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Mit
Remakes bekannter Klassiker der Kinogeschichte verhält es sich so ähnlich wie
mit Cover-Versionen in der Musik: Fans des Originale können oftmals wenig mit ihnen
anfangen, die Gefahr zur uninspirierten Kopie zu werden ist stets nah und somit
erweist sich die Fallhöhe als beträchtlich. Doch ein Cover bietet, wie ein
Blick in die Musikgeschichte beweist, immer auch die Chance „auf den Schultern von
Riesen“ oder verehrten Vorbildern profund Neues zu schaffen und einem bestehenden Werk etwas Einzigartiges hinzuzufügen. Bei
der 2018er Neuauflage eines der legendärsten italienischen Horrorfilme aller
Zeiten - Dario Argentos „Suspiria“ -
wollte „Call Me By Your Name“-Regisseur
Luca Guadagnino offenbar den letzteren Weg gehen und neue Deutungsmuster im bekannten
Stoff des Meisters finden. Dabei geht er künstlerisch gesehen über die Leichen jener
Aspekte, die das Original zu einem singulären Kultfilm werden ließen.
Vom Argento´schen
Urtext bleibt hier nur das Skelett über: Wie im Original folgt der Zuschauer der
jungen Suzy (diesmal verkörpert von „50 Shades“-Star Dakota Johnson) bei ihrem
Weg in ein deutsches Tanz-Internat mit
unheimlich anmutenden Leiterinnen (allen voran Tilda Swinton). Suzys
Nachtruhe wird regelmäßig von Alpträumen gestört und einige ihrer
Tanzkolleginnen verschwinden auf
mysteriöse Weise. Das unbedarft wirkende Mädel ahnt da noch nicht, dass sie
Teil eines sinistren Plans ihrer okkulten Lehrerinnen ist…
Hier enden
jedoch schon die Gemeinsamkeiten. Dem „Suspiria“ des 21. Jahrhunderts ist das europäische
Paracinema der Siebziger wesentlich weniger nah als etwa Darren Aronofskys „Mother“ (2017) oder Nicolas Winding-Refns „Neon Demon“ (2016).
Immerhin,
man muss diesem Prestige Projekt der
Amazon Studios zu gute halten, dass es
nicht auf Nummer sicher geht. Die knalligen Farbspiele und die perfiden
„murder set pieces“ für die Argento so berühmt und respektive berüchtigt ist, müssen
weichen. Wo bei "Supriria" im Jahre 1977 noch zeitgeistiger
Progressive Rock im Soundtrack dominierte, stehen nun alternative Noise-und Klangstrukturen mit dezenter Pop-Nähe von Radiohead-Frontman Thom Yorke im Mittelpunkt. Allein eine gewisse Faszination für
Architektur teilen beide Regisseure. Doch während Argento das Spiel mit seinen
„Signatures“ virtuos beherrschte, verstolpert sich Guadagnino bei seiner eigens
ersonnenen Choreographie.
Wenn die
Spielzeit in "Suspiria" (2018) die Länge
des Ursprungsfilms überschritten hat, ist die Handlung noch immer nicht in Fahrt
gekommen. Anstatt auf Suspense und Horror setzt der Regisseur nämlich vor allem
auf ausgewalzte Tanz-Szenen. Der Horror er lauert hier nicht in „jump scares“
oder einer bedrohlichen Atmosphäre, nein, der wahre Horror liegt im Modern
Dance nach Festwochen-Zuschnitt. Doch allein diese hier ausgelebte private Begeisterung des Directors für einen
ästhetisch immerhin toll gefilmten Tanz der Teufel sollte den geneigten
Genre-Fan noch nicht dazu treiben, den Film als Sakrileg in (Pina) Bausch und
Bogen abzuschreiben. Dafür sorgt vor allem anderen schon der zähe, mäandernde
Plot, der ähnlich ziellos wie ein ins
Nichts laufender High Fashion-Werbespot wirkt. Dass Guadagnino das Ganze noch
mit einem unausgegorenen, plakativen Polit-Subtext verbrämt - die Story ist im Erscheinungsjahr des
Argentos-Film, dem deutschen Herbst 1977, angesiedelt , wobei das Setting seltsamerweise über weite Strecken sehr winterlich anmutet –
macht es nicht besser. Plakative Dialoge über das Zeitgeschehen tun ihr übriges.
Guadagninos
Film ist stets bemüht hohe Kunst zu sein, nicht bloß ein Schauerstück sondern
ein „thinking man´s horror movie“. In diesem Ansinnen gelingt ihm jedoch nur
ein überlanges (150 mehr als gestreckte Minuten!) prätentiös anmutendes
Experiment, das zu roh fürs Arthouse und zu wenig spannend fürs Grindhouse ist.
Dass man es hier dennoch mit einem der ungewöhnlichsten Genre-Filme der letzten
Jahre zu tun hat, den man als Horror-Fan und Argento-Jünger zumindest gesehen
haben sollte, und sei es nur um sich erneut zu vergewissern, dass das Original auch anno 2019 besser ist , muss man anerkennen.
Am Schluss
steht man wieder bei der Coverversion-Allegorie: Guadagnino bleibt mit seiner Interpretation
des Stücks zwar im selben Genre ändert jedoch so radikal die Tonalität und das
Tempo, dass letzten Endes sogar die Grund-Melodie entstellt wird: Ein Cover mit hinzufügten Solo-Passagen einzelner
Instrumente, bei dem jedoch insgesamt die Dissonanz einer gut intendierten,
jedoch missglückten Neuinstrumentierung
überwiegt und sich kein harmonischer Gesamteindruck einstellen mag.