Sonntag, 9. Dezember 2018

MANDY - NICOLAS CAGE AUF PSYCHEDELISCHEM HEAVY METAL-GRINDHOUSE-RACHE-TRIP


Credit Bild: © Koch Media 
Die USA anno 1983, es ist die Reagan-Ära, in der vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs nicht nur die Angst vor Spionen umgeht, sondern auch vor einer potentiell gefährlichen Popkultur, insbesondere dem bösen Heavy Metal. In jenen Zeiten führt der Holzfäller Red Miller (Nicolas Cage is back!) mit seiner Frau Frau Mandy ein abgeschiedenes Leben in einem Haus im Wald. Die eremitische Idylle der beiden wird jedoch gestört als eine Gruppe okkulter „Jesus Freaks“ - ja, bei Mandy ist das kein Widerspruch 😉- unter der Führung  ihres Gurus, dem an Charles Manson gemahnenden, gescheiterten Folksänger Jeremiah Sands, gewaltsam in ihr Leben eindringt und Red in weiterer Folge dazu gezwingungen ist einen dunklen Pfad der Vergeltung einzuschlagen.

Schon kurz nach dem Release entwickelte sich „Mandy“ zu einem Hit auf den einschlägigen Festivals. Nun bringt Koch Media den neuen Streifen von Panos Kosmatos – dem Sohn von „Rambo II“ und „Tombstone“-Regisseur George Kosmatos – schon kurz nach den ersten europäischen Screenings als technisch tadellose Blu ray ins Heimkino.
Die enthusiasmiert-euphorischen Festivalkritiken eilten diesem Movie meilenweit voraus, genauso wie die Huldigung auf Cages Performance  - kehrt der Oscar-Preisträger nun aus den mitunter selbst gewählten Untiefen der drittklassigen Streifen zurück ? Ist „Mandy“ wirklich seine lange überfällige „Return To Form“? Nun, teils teils.Tatsächlich ist Cage die absolute Idealbesetzung für den wortkargen Rächer. Wer sonst hätte im aktuellen Filmbusiness den Mut eine Rolle in einem derart „ausgefransten“ Streifen zu übernehmen und die Figur des Red mit jener wahnsinnigen Intensität zu spielen ? Andererseits spielt Cage auch hier schlichtweg eine typische Cage-Rolle – mit all seinen Eigenheiten; schreiend und mit weit aufgerissen Augen, Performances in Machwerken der Vergangenheit wie „Drive Angry“ rufen sich unweigerlich ins Gedächtnis. Overacting nennen das die einen, idiosynchratische, unverwechselbare Manierismen die anderen.
Credit Bild: © Koch Media 
 
Credit Bild: © Koch Media 
Doch ganz egal ob man jetzt Cage-Fan ist oder nicht  - „Mandy“ ist fraglos einer der ungewöhnlichsten und vor allem wildesten Filme der letzten Jahre - der sich allerdings absolut nicht an ein Mainstream-Action-Publikum richtet. Denn Regisseur Cosmatos, ein Name, den man auch in Zukunft auf seinem Radar haben sollte, schuf mit diesem Projekt einen Film, den man nur als totalen Trash ablehnen oder als old school-Schund lieben kann; ein Werk das wohl nur die absoluten Geeks schätzen werden können.
"Mandy" ist vieles zugleich; eine bittersüße Romance  und eine beinharter Revenge-Story, ein psychedelischer Experimentalfilm mit Mut zur Arthouse-Entschleunigung und starkem Okkultismus- und Drogen-Subtext sowie eine Hommage an die Exploitation- und B-Movies der späten 70er und frühen 80er Jahre. Hinzu kommt, dass  „Mandy“ eine detailversessene Liebeserklärung an das Heavy Rock und Heavy Metal-Genre ist. Von den Black Sabbath und Mötley Crüe-Shirts von Reds Geliebter, genre-konformer Symbolik, dem hypnotischen Soundtrack des leider dieses Jahr verstorbenen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson - der Carpenter-artige Synths mit verfremdeten Doom Metal-Gitarren mischt - hin zur berauschenden Art Direction, die den ganzen Streifen wie die Verfilmung eines Metal-Albumcovers wirken lassen.
Credit Bild: © Koch Media 

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Klingt wild ? Ist es auch, zumindest ab der zweiten Hälfte, denn Cosmatos comic-haft überzeichnete Tour De Force zerfällt grob in zwei Teile. Eine von King Crimson eingeleitete Exposition, die in meditativen Bildern dem Zuseher eine  ätherisch, langatmige Einführung in die Story gibt. Dann schaltet Cosmatos mehrere Gänge höher – wechselt also vom Clean-Kanal in den Distortion-Modus – und entfacht eine rabiate Racheorgie inkl. Kettensägenduell und blutigen „Video Nasties“-Exzessen.
Nicht nur für Cages Charakter sondern auch für den Zuseher wirkt das wie ein filmischer (Horror-) Trip: Die psychedelische, knallige Farbdramaturgie erweckt Assoziationen zu Dario Argentos Klassiker „Suspiria“ (und an ein andere Neo-Grindhouse-Arthouse-Experiment der jüngsten Vergangenheit: Nicoals Winding Refns „Neon Demon“).  Die tranceartige Erzählweise gemahnt – analog zum Abstieg Reds in die Tiefen des drogeninduzierten Wahsninns - an den  Alejandro Jodorowskys Western „El Topo“. Mit letzterem Film gemein hat „Mandy“ auch die teils stark ausgeprägten, geduldsprobenartigen  Längen - aber war das nicht bei vielen der heutzutage verehrten Midnight Movies so ?
Credit Bild: © Koch Media 
Wenn auf der Rückseite der Blu ray von einem Kultfilm gesprochen wird, so ist das gar nicht weit hergeholt. Tatsächlich hat „Mandy“ durchaus das Potential dazu. Das liegt einerseits daran, dass Regisseur Cosmatos das Spiel mit filmhistorischen und popkulturellen Querverweisen und Intertextualität virtuos beherrscht. Andererseits ist „Mandy“ einer der wenigen Film, der originalgetreu jenes Gefühl wiedererweckt, das man bei der Sichtung eines jener „verbotenen“ ultraseltenen B-Movie-Schätze  hat bzw. hatte. 
All dies macht „Mandy“ nicht unbedingt zu einem guten Film im klassischen Sinne, jedoch zu einem der besten Neo-Schundfilm seit diese Gattung Mitte der Achtziger aus den (Bahnhofs-)Kinos verschwand. Ein Werk für Genre-Kenner, mit gleich hohem Trash- wie Kultfaktor oder auch: der beste, schlechte Film des Jahres - nur im Grindhouse-Genre ist das kein Paradoxon.

Bonus-Content der Blu ray:  Audiokommentar, Making of-Featurette, Deleted Scenes, Teaser, Trailer