Montag, 19. Oktober 2020

TRIBUTE: COCKER POWER – AUF TOUR MIT DEN MAD DOGS & ENGLISHMEN

Credit Bild: ©Jim McCrary Getty Images

Fast könnte man meinen, dass angesichts der zahllosen prestigeträchtigen Bildbände, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen sind mittlerweile die gesamte jüngere Musikgeschichte eingehend beleuchtet wurde und mit einem oder mehreren Büchern bedacht wurde. Dennoch gibt es sie noch: die „weißen Flecken“ auf der coffee table-Landkarte und die bislang noch nicht retrospektivisch erschlossenen Kapitel der Rock-Historie: Der jüngst erschienene Band „Tribute: Cocker Power“ (Insight Editions) ist so ein Fall. Anders als es der Titel zunächst vermuten lässt hat man es hier jedoch nicht mit einer  karriereumfassenden Rückschau auf das Leben des 2014 verstorbenen Sängers zu tun Vielmehr widmet sich die Autorin/Fotografin Linda Wolf einem ganz speziellen Kapitel im Oeuvre des Mannes aus Sheffield: der nur knapp ein Jahr andauernden „Mad Dogs And Englishmen“-Periode von 1970. In den Achtzigern hatte Joe Cocker mit Hits „Up Were we Belong“ oder „You Can Leave Your Hat On“ sicher die größeren Mainstream-Erfolge, doch diese Frühphase nimmt im Herzen vieler Fans einen besonderen Platz ein. 

Vor genau 50 Jahren  brachen Cocker und seine Mitmusiker (unter ihnen Rita Cooidge, Jim Gordon, Jim Keltner, Carl Radle, Bobby Keys und Chris Stainton) zu einer 2-Monatigen Tour auf aus der ein Konzertfilm und ein Livealbum hervorgingen. Die Mad Dogs waren eine Gruppe die ganz dem Zeitgeist entsprechend keine Genre -Barrieren kannte. Stets unter der Führung des genialischen „Master Of Space And Time“ Leon Russell, der als “Space Captain“ seine Crew vom Rock zum Jazz und Soul und wieder zurück manövrierte. Lange sollte es die Mad Dogs zwar nicht geben, doch in dieser kurzen Zeit waren sie fraglos einer der besten Bands. Die damals 20-Jährige Linda Wolf war die offizielle Tourfotografin und hautnah mit dabei. Ihre treffsichere Beschreibung der damaligen Zeit im O-Ton: "It was a two-month traveling hippie circus that left hotel managers tearing their hair out, concert promoters screaming about a dog on stage, girls dancing naked on the rooftops of a New York city hotel, and forty-three people, including three kids and a five-person film crew, traveling together on a private jet that had COCKER POWER painted on it’s side. It was pure art and one of the greatest rock-and-roll tours of all time." 

Credit Bild: ©  Linda Wolf    Insight Editions
In “Tribute” kann man diese Zeit nun zumindest ein Stück weit nacherleben. Wolf ist stets nah dran an der Band, ihre Bilder wechseln zwischen Aufnahmen die fast schon als „candid shots“ bezeichnet werden können und  ikonischen Schnappschüssen onstage. Dabei ist sie eine Meisterin darin, Atmosphären einzufangen. Man spürt die damals vorherrschende Kameraderie innerhalb der Band, ebenso merkbar ist das Knistern in den Schatten des Fillmores. Beeindruckend auch ihre Aufnahmen vom jungen Publikum, in dem jeder Konzertbesucher einen ganz eigenen Style hat, ein starker Kontrast zum heutigen, oft geradezu uniformiert auftretenden Live-Publikum. Wer Cocker-Fan ist, wird von alldem  nicht genug bekommen können. Nach gut 200 Seiten des insgesamt 336-seitigen Buchs gibt es dann einen Zeitsprung ins Jahr  2015 zum Lockn’ Festival bei dem mit zahlreichen kontemporären Granden der Roots-Szene wie Chris Robinson, Warren Haynes, Doyle Bramhall II und dem Ehepaar Tedeshi-Trucks sowie Members der Mad Dogs-Band wie Leon Russell oder Chris Stainton ein Tribute-Konzert für Joe Cocker abgehalten wurde. Die Bilder dieses Gigs illustrieren die nachwirkende Bedeutung von Cockers und Russells Musik,  haben aber auch teilweise etwas wehmütiges, - „time waits for no one“ - jedoch gelingt es der Autorin dadurch einen sehr schlüssigen Bogen von der fernen Vergangenheit des Jahres 1970 zur jüngeren Vergangenheit zu spannen: Zum 50. Anniversary der Mad Dogs And Englishmen schließt sich mit diesem „Tribute“-Buch jedenfalls auch ein Kreis.

Credit Bild: © Insight Editions