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Coverbild: ©Zsolnay Verlag
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Ebenso
interessant wie eigentümlich war die Beziehung der gefürchteten Diktatoren und Propagandisten
der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zum damals noch jungen Medium
Film. Einige von ihnen waren selbst Fans der bewegten Bilder auf der Leinwand: Ähnlich
wie bei der Opernfigur des letzten Tribunen Rienzi fand sich Adolf Hitler etwa im
Pancho Villa im u.a . unter der Regie von Howard Hawks entstandenen „Viva Villa“
wieder. Josef Stalin entwickelte sich zwar erst mit fortgeschrittenem Alter zum
Cineasten (und Zensor der Kunstform) hatte jedoch skurrilerweise eine Vorliebe
für westliche Filme, darunter auch für das ur-amerikanische Genre des Western. In
Italien wiederum schuf sich Benito Mussolini für die Produktion italienischer Filmwerke
gleich eine eigene Stadt: Cinecittà.
Die Symbiose
zwischen den Diktatoren und der Kunstform ging jedoch weit über die persönliche
Begeisterung hinaus. Kino war immer auch eine wirksame Propaganda-Waffe, nicht
nur zur überlebensgroßen Selbstinszenierung sondern auch zur perfiden Beeinflussung
der Massen.
Lenin etwa
hatte zwar nicht unbedingt viel für das Künstlerische im Film über, erkannte
jedoch das edukative Potential für die Arbeiter in Russland. Der
Chefpropagandist des „Dritten Reichs“ Joseph Goebbels schwärmte nicht nur aus
weniger cineastischen Gründen für zahlreiche Starlets von Babelsberg sondern instrumentalisierte rücksichtslos Schauspieler
wie Regisseure und lenkte die gesamte Filmproduktion in Deutschland. Vor diesem
Hintergrund ist es eine interessante Fußnote der Geschichte, dass gerade in
solch dunklen Zeiten technische wie inszenatorische Pionierleistungen
fielen (Stichworte: Riefenstahl und Eisenstein).
All diese unterschiedlichen
Aspekte - von den Genre-Vorlieben der Despoten über die Rolle bekannter
Filmschaffender in totalitären Systemen zur Instrumentalisierung eines ganzen
Massenmediums zur Beeinflussung des Volks - stehen im Zentrum der Neuerscheinung „Diktatoren
im Kino“ des renommierten Literaturwissenschaftlers Peter Demetz. Dieser
beleuchtet ein ungemein faszinierendes Gebiet, das noch nicht so erschöpfend
erforscht wurde, wie man vielleicht annehmen könnte. Der hier gegebene
Überblick ist kompakt, ohne dabei oberflächlich zu wirken. Demetz findet
interessante, wenig bekannte Details in den Biographien der Diktatoren - das
macht dieses Buch einerseits für jene spannend, die sich erstmalig mit dieser
besonderen Thematik auseinandersetzen,
es langweilt jedoch andererseits nicht die historisch versierten Leser.
Zwar könnte man das Thema sicherlich noch ausführlicher behandeln als es hier auf gut 256 Seiten geschieht, doch es ist dem Autor sehr zugute zu halten, dass er nicht
den Fehler so mancher seiner Kollegen begeht und sich in Nebensächlichkeiten verzettelt,
die dann in einer wenig mitreißenden Aufzählung
mehr oder minder bedeutsamer Zahlen mündet. Dieses Buch liest sich stets flüssig, was auch an
der immer wieder durchscheinenden Begeisterung des Cineasten Demetz liegt. Nur
die Aufmachung ist etwas nüchtern ausgefallen: Ein paar vereinzelte,
kleine Schwarzweiß-Fotos illustrieren das Büchlein; die Thematik und die
visuelle Natur des Mediums Film hätten durchaus eine größere Aufmachung mit ganzseitigen
Fotos und Bilderstrecken für eine tiefergehende
Analyse von Propaganda-Machwerken nahegelegt.
Ungeachtet
dessen ist „Diktatoren im Kino“ ein - im besten Sinne - „old
school“-Geschichtsbuch, das mit einer Fülle an Infos nicht nur als Quelle für
eigene wissenschaftliche Arbeiten fungieren kann sondern zu den
interessantesten kommunikationshistorischen wie kinogeschichtlichen Releases
der jüngeren Vergangenheit zählt.