerk in Sachen Klang. Fraglos auch einer der wichtigsten  Meilensteine in der Entwicklung Floyds. Einerseits kommerziell, denn dieses achte Studioalbum machte aus der Band endgültig Platin-ausgezeichnete und Stadium-füllende Superstars. Andererseits künstlerisch, denn auf der dunklen Seite des Mondes fanden Roger Waters, David Gilmour, Nick Mason und Richard Wright endgültig zu ihrem Sound.

Anlässlich des 50 Jahr-Jubiläums dieser LP ist nun ein offizieller, in enger Abstimmung mit der Band gestalteter Jubiläumsband erschienen. Dieser zeigt bisher ungesehene Fotografien, die in den Jahren 1972 und 1975 während der Aufnahmen des Albums und der anschließenden Tourneen in Europa, den Staaten und Nippon entstanden sind. Überdies liefert dieses Buch Schritt für Schritt Einblicke in die Entwicklung des ikonischen Prismen-Motivs auf dem selbst zum Kult gewordenen Albumcover, das vom Künstlerkollektiv Hipgnosis entworfen wurde und in abgewandelter Form auch spätere Projekte der Band zierte.

So reduziert wie das ikonische Artwork ist auch dieser Band gestaltet. Hier gibt es keine Schnörkel und noch weniger begleitende Information. Lediglich ganz am Schluss gibt es ein paar Seiten mit Bildkommentaren. Das ist doch etwas spartanisch, zumal es natürlich so Einiges über die Genesis dieses Meisterwerks zu berichten gäbe. Ein Bild sagt nicht immer mehr als tausend Worte, auch weil die hier gezeigten Aufnahmen im Vergleich zu anderen Bildbände etwas kleiner ausgefallen sind, es bleibt also recht viel "Weiß" auf den Hochglanzseiten dieses Bands in Schallplattenhüllen-Größe über. Gerade aufgrund der Rarität der  hier zu sehenden Fotografien ist dieses Buch für den Hardcore-Floyd-Fan aber dennoch ein Muss für die Sammlung und erweist sich für jenen Kreis, die ohnehin schon alles über diese einflussreiche Band wissen, als kleine Fundgrube seltener Schnappschüsse.

Pink Floyd – The Dark Side of the Moon  Das offizielle Buch zum 50.Jubiläum, erschienen bei Edel Books

Samstag, 8. Juli 2023

EXTREME-SIX

Credit Bild: © Jesse Lirola earMusic Edel 
Geschmäht, als nicht trendy verunglimpft, bewusst vermieden, als Relikt einer testosteron-geschwängerten Ära verschrien oder von Musikern, die einfach zu faul zum Üben waren, als nicht mehr nötig abgetan - das Gitarrensolo hatte seit der Grunge-Zeit auch innerhalb der Musiker-Szene nicht immer den leichtesten Stand und war indes natürlich dennoch nie totzukriegen. Dass ein solcher Ausdruck von Passion und Virtuosität für Schlagzeilen sorgt und monatelang diskutiert wird, ist also eine Seltenheit und zudem schon etwas länger her - insgesamt wohl einige Jahrzehnte. Beim Song „Rise“, genauer gesagt seinem Tendinitis-induzierenden Höhepunkt, bei dem Nuno Bettencourt wieder einmal die vollkommene Beherrschung des Instruments demonstriert, ist jedoch genau das passiert.

Der Lead Part der Lead-Off-Single des ersten Extreme-Albums seit geschlagenen 15 Jahren ließ die Wenigsten kalt. Prominente Kollegen wie Steve Lukather oder Zakk Wylde zeigten sich ob dieses hoch-technisierten Schaustücks höchst beeindruckt. Im Total Guitar-Magazin belegte „Rise“ nur wenige Monate nach der Erstveröffentlichung gar den Spitzenplatz des „Soli des 21.Jahrhunderts“-Rankings.  Kurzum, wer sich nur peripher mit Rockmusik beschäftigt kam an dieser Mischung aus Bends, Speed Licks und einer an den Grenzen des Möglichen kratzenden Hammer On und Pull Off-Passage schlichtweg nicht vorbei. Eine solche Resonanz ist an sich schon ein Phänomen, dennoch stellt sich die  Frage ob das gerade veröffentlichte dazugehörige Studioalbum "Six" mehr ist als bloß ein beeindruckendes Gitarrensolo.

