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Credit Coverbild: © Editon Olms |
Lyrics im Blues weisen nicht nur eine beeindruckende Kreativität in der Be- und Umschreibung der besungenen Sachverhalte auf, sondern geben dem heutigen Hörer auch Einblick in eine vergangene Zeit und in ein soziokulturelles Umfeld, das in dieser Form nicht mehr existiert. Zudem offenbaren uns Blues Songs einen teils faszinierenden Slang bzw. Szene-Jargon, der in seiner Unverblümtheit keinesfalls hinter den expliziten Texten heutiger Rapper zurücksteht. Während Sonntags in der Kirche beim Gospel natürlich das Sakrale im Mittelpunkt stand, gehörte der Samstagabend „Wein, Weib und Gesang“ bzw. dem Blues, der sich stets auch dem allzu Menschlichen, Lasterhaften und irdischen Problemen widmete: Sex, Liebe und Eifersucht, Drogen, Suizid, Ausbeutung aber auch ganz einfach die „good time“ wenn der „Juke Joint“, kracht .
Manche dieser Thematiken werden direkt angesprochen, andere werden nur mit einer Art Geheimsprache, die man geradezu als Code bezeichnen könnte, beschrieben. Autor Robert Cremer hat sich genau dieser eigenen Blues-Etymologie angenommen und analysierte hunderte Songs - übersetzt diesen Slang, gibt Aufschluss über heute wenig gebräuchliche Begriffe und taucht im Zuge dessen auf 868 Seiten tief ein in die Geschichte dieser amerikanischen Musikrichtung. Cremers Entdeckungen sind musikhistorisch sowie sozio-kulturell faszinierend, sein Vorgehen bemerkenswert detailreich, geradezu detektivisch. In 12 Kapitel, eingeteilt nach Themenkomplexen wie z.B. Sex, Humor, Schnaps, Voodoo, Rassentrennung oder der traditionell selbstbewussten Eigenbeschreibung des Bluesman, werden Lyric-Exzerpte analysiert und das Vokabular bekannter und weniger bekannter Songs detailreich und unterhaltsam erklärt.
Analog zum lexikalen Charakter dieses Hardcover-Bandes - allerdings im Kontrast zum farbenfrohen Cover - ist das ganze zwar sehr übersichtlich, aber doch ziemlich nüchtern und über weite Strecken in Schwarz/Weiß gestaltet. Ein Umstand der jedoch nichts daran ändert, dass dies eines der interessantesten Musikbücher der letzten Zeit ist - zumal es bei Cremer nicht nur bei für Blues-Veteranen mitunter bekannten Erkenntnissen bleibt, dass bei Textzeilen wie „diggin my garden“ nicht eben Gartenfreunde angesprochen werden, saftspendende Limonen nicht nur an der Fruchttheke erhältlich sind und selbst das Braten eines Steaks nicht unbedingt etwas mit Kulinarik zu tun haben muss.
Robert Cremer – Die Geheimsprache des Blues Mit einem Vorwort von Bobby Rush. 868 Seiten mit über 250 Fotos und Illustrationen. Hardcover im Großformat 21 x 30 cm.ISBN 978-3-283-01316-5.