Dienstag, 30. Juli 2024

DEEP PURPLE = 1

Deep Purple Band Ian Gillan Roger Glover Ian Paice Simon McBride Jim Rakete edel earmsuic Bandfoto Legends Classic Rock Smoke On The Water  01 Review
Credit Bild: © Jim Rakete  earMusic Edel
Mit dem 2017er-Album „Infinite“ und der darauffolgenden, recht eindeutig betitelten „The Long Goodbye Tour“ wähnte man die Hardrock-Legenden Deep Purple eigentlich schon auf Abschiedskurs. Ein Farewell nach einer langen Karriere, ganz so wie es viele ihrer teils sogar jüngeren Kollegen längst zelebrierten. Was dann folgte war jedoch das genaue Gegenteil: eine starke Veröffentlichung nach der anderen (vom Quarantäne-Cover Projekt „Turning to Crime“ zum experimentierfreudigen „Whoosh!“ ) sowie konstant gut gebuchte Konzertreisen. All das kulminiert nun in einer neuen Platte, die nicht nur die erste in der Mark IX-Besetzung ist, sondern auch das kraftvollste Purple-Album seit geraumer Zeit darstellt - und das obwohl schon die unmittelbaren Vorgänger wirklich gelungen waren. Mit dem kryptisch betitelten „= 1“ folgt  jetzt allerdings ein beeindruckendes Spätwerk, das jene Platten übertrifft, nur so vor Kraft strotzt und dabei immer wieder überdeutlich an alte Zeiten gemahnt.

Ein Grund - vielleicht sogar der Hauptgrund - dafür ist zweifelsohne der neue Mann an den sechs Saiten. Der Ire Simon McBride ist mit 45 Jahren der Jüngste im Bunde, ersetzte den aus familiären Gründen ausgeschiedenen Steve Morse auf Tournee und wurde alsbald fixes Mitglied. Als virtuoser Rockgitarrist alter Schule hat McBride die Klassiker Purples natürlich verinnerlicht, bringt live die Blackmore´schen Riffs und neoklassischen Leads souverän rüber und fügt sich ganz generell extrem gut ins Bandgefüge ein  - und lässt auf "=1" dennoch seine eigene Handschrift erkennen, u.a. mit einer Gary Moore-Influence, die so bislang nicht bei Purple zu finden war. 

Die neue Inkarnation dieser Band, die historisch betrachtet den beständigen Wechsel in ihrer DNA hat, harmoniert ungemein gut miteinander. So gut, dass sich eine Frage geradezu aufdrängt: Ist McBride gar der bessere Fit für diese Band als der fraglos geniale Morse? Fast ist man geneigt, dies zu bejahen. Jedenfalls wirken die neuen Songs prägnanter, weniger proggig, kommen mehr auf den (teils hymnischen) Punkt und swingen mehr. Dass „=1“ so dermaßen druckvoll klingt, liegt also nicht allein an Produzentenlegende Bob Ezrin, der schon seit mehr als einem Jahrzehnt mit der Band zusammenarbeitet. Ian Gillan verzichtet heute zwar verständlicherweise auf eine Live-Darbietung der extremen Vokal-Übung bei "Child In Time"  ist aber dennoch nach wie vor ein durchsetzungsfähiger Sänger, der auf diesem neuen Album geradezu glänzt. Organist und Keyboarder Don Airey hat hier gefühlt noch mehr den Jon Lord-Modus eingeschaltet. Mit McBride hat er einen Partner, der dieses charakteristische Interplay zwischen Orgel und Gitarre, dass ja ein wesentliches Element des Purple Sounds ist, geradezu zelebriert. Die Rhythm Section aus Roger Glover am Bass und Ian Paice an den Drums ist tight wie eh und je, angesichts der sich hier bahnbrechenden kreativen Energie legen sie allerdings ein noch massiveres Fundament.

Realistischerweise muss man konstatieren dass - wenig verwunderlich  - auch dieses Album kein neues „Black Night“ oder „Highway Star“ enthält, doch die neuen Songs sind nichtsdestoweniger stark, energetisch und zitieren gekonnt die Vergangenheit (die Single „Lazy Sob“ etwa hätte durchaus aus der Coverdale-Ära stammen können). Deep Purple experimentieren auf diesem Album routiniert mit ihrem Signature Sound - nur dass "=1"  eben nicht nur durchgehend Routine ist -  sondern eine Band zeigt, die auf ihrem 23. Studioalbum weitaus härter rockt als manch halb so alte Musiker: bemerkenswert!

"=1" erscheint in mehreren Versionen. Für Sammler besonders interessant ist, dass die Erstpressung der Vinyl-Edition ein riesiges Booklet in LP-Größe mit allen Song Lyrics (Gillan hat hier wieder ganze Arbeit als Rock-Dichter geleistet...) beinhaltet.