Und hier gibt es klare Entwarnung, „Rise“ ist womöglich gar nicht das beste Solo auf dieser eklektischen Platte, die von Beginn an eine Fülle an teils mitreißenden, catchy Songs aufweist und ein Comeback mit dem man nicht unbedingt rechnen konnte. Extreme waren immerhin sehr lange weg. Natürlich sind es  es vor allem, immer wieder die Riffs und ausgeklügelten  Solo-Parts Bettencourts, einem Gitarristen der Eddie Van Halen und Brian May-Schule. Doch neben den Zauberticks des Saitenmagiers ist es auch die schiere Energie dieser Band, die beeindruckt und die  weitaus größer zu sein scheint als bei vielen jüngeren Gruppen. Besonders Sänger Gary Cherone ist hier hervorzuheben, röhrt dieser doch so dermaßen, dass man sich fragt, wieso echtes Frontman-Tum ein ähnliches Schicksal wie Gitarren-Soli fristete.

Insgesamt wirkt "Six"  als hätte es diese Pause von 15 Jahren nicht gegeben - for better or worse. Denn einerseits zeigt sich die Band so angriffslustig und hungrig wie der das Cover zierende Gorilla. Andererseits haben manche Songs etwas vom beliebigen Mainstream-Rock der Noughties.  Extreme zählten ohnehin immer schon zu den großen Eklektikern unter den Hard Rock-Bands, mannigfaltige Einflüsse und Experimente sind dann auch auf dieser Platte omnipräsent - stets ohne Furcht vorm Flirt mit Pop-Musik, nicht umsonst ist ihr größter Hit die Cat Stevens-artige Ballade "More Than Words“. Auf "Six" vermeint man überdies Bettencourts lange Zeit als Gitarrist bei Rihanna herauszuhören -  nicht zuletzt der Beinahe-Millennial Woop bei „Rise“ lässt darauf schließen. Insgesamt gibt es auf „Six“ allerdings natürlich mehr R N´R als Ri Ri - und dieser ist breitbeinig, lässig. Eine Mischung aus Heaviness und Leichtfüßigkeit. Doch nach der das Album eröffnenden  Dreifachsalve von „Rise“, „#Rebel“ und „Banshee“ diversifiziert sich die Platte stilistisch zunehmend, allerdings nicht immer mit gleich gutem Ergebnis: „Small Town Beautiful“ wäre auch neben den glatteren Proponenten des amerikanischen Country Format-Radio nicht Fehl am Platz. „Beautiful Girls“  ist kein Van Halen- Cover wirft jedoch die Frage auf, ob dieser Song einfach nur beliebig ist oder aber der catchieste Sommer-Hit, der Mitte der Neunziger nicht veröffentlicht wurde. Selbst vor Experimenten mit zeitgenössischen Elektro-Sounds scheuen Bettencourt und Co. nicht zurück („Thicker Than Blood“).

So ist "Six" metallisch, hard rockend. poppig, allzu smooth, schmutzig,  - und das alles zur gleichen Zeit. Obwohl nicht  alle Experimente funktionieren, macht dieses Werk einfach Spaß und inspiriert die Gitarristen unter den Zuhörern wohl unweigerlich schleunigst selbst zum eigenen Instrument zu greifen. Überdies ist diese Platte soundtechnisch eine Wucht und insbesondere was die Aufnahmen von Bettencourts Gitarrenspuren anbelangt eines der am besten klingenden Alben der letzten Zeit.

