Samstag, 9. März 2019

50 Jahre WOODSTOCK: Der Höhe- und Endpunkt einer Revolution

Credit Bild: Copyright © Baron Wolman
Obwohl es nicht das erste große Festival mit hochkarätigem Lineup war, ging es dennoch als der archetypische Musik-Event schlechthin in die Geschichte ein: Vor 50 Jahren pilgerten abertausende Hippies ins New Yorker Bethel um auf dem Grundstück des Farmers Max Yasgur beim „Woodstock“-Festival drei Tage voll Love & Peace zu erleben.

Die Organisation der „Woodstock Music & Art Fair presents An Aquarius Exhibition – 3 Days of Peace & Music, so der vollständige Name der Veranstaltung, war jedoch gelinde gesagt improvisiert, das Besucherinteresse wurde vollkommen unterschätzt. Gut 60.000 Musikfans wurden von den Veranstaltern erwartet, je nachdem welchem Bericht man Glauben schenkt machte sich jedoch eine schier endlos anmutende Karawane von fast einer Million Hippies auf den Weg zum Festivalgelände. Ein totaler Verkehrskollaps war die Folge, die Anreise wurde zum  Chaos, am Schluss erreichten schätzungsweise 400.000 Personen das bald durch starke Regenfälle im Schlamm versinkende Gelände.
Was logistisch einem Super-GAU gleichkam endete jedoch - teils dank der sehr entspannten Besucher, aber auch durch das sanitäre Eingreifen des von den Hippies ja eigentlich verhassten Militärs - nicht in einer Tragödie sondern wurde zum letzten großen Höhepunkt der Peace-Generation. Kurz darauf „beendeten“ die Katastrophe beim Stones-Gig in Altamont und die grauenvollen Manson-Morde die Sechziger und den Traum von Frieden und Liebe.

Passend zum Jubiläum lassen drei sehr unterschiedliche Bücher die Ereignisse Revue passieren  - ein coffee table-Band, der Bericht des Organisators sowie ein reich bebildertes Buch mit lexikalem Charakter auf der anderen. Sie alle offerieren divergierende Blickwinkel , die dem Leser ein recht komplettes Bild von den Ereignissen im August ´69 vermitteln.
Credit Coverbild: Copyright © Baron Wolman Reel Art Press
Im  Bildband Woodstock“ (erschienen bei „Reel Art Press“) erhält man einen Inside-Bericht aus erster Hand von einem, der wirklich dabei war: Baron Wolman war damals der Hauptfotograf fürs Rolling Stone-Magazin und wurde beauftragt das Festival zu dokumentieren. Die Musik und die Acts spielen bei ihm nicht die Hauptrolle. Während sein Kollege Jim Marshall, eine weitere Ikone der Rock N´ Roll-Photography, vor allem die Bands ablichtete, sind es bei Wolman die kleinen Momente abseits der Stage, die im Fokus seiner Objektivs liegen. Zwar gibt es ein Vorwort von Gitarren-Maestro Carlos Santana und bei den vereinzelten atmosphärischen Shots, bei denen Wolman direkt hinter den Amps die Crowd und die Musiker aufnimmt, kann man beinahe das Brummen der Halfstacks vernehmen, doch dokumentiert er überwiegend das Treiben abseits der Bühne. Der Hippe-Traum in Reinkultur, festgehalten im Stil einer klassischen Fotoreportage.
Der Fotograf dazu im O-Ton: "I ended up spending most of my time out in the wild with the crowd because what was happening “out there” was just too interesting not to explore."

