Der texanische Filmemacher Wes Anderson zählt fraglos zu den
markantesten und eigenwilligsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Kinos.
Unverwechselbar seine viel zitierte Bildsprache, beispielhaft skurril seine
liebenswert-verschrobenen Filmfiguren, hintergründig die merkwürdigen Dialoge
und außergewöhnlich die Themen seiner Werke. Als Drehbuchautor und Regisseur
hat der kunstaffine Anderson – man erinnere sich an seine kuratorische
Tätigkeit für das Wiener Naturhistorische Museum vor einigen Jahren – eine
einzigartige cineastische Welt erschaffen. Bei einem Streifzug durch ebenjene entdeckt
man in beinahe jeder Filmszene ein neues Exponat; die mittlerweile ikonische
Bildsprache Andersons mit ihrem Schau-/Setzkasten-artigen Arrangement tut ihr
Übriges, um den musealen Charakter seiner Filme noch zu unterstreichen.Credit Bild: © Prestel Verlag
Im neu erschienenen Buch „The Museum of Wes Anderson“ kann der Leser nun
in diese eigenwillige Welt dysfunktionaler Familien, historischer Querverweise
und märchenhafter Plots eintauchen. Nun könnte dieses Buch einfach eine
retrospektivische Werkschau oder ein „Best Of“ der bisherigen Anderson-Filmografie
sein. Mit Werken wie den „Royal Tenenbaums“, „Grand Budapest Hotel“ oder „The
French Dispatch“ gäbe es schon genug Material. Doch dieser Hardcover-Band ist
weit mehr. Jedes Kapitel gleicht einem Raum jenes fiktiven, titelgebenden
Kulturinstituts – tatsächlich hat man es hier mit einem faszinierenden Museum
in gedruckter Form zu tun: kuratiert, editiert, selektiert.
Dieses Buch ist mindestens so verschroben wie die Werke Andersons: Zu den kuriosesten Exponaten gehören ein Rezept für ein Schinken-Sandwich aus dem Café Le Sans Blague aus „The French Dispatch“, die Entstehungsgeschichte des eigenwilligen Getränks aus „Moonrise Kingdom“ oder das Geheimnis hinter „L’air du Panache“, dem Parfüm des Concierge aus „The Grand Budapest Hotel“. Ein Weg führt in die Garderobe-Abteilung mit Gwyneth Paltrows Pelzmantel oder dem Björn-Borg-Outfit, beide aus den „Royal Tenenbaums“. Im Auditorium werden Filme gezeigt, die den Regisseur selbst geprägt haben. Gerade in diesem Kapitel bietet das Buch eine filmwissenschaftliche Abhandlung über offensichtliche und versteckte Einflüsse, die das Werk des Regisseurs geformt haben. Dabei treten wenig bekannte Aspekte zutage, wie dass Anderson von Francis Ford Coppola und „Apocalypse Now“ geprägt wurde.
Das „Wes Anderson Universum“ wird hier zu einem kulturhistorischen Kuriositätenkabinett, wie es im Kosmos des Regisseurs viele gibt: So wie Anderson selbst ist dieses Kompendium detailverliebt und tiefgründig.
Seine Filme sieht man nach der Lektüre definitiv mit anderen Augen, ist dieses Buch doch ein Schlüssel für ein
tieferes Verständnis dieses großen Auteurs und Stilisten.
The Museum of Wes Anderson, von Johan Chiaramonte, Camille Mathieu, erschienen im Prestel Verlag