Gitarren-Ikone, Effekt-Pionier, Archetypus des Rockstars, Produzent, Arrangeur, Studio-Musiker - es ist eine Vielzahl an Rollen, die James Patrick „Jimmy“ Page im Laufe seiner langen Karriere von der Zeit als Session-Man in der Frühzeit des britischen Sixties-Rock, als Yardbird oder als Zeremonienmeister von Led Zeppelin einnahm. In den letzten gut zwei Jahrzehnten kamen noch die Parts des Buch-Autors und des Verwalters seines eigenen Vermächtnisses hinzu (siehe etwa die Reissues seines Backkatalogs oder den Retrospektiv-Band zum 50. Zeppelin-Jubiläum). Auch im neuen Coffee Table-Buch „Jimmy Page - The Anthology“, erschienen beim englischen Verlag Genesis Publications, präsentiert sich die Rock-Legende als gewissenhafter Archivar des eigenen Lebens und Chronist seiner Vergangenheit.
Dabei ist dieses Buch so ganz anders als die meisten Rockstar-Bücher. Es ist die chronologische Nacherzählung eines faszinierenden Lebens und zeichnet nach wie aus einem Chorknaben der Mann in der Dragon Suit wurde - ohne dabei die mittlerweile zum Standard geworden Künstlerbio zu sein. Vielmehr hat man es hier mit einer besonders interessanten Variante der Retrospektive zu tun - einer losen Biographie anhand von Gegenständen. Obwohl der Band auch voll von seltenen Jugendaufnahmen und Livebildern ist, ist diese Anthologie vor allem ein Streifzug durch Pages Karriere entlang ästhetischer Aufnahmen seiner berühmten Instrumente, sartorialen Extravaganzen, Session-Notizen und Memorabilia. Auch wenn dieser Prachtband keine herkömmliche „Tell All“-Story darstellt, offenbaren Pages detailreiche Begleittexte, die mit geballter Rock N´ Roll-Geschichte aufgeladenen Artefakte und die bis ins kleinste durchkomponierte Machart viel über die faszinierende Personality des Autors.
Eine Reihe von Double Necks Credit Bild: © Jimmy Page Archive 2019 |
Die Number One Les Paul, kunstvoll drapiert auf dem The Song Remains The Same-Jacket Credit Bild: © Jimmy Page Archive 2019
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Der Einblick der in „The Anthology“ gewährt ist auch deshalb so speziell, weil sich um Page nach wie vor zahlreiche Mythen ranken. Selbst die jahrzehntelange journalistische Aufarbeitung seiner Karriere hat nichts daran geändert , dass ihn noch immer die Aura des Geheimnisvollen umgibt. In der Peergroup der großen Rockstars gehört Page damit zu einem kleinen Zirkel Auserwählter, der universell respektiert ist, geradezu kultisch verehrt wird und deren Aufnahmen und Equipment bis heute lebhaft diskutiert werden.
Schon in der 2019er "Play It Loud "-Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum zeigte Page einige seiner Instrumente und aufwendigen Setups. In der Anthology geht er noch einen Schritt weiter und zeigt die „details behind the details“. Welcher Amp kam auf „Whole Lotta Love“ zum Einsatz ? Was sind die Unterschiede und wie ist das Spielgefühl der Number One und der Number Two Les Pauls ? Ihr wollt die Dragon- und die Poppy Suit „up close“ sehen ? Das „Stairway To Heaven“-Rig ebenso ? Alles da in der “Anthology“. Welche Saiten spielte er in den „early days“ bevor er in den USA die Ernie Ball Strings entdeckte? Und was genau war das für eine Superstrat zu Outrider“-Zeiten, seinem bislang letzten Soloalbum ? Auch diese Fragen und noch sehr viel mehr, werden in diesem faszinierenden Buch beantwortet.
Dass dieser Einblick überhaupt möglich ist, liegt daran, dass Page genauestens (Tage-)Buch geführt hat, so konnte er selbst Jahrzehnte zurückliegende Sessions rekonstruieren. Zudem wusste er immer, was er an seinem erstklassigen Equipment hatte, und pflegte es dementsprechend gewissenhaft. Anders als bei einigen seiner Kollegen sind weder Amps, Gitarren, noch das notorisch heikle Echoplex Kollateralschäden des Rock N´ Roll geworden, verschwunden oder in den Händen reicher Privatsammler gelandet – sondern über all die Jahrzehnte in seinem Besitz gebelieben.