Die bei seiner Safari durch den Schlamm entstandenen Schwarz-Weiß-Aufnahmen weisen zwar den dezenten Sepia-Schleier der Nostalgie auf, zeichnen jedoch auch ein recht ungeschöntes, realitätsnahes Bild jener geschichtsträchtigen drei Tage: Die Staus, den Dreck aber auch die freie Liebe - vielleicht wird die Magie dieses Medienereignisses so am besten transportiert. Beim Blättern durch die 192 Hochglanzseiten stößt man auf viele eindrückliche Momentaufnahmen abseits jener allseits bekannten Bilder, die jeder im Kopf hat.
Credit Coverbild: © Delius Klasing
Der umfassende Retrospektiv-Band „Woodstock - Three Days Of Love And Peace - Das Festival. das die Welt veränderte“ (erschienen Delius Klasing) wählt demgegenüber einen anderen Ansatz. Die Wolman´schen kleinen Momente abseits überlebensgroßer Perfromances treten hier in den Hintergrund. Der Ansatz von Autor Julien Bitoun ist ein wesentlich generalistischerer, ihm geht es um die Ausleuchtung eines Totalphänomens.
Was auch insofern passend ist, als dass Woodstock längst zu einem kulturellen Symbol geworden ist - nicht zuletzt auch dank des berühmten, oscar-gekrönten Dokumentarfilms (an dem auch Martin Scorsese mitarbeitete) und der vielen berühmten Aufnahmen die von diesem Ereignis existieren.

Jene Aufnahmen findet man auch in diesem Buch, der gleichermaßen ein Bildband als auch ein Lexikon ist. Mit bemerkenswertem Detailgrad ordnet Bitoun das Festival in einen größeren gesamtgesellschaftlichen sowie historischen Kontext ein, waren es doch auch die Rahmenbedingungen die Woodstock neben ikonischen Auftritten von Jimi Hendrix, Ten Years After, CSNY oder The Who zu solcher Bedeutung verhalfen.
Jene Gigs werden teilweise in eigenen Kapiteln erfasst, es werden aber auch wissenswerte Fakten, Daten & Trivias nicht ausgespart - und es wird der kuriosen Frage nachgegangenen, wer alles nicht  bei dem Ereignis einer ganzen Generation dabei war (interessanterweise fehlten bei diesem Event ja eine Vielzahl der maßgeblichsten Protagonisten wie die Beatles, die StonesZeppelin oder Dylan….). 

Bitoun gelingt mit diesem Buch jedenfalls ein Standardwerk zum Thema, das nahezu jeden Aspekt von Woodstock beleuchtet, eine Retrospektive, die auch für Experten lesenswert ist.
Credit Coverbild: © edel books
Eine andere Sichtweise auf das Jahrhundert-Ereignis liefert Michael Lang, der Macher des Festivals. In der gerade veröffentlichten deutschen Version seines "Road To Woodstock"-Berichts, illustriert er in durchaus mitreißender Manier welchen Widrigkeiten es zu trotzen galt,  um das Hippie-Spektakel über die Bühne zu bringen. Und da gab es so einige, denn die Musikbranche war auch damals natürlich vor allem ein Business....
Durch die hier verwendete Mischung aus persönlichen Erinnerungen und oral history-Beiträgen von Stars, die damals dabei waren, ergibt sich ein sehr komplettes Bild, das die großformatigen Bildbände ergänzt und nicht nur im Jubläumsjahr lesenswert ist.

Bibliographische Angaben:
Woodstock, Baron Wolman
ISBN: 978-1-909526-11-2
192pp; Hardback; 100+ b/w photographs 290 x 245 mm / 11.4 x 10 in.
 Woodstock is published by www.reelartpress.com
Julien Bitoun „Woodstock - Three Days of Love and Peace
 240 Seiten, 127 Farbfotos, 54 s/w Fotos, Format 21,5 x 28,5 cm, gebunden
Euro (D) 39,90 / Euro (A) 41,10 • (ISBN 978-3-667-11411-2) Delius Klasing Verlag „Edition Delius“, Bielefeld
Michael Lang. Woodstock - Die wahre Geschichte.Vom Macher des legendären Festivals
384 Seiten, Format: 13,5 x 21,0 cm
ISBN: 978-3-8419-0646-5

Einbandart: Hardcover mit Schutzumschlag