Sonntag, 23. April 2023

HELMUT NEWTON - A GUN FOR HIRE

Credit Coverbild: © Helmut Newton Foundation, Berlin  Taschen Verlag
"Die fotografische Arbeit mancher Menschen ist Kunst. Meine nicht. Wenn meine Fotos zufällig in einer Galerie oder einem Museum ausgestellt werden, soll es mir recht sein. Aber das ist nicht der Grund, warum ich sie mache. Ich bin ein "Auftragskiller"" sagte Helmut Newton 2004 zu Newsweek. Das mag Koketterie gewesen sein - immerhin zählt der gebürtige Berliner zu den Schlüsselfiguren moderner Art Photography -  thematisiert jedoch auch den ewigen Widerstreit zwischen hehrer Kunst und (vermeintlich?) niederem Kommerz. Für Newton war ebenjener Konflikt zumindest kein allzugroßes Dilemma und viele seiner ikonischsten Aufnahmen entstanden als er als er sich als Auftragskiller, also als „Gun For Hire“,  in den Dienst des Höchstbietenden - in diesem Fall Hochglanzmagazine und Luxus Brands - stellte. 

Als "Waffe" hatte er jedoch keine Pistole von Smith & Wesson im Anschlag sondern eine Kamera von Rolleiflex, welche die gazellengleichen Fashion Victims ins Visier nahm. Gerade wenn es um die Frühphase im Newton´schen Schaffens geht, zählen diese Arbeiten zu seinen Bedeutendsten, begründete er mit Arbeiten für die französische Vogue, doch seinen internationalen Ruhm.

Kate Moss für Yves Saint Laurent Spring/Summer 1993
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation, Berlin
Im von seiner Ehefrau June kuratierten und nun in überarbeiteter Version neu aufgelegten Bildband "A Gun For Gire“ kann man nun eine Auswahl der von den frühen 1960er-Jahre bis 2003 entstandenen Auftrags- und Modefotografien Newtons bestaunen. Es sind Arbeiten  u.a. für BiBA (erster Modekatalog 1962), Chanel, Yves Saint Laurent, Versace, Thierry Mugler, Blumarine, Villeroy & Boch oder Absolut Vodka sowie seine letzten Bilder für die amerikanische und italienische Vogue - sie alle eint die typische Bildsprache Newtons, die so stark war wie seine Amazonen in der "World Without Men".

Auffallend auch schon bei den frühen Werken: das Signature-Element des Cineastischen. Abseits von Heels, Nylons und Lingerie (oder dem bahnbrechenden Le Smoking von YSL) steht die Mode nicht unbedingt im Vordergrund. Das Close Up  mit dem Fokus auf feinen Zwirn trat in den Hintergrund , die Fashion war an diesen Bildern oft das am wenigsten Interessante. Als „professioneller Voyeur“ zelebrierte Newton neben dem Filmzitat genüsslich den gepflegten Tabubruch. Das sorgte schon damals für Kontroversen,  der „Male Gaze“ war jedoch ein maßgeblicher Teil des einflussreichen Stils dieses Fotografen und seiner immensen Popularität. Moderhäuser und Brands waren selbst daran interessiert herauszustechen und wollten  08/15-Kampagnen und Sujets tunlichst vermeiden  - wenn man das Ungewöhnliche, das Provokante wollte, dann rief man Helmut den Profi.                                    Angesichts der abnehmenden Experimentier-Freudigkeit aktueller High Gloss-Magazine wären manche dieser Sujets heute beinahe undenkbar. Gerade dies macht die in "A Gun For Hire" im Großformat reproduzierten Werke noch faszinierender, gewähren sie doch einen Einblick in eine Ära der Modeszene in der es weniger künstlerische Schranken gab. 

BibA Katalog, 1968
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation, Berlin

Monica Belluci für Blumarine, 1993
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation, Berlin

Villeroy & Boch 1985
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation, Berlin

Bikini Kalender des Sportmagazins, 2002
Credit Bild: © Helmut Newton Foundation, Berlin

A GUN FOR HIRE, Helmut Newton, June Newton, Matthias Harder, Hardcover, 23 x 30,5 cm, 1,85 kg, 240 Seiten, mit einer Einleitung von Matthias Harder und Statements von June Newton, Pierre Bergé, Tom Ford, Josephine Hart und Anna Wintour. Erschienen im Taschen Verlag, 

Ausstellungshinweis: Passend dazu läuft noch bis zum 14. Mai 2023 Ausstellung "Helmut Newton Brands"  in der Helmut Newton Foundation Berlin, in der die Kooperationen der Künstlers mit internationalen Marken beleuchtet wird.