Freitag, 29. März 2019

DIE NEO-KLASSIK UND DER BLUES: YNGWIE MALMSTEEN - BLUE LIGHTNING

© Austin Hargrave  Mascot Records/Mascot Label Group/Rough Trade
Knapp vier Jahrzehnte nachdem er in der Post-Van Halen-Ära quasi im Alleingang einen neuen, hochtechnisierten Spielstil etablierte gilt der schwedische Gitarrist Yngwie Malmsteen noch immer als der Inbegriff des neo-klassischen Shredders. Bei ihm verwischt die Grenze zwischen der E-Gitarre und der Violine mit fast unspielbaren, manisch schnellen Runs wie einst beim Teufelsgeiger Niccolo Paganini. Seine kompromisslose, jenseits aller Geschwindigkeitsgrenzen liegende „Mehr ist Mehr“-Attitüde war immer wieder Anlass für Zweifler scharfe Kritik an einem Virtuosen zu üben, der wie wenige andere auch nach den Achtzigern ein Fulltime- Rockstar geblieben ist. Malmsteen selbst scheint all dies nie wirklich interessiert zu haben, er machte immer sein eigenes Ding unabhängig von Trends.
Auch sein jüngstes, heute erscheinendes Album „Blue Lightning“ bildet da keine Ausnahme und wird niemanden zum Fan des Schweden konvertieren. Doch selbst den ein oder anderen Anhänger wird dieses Werk ziemlich überraschen, denn mit dieser LP hat er ein heavy Blues-Rock-Album aufgenommen.

All jene, die die Karriere des Schweden intensiv verfolgt haben, werden darin einen völlig logischen Schritt erkennen, eine deutliche Blues-Komponente war bei aller barocken Opulenz stets präsent in seinem Spiel. Zudem war eine  Affinität zum blauen Genre bei Malmsteen schon in Kindheitstagen gegeben: Als er zu seinem 5. Geburtstag eine Gitarre geschenkt bekam, versuchte der junge Yngwie das legendäre „John Mayalls Bluesbreakes with Eric Clapton“-Album nachzuspielen- „Blue Lightning“ ist somit so etwas wie ein Schließen des Kreises bzw. der Turnaround im 12 Takte Schema.
Neben einigen  Eigenkompositionen (wie bei der ersten Singleauskopplung „Sun´s Out Top´s Down“ mit dem Themenkomplex  Rolex, Ferrari und bluesigen guitars) covert er Stücke von Jimi Hendrix , ZZ Top, den Beatles, Stones, Deep Purple  oder Eric Clapton.
© Austin Hargrave  Mascot Records/Mascot Label Group/Rough Trade
Der Fehler sich allzu nah an den Originalen zu bewegen, wird hier tunlichst vermieden.
Malmsteen hält sich nicht sklavisch an die Vorlagen, Werktreue steht nicht unbedingt im Mittelpunkt. Vielmehr dienen ihm die Klassiker nur als Gerüst  oder Rahmen für teils hemmungslose Solo-Exzesse bis zum abwinken. Das funktioniert bei manchen Songs besser als bei anderen. Noch ein „Smoke On The Water“-Cover hätte es nicht unbedingt gebraucht, das in Grund und Boden gerockte „Paint it Black“  ist eher zum skippen. Die Purple- Nummern sind hingegen ein Heimspiel für den Blackmore-Jünger Malmsteen, der auch als durchaus guter Sänger brilliert.  Nur die für den Blues so wichtigen Zwischentöne  und feinen Nuancen gehen im Orkan der – technisch zweifelsohne beeindruckenden – Saitenakrobatik immer wieder unter, selbst aus einem laid back Slow Blues Gibbons´schen Zuschnitts wie "Blue Jean Blues" macht er ein Shred-Fest.

Traditionellen Genre-Fans wird dieses Album also viel zu wenig puristisch sein, gleichzeitig wird dieser hochoktanige Vollgas-Blues aber mitunter jene Fans befremden, die die metallischere Seite Malmsteen bevorzugen. Ungeachtet dessen, merkt man stets die Leidenschaft mit der sich der Gitarrist vor seinen Idolen verneigt, Und selbst wenn nicht jedes Cover gelingt, hat man es mit einem der besseren Releases des Schweden zu tun -auch wenn nach dieser Sechs-Saiten-Orgie beim Hörer die Erkenntnis bleibt, dass vielleicht doch so etwas wie ein zuviel an Noten existiert.