Beweisstück 1: -das Solo zum borderline-unspielbaren Solo des Jahres:

 
Credit Coverild: © earMusic Edel 

Dienstag, 4. Juli 2023

HOLLYWOOD VAMPIRES - LIVE IN RIO

Credit Coverbild: © earMusic Edel 
Am Höhepunkt seiner Karriere als Trinker formierte Schockrocker Alice Cooper einst die Hollywood Vampires, einen Club prominenter Gentlemen, die ähnlich wie ihre Kollegen aus dem Bram Stoker-Roman oder den Hammer Films-Produktionen die Nacht zum Tage machten. Entgegen den Cooper´schen Bühnengepflogenheiten stand ihnen der Sinn jedoch keineswegs nach Blut sondern vielmehr nach Hochprozentigem, handelte es sich damals in jener Hochphase der Rock N´Roll-Exzesse doch um einen illustren „Celebrity Drinking Club“ dem u.a. Ringo Starr, Keith Moon, Micky Dolenz of The Monkees oder auch mal John Lennon angehörten. Fast Forward ins Jahr 2015: da wurden die Vampires, die bis dato eher dem trivia-interessierten Rock-Fan ein Begriff waren, reaktiviert. Diesmal jedoch - die harten Zeiten liegen längst hinter Cooper - nicht als Party-Gesellschaft sondern als Band, als Supergroup um genau zu sein. Zusammen mit Joe Perry, ehemals ebenfalls kein Kostverächter, Hollywood-Superstar Johnny Depp sowie einer Reihe wechselnder Mitmusiker wurde verstorbenen Weggefährten aus der vergangenen Rock-Ära musikalisch Tribut gezollt.

2015 entstand auch der erst jetzt veröffentlichte Konzertmitschnitt „Live In Rio“ bei dem neben Cooper, Depp, Perry und Gitarrist Tommy Henriksen auch Duff McKagan (Guns N' Roses, Ex-Velvet Revolver), Matt Sorum (ebenfalls Ex-G N´R und Velvet Revolver) und Bruce Witkin (Grammy-nominierter Produzent) dabei waren. Zu den besonderen Gästen des Abends gehören Lzzy Hale (Halestorm), der brasilianische Lokalmatador Andreas Kisser (Sepultura) sowie Zak Starkey (The Who / Oasis).

Eine ähnlich prominent besetzte Supergroup operiert derzeit nur in Form von Ringo Starrs All Starr Band. Doch ergibt das bei den Vampires mehr als die Summe der einzelnen, teils legendären Teile? Nun, hier wird fraglos ein routiniertes Rock-Feuerwerk abgebrannt, das - gerade jetzt anno ´23 sind die Vampires wieder auf Tour - im aktuellen Konzertbetriebe seines Gleichen sucht. Der Sound der aktuellen Version der Cooper-Band ist dabei stets dominierend. Dies sorgt zwar für eine recht heavy High Energy-Show, die dargebotenen Klassiker werden jedoch auch relativ gleichförmig, wenig nuanciert und wenig subtil gespielt. Dies sorgt dann gar für wundersame, im Original nicht vorhandene Ähnlichkeiten zwischen „Break On Through To The Other Side“ der Doors, Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ und Cooper-Klassikern wie „Schools Out“. Dem über 100.000 köpfigen Publikum in Rio - bekannt dafür zahlreich und enthusiasmiert bei Open Airs zu erscheinen  ists herzlich egal, es feiert R ´ R-Freibeuter Depp und die Haudegen auf der Bühne frenetisch. Die wiederum haben sichtlich Spaß daran, in dieser hochkarätigen Coverband zu spielen. 

„Live In Rio“ erscheint in diversen Formaten, darunter auch als limitierte 250g Vinyl, in  der das Cover-Artwork natürlich am Besten zur Geltung kommt, sowie als audiovisuelle Vollbedienung in einer CD und Blu ray-Kombi. Letztere Version fängt den schweißtreibenden Abend am Zuckerhut wohl am besten ein.

VAMPIRE AM TAGE: PERRY, DEPP, COOPER, HENRIKSEN
Credit Bild: © Ross Halfin earMusic Edel