Sonntag, 30. April 2017

EDGAR WALLACE - DAS GEHEIMNIS DER GRÜNEN STECKNADEL Mediabook

Credit Coverbild: © Koch Media
Dass er es mit der Trennung von beruflichem und privatem nicht ganz so genau nimmt, wird Enrico (Fabio Testi; Nachtblende ) dem  Sportlehrer eines Londoner Mädcheninternats, zum Verhängnis: Sein geheimes Verhältnis mit der Schülerin Elizabeth (Cristina Galbó) hätte an sich schon genug Potential ihn in die Bredoullie zu bringen. Doch als er sich während einer romantischen Bootsfahrt redlich bemüht, seine sich noch keusch zierende Flamme endlich zu knacken, passiert etwas Schreckliches: Während das „love boat“ die Themse entlang schippert, wird am Ufer ein halbnacktes Mädchen von einer schwarz gewandeten Gestalt verfolgt. Enrico bekommt von alldem nichts mit, hat er doch alle Hände voll zu tun, doch Elizabeth muss das grausame Schauspiel mit ansehen. Damit ist die romantische Stimmung logischerweise dahin. Enrico schenkt dem, was seine Freundin vermeintlich gesehen hat, zunächst keinen Glauben - zumal am Ufer keine Spur von einem Verbrechen zu finden ist. Doch kurze Zeit später wird die Leiche eines Mädchens am Themse-Ufer gefunden – schnell gerät Enrico ins Visier des ermittelnden Inspector Barth (Joachim Fuchsberger) und der Pädagoge kann wenig für seine Entlastung tun, ohne seine indezente Liaison zu offenbaren. Indes gehen die Morde an blutjungen Internatsschülerinnen weiter….
Credit Bild: © Koch Media
Mit den Dreharbeiten zu „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ (Originaltitel: Cosa avette fatto a Solange) ging eine der erfolgreichsten Äras des deutschsprachigen Kinos zu Ende: Ist diese deutsch-italienische Koproduktion aus dem Jahre 1972 doch der letzte offizielle Teil der Edgar Wallace-Reihe. Und wie schon Dylan wusste „The times they are a-changin“ – die neuen Zeiten, ein veränderter Publikumsgeschmack und damals aktuelle Genre-Trends machten auch vor dieser Filmserie nicht halt. Der finale Eintrag der Wallace-Reihe ist dann auch ein interessanter Fall eines Films der genau zwischen zwei Welten angesiedelt ist: im Spannungsfeld zwischen dem klassischen Krimi und dem (damals) neuen Genre des Giallo.

So ist dieser Streifen zwar offiziell Teil der Edgar Wallace-Reihe und basiert in Grundzügen auch auf der Story „The Clue Of The New Pin“ des britischen Autors  - dennoch handelt es sich bei der „grünen Stecknadel“ nicht um ein klassisches „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“-Werk der  Alfred Vohrer-Schule (siehe etwa „Die toten Augen von London“ oder „Das Gasthaus an der Themse“). An die klassischen Gruselkrimis aus deutschen Landen gemahnt hier nämlich nur der deutsche Teil des Casts, allen voran Blackie Fuchsbeger als ruhig ermittelnder Inspector und Karin Baal als gestrenge Ehegattin von Fabio Testis „Professor der Begierde“. Abseits davon ist der Film ein klassischer, lupenreiner „black gloves“-Giallo.
Credit Bild: © Koch Media

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Regie führte der Italiener Massimo Dallamano, der in den Sechzigern für die ersten zwei „Dollar“-Filme von Sergio Leone als Kameramann tätig war und als Regisseur in unterschiedlichsten (Sub-)Genes zu Hause war: von zeitgeistigen Dorian Gray-Variante mit Helmut Berger über die Polizioteschi-Gialli Kombination in „Der Tod trägt schwarzes Leder“
Die Kamera übernahm Aristide Massaccessi (aka Joe D´Amato) und für den traum-haften Soundtrack war niemand anderer als Maestro Ennio Morricone verantwortlich.

