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Bild: © Sony Music
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Gemächlich,
gänzlich ohne jegliche Eile rollt der Pickup-Truck, das Detroiter Symbol für
den amerikanischen Blue Collar-Arbeiter, den schier endlos scheinenden Highway
entlang. Ohne erkennbares Ziel folgt der Fahrer des in die Jahre gekommenen
Wagens der Straße ins Nirgendwo, direkt durch das Herz Amerikas vorbei an einem
wilden Mustang, der seine Kreise in einer dichten Staubwolke zieht.
Es sind diese
so archaisch wie ikonisch anmutenden Bilder der letzten großen „Frontier“, die
vor dem geistigen Auge des Zuhörers der jüngsten Platte des Boss entstehen. Nicht
von ungefähr heißt sie „Western Stars“, ist allerdings dennoch kein reinrassiges
Country-Album. Jenes Genre hatte ja schon immer einen festen Platz im
Songwriting-Koffer Springsteens, für seinen musikalischen Neo-Western bedient
er sich jedoch gekonnt an Genre-Versatzstücken ohne gänzlich ein traditionelles
Hillbilly-oder Alt-Country-Werk einzuspielen.
Angekündigt
war das Album auch als Springsteens Hommage an den Southern California Pop der
späten Sechziger und frühen Siebziger, dies hört man insbesondere an den teils
stark dominierenden Streichern-Arrangements, die den Geist dieser Zeit atmen
sowie den euphonischen Akkordfolgen, die eine wilde Westcoast evozieren. Die Charaktere, welche die neuen Lieder
bevölkern sind typische Springsteen´sche Helden, die genauso gut von Salinger oder
Joyce stammen könnten. Die Rolle des gänzlich unbeschwerten Hero ? Der Boss hatte
ihn nie auf seiner Casting-Liste.
„Western
Stars“ geizt zwar nicht mit Bombast, gerade wenn die mächtige Streicherwand den
Hauptdarsteller unzähliger Country-Songs, das berühmte „lonesome Feeling“, begleiten, insgesamt ist es jedoch
introspektiv und zurückgenommen.
Diese gedämpfte
Grundstimmung könnte als eine Bestandsaufnahme des Status Quo der Vereinigten
Staaten anno 2019 gedeutet werden. Doch obwohl es genau in Trump-Zeiten
erscheint und Springsteen nicht eben ein unpolitischer Musiker ist, hat man es
hier nicht mit einer Abrechnung mit der aktuell im Amt befindlichen Administration
zu tun.
Der Boss
hat universellere Themen im Blick, „Western Stars“ ist eine so tiefenentspannte
wie zeitlose Erzählung, eine schwermütige Working Class-Serenade. Also typisch
Springsteen eigentlich. Man hat ihn – Stichworte: Nebraska und Born To Run– zwar
schon mit mehr Verve und Abwechslungsreichtum musizieren gehört – doch als Panorama
von short stories aus dem Heartland ist das betont unaufgeregte und introspektive
„Western Stars“ sehr effektiv.
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