Dienstag, 19. März 2019

EIN NACHMITTAG MIT EINER SONGWRITER-LEGENDE: NORMAN SEEFF UND DIE JONI SESSIONS


Credit Bild: © Norman Seeff Insight Editions
Wer sich wenig für den klassischen Westcoast-Singer/Songwriter-Pop der 60er/70er interessiert oder die markanten Gesichtszüge der aparten Frau hinter den dunklen Sonnengläsern auf dem Bild oben nicht erkennt, könnte diesen neuen Großformat-Band von Starfotograf Norman Seeff durchaus für eine Aufnahme eines Models der 70er oder eine Fashion-Retrospektive halten. Tatsächlich handelt es sich hier jedoch um das fotografische Portrait einer kanadischen Musik-Ikone, der Seeff mit „Joni: The Joni Mitchell Sessions“ ein bibliophiles Denkmal gesetzt hat.

Ein Buch mit einer einzigen, alles umfassenden Hauptdarstellerin? Ein Werk, das den alleinigen Fokus nicht auf eine Band, ein Konzert-Event oder eine legendäre Aufnahmesession sondern nur auf eine einzige Person legt - kann das gut gehen ? Funktioniert so etwas ohne redundant zu werden ? Norman Seeff – seines Zeichens einer der prominentesten Vertreter der modernen Fotografie und Art Director u.a. beim Exile On Main Street-Cover der Rolling Stones – hatte da selbst so seine Zweifel. Erst sein italienischer Kollege Guido Harari überzeugte ihn, dass  die vielen ausführlichen Foto-Sessions, die Seeff mit Joni seit den 70ern konzertiert hatte, unbedingt als eigener Bildband released werden müssten. Das Ergebnis ist nun im US-Verlag Insight Editions erschienen und man muss sagen, dass dieses Konzept absolut perfekt funktioniert. Sogar so gut, dass dieser 250-seitige coffee table-Band zu den bemerkenswertesten seiner Gattung zählt.
Credit Bild: © Norman Seeff Insight Editions

Credit Bild: © Norman Seeff Insight Editions
Dass der kunstaffine Leser einen solchen Eindruck gewinnt hat gleich mehrere Gründe. Zum einen liegt es natürlich an dem einzigartigen Stil, mit dem Seeff seine Fotos schießt.
Den Aufnahmen des südafrikanischen Meister wohnt eine expressive Kraft inne, die künstlerisch jedoch zu keinem Zeitpunkt gekünstelt wirkt. Zum anderen grenzen sich diese Aufnahmen von anderen Rock N´Roll-Photographers durch die Verwendung von Stilmitteln aus der Modern Art-Szene wie Farbstrichen auf den Kontaktabzügen; all dies unterstreicht den Charakter eines Kunstprojekts. Die hier gezeigten Aufnahmen fangen zudem die fragile Schönheit Mitchells perfekt ein. Der Betrachter merkt, dass sich die kanadische Songwriterin vor Seeffs Kamera sichtlich wohlfühlt. Sie lacht, malt oder raucht. Hier gibt es keine unnatürlich anmutenden Posen, die Grenze zwischen dem Setting einer Foto-Session und einem ganz normalen (All-)Tag im Hause Mitchell verschwimmen. Die Bilder sind zudem teils wirklich sehr intim - wie etwa Joni beim Schwimmen im privaten Pool – jedoch ohne voyeuristisch zu wirken.
Credit Bild: © Norman Seeff Insight Editions
Blättert man die Hochglanzseiten in Seeffs Band durch hat man das Gefühl ein bisschen Zeit mit der Musikerin zu verbringen – quasi ein Nachmittag  mit dieser interessanten Frau. Tatsächlich sind die hier gezeigten Bilder so gut, dass man nicht mal unbedingt ein Joni-Fan sein muss, um dieses gelungene Portrait einer der ungewöhnlichsten Persönlichkeiten im Musikbusiness zu schätzen.