Montag, 17. Juni 2019

Die „Places To Be“ der Sixties: Jim Marshalls THE HAIGHT und Guy Websters BIG SHOTS


Credit Bild: © Jim Marshall   Insight Editions
Paris hatte die blühende und bisweilen explosive Studentenszene, nahe New York fand das ikonisch gewordene Woodstock-Festival statt, London swingte sowieso schon in der ersten Hälfte der 60s massiv und München hatte immerhin die Kommune 1 mit einem der faszinierendsten Hippie-Girls ever, Uschi Obermaier. Doch nirgendwo sonst war die Konzentration aller Attribute der Gegenkultur so hoch wie an der Westküste der Vereinigten Staaten: Insbsondere San Francisco und Los Angeles wurden zu den absoluten „places to be“ , an denen sich die Superstars und Otto-Normal-Hippies  ansiedelten.

Wer "tuned in" und hip war und nach Frsico reiste musste bspw. unbedingt nach Haight Ashbury - dem unrthodoxen Künstlerviertel, das nach der Kreuzung von Haight Street und Ashbury Street benannt ist und zum magischen Sehnsuchts-Ort vieler Aussteiger wurde. Hier florierte zunächst die Beatnik-Szene (man erinnere sich an Ginsberg, Kerouac), später regierten dann die Flower Children.
Da man dort nicht nur mit Blumen im Haar wie bei Scott Mckenzie unterwegs war, sondern in den Taschen der Bewohner mitunter noch etwas anderes fand wurde das Viertel alsbald als "Hashbury" bekannt und je nach Blickwinkel (also wenn man Teil von Nixons "silent majority" war) berüchtigt. Der freie Lebenstil und die Zelebrierung eines "grenzenlosen" Daseins zog auch viele der prominentesten Vertreter der Counterculture- und Musikszene an: Hier konnte man durchaus John Cippolina und seinem Quicksilver Messenger Service oder Jery Garcia und die Grateful Dead, Janis Joplin oder Jimi Hendrix über den Weg laufen. Yep, the Haight was truly happening...Sie alle sieht man auch in dem überbordenden Monumentalwerk über das Kultviertel , das im US-Kunstbuchverlag Insight Editions erschienen ist.
Credit Bild: © Jim Marshall   Insight Editions
The Haight – Love, Rock And Revolution" von Rock N´Roll Photographer extarordinaore Jim Marshall zeigt alle Facetten Hashburys und erzählt von einer Zeit als für einen kurzen Moment wirklich alles möglich schien. Marshall gilt als einer der wichtigsten Chronisten der damaligen Zeit, war er doch bei fast allen Schlüsselevents des bunten Jahrzehnts dabei. Und auch seine Innenaufnahmen dieser außergewöhnlichen Community vermögen ähnlich wie seine Live-Bilder und seine Woodstock-Impressionen ein Lebensgefühl einzufangen.
Ein Wesensmerkmal der meisten  coffee table-Bücher ist ihr im Vergleich zum Text überproportionaler Bildanteil. "The Haight" sprengt jedoch dieses Format, der Text ist hier ebenso interessant wie die Bilder (Vorworte stammen von Donovan und Jorma Kaukkonen btw).Marshalls überbordender Loveletter an das Kultviertel ist ein Bildband wie ein Geschichtsbuch, der für den geneigten Sixties-Fan die Blütezeit von Haight Ashbury ein Stück weit aufleben lässt.
Credit Bild: © Guy Webster   Insight Editions
Auch Marshalls Kollege Guy Webster fand sich im Auge des Orkans, der die Kultur-Revolution  der 60s war, wieder. Allerdings nicht in Frisco sondern in seiner Heimat, der Stadt der Engel - die war in wohl noch viel größerem Maße das Epizentrum von Glamour der auf die Gegenkultur traf. Websters großformatiger Bildband "Big Shots. Rock Legends & Hollywood Icons. The Photography Of Guy Webster", ebefalls bei Insight Editions erschienen, erzählt von dieser speziellen Zeit als das alte vom neuen Hollywood abgelöst wurde, sich wie in der Musik zuvor ein neuer Typus von Lead Actors etablierte und Los Angeles - ähnlich wie Haight Ashbury, nur in größerem Maßstab - zum Anziehungspunkt von Rock- und Folkstars sowie einer neuen Generation Filmstars wurde.

Webster fand dieses neue Wonderland quasi direkt vor seiner Haustür. Und als ganz früher Vetreter der  damals neuen Rock N' Roll- Fotografie hielt er diesen speziellen Moment in der Geschichte von Tinseltown und Umgebung mit seiner Nikon fest. Obwohl es kein Handbuch gab um durch die Sixties zu navigieren, wie es der Künstler selberaudrückt, stürzte er sich in ein augregendes Kalifornien und hielt ab den Sixties viele der größten Celebs und Künstler fest: wer in L.A. wohnte oder Angel City besuchte wurde meist auch von Webster fotografiert. Seine teils traum- oder tranceartigen Impressionen  von den Doors, den  Stones, Mamas & The Papas, Jack Nicholson oder Dennis Hopper 
sind jedenfalls besser als jeder L.A.-Reiseführer zur Einstimmung auf Quentin Tarantinos kommenden " Once Upon A Time In Hollywood" geeignet.