Der Film selbst ist typisch für die Italo-Thriller der early seventies, die bestimmenden Topoi sind Sex und Gewalt bzw. Lust und Strafe.
Das Giallo-Genre war ja immer wieder ein (a)moralischer Raum, in dem Vergeltung für eine in der Vergangenheit liegende Verfehlung/ein Unrecht geübt wird  - so sind auch Schuld und Sühne in der „Stecknadel“ die zentralen Trieb-Federn des Plots. Die Hauptfiguren werden durch ihre Laster und sexuellen Obsessionen ins Verderben gestoßen – der zügellose Trieb wird bestraft, Sex als Sündenfall. Der freudianische Eros und Thanatos waren sich in wenigen anderen Genres so nahe wie im Giallo.
Testi etwa wandelt in Dallamanos Welt nicht im Garten der Finzi Contini sondern im Garten der verbotenen Früchte – was schlichtweg nicht gut gehen kann. Die Schülerinnen des von außen ehrenwerten Jungmädchen-Colleges sind in diesem Giallo nur scheinbar unschuldig lächelnde, naive Girls. In Wahrheit haben es die frühreifen Nymphen faustdick hinter den Ohren und erinnern in an Vladimir Nabokovs Dolores Haze.
In welche Gefahr sie sich mit ihrem Handeln begeben, wird ihnen zu spät bewusst. Dass der Killer ein Messer in die Genitalien seiner Opfer stößt, wird zur offensichtlichen Allegorie auf die Defloration.
Der Film spielt gekonnt mit Motiven der damals  unheimlich erfolgreichen Erotikfilm-Reihe des "Schulmädchen-Report" und wirft einen – teils durchaus  voyeuristischen – Blick in die Duschkabinen eines Mädcheninternats - was man in diesem Fall durchaus aus wörtlich verstehen kann. Getreu dem Motto „Was Eltern nicht für möglich halten“
werden quasi die Schattenseiten der damaligen sexuellen Revolution aufgezeigt.
Credit Bild: © Koch Media
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Wobei festzuhalten ist, dass abseits dieses durchaus brisanten Subtextes und ein paar elativ drastischer Szenen, zahlreiche Gialli existieren, die weitaus mehr „sleaze and gore“ beinhalten. So mag dem Film
zur Zeit der Erstveröffentlichung aufgrund seiner Thematik etwas „Skandlöses“ angehaftet haben - Heute präsentiert sich „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ als ruhig inszenierter Genre-Vertreter mit für die early 70s typischem, teils etwas gemächlichem Tempo - wodurch der Zuseher nicht unbedingt „on the edge of the seat“ gefesselt wird.
Der Film ist dennoch ein mehr als solider Genre-Vertreter mit reichlich kultigem Viantge-Flair, der sich für Fans durchaus lohnt – insbesondere auch aufgrund der neuen, äußerst liebevoll gemachten Sammler-Edition aus dem Hause Koch Media.

Credit Bild: © Koch Media

Zur Mediabook Version:
Die „Stecknadel“ erhält von Koch Media das Deluxe Treatment mit einem attraktiven Mediabook mit gleich 3 Discs inklusive Booklet mit einem unterhaltsamen Essay von Paul Poet und einem informativen Interview mit  Schauspielerin Camille Keaton, der eine Schlüsselrolle in Dallamanos Giallo zukam.
Den Film selber erhält der Fan gleich in in mehreren Versionen:

1 Blu ray mit dem Film in der internationalen Langfassung
1 X Blu ray mit der deutschen Kinofassung
1X DVD mit der internationalen Langfassung

Die Qualität der neuen Abtastung ist jedenfalls ziemlich tadellos. Für das Alter des Films wird hier ein richtig guter Transfer des Vintage-Prints geboten.  Die internationale  Langfassung erweitert den Film um ein paar Szenen -  die meisten davon würde man zwar nicht vermissen, gegen Schluss zu gibt es jedoch eine Schlüsselsequenz, die sich für die Auflösung des „murder mystery“ als wesentlich erweist.
Die Bonus-Features der Discs sollte man keinesfalls skippen- hier gibt es u.a. Interviews mit Fabio Testi, Karin Baal oder Pilar Castel sowie eine fast einstündige Doku namens „German Grusel“, die sich dem Kultphänomen Wallace widmet.

Es gibt zwar fraglos bessere Gialli als „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ -  aber diese neue Koch-Edition ist schlichtweg ein Sammler-Traum.