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Führte ihn der Trip „down memory lane“ auf der letzten Platte zum Breitwand-Countrysound der Sixties, verneigt er sich hier vor der Sweet Soul Music aus Städten wie Memphis, Detroit oder Philadelphia. Soul zählte in den Sechzigern und Siebzigern zu den populärsten Genres und zum Standard für Cover-Bands, die auch ein gutes Trinkgeld bekommen wollten - die Sounds der Labels Motown, Gamble and Huff und Stax liefen im Radio in Heavy Rotation und regten auch die Fantasie eines ganz besonderen Jungen in Long Branch, New Jersey an. Später als man diesen Jungen den Boss nannte, sollte er Versatzstücke dieser Musik in seinem eigenen E-Street Sound in beinahe spector´scher Art und Weise verdichten. Hier nun verneigt er sich vor dieser Musikgattung und erweist auch weniger bekannte Stücken seine Reverenz.
Er tut dies jedoch mit zu großer Werktreue, bleibt stets sehr nah am Original. Hinzu kommt, dass die Arrangements extrem smooth, beinahe steril ausgefallen sind. Wenig spürt man hier vom organischen, dampfenden Sound der klassischen Soul-Alben. Das Polierte dominierte zwar auch Barry Gordys Motown-Aufnahmen, hier wird es jedoch auf die Spitze getrieben - und wird von einer stark zurückgenommenen Performance Springsteens begleitet. Dieses Musikgenre der Passion und überschäumenden Energie (man denke an "I´ve Been Loving You Too Long" oder "Hold On I´m Comin´") wird von Springsteen beinahe im Stile eines Crooners interpretiert - mehr Tony Bennett als Otis Redding. Ein Kontrast, der noch eklatanter wird, wenn man an weitaus energetischere Neo-Soul-Platten der jüngeren Vergangenheit wie Anderson Easts „Alive In Tennessee“ oder „Soul Searchin´“ von Jimmy Barnes denkt. Auch im Vergleich zu den Live-Konzerten, die man vom Boss gewohnt ist, wirkt "Only The Strong.." wie eine Platte mit angezogener Handbremse. Dabei passen sein Timbre und sein Stimmvolumen ausgesprochen gut. Springsteen, der hier anders als sonst nicht als Gitarrist sondern rein als Sänger auftritt und den Fokus damit rein auf die Stimme lenkt, meint dazu im O-Ton: “…On this record, I mean I was guided by the voices that sang before me, and I'm lucky that my range is basically where the great Motown singers sang.My range is similar to David Ruffin's, not as good, similar to Levi Stubbs, not as good, but the range is similar so I can sing that material.”
So gut dies von der Stimmfarbe also zum Ausgangsmaterial passt - man könnte “Only The Strong Survive“ als allzu glatte Platte abtun, in der es ein Superstar nicht vermag, den Song neue Facetten abzugewinnen - und auch ein Gaststar vom Kaliber eines Sam Moore keine Akzente setzen kann. All dies trifft zwar zu, doch hat man sich n den geringen Drive dieses Albums und an die leblosen Arrangements gewöhnt, entdeckt man einen interessanten Aspekt. Springsteen singt diese Songs nicht aus der Sicht eines Begehrenden oder Verlassenen mit gebrochenem Herzen, der seine Emotionalität in die lange Nacht hinausschreit. Bei dem 73-Jährigen werden diese Lieder zu Lamenti über hundert Jahre Einsamkeit - "lookin everywhere just to find someone who cares".
Es ist Nostalgie die in Melancholie umschlägt, wie das so ist wenn man an das was war zurückdenkt, es kann etwas weh tun und die Verzweiflung ist nicht weit. Springsteens 21. Album ist nicht von schweißgetränkter Emotionalität geprägt sondern von einer bittersüßen Wehmütigkeit - an deren Ende aber nicht nur Resignation steht sondern durchaus auch ein Hoffnungsschimmer wartet. Liebe ist nichts für Schwache, nur die Starken überleben. Dieser Spin gibt dem Album eine interessante Tiefe und Dimension - kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hierbei lediglich um ein solides, aber zu keinem Zeitpunkt großartiges Werk handelt.