Freitag, 27. Dezember 2019

ROBBIE ROBERTSON - SINEMATIC

Credit Bild: © Universal Music   Robbie Robertson
„I Hear You Paint Houses“ – ich habe gehört, dass du Häuser anstreichst: Was betont harmlos klingt, hat in Wahrheit nichts mit den Diensten klassischer Maler und Anstreicher zu tun. Vielmehr handelt es sich um knallharten Gangster-Slang und bedeutet, dass ein Killer des organisierten Verbrechens bei einem Auftragsmord die Wände der Häuser mit dem Blut seines Opfers bespritzt. Diese unheimlich anmutende Phrase ist auch der Titel des Openers des neuesten, mittlerweile sechsten Solo-Studioalbums von Robbie Robertson.
Er bezieht sich mit diesem Song  thematisch auf Martin Scorseses Netflix-Hit „The Irishman“ (der Film wiederum basiert auf dem True Crime-Buch „I Heard You Paint Houses“, für den Streifen der Regielegende arbeitete Robertson auch am Soundtrack mit).
„Film“ ist auch gleich ein passendes Stichwort, denn wie das Wortspiel im Titel dieser Platte schon vermutet lässt, sitzt Gitarrist und Songwriter Robertson diesmal im roten Samtsessel eines klassischen Lichtspielhauses.

Wer dachte, dass die „The Band“-Legende  2019 – also zum 50th Anniversary des geschichtsträchtigen Jahres 1969 in dem auch er einige seiner größten musikalischen Triumphe feierte – auf der reinen Nostalgiewelle surfen würde, kennt den eigenwilligen Kanadier schlecht. Seine noir-inspirierten Narrationen vor einem instrumental unheimlich dichten Background sind keine wehmütige Reminiszenz an „Music From Big Pink“. Vielmehr fügt er seiner Diskographie eine logische Ergänzung hinzu. Und ein wenig Retro ist auch dabei – immerhin haben viele dieser Robertson´schen Nachtstücke einen starken Eighties-Touch, als wären sie die Untermalung für die Retro-Noir-Welle Achtziger. Neben diesen Kammerstücken gibt es am Schluss auch noch eine Komposition im Breitwand-Western –Stil: Ennio Morricone meets Hans Zimmer.
„Sinematic“ ist sicher nicht das am leichtesten zugängliche Album 2019 -  es ist jedoch zu keinem Zeitpunkt so spröde wie der Vorgänger „How To Become Clairvoyant“.
Es ist ein introspektives Bilanzziehen und eine Neuinterpretation bzw. ein Neu-Arrangement bekannter Leitmotive und Versatzstücke und weist damit durchaus Parallelen zum jüngsten Film seines Kumpels Marty auf.