Montag, 28. September 2020

100 JAHRE CHARLES BUKOWSKI : PORTRAIT EINES KULT-AUTORS in „THE SHOOTING“

Credit Bild: © Hirmer Verlag

Kaputt in Hollywood: Richtig gute Autoren erfinden nicht bloß mitreißende oder berührende Geschichten, sie bringen auch immer etwas von sich selbst, ein autobiographisches Element in die Zeilen ihrer Werke mit ein. Wenige taten dies so schonungslos wie Henry Charles Bukowski, der zeitlebens den selbstzerstörerischen Lifestyle pflegte der seine harten Stories vom rauschhaften Leben auf der Schattenseite von L.A. dominierte. Bukowskis Welt war die der Barflies, der „all night“-Trinker in den schäbigen Spelunken der vermeintlichen Stadt der Engel: Leichte Mädchen, harte Getränke und die Arbeit als Faktotum in niedrigen Jobs prägten das frühe Leben des Autors ebenso wie das Dasein  seines literarischen Alter Egos Henry Chinaski. Grenzerfahrungs-Suchende waren zwar zuvor schon ein beliebter Topos der modernen amerikanischen Literatur gewesen, mit Bukowski war diese jedoch endgültig auf der Kehrseite des amerikanischen Traumes angekommen, nicht von ungefähr heißt eine seiner Geschichtensammlungen „Das Leben und Sterben im Uncle-Sam-Hotel“. 

Anders als bei Poeten wie Ginsberg, Kerouac oder Burroughs  war Bukowski nicht Teil der Beatszene oder der  Counterculture, den Hoffnungslosen in den Hackler-Berufen blieb  nicht die Dekadenz, der schöne Fall, sondern nur lediglich trostlose Selbstzerstörung am Boden einer Flasche. Obwohl Bukowskis knallharte Stories alles andere als Mainstreammaterial waren  wurden sie dennoch – gerade im deutschsprachigen Raum in den 70er und 80er Jahren - zu Bestsellern. Heuer wäre Charles Bukowski 100 Jahre alt geworden. Anlässlich dessen erscheint im Hirmer Verlag mit „Bukowski – The Shooting“ von Abe Frajndlich ein Bildband über den Kultautor, der jedoch viel mehr ist als bloß eine Sammlung eindrücklicher Portraits eines enfant terribles der Literatur.  

Es war anno 1985 als der junge Fotograf Frajndlich von der FAZ den Auftrag bekam den „Skandalautor“ zu fotografieren. Shootings mit Bukowksi waren keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Denn dieser weigerte sich beharrlich  von jemand anderem als seinem persönlichen Haus- und Hoffotografen abgelichtet zu werden. Bei Frajndlich macht er jedoch eine Ausnahme. Der Fotokünstler hatte offenbar einen Nerv getroffen, der Ältere zum Jüngeren einen direkten Draht gefunden – wohl  auch aufgrund biographischer Gemeinsamkeiten und deutscher Wurzeln. In mehreren Sessions, auch bei  Bukowskis Hochzeit , fing Frajndlich den großen Autor so ein, wie er wohl wirklich war.

Denn die Bilder zeigen zweierlei: einerseits einen Bukowski der sein öffentliches Image stets bewusst pflegte und dem Fotografen genau das liefert, was die meisten Leute erwarten: Das Bildnis eines Spiegeltrinkers mit der Bottle in der Hand. Wer mit der Biographie Bukowskis vertraut ist, weiß jedoch: er war nicht nur grob sondern manchmal  auch durchaus sensibel, zudem vielseitig gebildet und belesen. Auch diese sanftere Seite vermag Frajndlich zu zeigen.Obwohl  „The Shooting“ ein relativ dünnes Büchlein ist und auch der interessante, essayistische  Textanteil überschaubar bleibt entsteht so ein recht komplexes Bild des Kultautors  – und darüber hinaus eine Annäherung an das Phänomen Bukowski.