Donnerstag, 4. Juli 2019

BRUCE SPRINGSTEEN – WESTERN STARS

Credit Bild: © Sony Music

Gemächlich, gänzlich ohne jegliche Eile rollt der Pickup-Truck, das Detroiter Symbol für den amerikanischen Blue Collar-Arbeiter, den schier endlos scheinenden Highway entlang. Ohne erkennbares Ziel folgt der Fahrer des in die Jahre gekommenen Wagens der Straße ins Nirgendwo, direkt durch das Herz Amerikas vorbei an einem wilden Mustang, der seine Kreise in einer dichten Staubwolke zieht.

Es sind diese so archaisch wie ikonisch anmutenden Bilder der letzten großen „Frontier“, die vor dem geistigen Auge des Zuhörers der jüngsten Platte des Boss entstehen. Nicht von ungefähr heißt sie „Western Stars“,  ist allerdings dennoch kein reinrassiges Country-Album. Jenes Genre hatte ja schon immer einen festen Platz im Songwriting-Koffer Springsteens, für seinen musikalischen Neo-Western bedient er sich jedoch gekonnt an Genre-Versatzstücken ohne gänzlich ein traditionelles Hillbilly-oder Alt-Country-Werk einzuspielen.
Angekündigt war das Album auch als Springsteens Hommage an den Southern California Pop der späten Sechziger und frühen Siebziger, dies hört man insbesondere an den teils stark dominierenden Streichern-Arrangements, die den Geist dieser Zeit atmen sowie den euphonischen Akkordfolgen, die eine wilde Westcoast  evozieren. Die Charaktere, welche die neuen Lieder bevölkern sind typische Springsteen´sche Helden, die genauso gut von Salinger oder Joyce stammen könnten. Die Rolle des gänzlich unbeschwerten Hero ? Der Boss hatte ihn nie auf seiner Casting-Liste.

„Western Stars“ geizt zwar nicht mit Bombast, gerade wenn die mächtige Streicherwand den Hauptdarsteller unzähliger Country-Songs, das berühmte „lonesome  Feeling“, begleiten, insgesamt ist es jedoch introspektiv und zurückgenommen.
Diese gedämpfte Grundstimmung könnte als eine Bestandsaufnahme des Status Quo der Vereinigten Staaten anno 2019 gedeutet werden. Doch obwohl es genau in Trump-Zeiten erscheint und Springsteen nicht eben ein unpolitischer Musiker ist, hat man es hier nicht mit einer Abrechnung mit der aktuell im Amt befindlichen Administration zu tun.
Der Boss hat universellere Themen im Blick, „Western Stars“ ist eine so tiefenentspannte wie zeitlose Erzählung, eine schwermütige Working Class-Serenade. Also typisch Springsteen eigentlich. Man hat ihn – Stichworte: Nebraska und Born To Run– zwar schon mit mehr Verve und Abwechslungsreichtum musizieren gehört – doch als Panorama von short stories aus dem Heartland ist das betont unaufgeregte und introspektive „Western Stars“ sehr effektiv.
Credit Bild: © Sony Music