Samstag, 18. November 2017

Ein Brite und die Entdeckung der Mikrotonalität: Jeff Beck Live At The Hollywood Bowl


Credit Coverbild: © Universal Music  Eagle Rock Entertainment
Er ist ein quintessentieller „guitarist´s guitarist“ - ein Virtuose, dessen beeindruckende Beherrschung der sechs Saiten in Musikerkreisen Ehrfurcht und Bewunderung erzeugt, dem jedoch der ganz große Erfolg im Mainstream immer verwehrt geblieben ist.
Vielleicht war es genau dieser Umstand, der den britischen Ausnahmegitarristen Jeff Beck rastlos und experimentierfreudig bleiben ließ.
Becks idiosynkratrischer, gänzlich unorthodoxer Spielstil ist eine faszinierende Benchmark in Sachen Ton-Manipulation: Seine Fender Stratocaster lässt er im wahrsten Sinne des Wortes einmal singen, plötzlich wimmern und im nächsten Moment kreischen. Beck balanciert auf der feinen Linie zwischen kontrollierter Aggression und Melodik. Mit seiner Kombination aus Volume-Swells, Whammy-Techniken und präzisen, mikrotonalen Bends und Tonverschiebungen nähert er sich auf instrumentalem Wege dem Ideal des menschlichen Gesangs an.

Dass sich Beck im Laufe seiner Karriere nie lange in eine Genre-Schublade zwängen ließ,
und mit Blues Rock, Rockabilly, Fusion-Jazz oder zeitgeistigem Electronic Rock experimentierte machte seine ohnehin anspruchsvolle, häufig instrumentale Musik für viele nicht eben zugänglicher. Jene Vielfältigkeit spiegelt sich auch in der Setlist des anlässlich des 50-jährigen Karriere-Jubiläums Becks in L.A. abgehaltenen Gigs wieder, dessen Mitschnitt nun von Universal/Eagle Rock released wird.
Unterstützt von einer  verhältnismäßig jungen Band (u.a. mit der hippen Gitarristin Carmen Vandenberg) spielt sich Beck durch eine Retrospektive seiner 5 Jahrzehnte andauernden Karriere und spannt den Bogen von frühen Yardbirds-Psychedelia-Hits („Heart Full Of Soul“ oder „For Your Love“) über robusten Blues-Rock („Beck´s Bolero“) und unterkühltem Fusion Jazz bis zum – nun ja, gewöhnungsbedürftigen – jüngsten Noise-Album „Loud Hailer“.
Das Bühnenbild der Konzert-Venue - der berühmte Hollywood Bowl in der Stadt der Engel - ist äußerst reduziert, geradezu nüchtern. Auf Showeffekte wird gänzlich verzichtet;  Let the music do the talking. Da es sich um ein Anniversary-Konzert handelt, dürfen natürlich auch prominente Gäste nicht fehlen: Mit Steven Tyler spielt er „Train Kept A-Rollin´“ – das seit Jahrzehnten zu einem Fixpunkt bei Aerosmith-Gigs zählt und das Jeff in der von Rockabilly zum Bluesrock-Stampfer umgedeuteten Version seinerzeit mit den Yardbirds spielte – verewigt u.a. in Michelangelo Antonionis Sixties-Kultfilm „Blow Up“.

Zum Blues und den frühen Inspirationsquellen des Jeff B. schließt sich auch der Kreis, wenn Beck mit  Buddy Guy eine besonders ruppig-ungeschliffene Version von „Let Me Love You Baby“ raushaut. Mit Keyboarder Jan Hammer duelliert er sich wie in den 70s im Fusion Bereich und mit Billy F. Gibbons von ZZ TOP gibt’s zwar leider keinen Texas Shuffle, dafür eine gefühlvolle 80s Ballade („Rough Boy“). Sänger Jimmy Hall (man hörte ihn auf dem 1985er Beck-Album „Flash“) wurde ebenso eingeladen, genauso wie Soul-Röhre Beth Hart, die bei  „I´d Rather Go Blind“ und „Purple Rain“  - als Tribute an den zum Zeitpunkt des Konzerts erst unlängst verstorbenen Prince – alle Register der Honky-Tonk-Koloratur zieht.
Eine illustre Gästerunde also - dennoch kommt man nicht umhin zu bemerken, wie viele prominente Kollegen und Wegbegleitern fehlen  - kein Slowhand, kein Jimmy Page mit dem Beck  in den Yardbirds spielte und kein Ronnie Wood und kein Rod Stewart – eine Reunion der 60s Jeff Beck-Group bleibt weiter Wunschtraum.

Fazit: „Live At The Hollywood Bowl“ ist eine schöne Werkschau einer wechselvollen Karriere. Gerade die DVD bzw. Blu ray des Hollywood Bowl Konzertes erlaubt es Gitarristen  dem Meister ganz genau auf die Finger zu schauen um herauszufinden, wie die Grenzen dessen ausloten ließ, was auf einer Gitarre überhaupt machbar ist.